Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 16, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    chkagende gsetieri
Erzählung aus Mainz er alten Tagen von A. Nordau.
(A. HinniusJ
kZ
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(3. Fortsetzung)
Doch kaum hatte der Kaiser diese
Anordnung bemerkt, so befahl er, den
Cordon zu entfernen; an diesem Abend
sollte kein Unterschied der Stände exi
stiren Man war begeistert vom Kai
er, man hob ihn in den Himmel ob
fer Leutteligleit, und Napoleon, da
mals noch jugendlich schlank nnd infol
gedessen auch nicht os schwerfällig und
. dabei doch so hastig in seinen Bewe
gu n wie dies in späteren Jahren
der all war, hatte heute Abend auch
etwas von dem strengen Ernst abge
legt der meist über seinem Wesen lag,
und ließ sich sogar in längere Unter
haltungen ein, denen er sonst abgeneigt
war Er richtete freundliche anerken
nende Wort an den Maire der Stadt,
Verm Konrad Maete, ein Deutscher;
von Geburt, der heut im Namen der l
Stadt als Wirth sungirte, und sprach
verbindlich mit dem Präfelten des De
partemnts Mont Tonnerre, Monsieur
Jeanbon St. Andre, der ihm von Pa
ris her wohl bekannt war. Der einsti
ge alte Jalobiner, der durch eine harte
Lanterungsschule gegangen war, dessen
Leben oft auf der Spitze eine-I Schwer
tes geschwebt, konnte trotz der vorzüg
kichen Eigenschaften, die er als Beam- z
set entwickelte, doch nicht ganz die Ver- s
Fugenheit verleugnen, und sein Ver- ·
hr mit dem Bischof Kalmar blieb l
schroff und ablehnend trotz aller Hoch-l
achtung, die er vor den Charaktereigen- ;
Masken dieses Mannes hatte da Jeam l
bou Si Andre einst an der kirchen- i
eansdlichen Bewegung selbst zu lebhaf
Antheil genommen. —
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Jetzt aoer, da der Kaiser mir oen
Vätern der Stadt wie mit dem Bischof
Kolmar einige Worte gewechselt,wand
te er sich einer lieblichen Gruppe zu,
die die Kaiserin um sich versammelt.
Es waren die jungen Damen, die die
hohe Frau am Schiff empfangen, und
sdie in denselben Kostümen erschienen
wie an jenem Tage.
Rapoleon war ein großer Frauen
ienner, und die Flammen der Eifer
sucht schlugen oft hell bei der Kaiserin
empor, wenn er einer schönen Hof
ldame allzu offenkundig huldiate oder
andere geheime Wege ging, und so
tte er denn auch für die reizenden
ädehen heut freundliche Worte und
Blicke und sprach besonders mit den
Töchtern des Stadtrath Lauteren und
des Bankier Kaiser längere Zeit, wenn
auch in seiner hastigen, abgebrochenen
Weise, die man bei einem anderen
nicht gerade verbindlich enannt hätte.
Tief erglühend, aber trahlend vor
Seligkeit über die widerfahrene Ehre
flatterten die jungen Damen durchein
ander, während die schöne Kaiserin in
ihrer bezaubernden Anmuth für jeden
ein liebenswürdiges Lächeln, ein ver
bindliches Wort hatte.
Grete Lauteren wiegte sich gleich da
raus in den Armen eines jungen ele
ganten Offiziets im langsamen
Schleifer« wii end Köthchen Kaiser
zögernd dem reiherrn von Reisen
derg die hand gereicht hatte, einem
nicht mehr ganz junaen, etwas blas
sirt dreinschanenden set-in der aber
lanae schon auf den vment gewartet
Bärme dem hübschen Mädchen zu
Warum Iam er nicht, der da drüben
in der Fensternische lehnte, und sor
derte sie zum Tanz aufs Sie hatte
erade daraus gefreut, mit Arnald
, dem Sohn des reichenWeinhänd
lees am Flachsmarkt, heut zusammen
Zu sesiiem nnd nun tümcnerte ersieh nicht
MI .
Da war der junge Schmiits ganz
anders, er wartete schon lange hinter
Marie Lauteren, bis ihr Tänzer sie
ans den Armen gelassen, und nun flo
gen die beiden nach den Klängen der
Musik dahin und neckten sich wie zwei
gaukelnde Schmetterlingr. —
Im Gefolge derKaiserin befand sich
die junge Gräsin von Fremont. Sie
war beut noch bleicher als sonst; denn .
der Tag hatte für sie viele Aufregun- ;
gen gebracht Kurz vor dem Ball der ;
Besuch des Bankier Kaiser, während -
in ihrem Schlafzimmer die Umwand
lung des Barons von Greiffenllau in
einen Lalaien vor sich ging.
