Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 23, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    - Träsywzsmwssssvkskch
· : »- · r
v»Meine-rette von Iris Ernst.
—..-..--.
flVer Herr Kommerzienrath Seiler
M in seinem Privatlotnptoir, einer be
haglich eingerichteten Klause, und sah
Ue eingelausene Post durch.
Mrralpk rief er plötzlich, ein Brief
Uatt wie eine Fahne über seinem
Haupte schwenkenv und im Rufst-rin
en den Schreidsessel umwerfend —
unaht Das ist eine famose Jdee von
dem Jungen! Doch ein PrachtkerU
Hat seinen Doktor gemacht, sogar sehr
früh gemacht, u der Erste, dem er es
meldet, bin ich. —- Run freilich, ich bin
ja gewissermaßen sein Vater, habe ihn
ja erzogen von seinen ersten Geht-ersu
chen an (in Herrn Seilers Stimme
machte sich eine schluchzende Rührung
bemerkbar), von seinen ersten Gewer
suchen an, bis er die Hochschule bezog.
—- Ob er herkommen dars, um mit set
netn Vater —- er schreibt doch Vater«-’ —
ja, Vater nennt ermich —- um mit sei
nem Vater über seine Zukunft zu be
rathen und sich ein wenig von den An
strengungen des Examens zu erholen?
Aber natürlich! Eigentlich sollte er we
niger lange gefragt haben, sondern ,
gleich selbst gekommen sein!" ,
Seiler eilte zu dem neben sei
nem Schreidtisch angebrachten Sprach
rohr, das nach der unteren Etage führ
te. —- ,,Heinrich!« —- Herr Kommer
zienrach —- tvas wünschen Herr Kom- ,
merzienrach!« — »Komm mal sofort
herauf, Du mußt ein Telegramm be
sorgen!« — »Jawohl, Herr Kommer- «
zienrath2 Komme sofort, Herr Kom
merzienrath!«
Zwei Minuten später trat Heinrich
—- Komtoirdiener und Universalsatto- j
tmn — in das Privattomioir. -
»Heinrich, Du mußt sofort und auf F
dem schnellsten Wege ein Telegramm an j
Rudolf-h besorgen.« ;
»An Rudolph, Herr Kommerzien- .'
rath? Er hat doch man keine Dumm- ;
heiten gemacht? J, denn soll’n doch I
gleich . . .« ?
»Ach was, Dummheiten; seinen Dor- "
tor hat er gemacht und herkommen will
er.«
.,’n Doktor, Herr Kommerzienrath
—- Sehn Se, err Kommerzienrath ;
hab’ ich es nicht immer gesagt, daß das E
’n doller Junge is?! — Verzeihen Se
man, Herr Kommerzienrath, aber er is
doch nu mal unser Junge; ich hab’n
doch schon auf’n Armen getragen, als
er noch statts de Kehle de Windeln naß
machte."
»Gewiß, Heinrich, gewiß. Aber nun
troll Dich; in zehn Minuten bist Du
wieder hier, und inzwischen Mund hal
ten, verstanden?« .
»Woll, Herr Kommerzienrath, ich
werde schweigen wie’n toter Moltte." «
Zehn Minuten später trat Heinrich
wieder ein. —- »Js besorgt, Herr Kom
merzienrath, nu kann er tominen.«
»Na schön. Aber, Heinrich, wir sind
eigentlich noch nicht so weit, daß erz:
kommen könnte; wo wollen wir ihn?
denn eigentlich hinstecken?«
»Ach Gott ja, Herr Kommerzienrath,
Se hab’n ja Recht. Herr Kommerzien
raihl Ra, das is man ’ne fatale Ge- ?
schichte. —- Wenn unser Rudolph nu’n
Mädchen wäre oder FrL Bertha ’n
junger Mann. denn könnten se zusam
men in Fräulein Bertha’n ihre Stube ;
schlafen. —- Ne, Herr Kommerzienrath,
hab ichs nicht gleich gesagt, als Herr
Kommerzienrath damals die großeUm
änderung machten. die Wohnung für
Herrn Kommerzienrath wäre zu Kein?
