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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (Aug. 30, 1901)
Meidenstamm vW W »W« Roman von mildelm mcperckörstecx (5. Fortsetzung-) Franziska gab ihr die Sportzei«ixn gen zu lesen, die in langen ieitartitelu das bevorstehende große Rennen be sprachen, und es war für Marie ein seltsames Gefühl, Joseph-Z Namen da immer wieder zu finden. Seine Reit kunst und seine törperliche Kraft mur den in Ausdrücken gelobt die si in Erstaunen und Verwirrung verfetzten Fremde Menschen schrieben das, wuß ten das, und fie, seine Braut, hatte sich um das alles nie gekiimmert. »Warum hat er mir das nie zu le sen gegeben?« fragte sie sich, nnd ein Gefühl von stolzer Freude stieg ikn ihr auf: »Weil Joseph zu groß de. und zu bescheiden!« Sie sammelte alle diese Zeitungen und bat Franziska, ihr jeden Fach ausdruck zu erklären. Sie war oei dem Studium dieser trockenen Materie mit einem wahren Feuereifer unI freute sich wie einKind darauf, welche-« erstaunte Gesicht Joseph mark-en muß te, wenn sie wie eine Sportlady uit allem vertraut sein würde. Jn den Gesellschaften drängten die Herren um sie mit Fragen nach Jo seph: Glaubt er, daß er gewinnen wird? Wann kommt er? Jsk Jungf pani schon nach Berlin aeschaffäi — bis in dem weltunerfahrenen Mäd chentopfe Wesen und Werth und Be deutung dieses Themas bizarre Far men annahmen. Ganz Berlin schien fiir sie nur noch um das große Armee rennen sich zu drehen, in dessen Mit telpunkt, wie alle Menschen und alle Zeitungen oersicherten, Joseph stand. Ihr Liebster war ver Helo, den die Männer bewunderten und die Frauen wie einen rirhingekrönion Sieger ver ehrten, dem vielleicht der Kaiser selbst den Preis reichen, und der. wieFran ziska ihr hundertmal erzählt, unter einein Jubelsturrn ver Menschen über Even Rennplatz reiten würde. MariesLiebe zu Josepb konnte nicht größer werden. gewiß nicht, aber ihre Liebe wurde in diesen letzren Tagen fast demüthig und fast scheu. Sie so klein und er so groß! Schließlich schien es Ehr als drücke kas- alles wie eine schwere Last sie tie er und tiefer, aber in dem Augenbli cke, wo Joseph kommen und sie uni armen würde, fiel diese Last, Das wuß ie sie, von ihrem Herzen, und sie würde sich an ihn schmiegen und wieder ganz glücklich an seiner Brust ruhen. Nein: sie nicht klein und er nicht groß! Zwei, die zu einander geboren, wie früher, wie immer. Was braucht man da zu messen! Wäre er nur schon da und nähme sie wieder mit! Dieses Berlin war amiisani und herrlich, von früh bis zur Nacht ein Taumel von Lust und Aufregungen nnd immer Reuem, aber Marie sehnte sich heim. Nur noch ver eine große Tag und dann heim! i s- : Sie stand mit Franziska in der Halle des Friedrichs- Babnhofes, als der hannoverische Zug Abends sieben Uhr heteinkam. Bliyschnell flogen ihre Aug. r die Zuge Wagenreihe ans und ao, unv -vaeph!« Wid« . — »Ach, endlich, endlich!« Sie küßte ihn fast zu ftürrnisch. »Endlich' End -lich!« Bis Fräulein Franziska unge: baldig wurde und gleichfalls Beach jung verlangte »Nun, Joseph, wie geht’s?« Er schüttelte ihre Hand und stot terte ein paar Worte, wie Jemand,der Lief das »Abaeholtwerden« nicht vo bereitet swar oder doch nur eine einziae junge Dame auf dem Bahnhof erwar tet hatte, dann blickte er sich rathlos mu: »Seit da tein Gepackträger?