Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 09, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    chkagende gseiteri
Erzählung aus Mainzer alten Tagen von A. Nord-w
(A. HinniusJ
i YWWWW,TIQIWIWW. .
(2. FettsesungJ
»Verzeiht Sie nicht, Madeleine,«
Knie der junge Mann, «vaß Sie einen
tschi-Hörer beherbergen, der des To
« Des schuldig ist. Der Kaiser würde
drei Beschwerde wohl kaum ein wil
es Ohr leihen, und so gestatten Sie
en r —«
Er wollte sich der Thür nähern.
»Nein, nein,« rief die Gräfin, »ich
werde schon Mittel und Wege finden,
nur einen Augenblick Geduld. Ma
. Meine de Fremonte schreckte noch nie
maiz vor Gefahren zurück.'«
Draußen wurde der Lärm größer,
das lautete Sprechen verieht die Un
gevukd der Soldaten.
«Schnell, Frau Gräfin,"Sie müssen
Ihre Toilette beenden, Sie sind ja
noch nicht angezogen,« jammerte Tei
nette.
« »Wo Verberge ich Sie nur«-« sagte
die Gräfin, vie Wort-e der Kammer
fmu nicht beachtend indem sie sich
enthlos im Zimmer nmblickte.
»sec- weiß, o ich weiß einen Aus
weg.« tief jetzt sdie Kammerfran.
Heer herein, mein Here, schnell!«
»Sie öfnete die Thük eines großen,
Fieer Wan«ofchranies, der fgst den
Umfang eines kleinen Zimmers hatte
M der Heft-same als Gatderosbe-»
schrani diente.
verstecken, aber schnell! Kriechen Sie
in die hintersie Ecke, man wird es nicht
wagen, bei der Hofdarne der Kaiserin
Josephine so eingehend Haussuchung
zu halten. Dann iann die Gräfin sich
ankleiden, und wir lassen die Solda
ten «herein.'«
Der junge Mann war, der Weisung
folgend, in den Wandschrank getreten«
ei verschwand spurlos in dem weiten
Mund und die seidenen und sum-net
nen Kleider rauschten über ihm zu
samtnen.
» »Und nun, Frau Gräfin, schnell,«
trieb Toineiie, während sie die letzten
Spuren der Gegenwart des jungen
Fremden vermischte »Sie müssen sich
antieiden.«
Madeleine verschwand hinter einem
hohen, japanischen Schirm.
Schnell war das Kleid umgeon
feu, und während die Zofe noch an den
Spiten und Schleifen nesielte, warf
die junge Dame einen rosenrothen
Kreppshawl um die Schultern und
greifte Handschuhe von schwarzem
ilet über die Hände. ·
Schon klopfte es an die Thür des
Schlafzimmers unsd herrisch erscholl
das Kommanda »-Oeffnet im Namen
des Kaisers!«
«Mon Dieu,« rief Toinetie ärger
lich. Jiißt man denn einer Dame vom
Dienst Ihrer Majesiät nicht Zeit, sich
Inst-kleing Welche Unverschämtheiil
Sie müssen nicht so ungeduldig sein.
sonst werden wir Beschwerde führen.«
»Wir haben schon zu lange gewar
" ist« tönte es von draußen zurück, »und
dem Verbrecher suchen, der sich im
Moß versteckt han«
Ein leichtes Zittern überfiel nun
» doch Madeleine, aber die Zofe flüster
s ic: ,Mnih, Comtefse, sonst ist alles
— verlor-eitl«
Sie rieb der Herrin Stirn und
Mfen mit stärken-den Eifenzen, und
Madeleine, obgleich sehr bleich, hatte
merk doch ihre Fassung wiedergeon
- m und trat dem Korporah der jetzt
in der von der Zofe geöffneten Thür
erschien, mit dem vollen Dochmuth, den
It e Verfügung hatte. entgegen.
« bin erstaunt, Monsieur,« sagte sie,
»Die Sie in dein Schlaszirnmer einer
« « nie Ihrer Majestiit einen Ber
: reicher vermuthen können. Kaum fand
ich Zeit, meine Toilette zu vollenden,
» " - sen-at ht Drängen.«
Qr haben vie ichi schon zu viel
WE gewiss-ps- MidsMk-«. vit
,,Hle1 müssen Sie sich «
i
!
l
missen ohne Ansehen der Person nach s
Yes-Je oek York-um« »unt) unleromen
ist der Flüchtiing entwischt.«
«Abk·r Sie werden doch nicht glau
»Wir glauben gar nichts, Madame,
out-ern folgen nur der uns gegebenen(
eisxmg.« Der Korporat, dem die
Siteifpatwuille auf dem Fuße folgte,
hatte sich dem Bett, das im Hinter
Stunde bes- Zimmer-s stand, genähert
web schlug die seidenen Vorhänge
ers-einander.