Indessen, er war glücklich, ohne an
sehnlien zu werden« aus dem bearg
lvöbnien Schloßfliigel entlommen,nnd
Just wohl schon in Sicherheit
Die bleiche junge grau mit den fie
berhaft glänzenden ugen war heut
« fl von dämonifcher Schönheit und
at in i rein weißen Kleide mit den
seiten enrosen aus wie eins jener
Mieimlichen Wesen, die detn nächtli
QI Wanderer im Mondschein begeg
net. met ihn zum Todesreigen aufzu
fordern Sie war von Verehrern um
ringt, doch des Kaisers Blick glitt kalt
- set
Mulden allzu intensiv be
iie weg; er liebte solche stolzen,
. sten Frauen nicht und
« use-e seich- vereidiguugeu
M s ds
,""ei ou dem such nicht verges
M er li non Madeleine ziem
— Am weis-gewiesen war, als
Seine Gemahlin mußte daher auch
manche scharfe Bemerkung iiher ihre
Freundschaft mit der jungen Wittwe
hören.
Madeleine war eben in ein Ge
spräch mit der Fürstin von Leiningen
verwickelt, mit der sie von früher An
iniipfungspunkte hatte. Die Fürstin
war start echauffirt, ein Erbschafts
» sireit in ihrer Familie beschäftigte sie
auf das höchste, auch ein Giftmord
war dabei zur Sprache gekommen.
Geduldig hörte Madeleine zu, oh
gleich ihr diese Familiengeschichten
höchst gleichgültig waren; doch dieFiir
stin äußerte später zur Griifin Solms
Braunfels. die wilde Comtesse Erthal
sei doch recht zahm geworden; was
nicht die Ehe mit einem alten Gemahl
und der Aufenthalt am laiserlichen
Hof alles thue. Sie erinnere sich noch
sehr genau, wie Comtesse Lena einst
im Garten des erzhischöflichen Palais -
mit ihrem Pferde über einen gedeckten
Theetifch gesetzt sei, wofür sie von
ihrem Oheirn, dem Grafen Erthal,
acht Tage Stuhenarrest erhalten hatte.
Jeht hätte man die ehen Besprochene
kaum solcher Exiraoaganzen für sä
hig gehalten, als sie mit der reservit
ten Miene der großen Dame die ver
bindliche Begrüßung eines hohen, scho
nen-Mannes entgegennahnn —
Wer harre wohl m oem Freiherrn
von Dalberg, dem späteren Großher
«Sechziger vermuthet! Seine geschwei
zog von Frankfurt, den angehenden
dige Gestalt, sein frisches, lebhaftes
Wesen ließen ihn viel jünger erscheinen
als er war, er schien noch viel vom Le
ben zu erwarten und an eine weitaus
sehende Zukunft fiir sich zu denken.
Den deutschen Dalberg nennen ihn
seine Zeitgenossen, und seine deutschen
Gesinnungen hebt er bei jeder Gelegen
heit hervor-. Und doch war er derjeni
ge, der immer wieder betonte, das;
Deutschland nur durch Rande-Ess
Freundfchaft und unter seiner Prater
tion sein wahres Heil finden könne.
Der Kaiser wußte wohl, was er that,
wenn er den Koadjutor mit den fein
sten Schmeicheleien umgarnte, ihn in
jeder Weise bevorzugte und ihn in die
sen Tagen sogar iiber den alten ehr
würdigen Großherzog von Baden
stellte. Wo Napoleon auch moralisch
erobern wollte, gelang es ihm fast im
mer, und daher war es tein Wunder,
daß Dalberg, der neben dem Staats
mann auch Dichter und Philosoph
war, der fascinirenden Persönlichkeit
des gewaltigen Mannes unterlag. Und
Rapoleon hatte für diese Tage seine
ganz besonderen Pläne.
Doch der Koadjutor war nebenbei
auch noch ein großer Lebernann. da
her tvar ihm die eigenartige Schönheit
der Gräsin von Fremont sehr bald
aufgesallen.
»Ich habe den Namen Frernont in
irgend einer Beziehung gehört, helfen
Sie mir, Frau Gräsin,« sa te er zur
Gräsin Solms. Und die Dame sah
sich triumphier nach allen Seiten
um« ob auch jeder sähe, wie vertrau
lich der allgemein Geseierte mit ihr
sprach. und ließ ihren großen Fächer
zusammenrauscherr.