« Er hatte ganz das Wesen eines Menschen, der zum erstenmal auf der Eisenbah.1 g ahren ist und nun ganz verwirrt it nichts Bescheid weiß. Zwischen durch schenkte er Marie ein slüchtiaesz Lächeln: »Wie geht’s?« —- ein Lächeln auf Abschlagszahlung — und suchte dann wieder: »Ist da wirklich kein Gepäcktkäger? Sie sind alle besetzi. Ich werde die Sachen selbst tragen.« Die »Sachen« bestanden nur in zwei «Geaenftänden: ein-er alten, vielge : braucht-en Reitpeitsche und einer ges sen, vielgereisten Leben-« in der - KQttel und Reitausriistung besan « ««,Faß an, Marie,« lachte die Consi se, »wir tragen die Tasche,« und Jo « war in einer so mertwiirdi kopf Cgesefassångzxßß er Zåwij st lex-) M sen er . nn freut W er sich und na den Mädchen M ab, nin ße elbst zur-Dreisp i » » um diese Zeitl« sagt »Mit-d Joseph nnd Marie - I s des Sai: «Ja, morgen " Mk Dann war das grosse M. Mn wußte man, ’ wie die Zukunft sich gestalten würde. »Ist Frangipani schon in Berl:n?« »Ja, seit gestern Abend.« »Bist Du aufgeregt, Joseprm Und er nickte ehrlich: »Ja.« »Tröste ihn, Marie, ich drehe mich um.'· Marie nahm seine beiden Hände in die ihrigen und beugte sich dok: »Jo seph?« Sie schauten sich lange an während die Droschle iibex den Königs-Ding humpelte und Franziska nack. den klink terndeu Goldileidern der goldenen Siegesgöttin so aufmerksam empor blickte, als ob sie den starren Falten wurs zum erstenmal in Augenschein nähme. Einweber Ausdruck zog Eber Ma rie’s Gesicht, den mit so miiden, er schöpsten, bossnungslosen Augen er widerte Joseph ihren Blick, daß eine tödtliche Angst in ihr emporsiieg. An diesem ganzen Abend fanden sie nur ein einziges Mal Gelegnebeit, ein paar Minuten miteinander allein zu sein, durch Franziskcks Vermittlung, die sie in ihr eigenes Zimmerchen führte und als Schatzengel vor der Thüre Wache hielt. Zu Josepbki Ehren gab es ein festliches Diner, bei Dern Marie in dem blauen Seidenmussclin nebenJoseph saß, bei dein nur von dem morgen statt-findenden Armeerennen diesEede war, bei dem ans das Braut paar getoaflet wurde, aus Joseph ein zeln, aus Marie einzeln, auf den Sieg, der dem gleich nam Der Sieppe mit Secttrinlen begonnen wurde nnd bei dem der alte General allen Nichxen und anwesenden jungen Damen die Eröff nung machte, daß er fiir jede einzelne auf Frangipani ein Zwanzignsarlstiict wetten werde. Gewann Jajeph, so würde die ganze lustige Mädcienfchaar mir einem klingenden Eeldgevinne an dem Siege betheiligt fein. Sie waren selig: eine Wette, eine richtige Geldmettek «Wieviel wird man da gewinnen?!« Sie drängten mit ih ren hellen, leichten Kleidern wke eine Wolke um Joseph: »Joseph. gieb Dir Miihel Dies eine Mal mußt Tn ge winnen! Auf jeden Fall!« Er lachte, sein blasses Gesichi war von dem Wein-und der Aufregung ge töthet. »Ja, ja, selbstverständlich! Wir gewinnen!'« Nachher wurde getanzt, da endlich gelang es Franziska, ihre beiden Schützlinge ftir ein paar Minuten zu samtnen-zuführen Er umschlang Marie siürrnifch seine düstere Stimmung war verflo gen, und Marie selbst hatten Wein und Tanz erregt. Sie sprachen nicht mehr über das Rennen und diese unheimliche Ent scheidung ihres Lebensglücks, der sie rnit jeder Stunde und jeder Minute näher kamen. Von fernher aus« den immern jen seits des Corridors lan en Musik und Lachen und der dump e Ton der tanzenden Fü e, von der Stra her auf kam dur die geöffneten - r das Klingeln eines ver päteten ferne bashnwagens. Und die kleine