Ins dem Bett lag ein weißes, gold
wstickixz Kreppkleid unka zarte Rosen
NRIM Sie werden doch das Ball
Mel-, das die Frau Gräfin heuteAbend·
auf dem kZiehen Fest tragen will, nicht
e den ca des Vetbrechees halten?«
agte Toinette mit etwas gezwungenem
sacheta
Mißtrauifch fah der Korporal sie
. af. «En avant«, rief er seinen Kame
wden zu, nachdem er die Vorhänge
M Bettes untersucht hatte, «hier ist
nichts aber das Zimmer hat noch mehr
Viertel zäBekfteckende s
Jeder an wuk von einem ·
Maß geräckiJe jeder Vorhang gelüstet
med f wollten die Soldaten sich zu
and Madeieine athmete er
- Man. Da rief einer: « iee ift
« « t, die in ein ndetes
Mei- Mbees tcheintP
«Oesfnet sie!« gebot der Korporat. l
Die Thür ·des Wandschrantes flog
aus« seidene Gewänder in allen Farben
zeigten sich dem Auge.
Maoeleines Herz klopfte zum Zer
springen, sie fühlte sich dem Umsinlen
nahe. Jetzt war alles verloren!
Jn demselben Augenblick, als schon
einige Soldaten sich bereit machten,mit
vorgestrecktem Gewehr den Raum zu
durchsuchen, ertönte vom Corridor her
lautes Geschrei: »Holla, halt, wir ha
ben ihn, haltet den Verbrecher!«
Die Soldaten stürzten der Thiir zu.
Vergessen war der Wandfchranl und
fein Inhalt, fort ging es, dem Stirn
menlärm noch. E
« Stellte sich auch nach geraumer fett
heraus, daß man einen hormlo en,
halbwiichsigen, buckli en Menschen er
wischt, der in den ängen herumge
lungert hatte, wie er sagte, nur um der
Schloßdienerschaft allerlei Krkzlrams
zu verkaufen, und den man dann wie
der lausen ließ, so war doch damit die
Untersuchung in Madelpines Zimmer
beendet, gerade in dem Moment, wo
sie verhängnißooll zu werden drohte,
und man vergaß es, später wieder dar
outzurückztzkomrnkn
Null mtJQlc Ilcy Ost UNUlllllOcllc
Schreck doch bei der jungen Griiiin
geltend, es übertarn sie ein Moment
der Schwäche. Aber als- die Kammer
frau sich besorgt um sie bemühen woll
te, erhob sie energisch das stolze Haupt
und ein zartes Roth til-erflog ihre
Züge.
»Allons, Toineite. wir hab-en keine
Zeit« schwach zu fein, was man an
fängt, muß man auch durchführen.
Wir müssen jetzt fiir unseren Gefange
nen sorgen, bis wir Mittel und Wege
finden, ihn in Sicherheit zu bringen
Weißt Du, daß ich- es eigentlich recht
amiisant finde. Seiner gestrengenMa
iestät, die immer so finster aussieht,
einen Streich zu spielen? Der Kaiser
war neulich gar nicht freundlich gegen
mich, als er in Fontainebleau zu der
Theaterprohe mit Monsieur Talrna
karn, in der die Kaiserin mitwirtte.
Das ist heute meine Revanche.«
.Utn Gottes willen, thenre Herrin,
scherzen Sie nicht über so furchtbar
ernste Dinge. Sie wissen, daß ver
Kaiser, wenn er gereizt wird, keine
Rücksichten kennt. Denken Sie un
Madame de Melleville, die er ein ach in
La Force einsperren ließ, weil ge
gen ihn intrigiert hatte, und die erst
nach einem Jahr die Freiheit wieder
erhielt durch den Einfluß ihrer Ver
wandten.«
Ein leichtes Kopfschiitteln nnd ein
spöttisches Zucken des Mundes war
die Antwort.
Der.Geianaene im Weint-scheitert
dessen Thüren von der Untersuchuna
hexh noch offen standen, rührte sich
m t.
