Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 30, 1901, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Wie Stank-Inn Jones zn einer
Frau sam.
(
. s
Von Ein-mantin-mum. ·
(
Schon seit mehreren Tagen befand
sich die Bevölkerung von Bonoparte
einer kleinen Provinzialstadt im notd
östlichen Missouri, in großer Auske
gung. Aus der breiten, schön gepfla
stetten Hauptstrasze wogte eine Men
schenmasse, so groß wie sie selbst bei
der Cirknspakade im lenken Jahre
kaum dagewesen war und die Saloons
an dem Square, wo das erst kürzlich
erbaute steinerne Stadibaus stand,
machten enormeGeschästr. Selbst meh
tere Ertraauslagen des Bonoparte
»Fackeltkäaer« waren qedruckt worden
und hatten einen reichlichen Absatz»
unter den Farmern der Umgegend ge- T
sunden « !
Und das alles, weil Steeple-Jack;
Jones vor einigen Tagen angekommen i
war. Die Bevölkerung von Bono- i
parte war nämlich trot- seinen aus St.
Louis importirten Beispndern ebenso
fromm wie sie wohlhabend war. Die
Stadt konnte ch rühmen, eine große,
aus Brownstone gebaute Kirche im
streng gothischen Stil zu besitzen. Der
Thurm, über zweihundert Fuß hoch,
war sogar der höchste im ganzen nord
iistlichen Missouri. Aber wie in so
vielen westlichen Städten, waren die
Gebäude sozusagen iiber Nacht aus
dem Boden geschossen. Wo gestern
noch Prairiegras in der Sonne diirrte,
wurde heute schon Brod gebacken, oder
hinter sein lackirten Ladentischen
»Drygoods« verkauft. Wie das nun
so bei schneller Fixigleit geht« bedurfte
der Thurm schon nach kurzer Zeit an
verschiedenen Stellen arg einer Reva
ratur und aus alle Fälle einer gründ
lichen Reiniguna, auch mußte das
Kreuz an der Spitze neu oergoldet
werden. Deshalb war der Steeple
Jack Jones telegravhisch herbeigeholt
worden, und da Bonoparte nur ein
Theater besaß, in dem höchstens zwei
mal per- Woche im Winter gespielt
wurde, und Cirtus und andere Seh
enswiirdialeiten das Städtchen auch
nicht allzuost mit ihrem Besuch be
ehrten, brauchte man sich nicht Zu wun
dern, daß sie die ,.Reinmacherei« ihres
Kirchthurms als eine Art Freivorsteb l
luna betrachteten und sich während des s
Nachmittaqs aus dem Square versam- !
melten und nach dem an einer Kreuz
blume mit Seiten befestigten schmalen
Geriist, aus welchem die von unten win- »
zia aussehende Gestalt des Stank-Karl
Jones, emsig bei der Arbeit begriffen,
zu sehen war, hinausstarrten.
Steeplesjkaet Jones war ein Mann.
der sehr gesucht, sehr bewundert, und
doch sehr wenig beneidet wurde —«— zu
dem letzteren ist ein solcher Beruf doch
ein wenig zu gefährlich. Wenn auch
Mancher ausseufzte, wenn er an den
-"aufen schöner griiner und gelber
Banlnoten dachte, die der Stuhle-Jud
Jones so im Handumdrehen verdiente,
so lam er doch sicherlich wenige Armen
blicke sviiter zu der Ueberzeuauna. das;
er. selbst wenn er zweimal so viel be
käme. solche Arbeit nicht verrichten
möchte. Das war ja die reine Seil
tiinzerei. da hoch oben im Luftmeer zu
baumeln und an den Thurrnwänden
berumutratzen Jraend eine unge
schickte Ren-raian aleich verliert man
das Gleichgewicht und stürzt in dieTiese
hinab.
Aber Stuhle-Sack Jones war einer
Jener, die das Fürchten niemals ge
lernt hatten. Je höher ein Thurm !
war, desto lieber war es ihm. Er be- -
fand sich dort oben viel sicherer und
gemiithlicher als auf dem festen Erd- Z
boden. Das Getriebe der grofxen Welt- ?
werlftatt lag weiter unter ihm, und die !