»Die Gräfin Fremdnt ist eine ge
botene ErthaL eine Nichte deö frühe
ren Kurfiirsten.«
»Ach —- natürlich!«
Und nun sprach er mit Madeleine
von ver angenen Zeiten, er hatte sie
ja als ind gekannt. Aus der kleinen
Wildkajy der kein Baum zu hoch, war
eine wunderschöne junge Dame ge
worden. Welche Wandlungen doch we
nige Jahre hervorbringen!
Madeleine war an Bewunderung
gewohnt, aber die Schmeicheleien der
Jungen Durchschnittsmiinner reizten
sie n t, «rnan särchtete sogar ihre
schar en, ironischen Beamten-gen bei
solchen Gelegenheiten Doch was die
anderen nicht s durften, das
konnte sieh ein Dal a erlauben. be
sonders wenn die Schmeicheleien in
ein so geistreichej Gewand gekleidet
wann.
Die stolze, ehrgeizige Madeleine de
Fremont, die nach ihres Oheims und
ihres Gatten Tode ganz allein und
unbeschiist in der Welt stand, konnte
mit dem heutigen Abend zufrieden
sein. Der geferertste Mann Deutsch
lands hatte sieh nnn schon länger mit
» ihr unterhalten als mit allen den an
ideren Sternen, die am Festhimmel
« glänzten.
Da streifte etwas an ihr vorbei, sie
fühlte, daß Jemand sie firirr. Man
Dien. es war ja nur ein Lakai. der
ein Tal-let in der Hand hielt, welche
Unverschä mtheitl
Doch als sie empört darüber dem
Menschen einen strafenden Blick nach
sandte, erschrak sie. Das war ja —
mein Gott, das war Franz von
Greiffenilan.
Sie war so bestürzt iiber diese Ent
deckung, daß sie ei wie eine Befreiung
ansah, als die Unter ltnng abbrech,
und jeti alles na den Fenstern
drängte. Die Rhein fiele war illu
xninirt nnd das jenseiiige Ufer nebe
dem Städt Kasiell ifchende
Leuchtlsrper hren in die L fie, auf
den Bergen brannten Freudenfeuer.
Das nahe Wie-baden sandte eben
falls feurige Grüße herüber, die län
ende Bogen am Horizont hefchr eben.
r mächti eStrom spiegelte alle diese
glühende chön it wieder, er war ·wie
in Blut getauch . Es war ein prach
tiges Schauspiel.
Die aroßen, bis fast zur Erde rei
chenden Fenster waren weit zurückge
fchlagen, das Kaiserpaan die sie um
gebenden Fürsten standen am Mittel
fenfter, aber Madeleine hatte fiir das
glänzende Schauspiel teinen Sinn.
Wenn man Greiffentlau entdeckte,
wenn es heraustam, daß sie ihm zur
Flucht verholfen!
Aller Muth, mit dem fie heut das
Wagesiiicl dutdzefiihrh hatte sie plötz
lich verlassen. hie dachte an Madame
de Melleville,die wegen eines ähnlichen
Verbrechens ein Jahr lang in La
Force gesessen
Sie hatte sich hinter eine Fahnen
draperie geflüchtet, um sich ungesehen
von ihrem Schrecken zu erholen.
»Ich glaube, die Frau Gräfin haben
etwas verloren!« vernahm sie in ihrer
Nähe eine Stimme.
Es war wieder Franz von Greifien-· j
llau, der ihr ein Battifttafchentuch ’
überreichte. Aber die Komödie wäre«
! kaum nöthig gewesen, denn Niemand
Lachtete auf sie.
j »Wie können Sie es wagen, hierher
zu kommen?« fliifterie sie athemlos
vor Zorn und Aufregung. .Denlen
Sie denn gar nicht daran, daß Sie
mich durch Jhre Tollliihnheit aufs
höchste lompromitiren2 Habe ich das
um Sie verdient?«
Ein bitteres Lächeln erschien auf
Jst-ans Lippen. An ihn dachte sie
überhaupt nicht, aber wie konnte er
das auch von einer Madeleine de Fre
mont erwarten. »Sie können unbe
sorgt fein, Frau Gräfin," sagte er
kalt, »ehe ich es verriethe, daß Sie
mich in Jhren Schutz genommen,
würde ich mich viertheilen lassen.
Aber das Abenteuer reizte mich, es
war fo verlockend, sich in der Gesell
schaft zu bewegen, in die ich doch ei
gentlich durch meine Geburt gehöre.
