Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 30, 1901, Sonntags-Blatt, Image 10

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    sz sein« nnd Onkel Schmitt.
7sagebnch eines Knaben-—
Von M. von Scheve.
Gestern war Mantos Geburtstae,
i-— sie hat wieder geweint. Vor einem
Mre war sie immer vergnügt .....
rnm nur Papa nicht gekommen ist?
" « . . So lange ist er verreist. Jch srage
Morna gar nicht mehr nach ihm, denn
He giebt mir doch keine Antwort und
wird immer trauriger.
Wir haben zwei Pensionärez der
eine heißt Ostar; er ist Sextaner, zu
ihm sage ich: »Du«. Zu dem anderen
sage ich: »Sie«; er heißt Herr Schmitt
nnd ist ein möblirter Herr, wie die
Mine sagt.
; , Ostar ist neun Jahre; er ist aber
:» nicht stärker als ich. Wir haben uns
» heute mächtig gehauen» Warum? . . . .
f Er sagt, Mama sei eine geschieden
E Frau! Er soll nur ganz still fein; er
hat gar keine Mama, und sein Vater
ist schon lange todt.
» Zwei Windbeutel und drei Motiven
E- « Zöpfe habe ich gegessen; Herr Schmk
k; hat mich zum Konditor geführt. Er ist
»- riesig nett; ich soll »Ontel« zu ihm sa
gen.
M st- st
Ep Wie ich aus der Schule komme, sehe
· ich aus einmal Papa an der Straßen
eckeL Ra die Freude! . Jch falle
ihm gleich um den Hals und gehe stolz
mit ihm nach Hause. Mama ist furcht
bar erschrocken, als wir beide ankom
men; sie wurde treideweiß. Gemeint
hat sie auch wieder. —- Aber manche
Menschen weinen vor Freude, sagt
herr Lorenz, unser Lehrer. Gegen
Abend ist Papa wieder weggefahren.
—- Ontel Schmitt kam und wollte
Mama trösten; er ist immer traurig,
wenn er Mamas verweinte Augen sieht.
—- Ontel Schmitt ist sehr gut; ost sitzt
er noch lange bei Mama, wenn wir
schlafen gehen; dann spricht er englisch
mit ihr; das nennt man Kot-»verfa
tionsstunde; Mama iann viel besser
englisch als er.
Wir gehen jetzt alle Tage weit spa
zieren; ich mit Oskar voran; Matna
« nnd Herr Schmitt hinterher. Morgen
ist mein Geburtstag, wenn ich doch ei
neu Flitzbogen bekäme! Was wird mir
nur Onkel Schmitt schenken? Gestern,
als ich die Thür zu seinem Zimmer
aufmachte, steckte er schnell ein großes
Partei in seinen Kleiderschranl und
lachte ganz verschmitzt dazu; ob das
wohl für mich bestimmt ist?
ge E sc
. qw »Es
Wie-www JMIÆWEUYHHHHVHE
Ein großer Kuchen mit neun Lich
tern; ein ganzes Regiment Bleisolda
ten und ein schönes Buch von Martia;
von Oskar einen Ball; von den Tan
ten eine Kiste mit Apfelsinen. Ehoko
lade, Strümpfen und Kuchen; der
blaue Anzug ist von Großmamax ich
soll in den Ferien zu ihr kommen.
Onkel Schmitt hat zwei Flaschen Wein
spendirt zur Bowle; er hat mii mir
Brüderfchaft getrunken; ich sage jetzt
»Du« zu ihm und »Zum Richard«.
Mit Mama hat er auch Brüderfchaft
getrunken; er sagt »Tante Rose« zu
Mama, manchmal auch »Rose«. Eine
feine Armbrust hat er mir geschenkt,
und dazu eine Schießscheibe mit zwölf
Ringen. Der Onkel trifft immer in’s
Schwarze; ich schieße in's Weiße, —
aber freuen thue ich mich doch, wenns
auch noch daneben geht.
i- s- is
Oskar kann den Onkel Schmitt
» nicht leiden, weil er immer dreimal
nimmt, wenn es Pudding giebt.
Manchmal bin ich ihm auch nicht gut;
; wenn wir uns ein bischen ringen,
kommt er gleich und giebt jedem eine
Ohrfeige Na, überhaupt immer thut
er, als ob er mein Papa wäre; vom
TBratm bekommt er die besten Stücke
send zum ersten Frühstück ein Ei. Aber
Martia sagt, das sei ganz in der Ord
nung, Onkel Richard sei kränklich und
müsse kräftig essen; dafür bezahle er
auch viel Geld, alle Tage einen Thaler.
such sei er doch immer sehr nett zu
Uns. Mitte ist heute böse auf ihn;
feine Stiefel waren ihm nicht blank
f genug. »Was der Mensch immer zu
« segeln hat,« brummte sie hinter ihm
f kr, »so ein verbummelter Stubent, der
Mts ist und nichts hatt«
Onkel hat doch etwas und er ist
g such etwas.
