Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 12, 1901, Sonntags-Blatt, Image 15

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    Qssenkr Schreibebrief von
xikkie hansstench
No. 92. Seh,
stter Edithor,
wenn ich Jhne
mein Trabel
verzehle Dahn,
dann duhn ich
nit eckspeckte,
hab Sie :II
gen-we, daß ich
infoltet -tver’n.
Ennihau guckt
? den Weq zu
mich, als wann Sie for zu blehme
wäre. Jsch hen do e ganze Latt Schrei
toes mit die Mehl kriegt un ich muß
sage, daß ich das dorchin und dorth
aus nit leiche. Wann ich auch sonst
nit viel än, dann sin ich doch ennihag
e Lelydie un dont juh fergett it« un e
Lehdie dubt mer nit den Weg triete.
Der erfchte Brief bot gesagt: »Fo:
hemmens Sehk, lasse Se den Witzlie
allein; Sie hen fellen Oivend en Duft
gehabt, un do Se Jhne Jhr Hos
and nit meer ehn tönne.'« Der zweite
Brief hot gesaqt: »Wann ich e rau
ätt, wie Sie, dann wär ich chon
ängft wege Gattemord uffgehängt
wor’n.« Der dritte Brief set gesagt:
»Sie sollte efchehmt sein, o en gute
Heller, wie Jlnie Jhrn Phil so mien
Iu triete; daß der nit schon längst fein
grmfeligeö Leide e End gern cht hot,
o fin Sie auch nit for zu lehrne.'«
Jn e annere Brief war e Pies e Behe
trie, fell hot mich am Mehrfchie ge
fuchst. Es bot gesagt
·Mei ganze Simpeitie gehört
Dem Philipp nur dem brave
Hätt ich e Frau wie feine is
Dann deht ich nicks wie laafe.«
Denke Sie vielleicht, so edbes macht
eim gut fiel-let Jch sind doch gewii
e arig gute Frau, awroer was zu viel
is das is zu milch. For die Jniolts
do duhn ich hne noch emol zu- e an
nere Zeit sieke un juh bett jur Leif
»ich wer’n iewen mit Ihne. Ganz per
tickeler hot michs mähd gemacht, dass
der Philipp widder zu den Wedesweii
ker« gange is. Jch hen for e lange Zeit
sdriwwer nachgedenkt, wie mer frieher
doch so gut mit die Wedesweiletsch
ware, un jetzt so e hartes Fiehling
zwische uns sein konnt. Je mehr ich
driwwer nachgedenit heu, desto mehr
hen ich sarrie driwwer gesiehli. O,
Galle, hen ich mit einem mal gedenkt,
mehvie vie Missus Wedegweiiek is
gar nit soviel zu blehme, mehbie ich
den die mehrschte Schuld. Jetzt iann
eins iwwer mich sage was es will,
awwer das tann keins nit sage, daß
ich stobdern sin un wann ich nor die
allergeringste Eidie ben, dasz ich rona
din, dann ruh ich nit ehnder, als bis
ich widder ussgernacht den. Wie
wär’sch, heni jo u mich gedenkt,
wann du emo an ie Wesdesweilern
kahle dehsti Jch denke noch nit, daß
se mich noch emoi enausschmeisse deht.
