Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 06, 1901, Sonntags-Blatt, Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    W
Der Menschenläng.
Pariser delle von Emile Zola.
sAutoristrte Uebersetzung aus dem
Manustript.)
Jm »Jardin des Planteå" war es
eines Tages einem Löwen und einer
Hyäne gelungen, ihre Kösige zu öff
nen die nur nachlässig verschlossen ge
wesen waren.
Ein heller Morgen war ’.s und lu
stig leuchtete die Sonne am Rande des
bleichen Himmels. Unter den mäch
tigen Kaitanienbäumen herrschte die
seuchte, dämpsige Frische des werden
den Frühlings. Die beiden biederen
Viersiißler, die soeben reichlich ac
sriihstiictt hatten, wandelten durch den
Garten mit schlengerndem Behagen,
indem sie zuweilen stille standen um
sich zu belecken und mit Wollust die"
Annehmlichkeit des herrlichen Tages
zu genießen. Am Ende einer Allee
begegnete-i sie einander, und nach Aus
tauich der üblichen Höflichkeiten setzten
sie ihren Spaziergang gemeinschaftlich
fort, in traulich tameradichaftlichsm
Geplauder. Es dauerte aber nicht »
lange, da sing der Garten an, sie zuj
langweilen; auch kam er ihnen sehr
tlein bor. Sie beriethen nun, welchem .
Vergnügen sie ihren Tag widmens
sollten. ;
,Meiner Treu«, meinte der Löwe,
»ich hätte nicht übel Luft, eine Grille
In befriedigen, die mir schon lange im
Kopf berumgeht. Es sind jetzt viele
Jahre her, dasz diese Menschen aelaisp
fen tommen, um mich in meinem Kä
fig anzustarren und anzustaunen, wie
rechte EinsaltspinseL Ich habe mir
daher fest vorgenommen. bei hsr er
sten, sich bietenden Gelegenheit hinu
gehen, um mir diese Kerle in ihrem
Käfig anzuschauen, selbst aus Die
Gefahr hin, ihnen ebenso dumm tu
erscheinen, wie sie mir. . .. Ich ichs-see
Dir also einen kleinen Spaziergang
nach dem Menschentäfia vor.«
Jn diesem Augenblick begann das
erwachende Paris zu pusten und zu
schnarchen, so dröhnend, so gewaltig,
baß die Hyäne wie gebannt Oben
blieb und voll scheuer Unruhe hin
horchte. Dumps und drohend klang
die Stimme der Stadt herauf Her
vorgebracht durch das Gepolter der
Wagen und das Geschrei in den Stic
ßen. alich dieses Lärmen einem tol
len WuthneheuL vermischt mit Etdh
nen und Todesseufzekm
»Mein quier Gott!« murmelte die
Hväne, ,.sie erwürgen sich nenns-, in
diesem Käfig. Höre. wie sie zornig
sind und wie sie brüllen.«
»Wohrhaftig, sie mark-n einen
gräuiichen Lärm". sagte der Löwe.
»Vieellichi quält sie gerade ein Thier
bändiger.«
Das Getiise schwoll immer meh:
an, so daß die Hyäne tvirtlich Angst
bekam.
»Meinst du, daß es llua sein wirb,
sich da hinein zu wagen?« sragie sie
furchtsam.
»Verb, sie werden uns nicht fressen",
antwortete der Löwe. »Zum Henker
auch, tonmi’ nur! Die Meusxben
scheinen sich ja recht nett herumzubali
gen, und das wird uns woh! zu Sichen
geben«
sit it i
Jn den Straßen schlichen sie be
scheiden an den Häusern entlang.
Wie sie an eine Kreuznng lamen,
wurden sie plötzlich vom Strom der
Menge mit fortgerissen. Sie solnten
diesem Zug, der ihnen ein interessan
tes Schauspiel versprach. Bald de
sanden sie sich aus einem weiten Platz
aus dem sich ein ganzes Voll bis zum
Zerquetschen drängte. Jn oer Mitte
war ein Gerüst aus rothem Holz aus
geschlagen. Aller Augen waren da
raus gerichtet mit einer Art von gie
rigem Verlangen und Verzstiigetn «
»Siehst du«, sagte mit leiser Stint
me der Löwe zur Hyäne, »diese-z Ge
riist ist ohne Zweifel ein Tisch, aus
dem tnan eine gute Mahlzeit austra
gen wird siir alle diese Menschen, die
sich schon die Zunge « darnach letter-.