«- Et ist »Jurist«; das ist etwas sehr
Gelehrtes.
«Onlel, was ist denn ein verdam
melter Student?«
".-" «Hoho, mein Junge, meinst Du mich
etwa damit?.... ch bitte mir Re
käelt aus; ich bin «urist!« Er lachte
e « su.
»Also bist Du doch etwas —- und
Das hast Du?«
- »Was ich habe?« ..... Er zog die
Mino kraus. »Ich habe Bazillen und
III-ersehn das genügt! . . . Der elende
Mwmpnk er stöhnte laut aus. »Wenn
III in der Lotterie gewinne, mein Haus«
Dann sollst Du es gut haben. Und
M Martia auch. Dann gehen wir nach
s sztaliew alle drei!!«
s- - se
Das etstr Mal ins Schmutze ge
W· hat-kahl Bald kann ich» so gut
wie Onkel Richard. Ueber fei
»Qett hängt ein Revoloerx damit
IM- MI Mal hintereinander
Wenn er stirbt, soll ich den
« " III-eins ter.
Ists-Iß E aber sehe lan e
Mit Leben wähnt fiel-z g
I Jahr,« sagt Herr Lorenz; «Onkel Ri-,
chard ist erst fünsundzwanzig Jahre
und hat einen kleinen, schwarzen
Schnurrbari. —- Meine Armbrust ist
sein, aber wenn sie kaput ist —- und bei
mir geht Alles kaput —- dann kause ich
mir einen Revolder; ich habe ja zwei
i Goldstücke in der Sparbiichie.«
i
l
Gestern Abend haben Mama und
I Onkel immerzu gerechnet. »Es geht
nicht; das Exempel stimmt nicht,«
c seufzte Mütterchen und beide schienen
I sehr betrübt darüber. Jch sah mir den
« Zettel an und da standen ganz leichte
Zahlen; kein einziger Deimalbruch:
600 Mark Miethe,
1800 Mark Haushalt,
160 Mark Steuern. .und so geht
es weiter. Nur zu addirenz kinder
leicht! Jch rechne nach: »Du, Onkel,
das ist ja ganz richtig.«
»Kleines, kluges Kerlchen!« der On
kel nickte lächelnd.
Mama küßte mich mit ihrem trau
rigen Lächeln: »Mein süßer-, dummer
Junge!«
Der Onkel küßte mich aus dieselbe
Stelle; dann sah er Mama an, und
küßte ihr die Hand, was gar nicht nö
thig war. —
Sonnabend sangen die Ferien an;
ich freue mich riesig.
Onkel Richard hat zwei Tage zu
Bett gelegen Komischi der Doktor
hat zu Mama gesagt, Onkel Richard
sei unheilbar! Unheiibar krank! —
Die Mine sagt die Doktors irren sehr
ost; der Onkel könne gar nicht trank
sein bei dem Appetit. Jent zielt er
schon wieder und trifst immer in’s
Schwarze; ich glaube, er ist wieder
ganz gesund — —
Hurrah die Ferien!
Seit drei Tagen bin ich hier in
Wolsramsbors bei Großmama Groß
mama ist so lieb, sie giebt mir immer
Chotolade und Tante Clara spielt mit
uns Verstecken und läßt mich kutschiren
Oskar ist auch hier, erstens weil er
keine Eltern hat und zweitens, weil ich
hier keine Spielkaineraden habe; Tante
Clara ist allerdings auch sehr lustig,
aber sie ist doch nur ein Mädchen, hat
ein langes weißes Kleid an und kann
nicht klettern
Was ist denn eine Depesches Jm
mer wenn so eine Depesche kommt, sind
sie Alle traurig, sogar die lustige Tante
Clara.
Nach der Depesche kam noch ein
Brief· Darauf mußte Martin an
spannen. Großmama und Tante An
na nahmen unter Thränen von mir
Abschied. Sie fahren zu Mama und
wollen mich nicht mitnehmen. Mama
ist krank. Armes Mütterchen!
Tante Clara will heute garnicht mit
uns spielen: sie näht an einem schwar
zen Kleide; wir sollen lesen und uns
ruhig verhalten. Als mich die alte Ur
sel zu Bett brachte, küßte sie mich und
sagte: »Bete für Deine arme Mama!«
»Ja, daß sie bald gesund wird!«
Ursel nickte stumm.
»Und für Onkel Schmitt auch!««
«Nein, für den nicht!« Und sie ballte
die Faust und sah grimmig an die
Decke. —- — Hier mögen sie«·’"alle den
Onkel Schmitt nicht leiden, und er isi
doch so gut; sie kennen ihn eben gar
nicht.