Menschen. die ja doch Keinem einen ;
rubiaen Platz und eine ruhiae Minute
aönne, ließen ihn hier unbehelligt. Er
konnte seinen eigenen Gedanken nach
hänan oder unaestört ein Lied mit
frischer Kehle in das weite reine Luft
meer rinas um ihn herum hinaussem
den, während er lustia an den Krabben
herummeißelte oder iraend einen Riß
verstoofte und verschmierte. Er war
sein eiaener Herr, er lonnte sein Meri
reua zu jeder Reit ruhen und feine
Blicke träumerisch wie ein Thiirmer der
alten Reit in die Runde schweifen las
sen und iiher das seltsame Schauspiel,
das man Leben nennt, nachariibeln, —
wie manche Sommernachmittagsftunde !
hatte er schon oektriinmti s
i
Seit mehr ais dreißig Jahren lag er J
bereits seinem schwierigen Berufe ob,i
und hatte die aanzen Vereinigten
Staaten ireuz und quer bereist. Er
war von band aus ene sorglose. heitere
Natur, aber sein Beruf hatte ihn all
mälig zum Einsiedler gemacht, und
wenn er Abends in die irdischen Neaios
nen zurückkehrte, fiel es ihm mit jedem
Jahre schwerer, seinen Mitmenschen
aeaeniiber liebenswürdig und mittheil
sam zu sein. Er sah nach vollbrachtet
Taaeöarbeit am liebsten still und ru
rittiaeroaen auf irgend einem dunklen
Winkel der Veranda des Dotelj, wo er
aerade sein Quartier aufgeschlagen -
hatte — denn ein eigenes Heim hatte er
ia nie aetannt ——-- und verfolgte mit;
reaenr Anterefse die Gespräche der-an- I
deren Miit-. Aber in den leisten Jah
ren hatte sich eine innere Wandluna in
ihm voll-orien. Eä aiebt ia Menscher-.
die sich tm« name Leben hindurch aleieb
bleibst-, site welch-, Alter und Jus-end
Its-r Michiwenartiae Massen find,
aber ei giebt auch andere, bei welchen
Sonntags-Blatt
Beilage des ,,Ncbraska Staats-Anzciger und Herold«
J. P. Wind-Mk Herausgehen
Grund Island-, Nebr» den Sm. Aug 1901
Jahrgang 21 No. 52.
g
der Kreislan der Zeit eine durchgrei
fende Veränderung mit sich bringt.
Dies war mit Steeple-Jack Jones der
Fall. Er hatte eine lange Leine auf-—
zuhaspeln gehabt, aber nun war die
Leine abgelaufen, er hatte den ver
hängnißschweren Ruck des hereinbre
chenden Alters gefühlt, und nun wand
sich das Leben langsam wieder aus«
Zoll für Zoll. Er begann sich einsam zu
fühlen und sehnte sich nach einem tie
feren Lebensinhalte.
Es stand schon lange bei ihm fest,
daß das nur durch eine Heirath zu be
werlstelligen wäre. Aber das hatte sei
nen Haken. Mädchen, die einen Mann
mit so viel Geld, wie er auf der Spar
bank hatte, nehmen würden, gab es ja
schließlich in Hülle und Fülle. Auch
an seinem nomadehaften Leben hätten
viele Gesauen gefunden. Aber er hatte
seit Jahren allen Versuchungen wider
standen, und zwar aus dem einfachen
Grunde, weil er seinen Beruf nicht nur
abgöttisch liebte, sondern sich in ihm als
Künstler fühlte, und es wäre ihm
schrecklich gewesen, einem weiblichen
Wesen die Hand für’s Leben zu geben,
das kein richtiges Berstiindniß für fei
nen Beruf gehabt hätte. Mädchen,
welche die excentrifchen Launen eines
Malers verstehen sonnen, giebt es in
den Großftädten schon viele. aber wer
wußte die Kunst eines Steeple-Jack
Jones zu würdigen! Denn dazu gehört
viel. Um einfache Bewunderung gab
er nichts, er wollte ein Wesen kennen
lernen, das aerade wie er, die wahre
Lebensfreude in den ewigen Gefahren
seines Berufes finden könnte, und wie
war das möglich unter der modernen
Weiblichleit, die vor jeder Maus ängst
lich die Röcke emporraffe und bei der
aeringften Veranlassung Schwindelan
fälle bekomme. Obwohl er Jbsen’s
,,Baumeister Solneß« nie gelesen hatte,
hatte er eine ähnliche Jdee wie Hilde.
er wollte sein Jdeal auch droben auf
einem ungeheuren hohen Thurme
fchwindelsrei stehen und an der aller
oberften Spitze einen Kranz fiir ihn
aufhängen sehen. Symboliftisch war
seine Jdee freilich ganz und gar nicht
—aber er wußte, daß er seine Zu
kunftsfrau nur dann respektiren könnte,
wenn sie so etwas fertig bringen
könnte.