Nur erscheint mir der Tisch dort ein
wenig llein für diese Horde drin
Hungrigen.«
Kaum er diese Worte gesprochen
hatte, stieß die Menge ein Getnnrmel
der Besriedigung aus, und der Latr-e
erklärte, jetzt müßten die Speisen an
tonunem wahrscheinlich brächte sie der
Wagen, der dort in tollem Galopp
heransuhr. Aus dem Wagen «zo«1,
man einen Menschen heraus-, setzte il,n
aus das Gerüst und schnitt ihm mit
'großer Geschicklichleit den Kopf ab.
Sodann legte man den Leichnam in
einen anderen Wagen und beeilte sich«
ihn slüchtend vor detn Heißhunaer Der
Menge zu bergen, die, ohne Zweifel
aus Nahrungsgier, laut ausheulte.
»Schau, man ißt den nicht!« riei
enttäuscht der Löwe.
Die Hnäne fühlte einen leiten
Schauer durch ihre Borsten gehen.
»Z« was sür Ungeheuren hast tu
mich gesiihrt«, saate sie vorwurissssall
zu ihrem Genossen. »Sie tisdtem
ohne Hunger zu haben. llm Hin-.
melswillem trachten wir so schnell als
möglich von ihnen tvegzutotntnen!«
si- « i
Als sie den Platz verltssen halten«
schlugen sie die Richtung nach den:
äußeren Boulevard ein nnd gingen
aanz behutsam an den Quais entlang
Wie sie zur Altstadt tamen, bemerkten
Sonntsrgs Glauk
Beilage des ,,Ncbraska Staats-Auzciger und Herold«
J. P. Wind-sph, Herausgehen
Grund Island, Nebr» den li. Sept. 1901
Jahrgang 22 No. 1
sie hinter der Notre-Dame-Kirche ein
langes, niedriges Haus, in das die
Vorübergehenden eintraten, wie man
in eine Marttbude tritt, um irgend ein
Phänomen zu sehen, und das sie mit
verwunderten Gesichtern wieder ver
ließen. Uebrigens bezahlte man we
der beim Hineim noch beim Heraus
gehen etwas. Der Löwe und die
Hyäne gingen der Menge nach, und
da sahen sie nun, ausgestreckt auf
langen Platten, Leichname liegen, de
ren Fleisch von Wunden durchlöchert
oder wie vorn Wasser ausgedunsen
war. Die Zuschauer betrachteten in
stummer Neugierde mit kühlen, ruht
gen Blicken die todten Leiber.
»Nun, was sagte ich?« murmelte die
Hyänr. »Sie tödten nicht, um zu
essen. Schock doch, wie sie die saftig
sien Nahrungsmittel verderben las
sen...«
Als sie sich wieder auf der Straße
befanden, tamen sie an einem Metz
gerladen vorbei. Ganz roth war das
Fleisch, das hier an blanken eisernen
Haken umherhinaz hoch hinaus an den
s Wänden war es aufgestapett und in.
diinnen Fäden rieselte dag Blut da-.
rang hervor aus die Marmorplatten
des Bodens. Düster und roth leuch
tete die ganze Halle.
»Sieh’ doch«, sagte der Löwe, »du
behauptest, daß die Menschen nicht
essen. Da haben sie einen Vorrath
aufgehäuft, mit dem die ganze Fio
lonie unseres Gartens auf volli acht
Tage oersorgt werden könnte. Ob
das wohl Menschenfleisch ist?«
Die Hyiine hatte, wie bereits be
merkt wurde, reichlich gefriihstiicki.
,,Pfui«, sagte sie, indem sie sich ab
thndete, »das ist etelhaft. Mir wird
ganz übel vom Anbiick dieser Fleisch
I massen.«
.-. .«. .
sw
,,Bemertst dii«, nahm nach einiger
Zeit die Hnäne wieder das Wort, »be
mertit du diese dicken Thüren iind die
riesigen Schlösser daran? Die Men
schen sperren sich durch Holz und Ei
sen von ihresgleichen ab, aus Furcht,
von einander verschlungen zu werden
Und an jeder Straßenecke stehen
Leute, mit Säbeln bewaiinet uin den
öffentlichen Anitand aufrechtzuerhal
ten. Sind das wilde Bestien!«
Jm selben Augenblick raste ein Au
toniobil vorüber, das ein Kind unter
feinen Rädern zeraiietschte, so daß das
Blut aiisspritzte biS in des Löwen Ge
sicht.