Und was hätte man wohl um meine
Entdeckung gegeben? Das ist ein
urickelndes Gefühl. Und endlich wollte
ich Sie noch einmal sehen, Madeleine.«
Das Knattern des Feuerwerts ver
stummte, die oerfchlungenen Namen
des Kaiserpaares schwebten wie Rie
fenedeliteine in der Luft —- dann war
alles zu Ende.
Jn der sich nun wieder durch den
Saal bewegenden Menge verschwand
Franz von Greiffenllau.
Sechstes CapisteL
Am Flachsrnarlt, nicht weit vom
Stadioner Hof, der in eine Dragoneri
iaserne verwandelt war- lag dac
stattliche Haus des Weinhiindlerz
Falt, eines der reichsten Bürger von
Mainz. Unten in den großen Kelle
reien lagerten die gewaitigen Fässer
mit dern kostbaren Inhalt, und hinter
den vergitterten Fenstern der Par
terreriiurne inirsa,..-n die Federn auf
dem Papier, die die Handelsderbins
dungen des Hauses nach allenRichtuns
gen hin vermittelten.
Wenn auch der Wohlstand des Hau
seg, der in der glänzenden Zeit da die
Kursiirsten in Mainz ihren has hiel
ten, begründet war- in den Zeiten der
Belagerung und der republieanischen
Herrschaft gelitten hatte, so stand er
doch auf zu festen Füßen, um ernstlich
dadurch erschüttert zu werden, und
seht, da wieder Ruhe und Ordnung
hexgestellt zu sein schien, blühte das
alt Hans wieder auf.
r hausherv ein stattlicher Sech
zigen stieg die dunkelgebeizle Treppe
im weiten hausslur hinan zu den obe
ren Räumen Die Feierabendflunde
hatte geschlagen. Noch einmal schweiste
des herrn Auge durch das Treppen
fensiet hinaus auf den Hos, wo die Mi
ser damit beschäftigt waren, die letzten
Kisten fertig zu machen siir den Ver- i
sandt nach Holland. Wohlgesällig glitt
die kräftige Hand des her-n Falk iiber
das glattrasirte Kinn. Er konnte zu
frieden sein.
Seine Gewächse zogen den Rhein
abwärts bisnach holland und Eng
land, und ans der Pariser Straße
rollten die schweren Lahwaaen dahin,
die die Frass-i nach Frankreich brachten.
Erst heute hatte er von dein Ohrrin
I tendanten des Kaisers eine große Be
stellung siir das heslager in Paris er
halten« und ebenso von allen fremden
l Färsiens die in Maine abgestiegen eva
I.ren Dabei versprach die Weinernte rn
lkjesein Jahre gänstia zu werden; aus
tnetn Weit-gut in Lauberiheim
drängten sich die Trauben in reicher
i EIN am Statt
j Was fehlte ihm wohl an seinem
s Glück? Und dennoch seufzte er tief aus«
als er eine draungebeizte Thäk öffnete
und ein tranliches Zimmer betrat. Es
war ein altmodisches Gemach, nicht in
dem steifen, modernen Stil des Direc
toike, den man ietzt in allen reichen,
vornehmen Häusern sah, und der mit
seinen geradlinigen Stühlen und Ti
tchen einen so kalten- unwohnlichen
Eindruck machte.
here Fall war conservativ, et hatte
der Zeit, an die et immer voll Sehn
sucht zutückdachte, eine dankbare Erin
nerung erhalten. So schön wie unter
den Kuefiirften würde es doch nicht
wieder.
So herrschte hier das fröhliche Ro
- tote mit seinen sefiillisen Formen
—
Aus den Zischen und Etageren tun ten
Schäfer und Schäfer-innen von Me se
ner orseltan, und an den geschmis
ten öbeln glänzten vergoldeteSchlös
ser und Beschlsigr.
Von dem Ruhebette her betont-«
tomrn te ihn eine« matte, verschleierte
Frauen mrne, und eine blasse Band
streckte ich ihm entgegen. »Mir ist die
Zeit nicht lang geworden-« sagte die
ame des Grvßtausmanns, die von
weichen Decken umhltltt dort lag, »denn
Käthchen Kaiser hat mir viel erzählt
von dein schönen Fest und all der
Pracht und dem Glanz, der dort ge
herrscht hat. Jhr Männer seid doch
auch da gewesen, aber Jhr seht gerade
das nicht, was uns Frauen am mei- »
sten interessirt. Das verstehen nur die
Frauen, und das liebeKind sorgt schon
dafür« daß ihre arme, traute Pate
nicht zu turz tommt.«
Erröthend erhob sich fest ein junges
Mädchen von einem Sessel neben dem
Ruhebett. Herr Falt strich wohlge
stilltg über das blonde Haar des hüb
schen, frischen Kindes.