Wächter-in vor der Thür fühlte trotz aller selbstlosen Freundschaft etwas wie einen Stich durch ihr Herz gehen. Die da drin nen waren das glücklichste Brautpaar auf idem weiten Erdenrund, und sie selbst —- alleinl Vielleicht —- großer Gott —- für ·im«nrer«! Um ein Uhr Mittags begann auf allen Bahnhöfen der Berliner Stadi dahn der Andrang der Menschen. Eine halbe Stunde später nahm das Drängen an den Billetfchaltern und vor sden Coupes der langsam einsetz Ienden Rennziige lebensgefährli e Dimensionen an. Die Gentlemen mit den gelben Tickets erfter Classe waren froh, in einem Wagen dritter Clage stehend und in Gluthhitze eingey er t hinausbefördert zu werden, wci end die Gentletnen mit den Tickets dritter Classe noch viel froher waren, aus den rothen Sammettissen die lleine Reise zu asbfoloirew An eine Controlle nicht zu denken! Auf dem Schlesifchen . Bahnhos wurde der letzte Ansturm so ? fürchterlich, daß aller Fläche der Be- » amten ungeachtet die eute auf die Plattform sich zusammen·schoben, aufj das Verdec! des Wagqons kletterten und an den unglaublichsten Situatio nen die zwei Meilen lange Schnell zugsfahrt rislirtem Man km das Publikum beim-wem « wenn es zu Hundexttaufenden beim Pfingstfeste in’s Freie befördert zu werden wünscht, aber alle Beamten schust ist ohnmiichtig gegenüber den zehntausend Rennbahnbesucherm die von der behenden Besorqniß gedrängt werden, sie könnten das erste Rennen versäumen, das heißt die erste Gele genheit zum Weiten verpassen. »Wer gewinnt die »Armes I« «Frnagivani nnd kein andre-P »Heidenftamm und kein andrer.« Die Sonne deckte die riesigenTrainZ Gibt einer afrilanitsrljen Gluth, bohrte durch die verhangten Fenster der W i l Coupes und brachte un liickliche Esth matiter drinnen in Er tickun sgesahn »Wer ewinnt »die Armee Z« ) Allent alben dieselbe Frage. Be ; kannte, die sich einge Zeit nicht ge ehen ; hatten und einander be küßten, ag i ten nicht: »Wie geht’s« ondern: »Wer gewinnt die «Armee«?« ! Nur vorn im Zuge, ivo die rohen i Salontvagen laufen, »reservirt ttr die iMitglieder des Unionclubs«, gab es I glückliche Damen, die ihre neuen Tote etten in leidlicher Verfassung nach Hoppegarten brachten, alle andernDa zmentletder waren zerdrückt, abgeri - I sen, abgetreten, mit Staub bede i, von Cigarrenasche überschüttet und von dem Ruß der Loeomotiven ge ; schwärzt. i » Das einstimmige Gelübde jedes I Mitreisenden war: »Einmal zum Ar l i meerennen nnd nie wie-den« als man aber glücklich draußen angelangt war und am Büsset die erste Stärkung ; eingenommen hatte, schien aller Reise ärger verslogen, und die große Frage circulirte von Neuem: »Wer gewinnt die »Armee" ?« Die Kellner, die mit ihren Brettern voll Kasseetasien und Biergliisern durch die Menge drängten, fanden. halbtodt von Hitze und Arbeit, noch die Kraft, mit oen Collegen oder dem Mann am Bierausschant die vier Worte auszutauschem »Wer gewint die »Armee"?« Und »wer gewinnt sdie «Armee«?« fragte Seine Königliche Hoheit Print Leopold, der in Begelitung seines Adjutanten von Berlin her die Fahrt im Zweispänner zurücklegte. »Joseph Heidensiamm, Königliche Hoheit, mit Frangipani.« Ein Gerii t ging über den Renn platz: »Josep gewinnt iiber die »Ar mee'« ein Vermögen, et hat seit Wo chen in Berlin und Hamburg sein Pferd wetten lassen: 12,000:1000, 10,0()0:1000, nochmal dasselbe, Idann 24,000:3000, 20«0()0:3000 und so weiter, er steckt mit zrangipani alle Buchmacher in die Ta che.