»Aber das ist ja entsetzlich«, rief er
aus, Indem er sich mit einer Piotc
säuberte. »Man tann ia nicht zwei
Schritte in Friedn machen. Es rea
net Blut in diesem Menschentäfig..«
»Jn der That«, meinte die Hyäne,
»sie haben diese rollenden Maschinen
nur erfunden, um so viel Blut wie
möalich zu betominen. Das-— sind
vielleicht die Pressen, um aus den Lei
bern das Blut zu teltern. Seit Kur
zem bemerke ich auch auf Schritt und
Tritt verpestete Baden, in deren Hin
tergrund Männer sitzen die aus ho
hen Gläsern eine rothe Flüssigkeit
trinken, die gewiß nichts Anderes ist
als Blut. Sie trinken große Mengen
dieses rothen Saftes, wahrscheinlich
um sich bis zur Mordwiitli zu berau
schen, denn in mehreren dieser Lolale
sah ich, wie die Trinter einander mit
den Fäusten niederschlugen.«
»Ich begreife jetzt auch«, nahm der
Löwe tviedr das Wort, »die Nothwen
digteit des großen Baches, der mitten
durch ihren Käsia fließt und den sie
Seine nennen. Er reinigt den Käfig
und nimmt alles vergoisene Blut mit
fort. Die Menschen müssen ihn selber
hieher geleitet haben. aus Furcht von
der Pest wahrscheinlich. Auch» werten
sie alle Ermordeten da hinein. . . .«
»Wir wollen lieber nicht mehr über
die Brücke gehen«, unterbrach ihn die
Hyiine zusainnienschaueriid . . . »Bist
du nicht auch müde? Es wäre viel
leicht tliiger, jetzt heimzuwandern.«
III Il- Il·
Ich tonnte den guten Thieren nicht
Schritt siir Schritt .solgen. Der
Löwe wollte Alles sehen, und die
Hviine, beten Schreck bei jedem
Schritte wuchs-, mußte ihm wohl oder
iibel folaen, da sie eg nicht nin Alles
gewagt hätte, den Rückweg allein an
zutreten. Als sie an Den Börsenpa
last kamen, erreichte sie durch instän
diges Bitten tveniqstens so viel, das-,
man nicht da hinein ging. lss dran-s
gen aus dieser Mördernrnbe solche
Klagelaute, ein so griiuiichez Ge
schrei, daß sie zitternd vor der Thitr
·hielt und ihr die Borsten zu Berge
standen.
»An-uns schnell, schnellt« rief sie
und versuchte, den Löwen mit fortzu
ziehem »Da ist aewiß der Schauplatz
des allgemeinen Gemetzels Hörst du
das Seufzen und Stöhnen der Opfer
und das Freuden geheul der Henker?
Es muß die Schlachtbant sein, die alle
Metzgerbuden versorgt. Machen wir
um Himmelswillem dasz wir weiter
kommen!«
Der Löwe, den auch bereits die
Furcht ergriffen hatte und der schon
den Schweif einzog, gab gerne nach.
Er floh nur nicht geradezu, weil er
ja feinen Ruf des Muthes und der
Tapferkeit nicht aus das Spiel setzen
durfte. Nobicssc obiigd Jn sei
nem Jnnersten aber klagte er sich schon
der Verwegenheit an und sagte sich,
daß ihn das Gebrüll von Paris diesen
Morgen doch hätte zurückhalten sol
len, in diese wilde Menagerie einzu
dringen.
Der Hyäne klapperten vor Furcht
die Zähne, und Beide schlichen vor
si tia weiter und trachteten, nach
Hause zu kommen. -
si- e- si
Und siehe da, plötzlich erhebt sichein
dumpfes Gebrause von den Ecken deLJ
riesigen Menschenläfigs her. Die Lä
den schließen sich, die Sturmqlocke
schlägt an und sendet ihr beängstigen
des Stöhnen und Wimmern durch die
Luft.