Am liebsten bin ich im Pferdeftall.
Als ich heut mit Oskar lam, lehnte
Johann, der Gärtner, an der Stall
thür und unterhielt sich mit Martin.
»Wenn einer brustkrant ist und
knallt sich todt, na denn meinetwegen,
was braucht er aber die junge Frau zu
erschieizen? . . . .«
»Die war auch unheilbar —- aufs
Herst« meinte Martin, »verheirathet
fein und doch keinen Mann haben, det
is so’ne Sachet«
— »Ach wol« Johann wußte immer
Alles besser, »det tommt bloß von de
Revokvers her; so’n Ding knallt kaum
und schießt gleich mausetodt!«
»Pst!« machte Martin, »du sind die
Jungen!«
Wir sollen nie hören, was sie spre
chen; ist mir auch egal, was solche
Leute schwatzen. Jch mußte nur eben
an Onkel Richard denken!
Ich will ihm doch lieber sagen, daß
er mit feinem Revolver vorsichtig ist;
so ein Ding knallt kaum, da hat der
thann Recht, und es schießt gleich
o t. « .
Und das Todtschieszen ist lebensge
sährlich · . . .
Was nur die alte Ursel gegen Onkel
Schmitt hat? —- —
——————s——.o O-———
Nach der Badereise.
Mutter: »Unsere Badereise scheint
ganz umsonst gewesen zu sein. Keine
von unseren Töchtern hat sich in H.
verlobt.'«
Vater: »Eben tras ich den jungen
Doktor in der Weinstube, der sich am
Strande öster mit unserer Minna un
terhielt. Wie er mir sagte, will er mir
in den nächsten Tagen seinen Besuch
machen.«
Mutter: »Na, Gott sei Dank, dann
hat vielleicht unsere Badetur noch vie
gewünschte Nachwirkung.«
Noch mehr, als verlangt
w i r d.
Sie : Schwöre mir, daß Du mich
allein liebst!
Er: Ich s koste ei! Und zwar
schwöre ich, da ich Dich nicht nur al
lein liebe« sondern auch, wenn andere
dabei sind! j
W
Der erste Zwist
Skizze von Marie Busche.
Sie waren nicht nur das reichfte und
schönste, sie waren auch das glücklichste
Paar unter der Sonne, der Herr Ober
leutnant Max von Werden und feine
junge, reizende Frau. um die ihn das
ganze Regiment beneidete, Frau Tessa,
gebotene Kurtzr.
; Als Werden vor Jahresfrist bei einer
Ballgefellfchaft das schöne, viel um
schwärmte, begehrenswerthe Mädchen
tennen gelernt, war es ihm wie ern
Rausch zu Kopfe gestiegen; bis über
die Ohren hatte er sich insTessas strah
lende Blauaugen verliebt. Und ihr ging
es nicht besser. Jhr Herz hatte der start
liche Offizier wie im Sturme siegreich
erobert.
Und nun saßen sie beide eines Mor
gens in ihrem traulichen Heim. Jn he
quemer, mit weichem Flanell gefütterter
Hausjoppe lehnte der Herr Leutnant
behaglich in den weichen Kissen des So
phas, er rauchte. indessen Tesfa den Kai
fee bereitete, eine feine Jmportirte.
Unter zärtliche-n Geplauder war bei
nahe eine Stunde vergangen, und der
Zeiger auf dem Zifferblatt der eleganten
Uhr zeigte zehn Minuten vor acht. Mit
einem Ruck war der liehestrunlene
junge Krieger aufgefprungen: »Der
verwünschte Dienst. Donnerwetter !'·
Sie sah ihn groß an. Lächelnd strei
chelte er ihr die weiche Wange. »Ver
zeih’, Frauchen, diese Kraftausdrücie
lernt man beim Kommiß wie die Kinder
das A B C in der Schule.
Er rührte heftig die Tischglocke ; und
prompt erschien fein Bursche. Flint,
Krause ! Der junge Vaterlandsoerther
diger fchnellte wie ein Biitz auf dem
Harten herum und half gewandt seinem »
Herrn.
Dann trat der Oherleutnant mit
ausgebreitenen Armen auf feine junge .
Frau zu, die sich ihm zierlich wie eini
Bachftelzchen auf den Fußspitzen entg:- ’
grnneigtr. Er nahm ihr Köpfchen zärt
lich in beide Hände und sagte :
«Adieu, mein Engel! Wir üben «
heute auf der Haide; wie wäre es,
wenn ich Dir so ein recht nettesStriiuß- s
chen Erita mitbrächte ?«
»Ach ja, bitte, Liedsterz das heißt, «
wenn es Dir teine zu große Mühel
macht.«
»Bewahre, nicht die geringste Also,
Liebling, bis spätestens Elf denke ich
zurück zu sein.« Noch ein inniger
Händedruck und er stürmte hinaus.