« War das Thatsache, Dann mußte Josephs Riit in der That eine »gute Sache« sein, und nun bemächtigte sich des ganzen Rennplatzes ein »Frangi panifieber«. »Wie lang Frangipani·5" · « »Par1. »Pari! Bei siebzedn Pferden! Das. ist ja Wahnsinn! In einer Siena-le chase, wo auch das beste Pferd stürzen kann!« Aber sdie Bnchmacher und Wett aaenten zuckten mit Verdrossenen Blick die Achseln: »Pari und teinen Deut Männer-« Einer war dabei, ein kleiner Buch rnacher Namens Isidor Rosenthal — damals nur wenig bekannt, heute ein angesehener Mann —, der einen Ner venanfall bekam und in’s Krankenzim mer geschafft werden mußte, wo man ihm mit Eis und Selterwasser nach einiger it wieder auf die Beine half. Der handetnde Arzt gab sich dem verzeihlichen Jrrthume hin, daß der Kranke bei der fürchterlichen Hitze eine Art Sonnenstich bekommen habe, aber der »Ring der Buch-machet« wußte bes ser, an welchem Stich der arme kleine Jsidor Mammengetnickt war, näm lich an »Armee«. Es war allge mein betannt, daß dieser unglückliche verblendete Mensch seit Wochen gegen Frangipani gewettet hatte, zu unsin nigen Kursem daß ihn Habsucht und Spielteusel immer tiefer, zu immer tolleren Engagements veranlaßt bat ten, unsd daß Frangipani«s todficherer Sieg Isidor heute das Rückgrat bre chen würde. Man setzte den bleichen und zittern den kleinen Mann in die schattiaste Ecke der Tribiine zwischen seine Frau und Schwester, denen der Arzt befahl, ihn unter keiner Bedingung vor Abend wieder in die Sonne zu lassen, und da saß er den langen Nachmittag und wartete mit unnatürlich weit geöffne ten Augen aus die «Armee«. Denn das große- Ereigniß sollte erst nach einigen Stunden in Scene gehen, nachdem drei andere, minderwerthiae Rennen als Vorspeisen den Appetit des Publikums auf das höchste Maß ge steigert haben würden. Albrecht von Heidenstamnr tarn mit einem der Vorortziige hinaus, so daß er das erste Nennen überhaupt nicht zu sehen erhielt. Er hatte teine Eile, das Gedränge der Menschen war ihm unangenehm, und ihm, der nie auch nur einen Pfen nig wettete, war der Anblick eines Rennen-Z mehr oder weniger absolut gleichgültig Für das Armeejaetdrennen hatte er den Ritt auf »Madagastar« übernom men, einem hochbeinigen irischen Steepler, der seinem früheren Regi mentstameraden Brandenbera gehör - te. Es war ein aussichtsloser Ritt, den man ihm in früheren Jahren nicht an zubieten gewagt hätte, ein schlechtes Pferd, ein mäßiger Springer, gut ge nug fiir eine Jagd im Gelände, aber ohne alle Chancen in einem wirklichen großen Rennen. Jn seiner Uniforrn als Hauptmann des Großen Generalstabes wurde er von dem Publikum nur hie und da er kannt und auch von diesen wenigen Rennplaßbesuchern, die sich feiner Glanzzeit erinnerten, kaum beachtet Er war nicht eitel, wenigstens nicht in detn Sinne der Bühnensterne und ; Rennbahnheldenz er hatte auch keiner k lei Anlaß, sich über das rasche Ver » gessen der großen Menge zu erregen; « seine glanzvolle Laufbahn innerhalb Ider preußischen Armee war gesichert, L und an leitender Stelle hatte man ein besseres Erinnerunasvermögen fiir sei ne einst unvergleichliche Reiierbravsur. I Aber ein bitteres Lächeln ging doch über sein Gesicht, als er seitab» stehend und unbeachtet plößlich Joseph sah, der in in einem dichten Gefolge von Damen nnd herren über den Plan ing. Allenthalben machte man Jo eph Plan, drängte heran, um ihn zu sehen, wies auf ihn mit Fingern und grüßte. »Da! Der da! Ja. der! Das ist der, der Frangipani reitet.