,,’n Zimmer für Fräulein Bertha, un’n
Wohnzimmer, un’n Eßzimmer —- wie
wollen Herr Kommerzienrath denn da
Leute beherbergen?! —- Nu lönn'n wir
nnfern Rudolf-h in’s Hotel hinschicken,
Herr Kommerzienrath.«
»Ach was-, davon tann keine Rede;
sein; wir müssen eben sehen, wie es;
einzurichten geht. — Na, hast Du denn
gar keinen vernünftigen Einfall?«
»Hm, Herr Kommerzienrath, ich
' hätte woll einen, aber das is man tei
need«
»S, was ist’s denn-«
»Ja, ich wollte Herrn Kommerzien
rath vorschlagen, daß Rudolph—Herrn
Nudolph meine ich —- in meine Bude
unten hausen könnte. Das Ding is hell
und groß, geht direkt nach de Treppe un
stößt blos auf eine Seite an die Bu
teaul, an das Kassenzimmer nämlich,
un da is de Thüre noch mit den großen
Arnbeim verstellt —- tvir bab’n ja, Gott
sei Dant, ’n großen, Herr Kommerzien
rathk
»Aber, alter Junge, die Jdee ist ja
«großartig! — Sofort will ich —«
»Nu« nee, Here Kommerzienratb, die
dee is eben keine, wie ich ja man ge
agt habe, gerr Kommerzienratb.«
»Nami, u wirstDich doch nicht wei
n, auf ein paar Wochen Deine
tnbe zu räumen?« «
rr Kommerzienratm Für unsern
Rudolphi! — Jn’n Rinnjtein will ich
kamt-jun wem« nöthig ts! Aber die
Sache hat«-I Haken, herr Kommerzien
tath, indem daß tein Ofen in die Bude
ti, nnddadgim is die Jdeå eben keine
Idee. rr ommerzieneat «
»Das ist doch aber eine Kleinigteih
Wenn ich nicht irre, steht im Kassenraw
sie an der Berbindnngsmauer der
Osmi«
» woll, Here Kommerzienraib, der
. » » ,
r Ums glich-Wo ein Ofen ist, da ist
»F Miso such ein Schornstein
Animus Mr vsofort eine Leiter,
« "" » nnd M lund jchlägft
Iei- Usnb ein . bai man ein
W
Rohr bindurchslibren kann. Jch mei
nerseits werde dafiir sorgen, daß spä
testens morgen früh ein hübscher, klei
ner Zitllofen ausgestellt wird —- dir ist
ja die Marte «Juwel« besonders ge
riidmt worden —- und dann bat es un
ser Rudolph, wenn er morgen Mittag
kommt, so warm und mollig, als er es
sich nur irgendwie wünschen kann. —
Natürlich werde ich heute noch die nö
. thigen Möbel laufen.«
I ,,Möbel kauferM Aber Herr Kom
merzienratb. wir haben doch auf’n Bo
tsen noch sone Menge schöne Sachen, die
damals ran gekommen sind, als Se da
mals hier die große Umtrempelung ge
macht haben, Herr Kommerzienrath, wo
werden Se denn da neue tausen, Herr
Kommerzienratb, die kommen nachher
doch blos auf’n Boden.«
»Ja, lieber Heinrich, das wäre ja
ganz schön. »Aber wenn ich die Möbel
Vorn Boden haben will, dann muß ich
meiner Tochter, die doch alle die
. Schlüssel hat, sagen warum. Und das
will ich nicht, denn ich möchte gerne
sehen, was Bertha für einGesicht macht,
wenn sie Rudolph so plötzlich sieht.«
»Ach so· Herr Kommerzienrath, hm,
ben, ich verstehe schon. Herr Kommer
Zienrath."
»Was? Du verstehst? Nun einst
weilen hai Du gar nichts zu verste
hen, und ein schlaues Grinsen sannst
Du Dir auch sparen. -— Hörst Du,
Du verstehst nicht. und wenn Du plan
derst, so sind wir geschiedene Leut:."
»Aber Herr Kommerzienratb, ich
bin so stumm wie’n marinirter Hä
rrng.«
»Nun gut, und Du wirst dafür
sorgen, daß, wenn die Möbel nnd der
Ofen kommen, alles von der Hierin
gasse aus an Ort und Stelle gebracht
wird-«
»Gewiß, Herr Kommerzienraib,
wies allens besorgt, Herr Kommerzien
rat .'« — — —
Der Kommerzienrath und Konser
venfabrilant Seiler sasz auch an dem
nächsten Vormittage mit hochzusriede
ner Miene in seinem Privattomptoir.
Er hatte soeben die Einrichtung des
Zimmers, das feinen geliebtcn Neffen
und Pslegesobn aufnehmen sollte, einer
Jnspeltion unterzogen und gesunden,
daß alles gut war. Jetzt war Heinrich
unten beschäftigt, das »Juki-UT ein
wahres Prachtstück van einem Fülle-fern
anzuheizen, und er hatte Befehl, seine
dabei gemachten Beobachtungen durch
das Sprachrohr herauf zu rufen.