Sie hatte ihn bis zur Treppenthiir
begleitet, und noch vom Treppenhause
heraus flog ihr eine Kußhand zu.
Die junge Frau hatte sich irn Haus
halt beschäftigt, sie hatte gelesen, Briefe
an Freundinnen geschrieben, und so war
die Mittagszeit herangekommen
Tessa zog sich in ihr Antleidezirnmer
zurück, um rasch Toilette für den Mii
tagstisch zu machen. Sie sah reizend
aus in ihrem hellen Gewande, in ihrer
rosigen Jugendbliithe. Und sie wartete
aus ihn, vor dessen Augen sie so reizvoll
wie möglich erscheinen wollte. Aber die
Mittagszeii war schon seit einer halben
Stunde vorüber, und er kam immer
noch nicht. Jhre Ungeduld wuchs mit
jeder Minute.
» Ein Uhr ! Zum Zerspringen klopfte
; ihr das Herz vor geheimer Angst und
Z Unruhe, die sie nicht mehr los ward.
E Es war das allererste Mal. daß er nicht
; zur rechten Zeit kam. Ein unklares
: Empfindem welches ihr die Seele mit
F tausend lchreckhasten Gedanken bestürm
te, versente sie in eine Unruhe, die ihr
ganz unerträglich ward. Und zum Er
sticken heiß war es im Zimmer, eine
Lust, so schwül, kaum zum Athrnem
Mit einem Ruck riß sie beide Fenster
fliigel aus, erquickend quoll ihr ein fri
scher Luftsirom entgegen, den sie durstig
einsog.
Jetzt streckte auch Grete, das Mäd
chen, den Kopf hochroth zur Thiir her
ein, und etwas wie heimlicher Aerger
lag in der Frage, ob denn noch nicht
angerichtet werden könne, das Eisen
verdiirbe noch ganz.
»Ja Grete, es thut mit selbst leid,
aber der Herr ist leider noch nicht da.
Stellen Sie nur die Sachen etwas
mehr vorn Feuer zurück.« —- »Jst schon
längst geschehen,« sagte das Mädchen,
»aber der Auflan verdirbt nun ganz, i
zusammengesallen ist er schon lange.« i
Frau von Werden schwieg. Jmtner ,
trauriger hafteten die Augen der jun- Z
gen Frau auf dein Zifferblatt der Uhr, i
deren bronzene Zeiger stetig vorriictten;
es war beinahe zwei Uhr. t
Etwas wie tiefer Groll regte sich in
dein liebereichen Herzen der jungenT
Frau. Diese Nücksichtslosigleit über- ;
stieg denn doch alle Grenzen! Sie hät- E
te weinen mögen, so weh’, so schwer
war ihr das Herz. s
War sie denn blind gewesen in ihrer ;
edlen, selbstlosen Liebe? Ach — sies
konnte es nicht fassen, und doch, es:
mußte so sein, sie war bitter getäuscht T
worden« Jhr Ideal, das sie selbst mit j
dem Strahlenglanze hoher, herrlicher;
Tugenden gefchrniickt, es lag zerschmet- !
tert zu ihren Füßen im Staube. Ein «
helles Thriinlein tollerte brennend heisz Z
über ihre blassen Wangen; doch rasch ;
wischte sie den Verräther ihres Schmer- l
zes mit dem Tafchentuche ab. Das
fehlte noch gerade; weinen, um ihn?
Er war es gar nicht einmal werth, daß
sie sich um ihn alterirte. Längst waren
; die zwei Glockenschläge verhallt, esj
ging schon auf drei, doch alles bliebs
still, nur eine unverschämte Fliege, die -
zu den Fenstern hereingelommen, surr- f
te summend um den Kon der regungs« s
tosen jungen Frau, die wie eine
l schmerzverfteinerte Niobe dasaß. Doch
jest sprang sie wie eleltkisirt aus. ihr
seines Ohr hatte Säbelgerassel ausge
sangen und die überlaute Stimme ih
; res Mannes erkannt, der lebhast mit
i Jemand sprach, Gott Lob. endlich! —
, Sie flog mehr als sie ging in die
H Küche.