« Nur die wenigsten Leute bedurften »diefer Belehrung, aber am »Arme tage'« sind Tausende in hoppegartem die das ganze Jahr hindurch keine Rennen besuchen nnd des halb von den Stammgästen des Turfs über alle Personen und Vorgänge instruirt wer den mti en. So tte man einst auch aiif Al brecht mitjfingern aedutetl Es i Ia gut, wenn man den siche ren Ha en erreicht hat, aber damals — das Ringen und Kämpfen — war doch vielleicht schöner. Es war die Ju gend gewesen. »Weghalb habe ich diesen Ritt heute unternommsen?« dachte er, ais Joseph mit feinem Troß hinter den Büschen des Sattelplatzes verschwun den rvar unsd et immer noch allein an der Eiche auf der Höhe des Sattel piatzes stand. »Wie ein alter Komö diant, der immer noch nach den Lam pen fich zurücksehnt nnd immer noch einmal vor dem Publikum sich verbeu gen möchte.« Da kam-Joseph zurück. Er ging wie der mitten iiberd en Platz mit seinem lachenden, schwatzenden Gefolge von Herren und Damen, aber er «ing nicht mehr allein, sondern führte arie am Arm, die mit ihren großen Augen rechts und links schaute Und wieder drängte die hin und her wogende Masse hinzu, um den Helden der Rennbahn anzuftarren, man bil dete förmlich Spalier, diesmal doppelt neugierig, denn wie ein Lauffeuer ging ei dgrch die Menschenmenge: »Das ist Heidenftamm’g Braut.« »Fei« Braut? Wo?« -- a.·« Man sprach so laut, daß sie es hö « ren mußte, eine Purpurröthe bedeckte4 ihr schönes Gesicht. s Joseph ging ganz ruhig und unbe-’ « kümmert, er tante dieses neugierige Herzudriingen, das sich an jedem Renntaae wiedrholte, aber Marie war verwirrt, und diese Verwirrung aab dem sonst so ruhigen Mädchen einen seltsamen Liebreiz. , Fürstlichleiten, Generale, Großmüt dentriiger des Kaiserlichen Hofes pro menifien mit ihren Damen, die in großen Pariser Toiletten erschienen waren, über den weiten Rennplatz,; ohne daß die Menge bei dieser Ueber- ! siille von Unisormen und Schönheiteni die einzelnen besonders beachtet hätt-, nur um Joseph Heidenstamm nn) sei ne junge Braut standen die Menschen wie um ein Königspaar. Sie verschwanden in der Richtung aus die große Tribiine, unsd Ali-recht stand wieder allein. Jn den zehn Tagen, seit Marie in» Berlin war, hatte er sie nur ein einzi- ; ges Mal flüchtig gesehen, als er ihrs im ause der Verwandten seinen tut-s zen oemellen Besuch abstattete. Man; hatte ihm Einiadungen zukommen« lassen zu allen Aussliigen, Diners und sonstigen Festlichkeiten, mit denen die David und die übri e Verwandtschaft ( den kurzen Ausent att der jungen Schönheit feierten, aber er hatte seine Arbeiten voraeschiitzt und war allen diesen Veranstaltungen sern geblieben. Niemand bemertte das; man war dieses düstere, abweisende, unsrohe Wesen an ihm gewohnt, seit Jahren schon. Er war ein Sonderling gewor den, um den sich die Gesellschaft kaum - noch iiirnmerte. «Marie!