Herr Seiler gedachte jener Zeiten,
da Rudolph noch in seinem Hause
war und ihm den versagt gebliebenen
Sohn ersetztr. Rudolf-h war ein wil
der Bursche gewesen, stets voll toller
Streiche, und doch ein herzenSSater
Junge, in dem nur ein Uebetschuß an
Kraft nach Bethätigung rang. Aus
der Schule ließ er alle anderen weit
hinter sich. War es da verwunder
lich, daß here Seiler davon träumte
der Pflegesohn möge dereinst sein
Schwiegersohn werden?! llnd diese
Hoffnungen waren seiner Meinung
nach durchaus begründet.
Plöylich wurde der Kommerzientatb
aus feinen Träumereien emporge
schreckt durch den Eintritt eines Lehr
lings, der ihm die Bitte des Prokuri
sten überbrachte,« diesem eine wichtige,
unaufschiebbare Unterredung zu ge
währen, mit der Anfrage, ob der Herr
Chef den Besuch des Prokuristen
wünsche oder selbst in’s Burean lam
men wolle.
Herr Seiler sah nach der Uhr. hur,
noch zwei Stunden, bis zu Dem Jesa,
mit dern Rudolle dem Telegramm ge
mäß eintreffen sollte. —- »Ja» ich
werden sofort zu Herrn Schmidt lam
rnen.« —- Schnell verschloß er, als
Mann der Ordnung, die lese daliegen
den Papier-e und verließ das Zim
mer. —- — —
Kaum waren die Schritte des Rom
rnetzienraths verhallt, da öffnete sich
abermals die Thür und herein trat ein
junger Mann im Reiselosiiim. einen
leichten Koffer in der Hand tragend.
»Hm, Onkel nicht hier? Pflegte
doch sonst um diese Zeit emsig zu ar
beiten. Na, tann auch in den Bu
reaux oder drüben in der Fabrik fein
Jedenfalls aber will ich hier warten."
Er stellte seinen Handiofier in eine
Ecke, ließ sich aus die uwer ver Bi
bliotbek stehende Chaiselongue nieder
und schaute sich im Zimmer um. »Viel
verändert in den Jahren, da ich nicht
» mehr hier war. — Ah —- Berthchent
j —- Ja, so muß sie aussehen, die Hold
i selige, das ist ihr liebes Gesichtchen,
! und ich.begreise den Onkel," daß er
T diesem Bilde den Chrenplatz giebt. —
i Aber doch nur ein Bild, ich wünschte,
- ich hätte erst das Original vor mir.«
i »Wen, mein herr?« klang hinter ihm
Z eine silberne Stimme, und herumfaly
i rend gewahrte er die Erfüllung seines
. Wunsches.
l »Den-you —- »Rudotph!« — Gleich
zeitig tönten die Rufe von beiden Sei
ten, und die beiden jungen Menschen
kinder umschlangen sich in stürmischer
Freude, die den Lippen des einen das
Finden der des anderen bedeutend er
leichterte. Dann aber prallten sie er
schreckt auseinaner, wie zwei Kinder,
denen nach deriibter Missethat das
Gewissen schlägt. — Sie waren beide
roth geworden bis an die Haare hin
auf, und ein ban es Schweigen machte
dem einen die - ituation so peinlich
wie dein anderen.
«Wie groß und start Du geworden
bist« brach Berti-a endlich den auf
ihnen lieaenden Bann. — .Und wie
I ichs-i und wisher Din- gso nuvpcph
: begeistert zurück. — «Ach geh, Du
willst mich bloß wieder necken, wie Du
et immer gethan hast« — Aber nicht
doch! Jch versichere Dich, Du bist das
s schönste, liebreizendste Kousinchen von
f der Weltt« — »Du, wenn Du jest nicht
i artig bist, dann betommsi Du nichts zu
« essen, schon deshalb. weil Du Dich
I nicht angemeldet hast«
; «Bis fest is allens Qualm un
Blaat!« tönte es da piäylich von der
Gegend des Schreibtisches her, und er
staunt sahen sich die beiden jungen
Leute um. Da sie nichts entdecken
konnten. wurden sie wieder verlegen,
bis Rudolph begann: »Sagtest Du
nicht, ich hätte mich nicht angemeldet?
Aber ich habe doch dem Onkel geschrie
ben, daß ich mein Examen glänzend be
standen, und er telegraphitte mir
darauf, ich solle mich so einrichten,
daß ich heute Mittag hier-sei. Aller
dings bin ich eine ganz andere Tour
gefahren und deshalb schon zwei
Stunden früher angekommen. Wenn
« aber der Onkel Dir nichts von meinem
Kommen gesagt hat« dann kann« ich
, nur annehmen, daß er Dich überraschen
; wollte. und nun, Herzenstousinchen,
! mußt Du rnir sagen, ob die Ueberra
« schung eine angenehme war ?"