»Man muß doch anderen Leuten
auch noch was zu erzählen lassen,«
saaxe er, «sonst bleibt ja nichts übrig.
Gelt, Köthchent Du wirst e« mir und
dem Arnold Dank wissen, da wir der
Pate nicht genau den Anzug der Kai
serin und aller der vornehmen Damen
beschrieben haben.«
»Was Euch auch nicht gegliickt
wäre,« erwiderte Frau Falk lächelnd.
»Ist denn Arnald noch nicht zu
rückt« fragte jetzt der hausherr· »Es
ist doch nicht so weit bis zum bischösli
chen Pataiö, wo der Koadiutor abge
stiegen ist, der ihn doch sprechen wollte.«
Doch da öffnete sich eben die Thür
und der Besprochene trat ein. Er sah
hübsch und stattlich aus in dem dun
telblauen Frack mit den goldenen
Knöpsen über den enganliegenden
hechtfarbenen Beintleidern, in dem
Jabot von feinen Spitzen gtänzte so
gar eine kostbare Nabel.
Das blasse Gesicht der Kranten
särbte sich mit leiser Röthe, als der
Sohn sich iiber sie neigte und dann den
Vater sowie den Gast begrüßte, und in
Käthchen Kaisers Augen leuchtete es
freudig auf.
Arm-ro zog sich einen Stuhl herbei
und erzählte, wie leutselig der-Frei
bcrr von Dalberg gewesen. wie er nach
Vater und Mutter gefragt und endlich
eine große Bestellung siir seinen fürst
lich gesäbrten hausbalt in Würzburg
gemacht. größer als alle Fürsten. bei
nabe so groß wie der Kaiser Napoleon.
»Er meint es gut mit uns und bat
der Stadt Mainz und den Mainzern
eine große Anhänglichkeit bewahrt.
Er scheint mit dem Kaiser besteundet
zu sein« und da wird er immer ein os
senes Obr haben und etwaige Amic
gen« die man an den Kaiser bat, ver
mitteln. hätten doch die Fürsten so
viel sitt ihr Vaterland übrig wie der
Dalberg.«
Herr Falk spielte nachdenklich mit
der großen Bei-locke, die aus die lang
schiißige, gestreiste Weste herabhing,
und das Gespräch lentte sich bald in
andere Bahnen und wurde zu einein
lustigen Wortgepliintel zwischen den
beiden jungen Leuten, bis endlich
Ftiitbchen Kaiser ausstand und meinte,
es sei Zeit heimzukehren, es treibe sich
seht allerlei fremdes Volk aus den
Straßen umher, und die Eltern da
heim würden sich beunrubigen.
»Nun- die Eltern wissen. daß der
Arnold Dich geleitet, « sagte Frau
Falt, indem sie dein jungen Mädchen
einen Kuß aus die Stirn drückte.
,.,Gelt Arnald, das ist tein til-let Aus
trag?«
Wein-ei ?« oerseteftiitchchen mit
schelmisch then-den ugen. —
Katbchen Kiri er ist ein reizendez
Mädchens« sagte rein Falt, als das
junge Paar das Zimmer verlassen
hatte, zum Gatten, der, die grossehorns
brille aus der Rase, in der Mainzer
» Feitu las» »Das wäre eine bas
; sende artie sitr unseren Arnald. «
l
Das-, ihr Frauen doch immer
rathsptane aushalt, « erwiderte dieer
von seiner Lettiire ausblickend. «Der
Arnokd ist Ia erst aus holland zurück
getebrthch Jchhiirnibe er bat auch eine
ichschast dri was bei einem sit
Mainr von Hab Jia ren n
Wunder witte. Mein chii ssreund
schrieb mir so etwas. Außerdem macht
sich der reiben Wsenberg gewal
iimrg Kaiser bekan. Wer
weiss-ob ihr ater reicht gern bereit ist
di- MWWM m ceichnevigea
Herrn mit seinem Seide zu entlasten.
seine Ttzchter dasiir eine Frei
betrnttone gewimitk , ,
»Das m ja unsinn, nevesk Mann
Körbchen macht sich nichts aus dem
viel älteren Freiherrn, aber unser At
·W gefällt ihr. Mit ihrer Mitåift
und seinem Mk dazu könnte t
notd ein fetbstständi s Esset-get an
fan , wenn fein ätetet r r vie
We dandlung übernimmt
»Und warum können sich nicht beide
Brüder associieth« fragte der hand
hert scharf. »Seit Generationen war
es in unserer Familie Sitte.«
Die Frau blieb die-Antwort schuldig.