« Er hatte den Namen halblaut aus gesprochen. Dann raffte er sich zusammen, als wollte er alle Gedanken mit dieser ha stigen Bewegung von sich schütteln, und verließ seinen einsamen Platz. Er ging zwischen den Rennpserden durch, die siir das nächste Jocteyslachrennen gesattelt wurden, grüßte hie und da einen Bekannten, unterhielt sich eine Zeitlang mit dem Landstallineisier von Tralehnen über den Stand der Remonten und war dann wieder al lein. —- »Wartet« Ja, alles, alles gehörte Joseph: das Glück, der Rubin, die Jugend und Marie. Und Marie! · ( i Es war zwei Jahre her —- iniherbst 4 zwei Jahre —- alö Albrecht nach Han nover gereist war und —- und — uni Marie angehalten hatte. Eine heiße Röthe stieg noch jetzt in sein blasses Gesicht, wenn er an jenen Abend dachte. « · Damals stand er noch iin Zenith seines Ruhms, aber was aingen das junge Ding Reiterruhin und Flauzvolle Zukunft an! Sie hatte woh ·schon zu jener Zeit den Jun en geliebt, der, launi der Kadetten chule entwachsen, noch die Fähnrichöunisorni trug. Wie ein abgewiesrner Bettler hatte er die letzte Bitte an sie gestellt, daß seine Werbung vergessen und niit Nie man je darüber sprechen solle. Vielleicht hatte sie ihr Versprechen gehalten, vielleicht nicht. Auch ·ein Weib erinnert sich gern seiner Siege und erzählt davon. »Wenn sie es Joseph gesagt »hat —« Er ballte sdie Hande in ohnniachtigeni Grimm. Seit ienem Abend war Albrecht von heidenstanini ein einsamer Mensch ge worden. Ein Sonderling war er ie derzeit gewesen-, vielleicht hätte et an der Seiter Marie’s sein Wesen geän dert. ietzt zog er sich ganz in sieh selbst zurück. Z- W Im Frühlin darauf entriFüZoseph ihm aus der ennbahn die rende Stellung, und im nächstfolgendens herbst eroberte Joseph Marie. i Dem lückte alles. » »Mar e!'« Ein großer, Eimer Fuchs wurde nahe an i rn vor igesiihrt, und irgend Jemand agte den St·alljungen, der das Pferd ritt: »Wer ist dasi Wie heißt der?« Der Junae wandte träge den Kopf zur Seite« spuckte aus und sagte mit der mißmuthiaen Miene Jemands,der diese neugierige ofrage im Laufe des· Nachmittags sehr oft deantweuten muß: » «Frangipani.« Albrecht horchte aus und musterte den Hengst. » »Frangipani.« Er erkannte das Pferd, das er seit einem Jahre nicht gesehen hatte, wieder. Der Hengst hatte sich ausgezeichnet entwickelt, er präsentirte sich glänzend im Haar, mit Mustdn depactt, vielleicht etwas zu schwer, abex in allen andern Points das Bild eines Steeplers. »Ja, wer Muth hat, gewinni.« Er sagte es leise vor sich hin.Er, Al brecht, hatte das nie ristirt, eigene Rennpserde zu halten« die ihn hätten Geld tosten tönneni Jmmer vorsichtig. kühl, abwäaentei Leute tvie Joseph ha ben das Glück, die Spieler undDrauf geher, die über alle tleinlichen Beden ken sich fortsetzen und das Leben wie eine binderniszdahn betrachten, wo der am ehesten Erfola hat, der ohne Be denken über· Gräben und Mauern [ fliegt. s Das sind die Leute, die bei den i Weibern alle andern ausstechen, wäh I rend die ernst-bedächtigen Verderber ausgelacht werden. » Er sah seine Qutunik ein Hagestolz, der ein am seinen Weg weiter gehen wird, chon jetzt fast zu alt, um sich noch um ein Weib zu bewerben. Er wird alles werden, was innerhalb sec ner Carriere jemand erstehen kann: Oberst, General, schließlich eine der troanete Excellenz, die in ihrem Lehn stuhl stirbt. »Ulbkecht"f" Er wandte sich um: Joseph stand vor ihm und Marie. »Wie geht’s?« »Dante.« Beide reichten ihm die Hand wie einem Bekannten, den man zufällU trifft. Er hatte physische Mühe, Ma rie anzuschauen und einiqe gleichgül tige Fragen an sie zu stellen: »Hast du dich in Berlin gut unter halten?« »Seht gut.« »W3nn reisest du wieder nach Han nover?« »Wahrscheinlich schon morgen·« »Ah, morgen.« »Da geht Frangipani,« sagte Jo ; spr- ,,wie gefällt er dir?