I «Na, nu fängt er endlich Feuer!«
. ließ sich die räthselhafte Stimme wie
. der vernehmen und schnitt Beetha die
Antwort ab. Rudolph, der, ganz in den
Anblick des jungen Mädchens vertieft,
den Zwischenruf nicht gehört hatte, deu
tete ihr Schweigen anders. —- «Berth
chen", fuhr er dringender fort, »die
Jahre, seit ich dies haus verlassen
hebe, waren Jahre fleißiger Arbeit fo
wohl als auch reicher Jugendiust. Aber
im hörsaah auf dem Sportplah, im
Kreise der Freunde, überall schwebte
mir Dein liebes Gesichtchen vor, im
Wachen und im Träumen warst Du
meine stete Begleiterin.«
«Jetzt kommt er richtig in Zug!"
ilang es dazwischen und jagte Bertha
eine Blutwelle über das Gesicht, wäh
rend Rudolph ganz verwirrt wurde
und fragte: »Ja, Berichen, wer spricht
denn hier sortwährend?«
»Ach Gott, ich weiß es ja auch nicht;
es muß wohl draußen fein. Mir ift es
schon ganz unheimlich« , .
»U, Du kannst ganz oernytgt sein-—
unter meinem Schuhe bist Du sicher ge- ;
gen jede Ansechtung.« ?
Nu qualmt er wieder wie doll!« j
klang die Stimme aus dem Hintergrun- I
de und mit den Worten .da war es Z
wiederk« erbeben sich die beiden jungen .
Leute und fingen nun an, das ganze .
Zimmer einer genauen Turchsuchung
zu unterziehen —- natiirlich resultar-E
los. —- Bertbchen stiegen die Thränen
in die Angen, denn die Sache wurde ihr 4
thatsächlich unheimlich. Rudolph suchte
Ihr Muth einznsprechem «BerubigeDich «
koch, Bertbchen, was kann es denn sein,
cis höchstens ein Selbstgespräch, das
Jemand in der Nähe führt. Was auch
sc lltest Du denn furchten? Jch werde
meine schiihende Hand iiber Dich balten «
Dich beschirmen und bitten, als mein
tvstbares Juwel!«
Das soll n anel sin?!« — n ol
les Rabenlnder is est«
Bestiirzt und sprachlos sahen sich?
beide an Auch Rudolph konnte sich ei
nes merkwürdigen Gefühls nicht erweh- .
ren, da ihm ganz riitbselhaft blieb wo «
lie geheimnisvolle Stimme ihr-en Ur- j
sprung hatte. Schließlich aber sagte er ’
sich, daß es wohl kaum etwas Ueberna- .
tiirliches sein könne, und so zog er die
leise weinende Bertha aus die Chaise
longue nieder nnd setzte sich, ihre Hände
fassend, neben fie. —- »Sage, Beeth
chen, mein Schatz. hast Du denn wirt
tich Furcht in meiner Nähe? Dach ge
wiß nicht!«
an fängt er wieder san bischen
an «
«Laß nur jene riitbselbaste Stimme
wer weiß, wer sich da einen unpassend-n
Scherz macht. Hat der Lauscher aber
soviel gehört, dann mag er noch met-r
hören. — Berti-C mein Kleinod, wür
dest Du Dich meinemSchu uje nicht für 5
ganze Leben anvertrauen!
«Aliens Feuer un Flaumer Nu
wird er warm!«
»Du sagst nicht nein? — Du ent
siehst Dich mir nichM O, dann, dann
lasse ich Dich auch nicht mehr, meinLieb,
mein Weib, inein — ja, noch einmal —
mein Juwel!«
»Na, das is doch noch was sors Je
« fühlt —- Aber »Juwel« is dasor noch
die reine Beleidigung!« —- — —
,,Meinst Du, heinrich?!« tönte da
aus der Schreibtischecke hinter den Lie
benden eine zweite lriistige Stimme,
und ganz lonfternirt aus ihrer iniiigen
itmarmung aussahrend blickten Berihn
und Rudolph in das selig le ichtende
Gesicht ihres wirklichen Pflege- ind
Schwiegervaterö.
«Jawohl, Herr Kommerzienrath Jch
fürchte bloß, unsen Rudolph wird aus
die Weise der Kopp zu warm gemacht
und wenn er denn ne plötzliche Absich
lung kriegt
»Keine Angst«, rief here Seiler
durch’5 Sprachrohr hinab, »das sieht
mir hier nicht nach Abliihlung aust«
Aber nun lonim schnell heraus,hier oben
giebts eine gute Neuigkeit!«
«Eine gute Reuigieit?! —- Hurraht
Rudolph!«
»Und Bertha!« ries Herr Seiten
»Un Beethaik — Fräulein Beriha
natürlich, Herr Kommerzienrath stu
dolpb un Bertha! —- Aber. herr Kom
merzienrath, hab' ich nich immer gesagt,
Nudolph ii n doller Junge, here
Kommerzienratth —- — —-«
W
I Ilie Lampe nur Fenster.