»Aber nun heraus, mein han« rief
die Gräfin, «cnomentan sind wir
sicher, wer weiß, wie lange man uns
in Ruhe läßt. Wir müssen überlegen,
was nun weiter ze- thnn ift.«
Aus der Tiefe seines dunklen Ge
fängnisses trat fest der Gefangene
herans, ein noch junger Mann, Ende
der Zwanziger vielleicht. Eine nicht
seh-e große, aber Breit und kräftig ge
baute Gestalt, dazu ein Kopf mit brei
ter Stirn und energischen Zügen, ein
Rassen-siehst Unter den til-er der Na
sentpurzel fast zusammengewaehfenen
Brauen blitzten adterartigse Augen mit
scharfem, durchdringenDern Blick der
jun-gen Dame entgegen. »Menschen
mit splchenAAuaenbrairen sind fiir das
s-—
unaiua ventmmt,« neigt es »Mit-us
mund, aber dieser Mann fah nicht
aus« als ob er aeneiat lei, sich sa un
bedinat sden Vorbestimmnnaen des
Schicksals zu unterwerfen, er machte
den Eindruck,"·als wenn er mit allen
finsteeen Mächten bis aufs Aeußerste
kämpfen würde. ehe er sich unterwarf.
»Ein der That. ich habe mich also
nicht aetiiuscht. Sie sind es, Herr von
Greiffenk-lau.« faate Madeleine wie
der in deutscher Sprache, als ietzt ihr
Schiitzlina mit tiefer Verbeugung vor
sie hinkt-at
»Und ich mache ebenfalls die Ent
deckung, daß ich die Ehre habe, mich
unt-er dem Schutz der Gräiin von
Fremonh einst Connesse Lena Er
thal, zu befinden. Wie soll ich Ihnen
nur meinen Dank ausdrücken für die
Hochsinnialeii, mit der Sie sich mei
ner anaennmmem gerade nachdem
wir uns vor zwei Jahren in nicht
freundlicher Weile getrennt Ich
fühle mich tief beschämt und bitte das
aiiisiase Geschick- mir Geleaenheit neben
zu wollen« mich zu revanchiren.«
»Um Gottes will-en, Baron, Sie
stecken mir am Ende das Haus über
dem Kopf an oder werfen mich gar
in«s Wasser,« iaaie die Gräfin mit
leisem Lachen, »nur um Ihrem Stolz
Genüge zu thun und mir nichts schul
dia zu bleiben, indem Sie mir eben
falls das Leben retten.«
Indessen hatte Toinette in dein
Mondschein-it ein-en Raum eingerich
tet. so wobnlickh als es die bescheide
nen Verhältnisse gestattetetn
Durch das Zufammeneiicken der
Mater W Mai MAY ein klei
«
W
l
l
net Tisch nnd Sessel darin n stellt,
UND ml Fkvicht Wein dabei niskver
gess en.
tht klopfte ei wieder an der äuße
ten Tinte
»Ihr-: Maieitiit die Kaiser-irri« mel
Idele oie befiiirzte Toinette vie nach
dem Einlaßbeaehrenden eutnexchcnt
hatte. »Sie folgt dein Laiai an dein
UW
»Ja Ihr Verstec Botenl« rief
Madeleine. »Sie dürfen fiirC erste
dies iZimmer nicht oerlassenf Dann
verschwand sie durch die Thiir indein
lie, sich umwendend, den Finger noch
kiniinal bedeutnngsvoll auf die Lippen
eg e
Durch die entgegengesedte Thür;
trat zu aleichet Kett mit Madeleine in «
den Solon die Kaiserin Josevhinr. l
Obgleich bereits ini reiferenFrauens l
alt-er hatte iie sich doch eine seltene
iuqendliche Frische bewahrt. Selbst·
der leichte Flaum auf ver Oberlivve I
der bei den Südländerinnen eben dies z
reiiere Alter kennzeichnet naan ihr
nichis von dieser Juqendlichieii· » I
Die Kaiserin kam ihrer Hofdame
mit ausaeitreckten Händen entgegen
und Drückte einen Kuß auf ihre Stirn·
»Sie leben angegriffen aus.
M’—aniie." sagte fie, mit dein Finger
das zarte Kinn dei- iunnen Dame ern
porhebeiid. »Es ist nicht die inter
essante Blässe, die Ihnen io entzückend
stehn das kennt man ja nicht anders
bei Ihnen, aber Ihre Augen habeny
dunkle Ränder und glänzen nicht wie
ionft.« Sie Drodte läiielnd mit dein
Finger. »Sollte meine stolze Mitbe
leine doch endlich Feuer aeianaen bei-;
ben? Wer unter Ihren Verehrernx
könnte wohl der Beneidenswerthet
fein? Oder drückt Sie ein andean
Kummer liebes Heri, dann faaeni
Sie es mir Sie w: «.ssen ich bin Ihre
Freundin. und aern bereit, jeden
Wunsch meiner Madeleine zu erfül
IM
Z
l
In dem schönen Gesicht der Has
dame ieiaie sich eine leichte Falte des
Unmiiths. sie liebte solche Neckekeien
nicht, nrit denen man sie, die jung-e
Wittwe, ieii einem Jahr verfolgte
Doch Iosepbine acht-de nichi dar
aus, sie schmieaie sich in einen der sieic
sen. bochlebniaen Sessel. der am Fen
sier stand. und blickte bin-aus aus die
sonnenbealänzie Lands-hast« den
breiten Strom mit seinen Schiffen.