Bewaffnete Menschenhaufen stür
men durch die Straßen her, füllen sie,
reißen das Pslaster auf und errichten
in Eile Barrikaden. Das Gebrüll
der Stadt ist verstummt, schweres-,
diisteres Schweinen herrscht ringsum.
Die menschlichen Bestien schleichen
lautlos, sie kriechen längs der Häuser
hin, lauernd, sprungbereit. Bald
auch schnellen sie empor, das Gewehr
feuer beqinnt, Von der tiefen ernsten
Stimme der Kanone begleitet- Das
Blut fließt, die Todten liegen mit dem
Gesicht in den Gossen und Bächen, die
Verwandten jammern! Es haben sich
im szJJtenschentäfig zwei Streithausen
gebildet, und nun vergniigen sich diese
Ungeheuer damit, sich untereinander
zu erwiiraen.
Sobald der Löwe begriffen hatte
worum es sich da handelte, rief er
aug: »Mein lieber Gott errette ung
aus der Bedrängnisz! Jch bin gehörig
bestraft dasiir, daß ich dem thörichten
Gelüste nachgab und diese fürchterli
chen Fleischsresser aufsuchte. Wie
sind doch unsere Sitten milde im
Vergleich zu den ihren! Nieman mor
den wir uns und fressen wir uns un
tereinander auf.« Und zur Hyiine
wendend, fuhr er sort: «Gehen wir
schnell! Nehmen lvir Reißaiigk Spie
len mir nicht länger die Beherztenl Jet)
fiir meinen Theil gestehe, das-, mir
vor Schreck die Knochen im Leibe zit
tern. Stichen wir denn schleunigst
aus dieser barbarischen Gegend fort
zukommen!«
Voll Scham und Schauder und
banger Furcht ergriffen Löwe und
Hyiine die Flucht. Jmmer schneller
und verzweifelter stiirrnten sie dahin,
vom Entsetzen gepeitscht Die schreit
lichen Erinnerungen an die Erlebnisse
dieses Tages stachelten ihre Schritte
zu iiberstiirztem Laufe.
So kamen sie athemlos beim »Juki
din des Plantes« gn. Noch sahen
ste sich zitternd um. Dann erst wag
ten sie, sich auszuschnausen Aber ei
ligst warfen sie sich in einen leeren
Käfig, deiIen Thiir sie mit allen Kräf
ten hinter sich verschlossen. Und nun
ergossen sie sich in serudigen Beglück
tviinsehungen über ihre glückliche Wie
derkehr.
»Mich«, sagte der Löwe, »soll nichts
in der Welt jemals dazu bringen, mei
nen Käfig zu verlassen, um mich in
dem der Menschen herumzutreiben
Es giebt doch kein Gliicl und keinen
Frieden außerhalb dieser meiner be
haglichen civilisirten Zelle» «
E L E
Wie er die Hyäne die Eifenftäbe deg
Räfigs einen nach dem anderen sorg:
fam abtaften fah, fragte er: »Was
nnterfuchft du denn fo eifrig?«
»Ich sehe nach«, erwiderte sie, ,,ob
diefe Stangen auch feft genng find,
um uns ausreichenden Schutz zu ge
währen wider die Wildheit der
Menschen«
——s———s.- «-——
Als dem türlifchen Sultan Rud
yard Kipling’s Lied vom »abfent:
minded beggar« vorgelegt wurde,
ließ er es sofort durch den Cenfor
verbieten. Man kann es ihm nicht
verdenten, er muß oft genug hören:
espans pay- pay«’
sy- sis is
Auftern sind gefund, wenigstens hat
man nie eine über Krankheit klagen
hören.
se- is· «
Ontel Sam hat das größte «stehen
de Heer« von Pensions-km
Guten Appetit scheinen die Volks-vertre- !
ter m England zu haben. ;
Eine interessante Statistik veröH
fentlicht ein Londoner Blatt, indem es ?
mittheilt, wie groß der Hunger der!
englischen Vollsvertreter während der
letzten Tagung gewesen. Obwohl die
Kammern 15 Tage später einberufen
wurden als im vergangenen Jahre,
sind doch diesmal 20,000 Mahlzeiten
mehr fervirt worden, die 13,0()0 Spei
sen nicht mitgerechnet, welche auf das
Conto der Journaliften kommen. Jm
Ganzen lieferten die Kuchen der
Kammerm 21,415 Dejeuners, 83,
255 Diners, 754 Soupers, 40,020
Portionen und 6240 kalte Speisen.