Hier in Bonoparte, gleich am ersten
Tage, wie ihn die Honorationen der
Stadt begrüßt halten« hatte er eine
Bekanntschaft gemacht, die ihm gewal
tig imponirt hatte, eine schlanke, hohe
Gestalt mit dunklen, glühenden Augen
und einer Fülle trotzigen braunen
Haares, die Tochter des Hotelwirthes.
Sie hatte ihm, wie so viele Andere auch
ihre Bewunderung fiir feinen Beruf
ausgedrückt, aber in ihrer Stimme lag
etwas so Aufrichtiges, daß es ihm auf
gefallen war. »Ach. wenn ich ein Mann
wäre, würde mir nur eine folche Be
schäftigung gefallen!« hatte sie entha
siastisch ausgerusen
»Ach, das ist doch nicht Jhr Ernst,«
hatte er lächelnd erwidert. ,,Wiirden
Sie sich wirklich getrauen, den Thurm
zu besteigen?«
»Ja, warum denn nichtsm antwor
tete sie schnippisch »Sie glauben mir
wohl nicht? Nun, ich werde Jhnen
vielleicht einen Besuch abstatten, damit
Sie in Zukunft eine bessere Meinung
über uns Frauen haben.«
»Es sollte mir ein großes Vergnü
gen bereiten,« stammelte er verwirrt,
»aber sehen Sie sich vor« — und dann
tamen Andere hinzu, sie wurden ge
trennt, und den nächsten Morgen ging
es an die Arbeit.
Jetzt nahte sich die Arbeit bereits
ihrem Ende, aber er hatte ihre Worte
nicht Vergessen können, wenn sie das
wirklich thäte, dann — aber daran war
ja gar nicht zu denken, der Thurm
war seltsam steil gebaut, und die Or
narnente waren überdies sämmtlich s
bröctlich, daß er selbst nur mit der
größten Vorsicht arbeiten konnte. Es
war wohl nur eine Laune des Mäd
chens gewesen, auch hatte sie sich ils-n
nicht wieder genähert, er war ja wäh
rend des ganzen Tages oben beschais
tigt, und Abends konnte sie 7h1 auch
nicht gut auf der Veranda aufsuchn
"Sie war nur ein paar Mal an ihm
J dorbeigehuscht, er hatte ihr dann jedes
mal einen ftaaenden Blick zugeworfen,
aber sie hatte taum Notiz von ihm ge
nommen und ihm nur flüchtig zuge
nickt
« Heute mußte er noch die große
Kreuztilume an der Spitze vergolden.
und dann war die Arbeit fertig. Schon
stillt am Morgen bat er die Vorberei
tungen data gemacht, und saß nun auj
einem runden« kaum einen Fuß breiten
Stück hols, durch dessen Mitte dass
Seil ging. welches um die Spitze der
Blume geschlungen und dann an ders
« Blätter-wert befestigt war, so daß er sich
selber hinaufziehen und herablassen
konnte.
Aber die Arbeit wollte gar nicht recht
vorwärts gehen. Es war els Uhr Mor
gens. Heiß brannte die Sonne auf die
Kreuzblume nieder, in deren Spalten
eine Schaar brauner Ameisen geschäf
tig hin und her eilte. Weit entfernt,
halb versteckt von Büschen und Bäu
men, glänzten die weißen Häuser von
Ansiedlunge außerhalb der Stadtqren
zen von Bonopartr. Die Station der
Eisenbahn, die den Ort mit der Außen
welt verband, lag gleich einem vorge
schobenen Wachtpoften inmitten der
Prairie, deren grüne, wellenförmige
Matten sich endlos in die Weite dehn
ten, fernhin bis an die Fluthen eines
Flusses-, der sich gleich einer glitzernden
Silberschlange durch die Tiefe wand,
und weiter-, weiter bis in die blaue
Ferne, waren Himmel und Erbe in
einander geflossen.
l
Steeple-Jact Jones war fehr miß
muthig. Alles dies mußte er wieder
verlassen, allein, wie immer, nnd es
hätte doch anders sein können, wenn —
Und so hing er seinen Träumen nach,
obwohl die Blume erst halb mit Gold
bronze angestrichen war. -
Da sah er plötzlich in dem Giebel
fenster unter sich etwas Weißes erschei
nen. Er waate kaum« seinen Augen zu
trauen, sie war es wirklich!