und den Höhen-innen des Tal-nas
,.E3 ist schön biet und Alles ladet
ium Lebenäaenuß ein. Wenn nur
der Kaiser nicht immer so schrecklich
viel ernsie Dinase im Kovs hätte, an
denen manche irr-be Stunde die man
aenieben könnte. scheitert Diese ewi
aen Rennen nnd Nara-den diese
Schlachtennläne. es ist zum Verzwei
feln! Welche Riesensurnrnen werden
silr alle diese Zwecke aeovseri, und
wenn ich dann siir meine kleinen
Amiisemenis etwas brauche dann
schilt Mein Gemahl. Nun fallen Sie
mir ein-en Gefallen ilkun, Liebste. —
Aber was haben Sie?«
Madeleine baiie besorgt nach der
Linie des Schlaseimrners aeiehen, die
sie in der Eile ofsen gelassen Wie
deinlichk Zu welchen unanaenihmen
Situationen konnte das möglicherweise
silbern- Da sasi nun der Gesanaene
im Wandschranl, die aeringsie Bewe
gung lonnie ihn verrathen. Doch sie
waaie es nicht, das Versehen gut zu
machen, in der Besoran·k:. die Kaise
rin könne etwas Aufiälliges darin
finden.
»Er-reiben Sie. MajesiöU saaie sie
mit aevreliler Siirncne." »Sie wissen,
dass ich lein grösseres Glück kenne. als
sehnen zu dienen und Ihnen gefällig zu
ein« --
»Sie sind ein Engel, Madeleine,«
ries die Kaiserin enihusiaslisch- indem
sie die reundin umarmte, »ich wußte
ja, da ich ans Sie zählen kann.
bäten ie also: Sie wissen. daß der
Kaiser. mein Gemahl. nicht immer mit
meinerAri zu witihschaften einverstan
schwenderisch nennt. Wenn er nicht
so viele Soldaten gebrauchte, würde ich
alle meine kleinen Latinen befriedi
den ist« daß et meine Neigungen der
aeu können, und das argeri mich
eben. Bin ich nicht die Kassetin die
Beherrschetin des schönsten Landes der
Welt? Sie wissen« daß er mir vor tur
zem eine heftige Scene machte, als ich
einige Toiletten und Niaiserien be
zahlen wollte, ach, und da wagte ich
ihm gar nicht zu sagen, daß die Sma
ragdenparute von vierzigtausend
Livres noch nicht bezahlt ist, und die
sechs indischen Shawlsx dazu kommen
noch Garnitueen von Btüsseler Spiyen
nnd ein Biererzug Andalusiee. — Ja,
ja, Kleine, man hat seine Sorgen!«
Die Kaiserin schaute sinnend »um
Fenster hinaus, wahrend ihre soga
cne sich nicht enthalten konnte, darüber
nachzudenken, wie diese Frau, die einst
in den ärmlichsten Verhältnissen ge
lebt, die nur durch eine unerwartet
glückliche Fägung dem Schafe-it ent
gangen,die mehr als jede andereSterb
liche den furchtbaren Ernst und vie
Wandlungen des Lebens tennen ge
lernt, nun in ihrer Machtstellun , die
ihr das Wohl und Wehe von Mid
nen Menschen in die Hand gegeben,
nichts weiter im Sinn hatte, als klei
ne Jntriguen Aeußerlichteiten und
Eifersuchlsscenen, die sie ihrem Gat
ten machte.
»Sei-en Sie; mon enfant, alle diese
Summen habe ich zu bezahlen, dazu
kommen neue Beitellunaen bei meinen
Lieferanten, eh bien, es wächst mir
über den Kons. —- Ich habe mich nun
hier mit dem Bankier Kaiser in Ver
bindung aeseht nnd muß ihn heute
noch sprechen. In meinen Zimmern
haben die Wände Ohren, man wpbnt
in diesem Schlosse sv beschränkt, die
gute Remnsat ist überall. Nun kommt
s!!!!!s!sII.IUUIIIIIUISIIIIIIIIIIIII
I nach da »
» . zu, da ...i:n heute im Seht
s- nach einem tkichtting geiucht hat« träte
s Sie woht d rten, aste Aue-tätige sind
’, bewacht,»weit man Her noch immer in
; irgend einem Verste-.der:s.:ut t. Alle
z Personen, die aus und ein ge n, mits
sen sich einer strengen Cantrolle un
terwerfen. Dak- ift sehe lästig und
paßt gar nicht in meine Intentionen.