Eine dankenswerthe Vervollständigung
würde diefe Statistik aufweisen,
wenn sie auch verriethen, wie viel Ge
tränke dazu confumirt worden sind.
«——.-. .—.——-—.
Unangenehme Verstümtnelnng einer Dei
peiche tu Bayern.
Die Allgemeine Zeitung in München
erzählt folgendes Geschichtchen: Eine
höhere Tochter kommt aus dem Pen
sionat ins Elternhaus in der Stadt zu;
riicl. Der Hausarzt empfiehlt dem
Vater, fie so bald als möglich aufcs
Land zur Kräftigung zu schicken. Mit
der Bitte, doch bald über ihr Befinden
Nachricht zu geben, entführt der Zug
den Abschied tvinlenden Eltern die
Tochter. ——- Tage vergehen, ohne daf-,
eine Nachricht eintrifft; den Eltern
wird es ängstlich zumuthe, der Vater
gibt ein Telegramm auf: »Sefort tell
geaphiren, wie es Dir geht.« —- Nach
mehrstiindiaem Harren trifft endlich
folgende Antwort ein: »Liebe Eltern,
verzeiht. Bin Mutter. Brief folgt.«
——-- Die Mama war einer Ohnmacht
nahe. Der Vater beschlon sofort zu
feiner Tochter zu eilen. Er fand fie zu
feiner Freude beim besten Befindcn.
Der schreckliche Telearaphiit hatte
,,«-JJiutter« statt munter telearavhirt.
Die sinnst, einen Brief zu erhalten, ohne
das Porto zu bezahlen.
Da man sich gegenwärtig häufig mit
der Verbilligung des Posttarifg be
schäftigt, mag eine amiisante Anetdote
erwähnt werden, die erzählt, wie dem
ehrenwerthen Rowland Hill die Idee
gekommen ist, den Brei-I siir das Frei
machen der Briefe in Enaland herab
zusetzen. Eines Tages gina Rowland
Hill in der Umgebung Londons spa
zieren. An der Thiir eines tleinen
Hauses sah er einen Briefträger, der
einen Brief in der Hand hielt und mit
einer iirmlich actleideten alten Frau
digcutirte Hill trat hinzu und erfuhr,
daß es sich um einen nicht frankirten
Brief handelte-, dessen Porto die Arme
jedoch nicht bestreiten konnte. Geriihrt
mischte sich Rowland Hill hin in und
bezahlte das Porto. Der Briefträger
entfernte sich. Da sagte die alte Frau:
»Dante, mein Herr, aber Sie haben
sehr unrecht gethan, für mich zu bezah
len. Mein Sohn schickt jeden Monat
einen solchen Brief. Ich nehme ihn je
desmal nicht an; denn er enthält nur
ein Blatt weißes Papier. Wenn ich
nun die Schrift meines Sohnes anf
dem Briefnmschlag sehe, weit-, ich, daß
er sich wohl befindet. Das genügt mir
und kostet ihm nichts«. Rowland Hilf
lachte herzlich, dann überleate er sich
die Sache, und von dieser Zeit datirt
der sehr niedrige Preis fiir das Fran
kiren in England.
Eine Straße aus- Menschenfchädeln im
dunkelsten Afrika.