»Sehen Sie, ich tomine, um mein
Versprechen zu halten. Bitte, reichen
Sie mir die Hand, dann bin ich gleich
bei Ihnen oben.«
»Aber, Teufelsmädchen, was fällt
Ihnen denn ein? Bleiben Sie drinnen.
Wollen Sie sich denn durchaus den
Hals brechen? Jch glaube ja schon,
daß Sie den Muth besitzen.«
»Wollen Sie mir helfen oder nicht,
sonst —« und sie machte wirklich An
stalt, selber emporzutlettern. Da
reichte er ihr die wand, und gewandt
schwang sie sich aus dem Fensterchen
hinaus-, griff mit der freien Hand nach
einer hervorstehenden Verzierung,
schwebte einen Augenblick in der freien
Luft, faßte dann festen Fuß auf dem
Gesinis nnd saß eine Minute später,
roth vor Anstrengung und lustig la
chend, auf dem Blätterwerl der Kreuz
blume.
Zum ersten Mal in seinem Leben
bekam er einen Schwindelansall und
mußte sich mit beiden Händen stampf
hast antlaniinern, um nicht hinunter
zu stürzen· »Um Himmels-willen, es
wäre ja zu schrecklich, wenn —««flij
sierte sie ihm zu, und beugte sich be
sorgt iiber ihn. Er schlug die Augen
auf und sah bewundernd zu ihr empor,
und ihre leuchtenden Blicke begegneten
sich wie in einem inneren Einverständ
niß.
Aber ehe sie noch ein Wort zu einan
der reden konnten, drang ein wilder
Lärm zu ihnen heraus. Man hat die
kühne That des jungen Mädchens na
türlich von unten beobachtet, aber alles
war so schnell geschehen, das; die Zu
schauer noch sprachlos dastanden, wie
sie bereits an der Spitze anaelanat
war. Jetzt aber gestikulirte Alles wie
wahnsinnig, schrie und lärmte, die
ganze Stadt schien auf dem Platz zu
» sammengelausen zu sein.
! »Sie haben sich meinetwegen kom:
i prominittirt, Fräulein, was sollen wir
ijetzt ansangens« fragte SteepleiJack
J Jones rathlos.
’ »Was wäre Jhnen das Liebste?«
islüsterte sie ihm schelmisch zu.
’ Jn demselben Augenblick rief eine
imiichtig schallende Stimme zu ihnen
I heraus: »Was bedeutet dies, Mr. Jo
! nes? Was bat meine Tochter da oben
! bei Ihnen zu schaffen? —- Legen Sie
Zmik gefälligst Nechnschaft ah.« Es war
z der dicke Hotelwirth, der, in Hemdgär
jmeln, von seinen Freunden umgeben,
. da unten seinem Zorn und seiner Angst
» Lust machte.
! Steeple-Jack Jones sann einen
! Auaenblick na - aber nur einen Armen
! blick. Blitzschnell stand es vor seiner
J Seele, daß es jetzt gelte, den Augen
s blick wahrzunehmen, wenn er nicht das
H Glück seines ganzen Lebens ver-spielen
« wollte.
»Wären Sie wirklich meinetwegen
gekommene frug er. »Ja,« war die
einfache und treuoerziae Antwort. Da
beugte sich Steeple-Jack Jones schnell
i nach unten und schrie, seine linke Hand
» als Schallrohr benutzend: »Es bedeu
i tet, Mr. Ulysses Wilson, dasz wir uns
» gerne haben. Jsch will, das beißt mit
, Eurer gütigen Zustimmung, Eure lieb
reizende Tochter (,,Daisy« wurde ihm
von oben schnell sousslirt) heirathen."
l Der dicke Hotelwirth war sprachlos
vor Erstaunen, aber in Gegenwart der
saanzen Stadt mußte er schon gute
Miene zum bösen Sviel machen, es war»
ia schließlich auch die beste Lösung die
see hettlen Situation.
f
Und so rief er denn nun auch hin
aus: »Wir werden ja sehen. Aber Jhr
hättet Euch auf alle Fälle einen pas
senderen Platz zur Verlobung aussu
chen können, und jetzt kommt gesälligst
Beide herunter.«
»Nachdem wir hier oben fertig sind,
Papa,,« scholl es zurück, »denn wir
machen doch zuerst die Arbeit hieroben
sertig,« wandte sie sich an ihren Bräu
tiaam.