—
humoreike von A. W e r n e r.
»Na. sei doch nicht komisch- Rossi —
; So’n Pedant! — Komm mit« Juliette
J wird sich rtelik freuen.« - —
F »Hast Du hr nicht gesagt, daß ich
verheirathet bin?« s
I »Natürlich! —- Sie hat riesig ge
lacht·«
» «Gelacht? Was ist denn da zu la
chen?'
- »Du tennst ja Juliette. —- Worüber
kachi die nicht?«
»Lacht sie noch immer so girrend?«
»Noch girrender!«
»Hm —!«
. -,.Erst in’s Odeon. um acht Uhr, nicht
wahr? Sie hat entzückende Nummern.
· — —- Und nach der Vorstellung zu
Ballina — Zimmer ist bestellt.'«
»..Jn’s Odeon vielleicht. zi: Vollma
netn.'«
»Hör’ Du erst ihr Couvlet — das
- eine mit dem reizenden Resrain."
s «Bst! —- Still! — mir war, als
hörte ich was.« —
« Rats erhebt sich, schlägt die Portifsrc
s zurück und sieht flüchtig in’s Nebenzun
s mer, es ist Niemand da. Daß eine
blaßgriine Seidengardine an einem der
Fenster leicht zittert, bemerkte er nicht.
« Er kehrt zurück zu seinem Freunde
. Bennv Wedel. —
« Der klein-e Wedel bemüht sich red
lichst, seinen Freund Noli zu »retten".
Nämlich davor, ein Philister und Pan
tasselheld zu werden. Wedel hat der
Rols dinirt. sehr gut, ausgezeichnet
dinirt, das muß er der kleinen Frau
lassen — das Arranqement war bril
lant, —- und Wedel ist Kenner . . .
Jetzt iißen die beiden Freunde in
Volks Zimmer bei starkem Rassen
tauchen und plaudern, und mit der Fen
diötretion aller Männer in die em
Punkte plaudert Rols iiber seine Ehe,
seine Frau und deren «Temperament"·
Taß seine blonde Gerda ein entzücken
des Geschöps ist, steht sesi —- nur —
nur schwer auszuthauen — keine Spur
von Kotetterie. —- Das ist ja auch in
der Ordnunn und überhaupt —- Gerda
ist ja tadellos! —- Itur — zuweilen ver
mißt man doch am ehelichen Tisch das
Pilante ..-—— —- ein prickelndes Glas
Sekt! —- —
Wedel erhebt sich: »Als-) Du tommst2«"
Hm — —! Schließlich, wenn der
Honigmond schon ein volles halbes Jahr
dauert, tann man doch einmal aus ei
nen Abend sich emanzipiren . · . Und
übrigens. er will doch nicht irgendwie-—
irgendwas —- —— teineswegsi —- ein
kleines Amiisernent—rnit guten Freun
den — harmlos, ganz harmlos. — — E
»Alle abgemacht?« -
»Abgernacht.«
Der kleine Wedel ist vergnügt. Er
weis-« daß die tadriziiise Juliette viel
liebenswürdin ist, wenn er Rols rnit
bringt. Gut, daß er heute mitgebi.
Wenn Juliette liebenswürdig ist, dann
ist sie wie die Sonne, die über Gerechte
und Ungerechte scheint — auch über den
kleinen. netten Wedel! — Jst Juliette
aber verstimmt, dann ist Wedel der
erste, den sie nnausstehlich findet.
i i e
Noli ist allein. Er gebt nachdenklich
an seinen Schreibtisch, lrarnt ein wenig
herum . zieht dann ein kleines
Fach aus und nimmt ein Piickchen
Briese heraus. Er schlägt die
Bogen auseinander , liest und
lacht. —- Orthogravhie: Z. —- Stil:
originell. —- Aber das Parsüm —- das
ParsiimL —- noch immer berau
schend! - —
Ej raschelt im Nebenzimmer; schnell
wirst er die Briese in das Fach zurück.
Seine Frau erscheint in der Portitere,
zum Aussehen angetleidet·
»Ab, Du bist es, Gerda, —- Dn willst
fort?«
»Ja, ich habe Tante Bücher verspro
chen, bin bald wieder zuriick.«
»Du brauchst Dich nicht so zu beei
len, Gerda —- wenn Tante Dich gern
ein Stündchen behalten möchte-weißt
2 Du, —- ich gehe heute Abend aus.«
l Es tonnnt ihm vor, als sei sie zu
I sammengezuett.