—- Das war eben der wunde Punkt in
dem wohlhabenden sonst so vom Glück
begünstigt-en hause, die Zwietracht der
Brüder. Sie entstammen ve chiedo
nen Eben. Aber ej war der ansten
ztvkiten Mutter nicht gelungen, den
Sprffslzn Im An Herz Wselysw Er
Hält-. IN nnd nnzn onst-Ich und
wage-ten m e eigen
iibet beinahe feindlich, dek, letchf aqu
Etwas-end, Eber gut geartet, durch letn
liebenswiirtdigei Wesen der Mutter na
turgemäß nähertreten mußte. auch
wenn er nicht ihr leidlicher Sohn ge
wesen wäre. Dadurch entitanden oft
Konflitte im hause, der Vater nahm
iden älteren Sohn mehr aus Prinziig
als aus Ueberzeugung in Schuh. Er
eit dieser verheiratet und mit seiner
zur-Wie auf dem Weingut in Landen
heim wohnte, ging es friedlicher zu.
Eine etwas schtoiile Pause war ein
getreten, die der hausherr endlich un
terbrach. Höre nur, was hier in der
«tung steht,« sagte er, um dem Ge
prtich eine andere Wendun zu gehen.
»Man warnt vor einein tüchtling,
der an einer Verschwörung in Paris
teil enornmen und nun iraendwo Un
ter chlups gesunden hat. Jeder, der ihn
in seinem Hause verbirgt, macht sich
strenger Strafe schuldig. —- Außerdem
riihmt man die Lentseligteit des Kai
serp-aars. Neulich, bei einem Ausflug
nachsder Favorirte, hat die Kaiserin
das Kind einer armen, Reisig sam
melnden Bau aus den Arm genommen
nnd die uttrr reich beschenkt.«
»Das ist alles recht schön,'« sagte die
trante Frau mißmutig, »aber ich
wallte, diese geräuschvollen Tage wären
erst darüber. Man erkennt unseren
stillen Flachzmartt nicht wieder, seit
der Stadianer as zur Hafer-Je ein
gerichtet ist. Fruher hörte ich nur die
Glocken u St. Quentin und St. e
ter, und te stärkt-en mich zu stillem e
bet in meinen Leiden; jetzt stört mich
der wüste Soldatenliirm und ost
raubt er mir Nachts den Schlaf. Ach,
wenn Du wüßtest. welche Schmerzen
ich ausstehen mußt Alle die Latwergen
und Tränte derAerzte helfen mir nichts
(
und die Füße versagen mir völ-.
lig den Dienst.«
seiner Gattin eseht und nahm i
Hände in die einen. »Armes Wei
sagte er, »armes, liebes Weit-! Viel
Herr Fall hatte sich an »das Laker
«
s
tei
leicht giebt es doch nach eine Hälsej
Man sagt von der alten Zechin, dir?
in der Gonsenhrimer Hohl wohnt, daß »
sie Wunderturen verrichte. Der Ar-·
nald könnte mal bei ihr ansragen."
»Alle guten Geister,« ries die Frau,
sich betreuzigesrd, »das ist ein böses
Weil-. Sie hat Umgang mit allerlei
·Gesindel, man sagt sogar, daß sie die
Schmugaler bei ich ausnimmt, die
von holland und Deut chland her
übertommew Sie dars mir nicht in«ö
hausf —
Siebenteö Kapitel.
Zwischen Finthen und Zahldach
sa ten große Manöver stattfinden
und da war chvn vom sriihen Morgen
an alles in mang, um sich drau
ßen einen guten Plan zu erobern.
Es war wie eine Vatierrvanderung
auf den Straßen, die Geschäfte ruh
ten fiir heut, selbst der ö « niliche
Schreiber aus dem Dompraptei la «
der den Mägden ihre Liedes tiefe
schreiben mußte, hatte heut seine Bude
eschlossen und war dem großen
Strom esalgt.