Auch weiß ich nicht, ob Monsieur-kai
ier»in der Lage ist, meine Wii ehe zu
erfüllen. Jch selbst möchte ni t eher
mit ibm unterhandelm bit Sie mich
darüber orientitt haben. Da aber die
Zeit drängt, tönnte ich mich im Neben
zimmer aushalten und wie von un -
sähe eintreten, wenn Sie alles vor -
reitet haben. —- Das ist ja wohl Jbr
Schlaf-stimmen Madeleine?«
Die Kaiserin näherte sich der Tbür
des bezeichneten Gemaches und war
eben im Begriff, die Schwelle zu über
schreiten, da erhob Mabeleine abweh
rend die hand. ·
»Ja. Majestät, aber ich weiß
nicht-J
»Was?« fragte die Kaiserin er
staunt. Waben Sie etwa Gebeimnisse,
Kleine?'«
Doch ehe Madeleine eineAntwort ge
ben konnte, ließ sich aus dem Wand
fchrant ein Poltern und Klirren wie
von umgewotsenen Möbel-i und zer
brochenem Potzellan vernehmen.
»Mein Gott, was war das?« ries
die Kaiserin erstaunt, indem sie fra
gend in Maveleines etschrecttes Gesicht
blickte.
Da brach die herbeistützende Tot
nette in lautes Jammern und Wehkla
qen aus«
»O Majestät, Frau Grimm die
Ratten, die schrecklichen Ratten!
Sie haben nämlich im Schlaf-.
zitnmer der Frau Gräsin ihr Quar- ·
tier ausgeschiagen und hausen im
Wandschranl. Sie müssen unter die
Essenzen und Parsiiknslaschen gefah
ren sein, die wir dort aufbewahren,
und nun ist gewiß alles zerbrochen
und die kostbaren Sachen verloren!«
»Ratten!« rief die Kaiserin entsest,
indem sie in den Salon zurückstiirzte
und die Thiir des S lasziinmers hin
ter sich zuschlu . « bet das ist ja
furchtbar, ich chaudere bei dein Ge
oanten; da muß Asbhilse geschaffen
werden« so diirsen Sie keine Nacht
mehr in dem Zimmer schlafen. Jch
werde Jemand beordern, der die So
che gründlich untersucht und die
schrecklichen Thiere vertreibt.«
«Sie sind so gnädig, Majeftiil,«
versetzte Madeleine, die es bei dem
Gedonlen an solche Untersuchung eiftg
ji rrieselte, »aber ich glaube, ich muß
heut vor allen Dingen Ruhe haben.
Ich schlies in der letzten Nacht gar
nicht wegen des Lärms im Wand
schrani und nun plagt mich entsetzliche
Migriine. Ich lasse mir ein Lager irn
Solon ausschlagen, und da man nur
durch diesen in das Schlaszimtner ge
langen kann, so würde ich in meiner
Ruhe gestört. Später muß ich mich
zum Ball ankleiden und dann lomntt
die Unterhaltung mit Monsieur Kai
ser. Lassen wir also lieber die Unter
suchung bis morgen« Majestiit.«
»Sie haben recht. Da ich aber un
möglich in einem Zimmer mich aus
halten tann, in dem sich Ratten befin
den, so müssen Sie schon die Untern
dung mit Kaiser allein führen. Ich
schicke Ihnen nachher in einem ver
schlossenen Couvert die genaue An a
be, welche Summe ich gebrauche. ie
sehen wirklich angearissen aus« Mode
leine, ruhen Sie sent, ich dispensire
Sie von der Tafel, dann sind Sie has
sentlich utAbend wieder anz frisch.«
Die aiserin hatte si entfernt,
Madeleine athmete erleichtert aus.
Gott sei Dani, das war glücklich
Horiiberk ,
Aber wie sollte sie nun aus dem
bewachten Schloß, roo jeder Aus· und
Eingehende, der nicht zum Zofstaat
des Kaisers ehiirte oder son eine
disiinguirte sönlichieit war, einer
genauen Controlle unterworfen wurde,
den Flüchtlins r und unentdeckt
herausbringen n ihrem Schlaszinu
nker tonnte er nicht bleiben, auch
wuchs rnit jeder inute die Gefahr
der Entdeckung-.
Als Madeleine ihr Schlasgernach
wieder betrat, Hatte der Gesangene be
reits sein Ver eet verlassen, mit der
Miene viicligee Zeetnirschung trat er.
ihr entgegen.
»Wie toll ich mein ungeheures Un- s
geschick entschuldigen?« sagte er. »Mit
einer ungestümen Bewe ung stie ich
den Tisch und die Ilos um, un das i
Blut der Reden sloß über den Fußbo
den. Es fehlte nicht viel, so hatte es
seinen Weg durch vie Schrantthür in’s
Zimmer gefunden.