Das von französischen Zeitungen
berichtete Project, die Straßen der
Seine - Stadt mit gläsernem Pflaster
zu Versehen, kann keinen Anspruch auf
Originalität mehr erheben: Jedem, der
Lyon, das alte Luqdunum der Römer,
betreten hat, ist sicher das merkwürdige
Pflaster der Rue de la Revublique auf
gefallen, das aus achtzölliaen Glas
Quadratblöcken besteht, die so fest und
akkurat aneinander gefügt sind, daf;
kein Wassertropfen zwischen ihnen
durchsickern kan. Aber gläserne Ver
kehrswege sind durchaus noch nicht die
sonderbarsten auf unserem wunder
baren Planeten. In Groangu im
dunkelsten Afrita eriftirt eine Straße,
die mit Fug und Recht »Sil)iidelstiitte«
genannt wird. Um die in einem Oval
angelegte Stadt zieht sich ein Palli
sadenring, von dem jeder einzelne
Pfahl als landesüblicheAugfchmiickung
einen menschlichen Schädel trägt. Zu
den sechs Thoren Gwangus lann man
s- ein grausiges »menmento mori«
—- nut auf Zugänaen gelangen, zu
deren Nivellirung circa zwölftausend
von der afrikanifchen Sonne schnee
weiß gebleichte Menschenschädel ver
mandt worden sind. Mit dem tiefel
säurereichen Prairiegrafe, das auf che
misch - mechanischem Wege zu fast
unzerstörbar-en Blöcken komprimirt
-..-- . x . - - -.— .«- — —» ,.-—-—..-..—.—-—7,-— » »
wurde, sind in Philadelphia so vor
zügliche Resultate erzielt worden, daß
es, für Amerika wenigstens, das Pfla
ster der Zukunft genannt werden kann.
Ergötzliche Geschichte eines hartnäckigen
Mantchäerkzk
Ein ergötzliches Geschichtchen von ei
nem hartnäckigen Manichäer erzählt
Professor Doepler der Aeltere in seinem
Buche: ,,75 Jahre Leben, Schaffen,
Streben.« Ein Schuhmacher tnMün
chen, dem der jugendliche Doepler eine ;
Geldsumme schuldete, sandte ihm jeden
Moraen 7 Uhr eine Art Calfactor mit
der Rechnung auf sein Zimmer. Es
war ein häßlicher Mensch, mit krum
men Beinen, das leibhaftig-: Abbild des
Quasimodo in Victor Hugos »Glöckner
von Notre Dame«. Doepler gewöhnt-:
sich allgemach an die widerlich-e Erschei
nung und drehte sich bei ihrer Ankunft
einfach auf die andere Seite. Eines
. Nachts mußte er, da er den Sangs-Müs
jsel vergessen, im Hotel logiren. Wer
s aber beschreibt sein Erstaunen, als
sihn auch hier zur gewohnten Stunde
das Schreckgespenst mit der Rechnung
in der Hand angrinsteZ Der Künstler
sprang aus dem Bette, faßte den Mann
an die Gurgel und schrie ihn an: »Kerl,
bin ich denn nirgend vor deinen Nach
stellungen sicher? Hallunke von einer
Schusterfeele! Wie kommst du hier
her? Wer hat dir meinen Aufenthalt
verrathen?« Zitternd stöhnte derMah
ner: »Lassens mi außi, i wills jo sagn.
Sah ich doch Jhne Jhre Stiebel kennt,
die macht nur Meister Stöhr, und nur
Sie in der ganzen Stadt sind de:
Damige, der solche Stiebeln tritat.«
»Zum Donner noch einmal, was hat
Das mit Ihrem heutigen Besuch in
meinem Hotel zu thun?« »Halten—:·s zu
Gnaden, gnä Herr, i bin ja als Hülng
wichfier hier im Hotel angestellt und
hab Jhne Ihre Stiebel heut putzt; wie
r Ihre Stiedel erkennt hob, hob i a da
mische Freid gehabt, das-, Sie, gnä
Herr, mir nit auskimme san.« Doepler
war entwafsnet, schenkte Quasimodo
Geld zu einer Maß Bier und bezahlte
bald darauf seine Rechnung.
—...-.-. —.- -..
Der greife Juleg Vernc nnd die Reserv
teise um dir Welt.
Die Relordreisen um die Welt len
ken gegenwärtig die allgemeine Auf
merksamkeit auf sich. Alle diese werden
unter Zuhiilfenahme der schnellsten
Verlehrgmittel und mit den größten
Geldopfern unternommen Von Reisen
um die Welt ganz anderer Art erzählt
ein englisches Journal:
Vor etwa zwei Jahren begann ein
csanadier Namens Beressord Great
head eine Reise um die Welt zu Fuß.
Er war eine Weite eingegangen, daß
er ohne Gepäct und Geld um die Welt
reisen würde. Die Kleider, die er
trug, ein Gewehr und Munition nnd
eine kleine Leinentasche mit Notizbuch
war alles, was er mitnahm. Nachdem
er Rußland und Sibirien durchwan
dert hat, will er sich jetzt nach Chan
und Japan wenden. Als Beweis sei
ner Wanderunaen besitzt er ein Buch
mit den Unterschriften und Siegeln
der verschiedenen Bürgermeister und
Schultheißen von jeder Stadt, durch
die er gekommen ist.