Steeple-Jack Jones antwortete nicht,
er schwang sich nun aus das Blätter
» wert hinaus, umarmte stürmisch seine
Braut und gab ihr einen Kuß, der so
laut schnalzte, daß man ihn in ganz
Bonoparte hörte, dann machten sie
sich Beide mit den großen Pinseln zu
schaffen; die Menge unten aber brüllte
förmlich vor Vergnügen, einige Com
bohs seuerten—ihre Pistolen ab, und
Alt und Jung klatschte Beifall und
schien sich förmlich mit ewigen »Three
Cheers für Steeple-Jack Jones« und
» »Hip Hip Hurrah!« heiser schreien zu
wollen.
H Und als das Kreuz ganz vergoldet
dastand und die zwei Brautleute ibren
« halsbrecherifchen Rückgang antraten
und endlich unten unter dem Portal der
Kirche erschienen, da kannte der Jubel
Feine Grenzen mehr, kein Präsident
i war je so empfangen wodren ein Jeder
i wollte die Hand mit ihnen schütteln,
Idie ehrsamsten Bürger Bonoparte’ s
rissen sich fdrmlich darum, sie auf ihren
i Schultern im Triumphzuge nach dem
i Ootel zu bringen, wo der Zukunfts
s fchwieaerpapa, ob er wollte oder nicht,
i freies Vier verzapfen mußte.
[ Der Jubel dauerte den ganzen Tag
fort, und am Abend wurde dem Braut
paar zu Ehren noch ein Fackelzug ver
anstaltet, der mit einem aroizen Feuer
wert endiate, dessen Widerschein mei
lenweit zu sehen war und der Allen Ver
kiindete. die es noch nicht erfahren hat
ten, daß Steeple-Jack Jones endlich
zu einer Frau gekommen war.
Aus dem Gefängniß flott wieder an das
krumme Geschäft .
Eine Frau aus Schirrhofen im El
faß kommt eines schönen Tages mit
einem Körbchen am Arme zu dem Ein
nehmer. Sie hat die Steuerzettel im
Körbchen, und als sie diese heraus
kramt, gucken verschiedene Drahtenden
hervor. Während der Arbeit ilaat
sie, daß sie nicht früher zahlen konnte,
da der Mann wean Strickelns
fSchlingenlegem sechs Monate ver
biißte, heute aber wieder nach Hause
kommt. »Ja, was henn Ihr denn do
im Körwel?« fraate der neuaieriqe
Einnehmer. ,,Ei,« sagte sie, »diß sin
,,Strickle« (Schlinaen), ich will sie
mym Mann an d’Bahn bringe, daß er
nit erfchi heime mueß.«
Wie die Bnren die Bahnzligc in die Lust
sprengen.
Jn englischen Blättern finden sich
genaue Berichte iiber die Art der Vu
:ren, Bahnziige in die Lust zu spren
-gen. Der letzte Typus ihrer Minen
setzt sich aus einem Martinigeivehr zu
sammen, dessen Lauf und Kolben
größtentheils abgeschnitten sind. Der
Abzugsbügel ist abgenommen und dass
Gewehr dann unter die Schiene gelegt
an einer Stelle, wo die Bahnschioe,en
weit auseinander liegen, so daß der
Hahn des Gewehreg den unteren Theil
der Schiene berührt. Eine Niirogln
cerinpatrone hat dabei die Stelle der .
gewöhnlichen Patrone eingenommen.
Davor befindet sich ein halbpsündiger »
Cylinder Nitroglycerin mit drei De
tonatoren. Ringsurnher liegen andere ;
Cylinder mit Nitroglycerin, manchmal
bis zu 16 Stück. Schließlich haben die
die Mine legenden Buren die Steine
wieder sorgfältig an ihre Stelle ge
legt, so daß der ganze Boden gleichar
tig aussieht. Der über die Stelle rol
lende Zug bringt die über der Mine
sich hinstrectende Schiene in Biegung
und so entladet sich das Martinige
weht und die Mine explodirt.