»Grete, halten Sie alles bereit, der
l»Herr lommtt"
. Jetzt kam er die Treppen herauf;
doch nicht wie sonst in kurzen, leicht
siißigen Sprüngen. ungeduldig bis
zum Oessnen Sturm läutend, nein —
recht langsam und bedächtig —- Schritt
sitt Schritt, wie Einer, der nicht recht
sicher aus den Füßen ist. Der Bursch:
hatte geöffnet. Nun flog die Thiir
weit auf und, das Gesicht weingeröthet,
die Augen in jenem Glanze slackernv,
den ein Rausch verleiht, trat Herr von
Werden, und mit ihm Major von Ne
galsti ein. »Guten Tag. Frauchen,'·
grüßte er jovial. »Du bist doch nicht
etwa böse, Tes;chen, daß ich ein wenig
länger geblieben? Ging absolut nicht
anders; die Herren Kameraden voll
zählig erschienen. Durste mithin nicht
schlen. Famoser Frühschoppent Viel
Spaß gehabt, nicht, Herr Majori«
Die Zunge schien ihm etwas schwer,
als er in kurzen Absätzen die Worte
herausstieß. Allbarmherzigert Mit
weitgeöfsneten Augen starrte Tessa ihn
an, — war das ihr Gatte? Wie
Schuppen siel es von ihren Augen; der
blendende, seine Kavalier, dem sie sich
in grenzenloser Liebe zu eigen gegeben,
war nur ein ganz gemeiner Trunken
bold, ein Unwiirdiger. Ob er ihre Ge
danten erriethi Er sixirte sie scharf,
als er jetzt den Maer böslich einlud,
Platz zu nehmen. das Essen wäre ge
wiß sertig. Allmächtiger! Auch das
noch! Was sollte das nur heißen?
Aerger, Verdruß und heiße Scham
stritten in ihrem Herzen. Also den
Major brachte er in der Weinlaune als
Gast mit« ohne auch nur mit einer Sil
be zu fragen. ob sie auch daraus einge
«richtet! Wie er nur so etwas thun
konnte. Es war abscheulich!
»Nun Frau,« hörte sie jetzt die
Stimme ihres Mannes-, »bitte, lasse
anrichten! Oder — ergeht es Dir wie
Lots Weibe, willst Du zur Salzsäule
werden? Jst Dir die Gustfreundschaft
etwas so Unangenehmes, daß Du den
Herrn Major nur mit einer stummen
Pantomime empfängst?« — —
Sie rang ersichtlich nach Worten, als
sie jetzt schüchtern aus den Major zutrat
und in fast demüthigem Tone sagte:
»Vergeben Sie mir« Herr Major, Sie
werden gewiß nicht schlecht von mir
denken, wenn ich aufs tiefste be-«
daure —- —««
Weiter kam sie nicht, ihr Mann sagte
in ungeduldigem Tone: »Ach, las-; doch
die Ziererei, Tessa, der Herr Major
bleibt, nnd nun bitte, laß sogleich an
richten, wir haben einen rechtschassenen
Hunger!«
Sie wagte keinen Einspruch mehr,
wie ein Opferlamrn, das ohne Gnade
abgethan werden sollte, tam sie iich vor.
Willenlos drückte sie aus die Glocke und
Krause erschien prompt wie immer, nur
daß er seht die Stalljacle mit einer fun
telnden Livrfse vertauscht hatte. Brin
gen Sie noch ein Couvert! Das Mäd
chen, das wohl gehorcht haben mußte,
war schon vorbereitet.
«Ha——h—·ha!« lachte der Major be
lustigt, »ich bin ausgerissen!« Und als
ihn Frau von Werden verständnißlos
ansah, sagte er: »Meine Gnädige, ich
will es Jhnen nur anvertrauen, was
E mich Jhre große Güte jetzt in Anspruch
nehmen läßt, einzig die Furcht vor ei
nem ledernen asen, den es heut bei
uns daheim gie t.«
Beide Herren brachen in ein unans
liischliches Gelächter aus· Großer Gott!
—- Was hatte-sie nur verbrochen, daß
sie diesen Kelch leeren mußte? «
Wie die schneidenste Ironie klang das
Wort lederner Hase in ihrem Innern.
Und bei ihr gab es gestandene still-tar
tosseln; ein verprrtzeltes hammelstiick
und einen gnuStein gewordenen, gänz
lich verdor . en Auslauf.
»Ach, Herr Major,« wagte sie schüch
tern einzuwenden, »wenn Sie nur nicht
aus dein Regen unter die Trause ge
kommen sind?«
»Steine Noth. meine Gnödigste,« er
widerte er schlagfertig, »das wissen wir
besser.«
So nahm sie denn ftumm und resig
nirt ihren Platz den Herren gegenüber (
ein und füllte mit zitternden Händen I
t
l
die Teller, die der Bursche herumreichte.
Jhr war genau zu Muthe, wie es einer H
Delinquentin, die ihre Henkersmahlzeit (
einnimmt, zu Muthe sein muß. Jn ;
heißer Scham brannten ihr die zarten »
Wangen, den Blick hielt sie beharrlich
gesenkt. Sie wollte es nicht sehen, was I
für Gesichter die Herren beim ersten
Löffel schneiden würde-n , denn die
Kartoffeln und die Brühe schmeckten
» ganz abscheulich.