; Er beeilt sich, ihr von einer Aussat
i derng Wedeks zu sprechen, von einer
i Zusammentunst mehrerer Gutsbesitzer
der Um egend —- Eröterung land
wirthschaettieher Fragen, welche —- da
sie ja möglicher Weise das Gut Dntel
Rudolfs übernehmen müssen —- ihn
; sehr interessiren. —
Er geht« während er spricht, im Zim
s mer aus und ad, erst am Schlusse seiner
; Rede wirst er einen prüsenden Blick aus
; sie.
s Ein paar Selunden beiderseitigen
Sckytveigens — —- dann richtet sie sich
" au . —
«Adieu, Rats, unterhalte Dich gut.«
; hinter der schlanten Gestalt stillt die
i Poesie-re zu.
Rols sieht seiner Frau erstaunt nach.
« Das war ein kurzer Abschied. An den
i anderen wenigen Abenden, wo er dis
; her ohne sie ausgegangen ist« haben sie
; sich anders Adieu gesagt. Zweifelt sie
s vielleicht an der »landwirthschastlichen
; Sihung?« wo —- vielleieht hat sie
E steh daraus ge rent, heute mit ihm allein
! zu sein, da sie-mehrere Abende nach
j einander geladen waren· Das wird’s
s sein. Aber warum sagt sie’s denn
! nicht? Warum fällt sie ihm denn nicht
! um den hals und bittet ihn, zu blei
Z ben? Jst das Schiichternheit oder
Z Mangel an Temperament! Von leh
Z terem hat sie ja nicht allzuviel, seine
i kleine Gerda —- aber süß ist sie doch.
l Das dicke Blum-han« der reizende
Mund und die ernsten, dunlelblauen
Augen, —- diefe guten Augen! —- Ka
prisen hat er nie zu fürchten. —- —
fteht wieder neben dem Schreib
k tifch, und aus dem noch halb offenen
; Kasten steigt ein leiser Duft auf. Er
; nimmt die tiefe heraus, zündet sie an
; und sieht zu, wie sie im Kamin der
; brennen. Das Papier tnistert und biegt
; sich T er lacht leise aus . . . An diefe
. ausgluhenden Bogen knüpft sich manche
lustige Erinnerung —- lustig und pi
lant . . .
—- — —— Es llingelt. Dienstmann
z —- ein Brief. — —- —
- Das ist eine halbe Stunde her, und
Rols sitt noch immer am Schreibtisch
" und starrt aus den Brief, diesen un
glaublichen Brief, der entweder ein
hbchft alberner Scherz ist oder eine nie
derträchtige Verleumdung! -—
Die Schrift ist entschieden Herren
hand. aber deritellt. »Jhre Gemahlin
hintergeht Sie,« lautet der Brief. »An
Abenden, welche Sie außer haus der
bringen, empfängt sie einen Jhrer
Freunde. Sie pflegt alsdann die
. Dienstboten fortzuschicken, und zum
Zeichen. daß fie allein ist« eine brennende
Lampe ans Fenfter zu ftellen."
Den unverschämten Schreiber dieses
Wisches auszufinden, wird feine ein
zige Ausgabe sein. Das darf man nicht
so hingeben lassen. Jm Uebrigen —
? selbfiredend lächerlich, auch nur einen
Moment zu —- — Da fällt ihm ein.
daß Gerda an seinem letzten Kegelabend
wirklich der Dienerfcha t Urlaub gege
ben hat, allerdings, weil Jahrmarkt
war. s- Ach, es ift ja Blösmn, Blöd
sinn ———! Gerda2 —- —— Da fällt ihm
wieder ein, daß er einmal in Paris die
Bekanntschaft einer schönen Sünderin
machte, welche das Antlitz einer Heili
gen hatte . . . Es wird ihm siedend heiß,
er springt auf. s— Jrn Nebenzimmer
geht eine Thür. Rasch den Brief unter
einen Bücherstoß ——-— die Portiisre theilt
fich —- Gerdal -—- Beide sehen sich wie z
erschrocken an. —
»DU noch hier. Rats-e
,,Wie Du siehst. -—— Und Du schon
zurück?«
»Schon längst. Tante hatte Mi- Y
gräne."
«Mußt Du denn noch nicht gehen,
Rolf?«
»Du hakks ja eilig, mich fortzube
tommen,« agte er scherzenb, aber mit
l
forschenbetn Blicke. »Für wen hast Du ?
Dich denn so hübsch gemacht?« fragte ;
er plötzlich. vor sie hintretenb.
Sie sieht erstaunt zu ihm auf. »Ich
bin boch wie immer.
Ei ist wahr, sie trägt immer diese
hauötoiletten aus lichtem Batisi.