»Dann hätte es die Kaiserin fsir
Rattenblut nehmen mässen,« lachte
Modeleine, die trotz bei gebot-ten
Schreckens doch wieder scherzen konnte.
»Dostentlich ist es das einzige Blut«
das in dieser interessanten Assaire
fließt.«
An einem tleinen Tisch, der mit al
lerlei Delitatessen bedeckt wor. vie
Toinette für ihre lronte Herrin aus
der Schloßtiiche herbeigeschasst, saß
Gräfin Modeleine ihrem unfreiwilli
cren Gast gegenüber. Alle Fenster und
Thüren waren hermetisch verschlossen
und verhängt. »Ihr-er leidenden Her
rin wegen,« wie die entriisiete Zofe mit
vorwurfsvollem Blick zu dem wacht
dabenden Posten sagte
Mon hatte ja der armen Gräfin
mit der Haussuchung beut Morgen so
großen Schrecken bereitet und dadurch
ihre Migriine noch verschlimcnert. Nun
war das Geringste, was sie fiir solche
Rücksichtslosi teit verlangen konnte,
Ruhe, iiußer e Ruhe.
W
Die·schlnne Ksazninerfrau tte Be-«
rettt einen Fluchtptsan entnm en. Isi
nette, die gwß und hager war, wollte
eh bei einbrechender Dämmerung in
die Kleider eineg Lptnien stecken, thte
re unt so eher nnbemertt entwenden
onnte, als währen-d des Festes heurel
Abend die Dienerfolyalt Galalivreen
trug. Ein laiseriächer Lalai wurde
vom Macht Akten ohne Controlle liber
all durch-ge a en, nnd dieser selbe La
kat, der mit einein Auftrag die Zim
mer der hofoame betrat, verli; sie
naturgemäß nach lur er Zeit wieder.
Das war nichts Aufiälligeik An er
dern tonnie während des Festtrn els
die Contrclle nich: so schars innen-einl
ten werden.
Die Stimmung war durch diesen
Plan eine ehe-den« sdennoch gab es
tleine Ver egenheitspausen in der
Unterhaltung des jun-gen Paaresz
Denn ihr letztes Zusammensein vor
drei Jahren war etwas stürmischer
Natur gewesen. Sie hatten sich in
Unfrieden getrennt nnd sich seitdem
nicht wiedergesehen
Niemals hätte Franz von Greifsen
llau es iiir möglich gehalten, idaß er
sich dereinst unter den Schutz Lena Er
thals begeben wurde, derselben Lenn
Erthah mit der er in der Kindheit
und ersten bewußten Jugend, -der
Sturm- und Dranaperivde seines Le
bens arn Hofe ihres Odems-, des letz
ten Knrfijriten von Mainz, öfter zu
sammen aewesen Und diese leihe
Lena Erthal hatte ihn, den jungen
Gutsbesitzer aus Dem Rheingau, hoch
müthikl Zurückgewiesrm als er sich um
ihre Dani- bemard. Er war ihr da
mals nicht aut aenug.
Gleich dar-aus hatte idie Achtzehn
jährisae den al:en Grafen ron Fremont
aesheirathe;, einen vornehmen, reichen
Mann, der sie nach turzer Ehe zur
Wittwe machte. J
Damals war er halb toll vor"
Sei-mer- unb Empörung davonge
stiirzt, er wollte die Uebermiiibige, die
ibn zuerst alauben ließ, bafi sie wär
mere Gefühle fiir ihn hegt- und ihn
dann kalt von sich wies, niemals wie
dersehen, und das war auch bisher
nicht geschehen, obgleich es ihn nach
Paris trieb, er wußte selbst nicht wa
rum. Za, er wußre es doch!
Jn « «utfchland ging alles so ver
zweifelt plyilifterbaft in, nnd die Gäh
rungen, die hier nnd da ibre Blasen
schlugen, sie waren ja doch nichts wei
ter als jammervolle Zerrbilder des
großen Vulkans, ver jenseits des
Nbeins bei Gen friinlischen Nachbarn
die Welt in Staunen und Schrecken
setzte.
s nßeridem lebte sein Vater ganz zu
rückgrzogen von der Welt. seit dieser
eine Megalliance mit Demoiielle Ho
rix, der Toch:er eines Mainzer Bür
gers, eingegangen Seine Standes
genossen hatten sich hochrniilbig von
ibm zariiclgezogen
Das Leben eines Gutsbesitzers in
tleinen Verhältnissen bebagte Franz
nich:, feine Thatlraft suchte nach ei
nem Arbeitsfeld Mitwirten auf dem
roßen Welttbeater, bandean einareii
Fen in die Weltgelchichie, das war das
Ziel seiner Wünsche. Aber feine Un
ternehmungen waren nicht vom Glück
begünstigt- Barras, der große Dit
tator, der dem jungen Feuer-kopf, als
er ihn zuerft in Paris erblickte, als
das Ideal eines arnialen, unterneh
menden Mannes erschien, hatte sich
dem auffinden-den Genie Napoleons
gebeugt trok aller bochtrabenden Re
den, die er im Munde führte.