Jm rheitszitnmer Napolepns ader
waren Vier raße Herren beisammen
in ernstem espräch Noch halte sich
der erste Cansul und «etz" e Kaiser der
Franzosen den deuts en eichssürsten
als der wohlwollende Freund gezeigt.
der die Interessen des Reiches-, das
liin st aufgehört hatte zu eristiren,
aufs ehe Franz der Zweite die deutsche
Kaiserin-ne niedergelegt, als mächti
ger, uneigennütziger Nachbar wahr
nehmen und den nach allen Richtungen
auseinander then-den Reichsjiirsten ein
uninteressan er Veeather sein wolle. «
Dabei hatte er anmutig-unter den
Fürsten deu Samen des ißtranens
gessen indem er die böse von Berlin
und Wien derdääiigty daß sie sich aus
Kasten des Rei s ver-größern woll
ten; er shatte davon gesprochen, daß
man tden Einfluß Rußlandd paraitp
siren srniisse dur eine dritte Macht«
vie unter seinem periellen Schuh stehe.
Als Daidrrq eine Bedenken gegen
die aufsteigende Idee des Rheindun
des äußerte, sda erwiderte er schroff:
Wenn die Ideichssiirstemseine Prolet
-tion nichi wünschten, so werde er ihre
Länder an diejenigen vertheilen, die
aus seine Pläne eingingern
Damit hatte er zum ersten Mal die
Maske eliisiet, die bis jetzt sein wah-.
rei An lij ver Illi
Nach dieser nierredung allen sich
Daideng und der alte Kur est von
Baden, wie Karaline von lzagen
die Freundin Dache 's, schreibt, wei
nend in dee Arme ngunlen sein« denn
:ei ging ihnen eine lian aus von
den wahr-en Absichten d-? Insekt
Ader Napoleon wußte festzuhalten
» was er einmal erfa i hatte. Jioch lad
ses nicht in seinen tönen, seine Jn
:tentionen of en zu seinen, vorläufig
penü te die rohung. Und nun ent
alt-e e er wieder Den ganzen ander,
den seine Persönlichteit aus kahlen
konnt-, wenn er wollte. Und gerade
Datberg war am wenisxen geeignet,
vielem Mr zu wider den« und so i
wurde er, in »der Meinung, die deut- T
schen Interessen zu vertreten, der Ba-(
tall Frantreichs. ;
Wer die Herren bald daran auf»
ihren prachtvollen Pferden, umgeben
von einem AHisinzensden Gefolge, über
die groke Leiche W Münsterthor zu
reiten a , um sich hinaus nach Zahl
bach zu Un, der ahnte nicht, daß
in dem teinen Arbeitczimmer des
Deutschen Hauses Dinge vorbereitet
waren, sdie zu schwer wiegenden Er
kignissen für Deutschland wer-den soll
en.
Neben wein Miser, dem fein treuer
Ronstan folgte, «ritt der Koavjutor,!
der bald zum Fürst-Beiwerk- erhebend
werden fpllte. Raps-leert ließ ihn;
nicht von feiner Seite, denn er wußte. l
—
da er mit-dieser glänzenden erson
li leit, die »durch ihre Eigen chaften
an die anderen Fürsten einen list-er
wiesenden Einslu quillt-in einen
bedeutenden tior in der Hand hielt,
wenn er ihn ich gewann
I
Ueber die le ten Tagesereignilse
plaudernd, war rnold Fall mit sei
nem Freunde Schmttts ebenfalls die
große Gleiche herabgeåchrittem Als
nun der erstere in der ahe des Mün
sterihores rechts adbog, schie
Schmittg erstaunt: »Wir willst u
hin, Du s lii ja gerade die entge
gen eieyte its ung eini« » »
»Ich will nur zur lten Zechin en
der Ganfenheinier hozh diegpll ein
uies Mittel gegen Gichthrii M ha
gem das ich mir siir meine utter
holen will«
»Ja der alten Hexe willst Diii äch
glaube, das Volk hält sie wirklich r
eine Hex-U
«Meinet·wegen,« versetzte Arnald
lächelnd, «ivenn ihr Mittel nur hilfi.«
»Neulich hat sie sogar eine Bauern
tochter in Weisenau todtcurirt,« fuhr
Schmitts fort. »Das Seinige hat
allerdings auch ldie Dummheit der
Bauern gethan. Mit warmen Was
serdiinipfen sollte »das Kind behandelt
werden, das am Rheuniatisniug litt;
sda that-en die Eltern die Kleine in
einen Sack und hängten sie iiber einen
dradelnden WasserlefseL nnd all sein
« reien half Dein iingliicklichenskinde
ni ts, bis es endlich, völlig verbriiht«
l von einer entsentrn Nachbarin erlöst
wurde, als es zu spät war; es starb
bald daraus. Die Zechin hat sich aber
heraus-Zureden gewußt.«
»Das alauhe ich wohl, das Weib
würde selbst dein Teufel eine Nase
drehen. Dennoch will ich es wagen,«
scherzte Arnald Falt, »wir wird sie
ja wohl nichts anhaben.'«
Die Freunde nichten sich jetzt am
Münsterthor adschiednehinend die
Hände »Auf Wiedersehen aus dein
Mandaerselsphs sagten sie. ,
Die womenoelmer pour war ein
wüster, schmutziger Weg. der aus eine
Anæöhe führte. Wo heute hübsche
Bi en anmuthig bingelagert sind, de
fanden sich damals elende Hütten und
schmutzige Speluntem in denen viel
seagwtiudiges Gesindel hauste.