Da tönte des Majors weinrauhe
Stimme verbindlich zu ihr herüber:
»Darf ich ganz ergebenst noch einmal
bitten, meine Gnädigste?« .
Und lächelnd hielt er ihr den Teller
hin. »Es schmeckt wirklich famos, ganz
ausgezeichnet!« —- — — Der Unver
schämte! —- — Verhöhnen wollte er sie
noch, das war zu viel, und um ihre
Lippen zuckte es verrätberisch Aber
nun mußte sie doch aufschm, auch ihr
Mann meldete sich: »Bitte Frauchen!«
Ein staunend Wundern übertam sie wie
ein Kind, das zum ersten Male den
Weihnachtsbaum sieht. Entweder die
herren hatten den Geschmack verloren,
oder sie waren noch hungriger als die
W . » «......-- .»..- -...... -.. .
I Wölfe. Sie hieben eine tüchtige Klinge
bei der Suppenschiisiel, und der Berg
I von geschnittenem Hammelsleisch zeigte
schon eine gewaltige Breichr.
Und nun kam ihre letzte Blamage.
Mit einem einfältigen Grinsen auf dem
I breiten Gesichte stellte der Bursche das
! zum Nachtisch bestimmte Etergericht
ani, das wohl noch härter ais ein Kie
I selstein sein mochte »Ach —- noch was
!Delieiöseö,« rief der Major. »Eigent
l lich meine verehrte Gnädige, bin ich
E vollständig gesättigt, und es hat mir
Z auf Ehre ganz ausgezeichnet geschmeckt
aber —- Jhnen, schöne Frau, ein Körb
- chen geben das vermöchte ich nicht, es
z wäre auch der schnödeste Undank. Also
. bitte ich anz ergebenst um ein Stück
3 chen aus hren scheinen Händ-ni« Sie
schob ihm ein Viertelchen aus den Des «
lertteller vom feinsten Kryfiall Auch
ihr Mann folgte dem Beispiele des Ma
iors, nur sie dankte, ais Krause ihr den
Rest Präsentirte.
Endlich war auch diese martcrvolle
. Stunde zu Ende und der Maior unter
vielen Dantsagungen gegangen. Gott
Lob, endlich allein! Es war aber auch
die höchste Zeit gewesen. mit ihrer Kraft
» gings zu Ende. Zum Ersticten heiß·
war es in der vom Weindunst und Ci
garrenrauch geschwängerten Atmosphä
re. Wie die Fabritschornsteine hatten
sie getaucht bei der starten Tasse Kassee,
die den Schaden wieder gut machen
sollte, denn der Kaisee tva’r ausgezeich
net gewesen. Ach, ihre prächtigen, sei
denen Gardinen, sie waren wohl site
immer verdarben. Gleich morgen sollte
Grete einmal den ganzen Tag lüften.
Tiesblaß lehnte die junge Frau in
einer Anwandlung von Schwäche in der
Sophaecke, als ihr Mann, einen lusti
gen Gassenhauer pseifend, freiem-er
gniigt eintrat.
Mit ausgebreiteien Armen ging er
auf sie zu: »Du, Liebchen, warum bist
Du so still, heh?« Und zärtlich wollte
er sie umarmen. Doch mit einer Kraft,
die er sich selbst nicht zugetraut, ftieß sie
ihn zurück; ihre Augen flammten ihn
zornig an, stürmisch hob sich ihr Busen.
»Riihre mich nicht anl« »-——
»Nanu —- was ist denn eigentlich
los?" fragte er ganz verdutzt. — —
»Ab —- Du bist mir böse, Kind, daß
ich das verdammte Unkraut —- Par
don! Wollte sagen Dein Haidesträuß
chen, vergaß mitzubringen, ist·s nicht
so, Herzchen ?"
»O Max,« sagte sie in tiefschmerz
lichem Tone. »wir konntest Du mir das
anthunZ Diese Blamage, ich bin baid
vergangen vcr Scham!«
»Blamage? — Scham? — Na hör«
mal, mein Kind, ich bin im Räthsel
rathen ein etwas schwersiilliger Patron,
willst Du Dich nicht, ich bitte selzr da
rum, etwas deutlicher erklären, wer
Dich blamirt, worüber Du Dich ge
schämt?« —
»Unb das fragst Du! Blamirt hast
Du mich, als Du in der Weinlaune den
Major, der als Feinschmecker bekannt
ist, mit zu Tisch brachtest, zwei Stun
den nach unserer gewöhnlichen Essens
zeii. Du konntest wissen, daß man ei
nem Gaste, der noch dazu Dein Vorge
setzter ist« nur das Beste, Vorzügtichste
vorsetzen will, und nicht, was durch ein
zu langes Stehen ungenießbar gewor
den. Dann aber habe ich mich geschiimt,
. baß Du so wenig Ehrgesiibl besitzt, am
: hellen Tage in einem solchen Zustande
: iiber die Straße zu geben. Du hattest
; einfach getrunken!«
Die Zornesader auf der hoben Stirn
des Prernierz war bei dieser langen
Rede bedenklich geschwollen, und jetzt
brauste er befti aus: »Was unterstebst
Du Dich? — Eber gab Dir ein Recht,
mich zu torrigireni In Deinem Meß
biirgerlichen Sinne hast Du wohl keine
Asiiänuna was unter Kavalieren Sitte
l «
Er war so heftig ausgefprungen, daß
der Stuhl hinter ihm« polternd zur
Erde fiel, nun stürmte er hinaus und
die Thiir flog trachend ins Schloß.