Mark Twain erzählt, wie er sich einmal
selbst bellatschtr.
Mart Twain hat kürzlich eine lu-!
stige Geschichte von dem ersten großen
Bantet, das ihm zu Ehren in Lon
don veranstaltet wurde, zum Besten
gegeben. Das er an derartige Veran
staltungen noch nicht gewöhnt mar,
flangweilte er sich. »Ehe wir zu essen
begannen,« erzählt er, ,,las der Lord
.mayor oder irgend ein Anderer einex
Liste der hervoragendsten Gäste vor,l
» und wenn er einen besonders gewichti- ’
gen Namen nannte, applaudirten die«
! Uebrigen lebhaft. Jch entdeckt, daß ei
iner meiner Nachbarn ein interessanter
! Plauderer war. Gerade hatten wir ein
anregendes Gespräch begonnen, als ein
iwiithendes Händeklatschen begann.
Solch ern Applaus hatte ich früher
noch nie gehört, und mechanisch
stimmte ich mit ein. Da bemerkte ich,
daß meine Nachbarschaft mich über
rascht und vergnügt lächelnd ansah.
Jch wurde unruhig, applaudirte stär
ker und fragte schließlich meinen Nach
barn: ,,Wem gilt denn dies?« »Sa- .
muel Clemens,« antwortete er, ,,besser
unter dem Namen Mark Twain be
kannt.« Da hörte ich zu klatschen auf
und schämte mich wie noch nie in mei
nem Leben. Jch hatte mich selbst be
klatscht.«
Eine gemtithvolle Geburtsnnzeige vor
hundert Jahren.
Eine Geburtsanzeige vor 100 Jah
ren. —- Nachstehende gemüthvolle An
zeige, die den Berlinischen Nachrichten
von Staats- und gelehrten Sachen
aus dem Jahre 1801 entnommen ist,
giebt uns ein interssantes Beispiel da
für, wie ein Gastwirth zu jener Zeit
es verstand, das Nützliche mit dem
Angenehmen zu verbinden: ,,Allen
meinen Bekannten und Verwandten,
auch meinen werthesten Gästen und
Gönnern vermelde hiermit die glück
liche Niederkunft meiner lieben Frau.
- Den 26., Abends Tauf sechs Uhr, er
s freute sie mich mit einem gesunden
Hohn und um sechSs Uhr mit einer
gefunden Tochter, Summa zwei. Die
Geschicklichkeit der Waisenmutter,Ma
dame Poraun, die meiner Frau be
reits zehn Kinder gesund und glücklich
entbunden hat, halte ich mich verpflich
tet, ihr öffentlich zu danken. Bei der
schweren Geburt meiner Frau zeige ich
noch an, daß Mutter und Kinder ge
sund sind. Auch wird das große Con
cert vom 24. auf Verlangen Sonn
abend, den 81., bei einer ganz großen
und vollständigen Erleuchtung gegeben
werden. Die beiden talentvollen Mu
sici, die sich mit dem Horn- und Flö
ten-Concert haben hören lassen, wie
auch die berühmten Märsche und dies
großen Variationen continuiren. En-i
tree 4 Gr. Mit dem Concert wird
alle Sonnabend continuirt. Von halb
7 Uhr an wird gespeist.
Berger, in der letzten Straße in der f
goldenen Kugel.« s
Es wäre interessant zu erfahren, ob s
Herr Berger auch mit seiner Nachkom
menschaft continuirt hat!
I
Eine seltsame Gestalt ans dem Berliner
Straßenlebem
Eine der seltsamsten Gestalten aus
! dem Straßenleheu Berline- ist jüngst
! auf dem Friedhofe an der Seeftraße zu
Grabe getragen worden, der ftadtbe
J kannte ,,Graf Dalles«. Der Verstor
bene, ein verarmter Edelmann vonSt.
lebte von einer fehr bescheidenen Leib
rente und bewohnte in einem Hinter
hause der Jnvalidenftraße eine kleine
Mansardenwohnung. Seine Wirth
schaft ließ er —- so erzählte er wenig
stens seinen Bekannten — von einem
alten treuen Diener »Jopf« besorgen.