Nachbentlich sieht er herab auf seine -
Frau.
»Aber sorgfältiger frisirt bist Du,
als sonst.« ——— Sein Blick mustert bie
blonden Wellen, bie üppiger unb, wie
ihm vorkommt, weniger »solib« als
sonst das Gesicht antrat-men
Diesmal lacht Gerba. «Sorgfäl
tigt -—— Jtn Gegentheile, ich have meine
Frisur gelockert, weil ich etwas Kopf
schmerzen hatte-«
Er gebt gebanlenvoll nach bem
Schreibtisch, seht sich, zieht einen At
tenstoß heran und beginnt zu bliittern·
»Ich — bleibe ba. Gewa, ich habe
hier etwas gefunden, das sofort erlebiat
werben muß. Jch tosnme später zum
Tbee hinüber-« Er griff zur Feder·
»Du —- Du bleibst bei mit Rolf —
nirtlicht«
Ueberrascht blickt er auf, —- biefer
seltsame Ton.
»Im-i es Dicht« Er siebt sie an,
forschend. zweifelnd. —- Sie ift pur
purroth geworden.
Jrn nächsten Augenblick fiihtt er sich
umschlungen, seinen Kon an eine wei
; che Batiftwolte gedrückt, an ein klopfen
bes herz. —- Anf seiner Stirne brennt
. ein Kuß, ein bebenbez »Ja« streift sein
- Ohr, —- bann ist er allein.
’ Etwas später klopft er an ihrem
! Zimmer an. Der Tbeetisch ist zierlich
arrangirt, sie lächelt ihm entgegen mit
auslenchtenden Augen und rosigen
I Wangen.
Während er ihr gegenübersitzt, he
I trachtet er sie fortwährend Sie giebt
sich ganz anders als sonst;· ihre Lie
benswütdigteit ist nicht so harmlos, ist
«totetter«, und auch ihr Blick ist nn
ders, nicht so offen, nicht fo Jugend
haft« —- ! Sie blitzt ihn öfters unter
halt-gesenkten Lidern an. und wenn sie
seinem forschenden Auge begegnet, blickt
sie schnell fort und —- einmal ist sie
heftig erröthei. — —
Er blickte suchend im Zimmer herum.
»Was willst Du denn, Rotf?«
»Ist teine Lampe hint«
,, ampei —- Jst es denn nicht hell
genug biet?«
»O doch — ich. ich wollte nur —«
Sie gebt in’·e Nebenztmmer. Mit
einet hohen Salonlampe tebrt sie zu
riick und stellt dieselbe vor ihn bin.
wenig verle en. -
»Za, no vom lthen Mal·«
» on welchem letzten Malt« fährt
er aus. Es kommt ihm vor, als un
terdrücke sie ein Lächetn.
»Zum letten Mat, vor acht Tagen,
als das elettrische Licht verjagte-« —
Etnen Moment zaudert er, dann
zündet er die Lampe·gn und trägt sie
F an's Fenster.
- Ein Lachen tlingt hinter ihm, das
ihn wieder verlegen macht.
. »Ach, wie komisch, Rolfz was soll
denn die Lampe am Fenster?«
teokig
Nachtfalter anlocken,« sagt er turz» i
l
(
l
l
l
i
i
(
»Ist sie denn gestilltlt« fragt er, ein
.Ach," macht sie verwundert, »m
zu dennk
»Für meine Schmetterlingsfamms
z lunåck
I ieder lacht sie. —- «Du hat ja gut
I keine.« —
Er sunielt sie zornig an. — »Ich
; lege mir aber eine an und freue mich
? schvät aus den ersten, der aufgespießt
s wir .«
- Sie sieht ihm in das gerötdete Ge
J sicht, sie lacht nicht mehr. —- »Nein
! sagte sie leise, zärtlich . . . .
J Sie sitzt ihm wieder gegenüber und
, er fährt fort, seine Frau zu studiren.
Sie hat die Blumendasen auf den
Schooß genommen und ordnet an den
- Marechal-Nielrosen. »Meine Lieblin
: ge«. sagte sie dabei. «
i Er steht aus, geht urn den Tisch
z herum und setzt sich dann nieder.
z« »Gerda, könntest Du mir jemals
« treulos werden?«
s »Nolf« —- tlingt es leise, zitternd,
’ vorwurssvoll. —
Eö tlingelt. Beide fahren erschreckt
auf und sehen sich an . . . . Eine be
kannte, etwas quiitende Stimme aus
dem Korridor —- es klopft. —
Das »Derein'« Rolfs tlingt wie ein
dumpfes Knarren . . . .