Era batise noch eben vorn Märtyrer
tad sur das Vaterland nnd die Renn
blil gelcknoörrnt, 1hatte egen feinen
früheren Schilkling unld paieren Ge
nossen Bonaparte intri-auirt, sich
dann mit« denRoyalistrn verbunden nnd
Mörderbande gehangen, Verschwö
rungen angezettelr, um dann die Sei
nen feige im Stich zu lassen nnd si
mit feinem aro en Vermag-n n
England zu ·tlli ten, als er sah, das
gegen den Etlenlopf Napoleon nichts
anMrichten war.
durch ein Wunder entging
Franz von Greissentlan den Organen
Napoleons. Die Feuerichiiinde, die
der erlieConsul an der Kirch-e der Ma
deleine auffabren ließ, und die die
Ronalisden bei dem Strahenlatnph sder
seiner Erbebnna voran-einen im ann
zen Schaaren nieder-nähren, verschon
ten Franz« von Greissentlau.
· ’n einziger Freund Achille de
Meinst-. M Izu-seien Seen-en
sc
llllllPl- Cl cicllc Illls «lllll IUICMOITIIIZ ,
schuß im Arm »die Stufen ver Mode
leine hrmufgeitiichtet, seine Geiiehte
wollte ihn in die Kirche retten« da
winkte Napoleon mit der hand, und
ein Kolbenschlaa streckte ihn nieder. —
Dazu kam noch bei Greiffenitau der
Daß des Atiftotraten ge n den Em
otkiimmling, in dem inseinttiven Ge
iihl, daß dieser Empor ömmlinq mit
eiietner himb vunt- allen Mitteln, vie
ihm u Gebot standen, arbeiten mußte«
um ich den schwer etkiimpften Thron
zu erhalten. ·
Vielleicht hitlt Franz von Greissen
itau gern-de deshalb so fett an seinen
ariitotratsiichen Geßnuunaem weil
feine Mutter eine Bürgerere und die
Seinen wegen dieser t esalliance
manche Domiishigung erfahren hatten.
Und dabei liebte g diese Mutter ört
iichJnit ver zar sten Sohnestie e.-—
»Ich hatt-e mich an "i·)e·r Verschwö
rung Pichegrus betheiligt«« schloß
Grecffentlsau seinen Bericht, Jie murde
entdeckt, und Napoleons Stern führte
ihn weiter der höhe u. Wie ein ge
hehtes Thier floh i von Stadt zu
Stadi, verbarg mich in Den Wäldern
ohne Rast uanuh. Da erfuhr ich
but Zufall von der Erkrankung mei
ner utter, und daß sie sich· nach mir
lehne. Mein Vater starb natnlich vor
Kurzem, und so ist sie nunganz ver
issserh So beschloß ich, hierher zu
tommen.« «
W
»Hier warum fix-Trade sert.« Ewng
Mast-leise nimmt. Joshtend der-Kai
åer hier zir? Kennien Sie nicht einige
ag- wareenk
»Er-Jene konnte meine Mutter hi
dohin gestorben sein,« lautete die Ant
wort, »und kann — vielleiht reiste
mich das Abenteuer wende, ich habe
vofn jäher Gefallen an solchen Dingen
ge un n.«
»Wie tollkiihn!« iasjie die IriiLinz
cdrr wie sie ietzt in das energische »e
sieht ihres Schutlings blickte las ans
etwas anderes darin als Missa n.
Er erwiderte diesen Blick irrii so
durchdringender Schärfe daß sie die
Augen« die sonst — dem rei nnd kühn
entgegenschautem enien mußte. »
»Sei-en Sie, Lena —- Sie nrussen
nun schon erlauben, daß ich Sie aus
alter, lieber Gewohnheit so nenne -·
ich war damals ivannsinnig, als ich
verlangte, Sie sollten mich heirathen.
Jch mu te Sie besser kennen. Andere
achtzehnkährige Mädchen opfern wohl
ihrer Liede dem Ehrgeiz, Sie aber
nicht. Es war ganz natürlich, daß
Sie den hochstehenden Mann dem ar
men Schinder vorzogem deshaib lied
ten Sie mich doch.«
»Wie können Sie solche Sprache
wagen?" fuhr die Gräfin auf. Aber
sie konnte ihr Ertöthen nicht hindern.