CI war eine verrufene Gegend, und
Niemand, nicht einmal ein the-Uras
tiger Mann hätte sich am Abend allein
und ohne Waffen dorthin gl.
Voll Widerwillen musterte rnold
Falt, der Sohn des reichen Grußiauss
manns, die einzelnen, li- verfallenen,
schmuystsarrenden hau er, bis er end
lich das richtige sand
An der Hausthiir trat ihm dieselbe
ouffallend geileidete Frau entgegen,
die er schon einmal an dem Einzugss
tuge des Kaiserpauree gesehen.
Die einstige Göttin der Vernunft
war sehr heruntergeimnnrem Zwar
war der moderne An ng in den
schreien-den Farben neht dem roßen
Federhute der Anzug einer me,
aber Arnald Fall bemerte heute, was
ihm neulich im Menschengedränge ent
aun en, daß der Anzug bereits durch
hiiu igen Gebrauch schwer gelitten und
außerdem etwas zufammengewiirselt
war. Er glich seiner Besitzerim die
ebenfalls durch ein mästes Leben recht
hinabgekommen war und sich nun
durch tiinstliche Mit-let zusammen
flickte. so gut es ging
Jm hause hörte er einen Schrei,
wie ldie Stimme eines Kindes, dann
ein leises Minimum
»Von-It hier Frau Bawara Zech?«
smgte er die unnngenehme Frau, die
ihn mit stechen Blicken musterte.
»Z- -dienen, herr, die Mutter ist
u us. —- Mutter!« schrie sie mit
ichriller Stimme in den duntien
Hauögang hinein, aus dem ihm ein
widerwärtiger Geruch von Ziviedeln
und Fett entggsensströenttz «-hier ist
ein herr, der ech sprechen will.«
Darauf entfernte sich die Frau mit
tur em Gruß nach der Richtung von
Za tbuch.
t erschien in der Hausthiir eine
alte rau, ihrem AeuZeren nach in
Wahrheit eine Hexe ie weite Kat
tuniacke über ebensolchem Rock schlei
terte um ihre ldiirven Glieder, das
graue Haar quoll in wirren Strähnen
unter einem bunten Kot-stach hervor.
Es wäre schwer gewesen zu entschei
den, welche »der beiden Imuengestalten
die widemärtinere war, die Eva in
ihrem hernassordernden Pus und dein
ehnischen Lächeln in dem verbleihtem
eschmintten Gesicht, oder ltiie schreck
iche Alte, die ans-sah, als Mute es ihr
nicht darauf nn, ein Mehrechen zu
Winekwcuscg folgte Uenow
rau, die ihn mit teiechendet Freund
echtett einlud, durch den Haussluk in
ein nnfaubetes Gemach zu treten.
«Makich, raus!« ichtie sie.
Erst jeit bemerkte ver junge Mann
in dem Zwieltcht der erblmdeten e -
ers iden, dnß noch ein anderes -
en un nnmek bekam-, ein Kind.
; « illst u »ein-pl Wenblicklich
; nmlsgelyensm schrie die Atte noch ein
; MS .
T Da Nichte ei man-, rau, t
; MWL h g ichs
; »Seht Jooch Evas Kind, Freud'
i qgte der junge Mann streng. «Mich
) tokt feine Anwesenheit nicht«
; »..Ach, wenn der te wüßt', wie
s bos und falsch der kg ist, für uns
; arme Lent’ eme wahre Last! Aber
! wenn der here sbesehlen —--«
Gottseßung folgt.)
! .
s Einen Tqrnee kann man nennen,
i wie man well. das Wesentliche bieibt
L doch, daß dabei Men chen in die Ecke
gedrückt werden. ion sieht et nist.