« »Gut." »Du reitest, höre ich, auch in der ,,Arrnee«?« »F as« »Wen?« »Madagastar.« »Ja, richtig, ich habe davon gehört. Er hat teine besonderen Chancen.« »Nein.« »Pardon, Marie, einen Moment.« Joseph ließ sie neben Albrecht stehen und eilte einige Schritte nach rechts, wo sein alter Gönner, der General von Bernstorff, stand, der ihn mit einem Lächeln herübergewintt hatte. Der Generat, der zu den Proponenten dec« Armeerennens gehörte und an diesen-. Taae In Hoppeaarten gewissermaßen die leitende Rolle spielte, stellte Joseph seinem Begleite-, dem herzog von Bayern, vor: »Gestatten Königliche Hoheit: Her: Lieutenant Baron von Heidenstnmni, unter den jungen Reiterofsizieren der preußischen Armee seit einigen Jahren der erfolgreichsie.« »wer nno ore perreni" rragke zuta rie, und Albrecht nannte ihr die Na men: »Der Herzog Luvwia von Ban— ern und der General von Bernstorsi.« Sie sab Joseph im( Gespräch mi: Seiner Königlichen hoheit ,über den Platz geben, vor Frangipani eine Mi nute stehen bleiben und dann immer noch nebn dem Herzog, in dem Gewühl der Menschen verschwinden. Dann athmete sie tief auf und iab Albrecht an, sie hatte fast vergessen, daß er neben ihr stand. »Wollen wir weiter geben?« »J« Nur um etwas zu sagen, nannte er ibr einige Personen, denen sie begeg neten: »Das ist der Gras Lehndorfi, der ’ Oberlandstallzneisten Leiter ponGrao bit-, der neben ihm der Erbprinz von Fürstenberg, da drüben der Kleineift der Baron Oppenbeim aus Köln, oa T Euer Nachbar-, Herr Manste aus Lehrte bei hannopetz da rechts Den ’ den-Linden —« ! »Den kenne ich.« i Es gab viele hannoverische Be s kannte auf dem Nennplatz alle Augen-· 7 blicke wurde Marie gegrüßt die halbe s Reitschule und fast alle Königsulanen » schienen herübergetommen zu sein, um ! dem arößten Offizierrennen des Jabi E res beizuwohnm [ Seit langer Zeit hatten die beiden i sich nicht mehr allein zusammen esuns den und so andauernd unter-Falten Sie gaben sich Mitbe, unbefangen zu erscheinen, und Marie, bie sonst ihr-r gegenüber schweigst-m war, suchte k;«. der nervösen, sieberhaften Spannung ist-mostt bei diesm Begleiter eine Art von. ro »Albrecht!« »Was?« »Glaubst du, daß Joseph gewinnt·i« Er sah sie erstaunt an. G war eine natürliche Frage, aber zwischen ihm und Marie ab es seit Jahren solche natürliche ragen nicht mehr. Das wenige, was sie bei ihrem selte nen Zusammentreffen miteinander sprachen, war kalt, abgemefsen, immer nur das thhwendigste » »F, das glaube ich.« » irtlich?'« Sie blickte ihm mit « so großen, fürchte-idem hoffenden Au ; gen ins Gesicht, daß er stutzig Lag ’ Joseph so viel an idiesem Stege? T »Er hat das beste Pferd und ist « ohne Frage auch der beste Reiter. Pas sirt ihm unterwegs kein Malheur, Io wird er gewinnen, selbstverständlich.« Marie athmete tief auf, es lag et was wie Dankbarkeit in dem Blick, den . sie ihm einen Moment schenkte. "Sie sprachen noch allerlei Gleich gültiqu, bis sie ihre Loge gesunden hatte, wo Franziska und die anderen Damen sie erwarteten. Dort trennten sie sich, und Albrecht ging wieder die Treppen hinunter zum Sattelplatz. Etwas Warmes war aus dieser Un terhaltung mit Marie in ihm haften geblieben, als ob nach langer Einsam leit eine weiche Mädchenhand über seine Stirn gestreift hätte. Vielleicht gab es tdoch noch einen modus pivendi. der ihn zu seinem Bruder und Marie zurückführen