Aus derSchtvelle steht der kleine We
del, zuerst freundlich lächelnd, dann
aber verstöndnißloö aus Rolf starrend,
dessen funtelnde Blicke und grimmig
böhnische Miene er sich nicht erklären
kann. —- —
Vertvirrt, entschuldigt er fein Er
scheinen, indem er etwas stottert von
verfriihtem Schluß der landwirtbs
schaftlichen Sihung«, — vorwurfsvob
ler Blick auf Rols ——; von zufälligen
Vorbeitommen. brennende Lampe.
Nachlässigkeit der Dienerschaft, dro
hender Feuersgefabr, Freundespflicht.
Ein diabolisches Gelächter antwor
tete ihm.
Wedels Gesichtsausdruu wtro im
mer geistreicher. —- »Jch bedanke sehr
gestört zu haben —', stammelt er und
will sich zurückziehen —- Da bricht es
los! —- Ein Unwetter, iiber welchem
auch Gerda ihre gemiithliche Bosheit
verliert ——- sie will unterbrechen. doch
es verhallt machtlos. Rols sieht sie
nicht an und donnert darauf los.
Wedel glaubt nicht recht zu hören —
er soll —- ! —-— Nein. dieser Verdacht
ist ja zu komisch, nebenbei auch noch
sehr schmeichelhast. — wenn Rolf nur
nicht so nngemiithlich würde —- ! Der
artige Ausdrücke lann man sich doch
nicht gefallen lassen « ! -—— Da fällt
das Wort »Pistolen«, und Wedel knickt
zusammen. — Er mit seinen kurzsich
tigen Augen und Rotf, der das Event
Asz auf uråslaubliche Distanz durch
schießt. — edel wird treidebleich . . .
Jn die endlich eingetretene Stille
tlingt eine zitternde Stimme: »Rolf,
beruhige Dich doch nur« es ist ja nur
Zufall, -—- ich selbst habe ja den Brief
an Dich geschrieben —.·'
»Du —- ? ?«
Als er immer und immer noch zwei
felt, setzt sich Gerda an den Schreib
tisch, nimmt aus einem Fach einen
großen und dicken Handschuh, zieht ihn
über und wirst mit derber« ungeschick
ter hand einige Worte hin. Rats
nimmt das Geschriebene. das Gerdas
sonstiger zierlicher Schrift nicht im
mindesten ähnelt, und vergleicht. —
«Es ist ein Pensionsscherz, das mit
dem handschuh,'« erklärt Gerda, »wir
haben uns auf diese Weise oft brieflich
geneckt.«
Rats wendet sich hoheitsvoll um und
blickt mit beleidigter Miene aus Gerda.
—- ,,Und warum —- dieser Scherzt«
»Ich wollte nicht, daß Du zu Bal
ling gingst,« sagte sie leise· —
«3u — Bolling? Du hast —- -— ?«
Alles gehört, vollendet sie.
Rolf senlt die Blicke. —
«Jch wußte nicht, wie ich Dich zu
rückhalten sollte,'« fährt sie fort, »und
da fiel mir das mit dem Brief ein -—.
Und," liicheltsGerda mit blassen Lip
spem »ich wollte auch einmal »pilant
ein ———.«
————— Als Rolfs Gesicht
sich erhebt, da fiillt sein Blick aus We
ndel, der auf einwiietj gebogenen Fuß
spisen zur Thiire schleicht. —- »holla,
Wedel. nicht echappirent«
Er will sich zwar nicht halten lassen,
doch bringt er es nicht fertig, lan e
den Beleidigien zu spielen. zumal er e n
etwas schlechtes Gewissen hat der stei
nen Frau gegenüber. —- Die Versöh
nungitszene bei einer Flasche Seit —
endet damit, daß Wedel gehörig aus
gelacht wird. Er war ja zu icniisch,
der gute Wedel — ! —- Gutmuthig
läßt sich Wedel die Neckereien gefallen,
läßt sich's-z gesallen, daß das Gesicht,
welches er gemacht haben soll, von Rats
nachgeahrnt wird, und daß die blonde
Gerda aus seine —— Wedels —- Kosten
ebenso «girrend« lacht. ali andere. —
Aus dem Nachhausewege aber
schwört Wedel sich zu, niemals wieder
einen Edemann »reiten'k zu wollen«
Mögen sie in Honig ertrinten, wenn
es ihnen Spaß macht. und ihrer Frau
den Pantossel tüssen —- ! — — —- s
Der, an den er dabei denkt, itißt in
diesem Moment zwar nicht den kleinen
Pantossel, aber das niedkiche Fühlt-ein
von dem er ihn soeben ge kreist hat . . .
Sock— —
Der Kandidat der Astrono
m i e.
A: «Waö, Du bist im Exainen ge
stolpert?«
B.: « n, ich bin aus der Milchstrase
entgleistt