Ganz entgeistert stand die arme tleine
Frau mitten im Zimmer. Allmächti
ger Gott, was war das-?
Es war das allererste Mal, dasz ihr
Mann auf ihre bürgerliche beriunft
anspielte, und nun noch dieser Zant.
Sie wollte ihm nacheilen, ihn bitten, ihr
die harten Worte zu vergeben, aber sie
tonnte es schon nicht mehr. Alles
drehte sich mit ihr schwindelnd iin
Kreise, Tisch, Schrank, Bilder, Kron
leuchtet. Alles schien aus sie herab
stiirzen zu wollen, sie schwankte wie eine
Trunkene, und beim ersten Schritt, den
sce that, glitt sie mit einein leisen Weh
laut auf den Teppich nieder. ,
Auch dem Leutnant war es schwül
geworden, als er sich so in der »He ver
rannt hatte. Er riß beide Fensterfliigel
auf und lockerte sich die Uniform. Ach
-—— das that gut ! An dem-Unglück war
ja nur die hönselei der Kamera
den schuld, die ihn fortwährend neckten,
ihn einen Pantoffelhelden nannten, der
vom Schürzenbande seiner Frau nicht
mehr loskomme, und dergleichen mehr.
Er bereute seine fast brutale Heftigteit
tief und schmerzlich, und auf der Stelle
wrsllte er« ihre Verzeihung zu erlangen
suchen. Leise öffnete er die Thür zum
Wohnzimmer. Barmherziger Gott !
Da lag Jessch sein iiber alles geliebtes
Weib wie eine Todte ausgestreckt, kei en
Blutstropfen in dem liltenweißen e
fichte, leine Wimper zuckte an ihr. Mit
einem Male war der Rausch verflbgen,
der seine Sinne umnebelt gehalten. Er
kniete an stvoll am Boden bei ihr nieder
und rief te mit den zärtlichsten Namen;
vergebens. Leicht wie eine Feder hob cr
sie nun auf und trug sie aufs Sopha,
dann flog er mehr, als er ging in die
L...»..·. -.-»-. .—,. . . « . . .. ....
l noch-. »Gute. schon-. »ein qus frische
Wafser l« «
Sosort brachte das.l Mädchen, mit ei
t i:em malitiisfen Lächeln auf dem Ge
E sichte, dasALSlewiinfchler Er kniete am
s Ruhebett nieder und benetzte die Schläfe
s der jungen Frau mit dem belebenden
; Naß, und ihre schlaff herabhängende
« Hand bedeckte er mit heißen Küssen.
j ,Tessa, meine einzig geliebte Teffa,
komme zu Dir, kannst Du mir noch ein
- mal verzeihen, daß ich Dich so verle te?
Hörst Du mich nicht, mein En- el ? m
unserer Liebe willen sei nicht so hart. o
ziirne mir nun auch nicht länger, Ge
liebte, ich schwöre es Dir hoch und then
er, es soll nicht mehr vorkommen !«
: Da schlug sie verwundert die schönen
Augen, an denen noch ein feuchter Thra
i nenschleier hing, auf.
»Was ist mit mir vorgegangen 's«
i Doch schon kam ihr das Verständnis;,
eine Blutwelle überfluthete jäh ihr blas
ses Gesichtchen, und eilig wollte sie auf
springen. Er drückte sie sanft zurück.
Z ,,Ruhe noch ein wenig, mein Kind, Du
« bist angegriffen, und hier —- trinte ein
F paar Tropfen Wasser !« Vorsorglich
; hielt er ihr das Glas an die Lippen.
Sein Arm stützte sie zärtlich. »Ist Dir
besser, einzige Tessa ?« Sie nickte. —
«llnd bist Du mir wieder gut, Herz
» lieb ?« Nun mußte sie wider Willen doch
« lächeln. Schelmisch hob sie den Zeige
finger. »O Du ! —- Jmmer gleich stür
niisch, im Guten wie im Bösen; wie
sehr hast Du mich vorhin erschreckt !"