konnte. Er mußte ver gessen lernen. Er gehörte zu diesen beiden Menschen, sie waren seine näch sten Verwandten, sie meinten es viel leicht beide gut mit ihm, Joseph meinte es ganz sicher gut mit ihm Sein schroffes B ormunden hatte den Bruder ihm ent remdet, ganz natür lich, Joseph hätte in einer milderen und liebevolleren Führung des älteren Bruders vielleicht manchen dummen Streich weniger begangen. Und Marie? Er liebte sie immer noch, »aber sie war fiir ihn verloren, un wiederbringlich. Weshalb sich ihr ganz entfremsden, die nun seinem Bru der gehörte? r war in einer seltsam weichen Stimmung. Er ging in den Wage raum, um Joseph zu suchen und ihm einige freundliche Worte zu sagen, und als er ihn dort nicht sand, ging er ha stig weiter und fragte wiederholt be kannte Herren: wGaben Sie vielleicht meinen Bru der gesehen?« Man wies ihn dahin und dorthin, bis er ganz plötzlich und unvermuthet in der Nähe der Totalisatortribiine mit ihm zusammenstiesz. ,«vaeph!« · »Hast du Marie zurückbegleiteti Jn ihre Loge?« »Ja.« »Besten Dank-« « Er wollte rasch weitergehen, aber Albrecht hielt ihn zurück: »Einen Moment, Joseph, ich wollte, ich . . . Joseph, du hast heute einen großen Ritt vor dir, ich wünsche dir tät-ist ganzem hergen, daß du Glück a t.« Joseph fand nicht gleich eine Ant wort. Das war ein so neuer, fremde Ton, den Albrecht anschlug, daß er einen Moment stutzte. Dann ergriss er hastig die dargebotene Hand, und es war, als ob auch bei ihm die fürch kersliche Spannung dieses Tages sich öte: l·ck;,Jch danke dir, ich danke dir heer i .« »Nun komm, Joseph, wir wollen zur Wage gehen, es wird Zeit, sich zu recht zu «machen.« »Ju. Ia·« Was war das? Was bedeutete das? Der erste warme Ton aus Albrecht's Munde! Er ging schweigend neben dem älteren Bruder, der seinen Arm genommen hatte und allerlei über den Kurs der Steeplechasebahn sprach, al les in einer freundschaftlichem herz lichen Weise, wie ein älterer Berather, der die lange Erfahrung aus seiner Seite hat. « »Nimm dich in acht am Fließ, der Boden ist da sehr weich, man muß «sehr genau Obacht geben.« ..Dante schön.« Joseph ging dorniibergeneigt, wäh rend er den ganzen Tag sich strarnm aufrecht gehalten hatte Seine Rie senenergie, die in entscheidenden Si tuationen ihn stets emporrisz, hatte seit frühem Morgen nach einer schlaf lofen Nacht ihn wie mit eisernen Klammern hochgerichtet. Er scherzte mit Marie, lachte mit den Damen, er widerte in scheinbar bester Laune die tausend Fragen, die heute jeder, jeder, jeder an ihn stellte, und jetzt bei dieser unerwarteten Anrede Albrecht’s, die sem unbegreiflich freundschaftlichen Entargentommen des älteren Bruders verließ ihn die künstliche Ruhe! Es war ihm, als ob plötzlich der Boden unter ihm unsicher werde. Er — hatte die Empfindung eines Spielers, dessen eiserne Ruhe im Augenblicke der größten Gefahr durch einen lange ver gessenen weichen Ton, der ihm ins Ohr Man in L Wanlen gerath. Seit ahren hatte Albrecht nicht mehr so Zu ihm gesprochen, seit vielen Jahren, nicht mehr seit der Kinder zeit, in der Joseph den großen, be rühmten Bruder vergdttert und der Große den Kleinen vielleicht aufrichtig geliebt hatte. »ein Ankleideraum trennten sie sich, Joseph gina noch einmal hinaus, um an dem Biiffett nebenan ein Glas Seit zu trinken. Dann iindete er eine Ciaarette an und lie sich noch ein zweites Glas geben« Gortsehung folgt)