»Ist es denn eine Schande, wenn
man auch ein Herz ha:, Na-deleine?"
Seine Stimme hatte plötzlich einen
weichen, einschmeichelnden Mang, in
seinen Adleraugen lag ein träumeri
scher Ghin-L der dein finsteren Gesicht
einen felzsnm bestrickenden Ausdruck
versieh
»Zsie haben so viel Muth. Lena«
warum nicht den drr Wahrheii?«
Sie aniivcrtcte nicht, aber sie zog
auch nicht die Hand zurück« die er
ergriff und Inn-Je san-d heiß an seine
Lippen arise-is
»Wer weiß. ob wir uns jemals an
gehören werden« wer weiß auch, ob es
zu unserem Gliici wäre? Aber soviel
weiß ich, dnsz ich danach ringen werde
mit aller Thniirafi, die rnir das Ge
schick gab, und was k- ranz von Greif
senilau sich dorgeste t hat, das er
reicht er auch, oder er geht daran un
er.«
Fünstes Eapitel.
Der große Saal des Zeugin-usw«
der achtdundert Personen in seinem
Raum sa te, war siir den Festabend,
den die Stadt dem Kaiserpaar ab,
mit dem Deutschen Faust durch e nen
verdeckten Gang in erdinduna gesest
Hält die Fürsilichteiten und ihr Ge
o e.
«-er Saal mit seinem Waisen
schmuei und Fahnen machte einen im
posanten Eindruck, wenn mich die
trieaerischen Emblenie und die ge
treuzten Schwerter, «·die dröuend po
stirten Zchiesznpassen eigentlich mehr
siir eine ernste Versammlung als für
einen Ball pa ten.
BlübenDe lumen und prachtvolle
Blatlpslanzen gaben ihm einen fried
lichen Anstrich, und das Licht der
Wachslerzen deieuchtete eine stahl-e
we te, reichgeschmiickte Menge
Zie Stadt Mainz hat es immer ver
standen, glänzende Feste zu feiern.
Schon in den Zeiten, da heinrich
Frauenlod hier seine Lieder dichiete
nnd sang, wissen die Chronisten da
von zu erzählen.
Die Versammlung hatte sich voll
ständig eingefunden, lange vor der
Zeit. zu der das Kaiserpaar erscheinen
sollte. Alle Stände waren vertreten.
vom Minister und großen Staate
mann, vom Marschall bis zum Groß
kansmann und einfachen Mainzee
Bürger. «
Ein ebenso reiches Contingent hatte
auch die Damenwelt ge ellt. Da hörte
man das eleganie mitznges-, die
Sprache der vornehmen - lt, neben
dem damals so sehr verpönten Deutsch
im unversiilschten Mainzer Dialekt.
Es schwirrte und wagte due inans
der. bis plöslich lautlose Sti ein
trat. Der Oberadjutanl des Pala les
Seiner Majesiät, Oberst Damens ter,
wurde in der Thür, die aus dem ver
deckien Gang in den Saat siihrte, sicht
bar. Dreimal stiesz er mit dem gro
en, mit einem vergoldeten Knopf ge
chmiirlten Stock-ans den Boden, und
nun erschien das Kaiserdaan dpn
selzntetternden Iansarentlein en be
årußt Der Saal war dur einen
oran in zwei hälsten getheilt, din
ier dem sich die Gäste, die nicht zum
ps gehörten oder sich in bevorsu ten
tellunaen befanden, ausfestelli ki
ten, tun das Katserpaar mt tiesee e
verenz zu empfangen.
Gortsesung sokay
Der kürzlich erschienene Jahresbe
richt der Ofsenbachee Handetgtammer
siihrt hiliere Klage, daß der Verkehr
mit England in gewissen feineren Ar
iiteln, wie Ledertvaaren, Parsiimerien
etc. unleidlichseworden set, indem aus
den dortigen ahnen immer mehr e
itohlen werde. Eine größere Zahl s
ienbacher « irmen sei in dieser Bezieh
ung zu S aden gekommen. Diese Mit
theilung hai eine der ersten Spedis
tionssirmen der Stadt St. Gasen
(Schweiz) veranlaßt, nachstehende be
mertenswerthe Ertlärun zu erlassen:
»Auch die schweizeris u. speziell
santtgallilchen Exporteure wissen von
diesem Elend vielerlei. Die Spihhuben
müssen ganz großaritg organistrt sein
und vergreifen sich mit Vorliebe an sei
neren Stickereien, Rohen und Taschen
tiichern, welche leicht verläuslich sind,
ohne daß ei bis jetzt der in sriiheren
Jahren als so findig bekannt gewese
nen englischen Kriminalpolizei gelun
gen wäre, die Gauner zu erwischen.«·