»Ich bitte Dich herzlich, denke nicht
mehr daran.- Jch mufz wahnsinnig ge
nesen sein, lasz mich mein Vergehen
siihnen durch doppelte Liebe, denn nur
bei Dir ist mein Glück vollkommen l«
si- e- si
Es war ganz still geworden in dem
traulichen Wohnzimmer ; das Mädchen
holte den Tisch adgeriiumt und war so
eben mit dem Geschirrwaschen fertig,
als die Thiir zur Küche leise ausging
und Herr und Frau von Werden, zum
Ausgehen bereit. eintraten.«
»Wir gehen an dem schönen Nachmit
tage ins Schützenhaiis, Grete, und trin
ken dort den Kasfee,« sagte die junge
Frau freundlich. »Und sollteii wir,«
siigte er hinzu, »um sechs Uhr nicht zu
iiick sein« dann essen wir zu Abend bei
der-. Eltern !"
Das Mädchen sah ihnen lächelnd
nach. »Na so ’wa«g —- erst zanken sie
sich und nun ist alles der pure Honig.
Da werde einer aus deii Vornehmen
lliig !"
Esp- --------- -
Rdnsitiiren von Kürbis
in Z u et e r. --· Der Kürbis wird zu
diesem Zweck in beliebige Stücke oder
Scheiben geschnitten. Hierauf set-i man
auf 1 Pfund Kürbis etwa Z Pfund
Zucker mit dein nöthigen Wasser zum
Schmelzen aufs Feuer, setzt demselben
nach Geschmack Weinsteinsiiute zu und
gießi ihn, wenn ganz klar gekocht, über
H den in einen Topf geschichteten Hitjrbis
F und stellt ihn auf 24 Stunden beiseite·
t Der niikvis wird nun ser viel Saft
i abgelassen haben. Nun giefit man den
t Saft ab, kocht ihn unter Abfchäumen
i auf und etwas ein, gießt ibn nochmals
« lachend über den Kürbis und läßt ihn
wieder 24 Stunden zugedeckt stehen.
s Der Kürbis wird nun die nöthtge
Säure aufgenommen haben, widrigen
salls muß noch welche zugesth werden.
Nun gieszt man den Saft zum zweiten
Mal ab, giebt den Geschmack gebenden
Saft hinzu und kocht ihn unter Ab
,schäumen tüchtig ein. Zuletzt thut man
den Mirbis hinein und läßt denselben
so lange im Saft mittochen, bis er an
den Kanten durchscheinend wird. Nun
wird er in Büchsen gepackt und der
Saft so stark eingelocht als nöthig und
dann iiber den Kürbiö genossen, ein
Pergamentpapier, in Rum getränkt,
darüber, und mit Parrasstn übergossen
Moriplatten sind hierbei nicht nöthig)
und zum Bei-kühlen hingestellt. So
bald das Parassin völlig erstarrt, wird
nöthigensalls noch etwas nachaegossen
unddie Büchsen oder-Gläser mit Ya
tanmtappell luflolllzt versehn-»ein
Will man den Kürbis mit Jnaweressenz
versetzen, so läßt man die Säure ganz
fort und gießt den Sast wohl noch ein
drittes Mal iiber den Kürbis, ehe man
den Zörbig-, wie eben beschrieben, mit
tocht. Dann packt man den Kürbis in
Büchsen und übergieszt ihn mit dem ein
gediclten, reichlich mit Jngweressenz
versehten Saft (der Kürbis selbst
nimmt auch einen Theil der Schärfe
des Jngwers aus). Es ist selbstver
ständlich, daß man diesen Konfitiiren
nach Wunsch Farbe zusetzen lann. Ana
nas, Apfelsinen erhalten die gelbe Farbe
des Kürbis, den anderen setzt man et
was Noth zu, wenn die Farbe des Sas
tes nicht ausreicht. Will man Pfirsich
geschmack, so läßt man geriebent bittere
Mandeln mit dem Zucker auftochen,
doch müssen die Mandelftiicke durch Ab
schäumen wieder entfernt werden. Setzt
man zu einem oder dem andern Ge
schmack, z. B. zu Apfelsmen noch Va
nillenessenz hinzu, so erhöht dies den
Geschmack. Durch verständniszvolles
Kombiniren tann man eine ganze Reihe
der köstlichsten Itonfittiren in Geschmack
und Farbe herstellen und ist hier der in
telligenten Hausfrau der weiteste Spiel
raum eröffnet.
Fliedermus. —- Man psliickt
die Flieder- oder ollunderbeeren von
den Stielen, laßt te in einem unver
zinnten Kessel aus gelindem Feuer ein
paar Mal auftochen, preßt sie durch ein
Tuch und tacht den Saft unter fort
währendem Riihren zu einem dicken
Syrup ein, den man in tleine Stein
töpfe stillt und nach dem Erkalten mit
, Papier zubindet.