»Jopf« mußte ihm feinenMorgenlaffee
aus einer Conditorei beim Stettiner
Bahnhof holen und sein Mittag- und
Abendesfen aus einer Wirthschaft der
Chausseeftraße. »Graf Dallas« —
diefen Beinainen fiihrte er im Volks
munde — ließ pünktlich von feinem
Diener die Miethe- und Gaftwirth
schaftsschulden begleichen, wozu seine
knappen Zinsen oft nicht ausreichteiy
dann legte der ,,treue Jofef« für feinen
gnädigen Herrn aus, wobei er etwas
»Rabatt« für sich in Anspruch nahm.
Nun pfiffen es aber die Spatzen schon
feit Jahren von den Dächern, daß der
alte Kauz Graf und Diener in einer
Person fei; markirte er den Diener, so
trug er eine goldbordirte Mütze und
zog einen alten Livreerock an, auf des
sen vergoldeten Knöpfen die Grafen
trone prangte, aber als Graf ging er
mit Cylinder in tadellofem Gesell
schaftsanzuge. Von St. hat ein Al
ter von 74 Jahren erreicht.
-.»—«-»—
Ein kleines-« Mißverständnise am Hofe
Wilhelm vee Ersten. «
Zu Wilhelm dem Erjen kam ein
mal in irgend einer wichtigen Angele
genheit eine ländliche Deputation nach
Berlin und sie wurde von den Maje
tiiten zur Tafel gezogen. Beim Def
fert.- zu dem es wie gewöhnlich wun
dervolle Dragees und Bonbons gab,
bemerkt der Oberceremonienmeifier
Graf Stillfried-Alcantara, wie einer
der ihm gegeniibersitzenden, etwas
unbeholfenen Deputirten, dem die
Schale mit Confect eben gereicht wird,
fich einen Augenblick umsieht, ob ihn
auch Niemand beobachtet, dann zwei
der schönsten Stücke nimmt und diese
hastig, als habe er ein Unrecht began-«
gen, in feiner Tasche verschwinden
läßt. Aha, denkt sich Stillfried, der
Mann hat Kinder zu Haufe, denen er
etwas mitbringen will, und menschen
freundlich, wie er war, geht er nach
W
aufgehobener Tafel zu dem Manne
hin und übergibt ihm noch zwei Bon
bons mit den Worten: »Für Jhre
Kinderl« Die Köniain Augustu, die
eben mit einem in der Nähe Stehenden
spricht, hört nur das Wort Kinder,
und froh, ein Gesprächsthema gesun
den zu haben, wendet sie sich rasch zu
dem Deputirten mit der Frage: »Wie
iviele haben Sie?« Dieser, schon tödt
lich beschämt durch die Freundlichkeit
des Grasen, deren Zusammenhang er
sofort erräth, nun durch die plötzliche
Anrede der Königin noch ganz nieder
geschmeitert, bezieht die Frage natür
lich nur auf seine, wie er alaubi, un
rechtmäszig erworbenen Draaees und
stottert: ,,Vier, Ew. Majestät, aber
nur zwei sind von mir, zwei sind vom
Grafen Stillfried!« Man kann sich
das Gesicht der Königin denken, bis es
Stillfried aelana, das Mißberständniß
aufzuklären.
Ein kaltbliitiger Tandn im afrikanifchen
Urwald.
Anläßlich der Ernennung des Afri
lareisenden Sir Henrh Johnston zum
Goluverneur einer der englischen Be
sitzungen in Afrika erzählen die engli
schen Zeitungen allerhand Anekdoten
aus seinem Leben- Johnston ist der
Dandy, der Brummel der Afrikafor
scher; immer elegant, immer rasiri, im
mer correct. Es ist charakteristisch für
ihn, daß er bei seinen monatelangen
Wanderungen an den Abhängen des
Kilimandscharo unweigerlich darauf
bestand, daß auf seinem Eßtische täg
lich ein frisches Tischtuch und eine fri
sche Serviette lag, und daß sein Sil
berservice aufgelegt wurde. Welch ein
Bildt Dieser einzelne Europäer inmit
ten seiner Wilden und im Herzen des
asrikanischen Urwaldes, wie er in ein
samer Größe sich zu seinem aus Con
serven bestehenden ,,Diner« niedersehi.