Zu Anfang des vorigen Sommers
brachen zwei junge Hülsslehrer einer
«Lateinschule in Yorkshire zu einer
dreijährigen Reise um die Welt aus.
Weder Thomas Samuel Abel noch
IHenry Willjamsanjnll hatten Held
zu ihrer munJarnen Meise. Ihr - Besitz
, bestand aus einem zweiten Anng zum
Wechseln, einer Camera und einem
Notizbuch, sie wollten ihren Lebens
unterhalt unterwegs durch kiterarifehe
und photographische Arbeit erwerben.
Sie wollten über Frankreich, durch den
Kontinent zum SchwarzenMeer, durch
die arabische Wüste,Persien,Tibet, über
den Himalaya durchChina und Japan.
Beide brachen vergnügt auf und hoff
ten zuversichtlich das; sie die Reife in
drei Jahren vollenden würden.
Den merkwürdigsten Heirath-Iron
iract, der je gemacht wurde, unterzeich
nete wohl ein junger Mann Namens
M’Qnary vor zwei Jahren. Der Va
ter des Mädchens, das er heirathen
wollte, stellte die Bedinguna, daf;
EUPQUarh eine Reise um die Welt ma:
chen und während derselben ohne an
dere Hüfe als die feiner Hände und
seines Kopfes auskomnien niiisite
Dies fiihrte der junge Mann mit Er
folg aus-; und er gewann so nicht nur
die Einwilliauna des Vaters zur bei
rath mit dem Mädchen seiner Wak,)l
sondern auch eine Mitgift von 20,()()(«)
Willst
Bei dieser Gelegenheit sei ein merk
würdiges Angebot erwähnt, das dein
greifen Jules Berne gemacht wurde,
als vor einigen Monaten die Ab
sicht des- ,,Matin«, einen Weltreisenden
auszusendem bekannt wurde. Das
—
»New York Journal« schickte ihm einen
Vertreter, der ihn bat, auf Rechnung
feines Blaites die Weltteile zu ma
chen. Als Verne auf seine Gebrech
lichkeit unb fein Alter hinwies, fsagte
der Amerikaner: »Wir brauchen nicht
Jbre Rüstigkeit, sondern Jhren Na
men; das Uebrige besorgen wir.« Da
Verne sich immer noch weigerte, fuhr
der Abgesandte fort: »Sie können Ih
ren Preis bestimmen. Was Sie auch
fordern, ich bin ermächtigt, abzuschlie
ßen.« »Nun gut, so geben Sie mir Au
genl« rief Der unglückliche Greis-, der
dem gänzlichen Erblinden nahe ist.
—----.-———
Auch lKühe und Pferde werden setzt in
die Sommerstische geschickt
Die Mode, schreiin die Straßburger
Post, daß sich die Städter im Som
mer auf das Land hinausbegeben, um
dort ihre Kräfte wieder aufzufrischen,
ist noch nicht gar alt. Vor dreißig
Jahren war die Sitte keineswegs schon
so allgemein wie heute, wo alles, was
nur überhaupt irgendwie kann, wenig
stens auf ein paar Tage aufs Land
hinaus zieht und Ozon saugt. Zu
Zeiten, als unsere Mütter noch Mäd
chen waren, machte man im Sommer
einmal in den mittleren Bürgerfami
lien eine kleine Landparthie für einen
Tag, und die übrige Zeit verbrachte
man in den kleinen dumpfen Ktädten
Aber nicht nur die Menschen haben
heutzutage das Bedürfniß, aus’s Land
zu gehen. Die Wohlthat, einige Zeit
frisches Grün und kühle Wälder zu
sehen, wird in unserer fortgeschritte
nen hygienischen Zeit auch Thieren ZU
theil, Von denen der Mensch erhebliche
Leistungen erwartet. So werden
heutzutage Kühe auf die fröhliche
Sommerweide geschickt, und der
Schreiber dieser Zeilen beneidet schon
seit Wochen eine Kuh-Jungfer eines
Nachbarn in der Vorstadt, die sich in
der Schweiz in der Sommersrische be
findet, die ihr so gut bekommen ist,
daß sie als Gattin zurückkehren wird,
ein Fall, der sich bei den menschlichen
Sommersrischlern auch ost» ereignen
» soll. Was aber einer Kuh billig isi,
- das ist natürlich sür ein edles Renn
dferd —- theurer. Eine schweizerische
Weidesommerfrifche genügt nicht für
ein edles Roß, das in der Gunst des
Publikums selbst den modernsten dra
matischen Dichter hinter sich läßt, so
ein gutes Hoiteho muß gleich einer
aefeierien Beaute ins Seebad. So
hat der Rennfiallbesiizer van den Berg
seinen Renner »Spofford« nach-Zaud
voori ins Bad geschickt, damit er sich
von einigen Gedrechen erholt. Auch
ein anderer Rennsiallbesitzer, de Neu
ter. schickt seine Rosse regelxriiißig nach
. der belaischen Fiüsie ins Seebad
s Gliicklich wer ein Rennpferd ist!