Aber unter dem Aeußern eines Dandy
birgt Johnston das Herz eines Löwen«
er ist unerschrocken bis zur Tolltiihn
heit und nie um einen Ausweg verle
gen. Eines Tages wurde seine kleine
Expedition von einer überlegenen
Schaar Massais angegriffen. Den gan
zen Tag über hielten seine Leute sich
tapfer, aber am Abend verloren sie den
Muth· Da hatteJohnston eine brillante
Jdee. Unter seinem Gepäci befand sich
eine Kiste mit Feuerwerk, die er, er
wußte selbst nicht weshalb, mitge
schleppt hatte. Während seine Leute
weiter schossen, kletterte er mit dem
eFeuerwerk einen Abhang hinan und
brannte es ab. Die abergläubischen
Massai glaubten, die in dem Vulkan
hausenden Teufel kämen iiber sie, und
ergriffen die Flucht. Später fiel er ei
nem der feindlichen Häuptlinge in die
Hände, und dieser kündigt-e ihm an,
daß er sterben müsse. Gleichmiithig
antwortete Johnston: »Schlag mich
todt, wenn es Dir Vergnügen macht.
Dann aber werden die Soldaten der
großen weißen Mutter (Königin Vic
toria) kommen, und Jhr Alle, DU,
Deine Frauen und Kinder und Dein
Volk werden getödtet werden!« Diese
Drohung verfehlte ihren Eindruck
nicht, schließlich sandte der König
Johnston in seinem besten Kanoe den
Fluß hinab. Ein Muster lakonifcher
Kürze ist die Depesche, in der er Salis
bury seinen Sieg über den Sclaben
händler Tmose anzeigte. Sie lautete:
»Gegen Tmose marschirt Habe ihn ge
schlagen, gefangen, gehängt.« Vor der
Schlacht hatte er Tmose aufgefordert,
sich zu ergeben, da er ihn sonst hängen
müsse. Johnston hielt sein Wort; er
eroberte Tmose’s KraaL nahm ihn ge
fangen unb ließ ihn aufkniipfen, nach
dem er ihn vorerst noch mit einer Fla
sche Champagner bewirthet hatte.
Tanne Pflanzen.
Einige Pflanzen entwickeln in ihren
Blüthen eine innere Wärme, die zuweilen
die Lufttetnperatur bedeutend übersteigt.
Der Blüthenstaub dest- italienischen Arun
stabesJ zeigt zeitweilig eine Temperatur,
die utn 17 Celsinsgrade höher ist als die
Umgebung. Diese Wärtneentwicklnng ist
Vielleicht eines der Mittel, die. Insecten
Zur Bestänhnug der Blüthen herbeilocken
sollen. Die höchste Temperatur erreichen
die Blüthen in der Zeit, welche der Be
stiinhnug unmittelbar bot-angeht. Nach der
Vefrnehtnng sank die Temperatur sofort
lietriichtlith Viele Pflanzen werden au
szerdetn aneh durch direkte Sonnenstrah
lnug start erwärmt nnd nehmen dann
bisweilen eiue weit höhere Temperatur
au, als- die ntngehende Luft. Allerdings
trifft dies meistens nnr für die Seite oder
dass- Lrnan zu, das von der Sonne be
sthienen wird, andere, der Sonne abge
toandte Theile-, sind in der Regel ntdt
einmal so warnt als die Luft. Früchte, dte
an einer Zeile bou der Sonne besthienen
werden, sind an dieser Seite viel früher
reif, nehmen hier oft eine besondere Fär
bung an nud werden bedeutend zuckt-r
reieher. Manche Pflanzenomaue sind
freilich anth darauf eittaeriehtet, die
Matln der Sonnenwiirme zu brechen. So
erwärmten sith hei der Vohne die Blätter,
deren Unterseite von der Sonne getrof
fen werden, weit mehr als diejenigen, bei
denen die Strahlen auf die Oherseite fal
len. Diese wirft ohne Zweifel infolge
ihrer glänzenden therhant die Sonnen
strahlen «nnn grossen Theil znrüel, sie
nimmt also aneh deren Wärme nicht anf,
nnd alle die Pflanzen tnit glänzendem
harten, lederartigen Blättern sind ja be
kanntlich in warmen, trockenen Gegenden
heimisch, tu denen sich die Pflanzenwelt
der ansdörrenden Gewalt der Sonnen
strahlen möglichst zu entziehen sucht
Ein Kansas’er Fatmer behauptet,
85 Schlanan in 15 Minuten erschla
gen zu haben. Soviel Whistey giebt
es ja gar nicht.