Die Kostfpcligkcit verschiedener Luftbab
lønfabtten.
Was kostet eine LuftballonfahrtZ
Wenn man diese Frage, so schreibt die
Neue Freie Presse, einem erfahrenen
Aeronauten vorträgt, dann kann man
zur Antwort erhalten: »Das kommt
darauf an, wie viel Rauchsänge umge
worfen werden-« Rauchfange nnd an
dere Objecte, welche die üble Anlage
nahen, sich der Fahrt der Ballons in
den Weg zu stellen. Dadurch kann die
Sache erheblich vertbeuert werden. Jn
Bezug auf die gewöhnlichenKosten mufz
man zwischen militärischen und »bür
aerlichen« lum nicht zu sagen civilisti
schen) Ballonfabrten unterscheiden. Die
ersteren kommen billiger zu stehen, weil
das Material immer vorräthig ist und
die Hilfskräfte Kameraden sind. Die
Fahrten, die jetzt so häufig voInStari
platz des Arsenals in Wien aus unter
nommen werden, verursachen keine
übergroßen Kosten. Die Fiillung ist
das tbeuerste: sie kommt auf etwa 100
Gulden. N«taterial, Proviant, Instru
mente Gegenstände die zu Grunde ge
hen können) kann man mit 50 Gulden
ansetzen. Dann kommen die Kosten
der Rijctsabrt, die Prämie fiir die
drompte Ablieferung, ebenfalls 50
Gulden Also eine Fai,rt, wenn sie
alatt verläuft, kann ans etwa 200 bis
250 Gulden zu stehen kommen. Ein
ganz andere-J Gesicht erhält die Sache,
wenn man eg mit einer »schweren
Fahrt« zu thun hat. So zum Beispiel
jene gefährlichste in der letzten Zeit, bei
welcher zwei Osfiziere verunglückten.
Die Besitzer der Rauchsänae, Dächer,
Baumes Licllck UND Oaklcn, ch Vck Der
Londunq in Tllkitleidenschaft gezogen
wurden, säumen nicht, ihre Forderun
gen auf Schadenersaiz zu stellen. Der
Schaden, den die erwähnte Fahrt ver
ursachte, kann heute rnit mehr als («300
Gulden bezissert werden. Zuweilen
werden auch Ansprüche erhoben, die
nicht im Verhiiltnisz stehen zu dem an
gerichteien Schaden Die Kosten einer
russischen miilitärischem Ballonfahrt,
die aus österreichischem Gebiet ihr Ende
nahm, hätten, ohne die Zuvorkommen
heit der österreichischen Behörden sehr
große werden können. Billig kommen .
jedenfalls auch die deutschen militäri
schen Fahrten nicht, die in der letzten
Zeit ans srunzösischem Gebiet ihren
Abschluß fanden. Die Rückfahrt ist
immer von einer kleinen Berechnung
begleitet Die ,,bijrgerlichen« Luftfah
rer können sich die Kosten erleichtern,
indem sie zahlende Vassaqiere mitneh
men. Der Fahrpreis schwankt zwi
schen 25 und 500 Gulden.
Es qihthikdiim viejifeieidige sich
dadurch rächen, daß sie gequ ihre Na
mensschwester .,geriichtlich« vorgehen.