Jch hen shardiie den Gedanke gedenkt
gehabt, do sind ich auch schon ussge
tschuinvt, hen mich e wenig srisciert,
hen e tliene Ehpren angezoge un sin
zu Wedesweiiersch sor enKahL ch l,en
eckspecktet gehabt, daß se mich chleide
deht, awwer was wer’n Se denke, sc
bot gesagt: «hello, Lizzie, das is are
wer schön, daß Du mich nit vergesse
hast, do set dich emol reiteweg hin un
hab e Koppche Kassee mit mich. Jch
den so schöne Kucke edacie un do mußt
du e wenig von e e. Sell hotimich
doch gegreit Der Koffee war auteseit;
wisse rieher hot die Wedesweilern
immer so tschiepe Stoff gejuhst, wo
ich nie nit den stände könne ; dabei hot
se awwer noch immer gedenkt, teine
annere « rau in die Zitie deht so en
gute Ka see juhse. Ihr Kuche war
auch immer nicks als wie Wasser un
Fiauer un e wenig Schurker un wann
ie’n ganz gut hot mache wolle, dann
hot se de Lahtdpatt un die Milch dicht
dabei gestellt; se hot dann gedenkt das
Fledwer deht den Kuche schon Im
prllhse. Diesmol is awwer der Kuche
auteseit gewese un ich muß sage, ich
den eingepitscht wie e Trämp, wann
er in vier Woche nicks annerschier zu
tschude gehabt dot, wie e Prieimche
Feiniott. Das bot die Wedesweilern
arig gesreit, un se hot en Peil Kuche
erbeigebracht, datz ich mich ordentlich
geschehmt den. Ner hen getahtt«un
hen getapkt un den got nit genohthn
sag IS lcyoll Uulllct w gesunkne-. Yes
Wedeöweilet is auch emoi komme un
hot aki neis zu mich geäckt un et hat
feine te. gefragt, ob«fe mich denn
auch schon e wenig von den feine Wein,
wo er e kurze Zeit zurick kriegt hat«
geasseti hätt. Die Wedesweiletn bot
gesagt, no se hätt ganz dran vergesse,
than-wer gleich in den Keller un hat e
Battelche geholt. Ei tell fuh, das is
awwer ebbes seines gewese! So sieß,
wie der putenstge Schucker und er hat
eint auch so fein fiel-le mache. Well for I
e lange Storie·torz zu mache, mir zwei T
Lehdies hen die ganze Battel ausge- ;
drunie un mir ftn in so en gute Jud
mee gewese, daß mer nach eine Hätte
gehe könne, awwer daswäe doch nit
· iefent gewese un do hen mer liewer
noch en Kopp Kassee gedrunte. Die»
Wedesweilekn hat dann nach e wenig
Yes esse gebracht un ich muß sage. ich
n schon widder en ganz diesente
Eppetett gehabt. Un. wann Se mich
nit eweg gewwe wolle, dann hen mer
nach e weni von den aute Wein ac
-drun!e. De Wedesweilern bot nat
nit gen-ißt, was se alles for mich duhn
sollt un ich hen arig satrie gefiehlt,«
daß ich die gute Frau to lang die kalte :
Schulter ge eigt heu. Akt-wer ich han
. mein Mein ussgemacht, widdee alles(
gut zu mache un do hen ich se inweitet,
mich am nachfte Sonndaq zu befuche
un se hot mich auch gepramniilt zu
komme. Jeht is awwer Zeit daß ich
beim gehn, hen ich gesagt, denn denle
Se emol an, wie ich uff die Klack
auckg do is es schon halb nach ein Uhr
Nachts gewese! So schnell, wie ich ge
kennt hen, sin ich autseit aewese un do
den ich so zu mich gedenkt, der arme
Philipp, der werd sich schön getruwelt
den for mich. Wie ich das grad gedenkt
herr, do is die Seitdohr von den We
desweikr sein ISaluhn ufsgegange un
do is io en Feller mit en ferchterliche
Duft aus den Saluhn eraussgetom
peli un hot mich puttinier umgeworfe.
Jch hen gesagt: Sie frecher Bonini,
mache Se, daß Se zu Ihre arme Frau
un Jhre Kidg komme, Sie Saht odder
wie mer Jhne beisse duht.« Do guck ich
noch emol un do hen ich erseht qesehn,
daß es der Philipp war, mein altes
KameeL Do hen ich lein Wort mehr
aesagi un hen den alte Feller heim
bugscrt.
Mit beste Rieaards
Lizzie HaberitengeL
Die Rosen des alten Kapitiins.
Novellette von Ltto Elster.
»Sieh einmal die schönen Rosen,
Elfriede!«
Die ältere der beiden in tieferTrauer
gelleideten Damen, welche diese Worte
gesprochen hatte, blieb bewundernd vor
dem kleinen Garten stehen, hinter des
sen iippiggem Rosenflor sich ein be
scheidenes, aber schmuckes dilleniihnli
ches Landbaus verbergen zu wollen
schien. Auch die jüngere Dame, au
genscheinlich die Tochter der älteren,
war stehen geblieben, ließ jedoch den
Blick gleichgiltig und miide iiber den
Garten und das Häuschen schweifen.
»,.Möchtest Du hier nicht wohnen,
mno H« Fragte die alte Dame.
»Wie still und ruhig es hier iftt
Man hört nichts von dem lauten Trei
ben der Gesellschaft am Strande. Hier
würde es Dir gewifz gefallen«
»Du kannst ja einmal fragen, ob
hier eine Sommerwohnung zu vermie
then it,« entgegnete die junge Frau in
seltsam müdem Tone. »Mir ist es
wirtlich gleichgiltig, wo ich wohne.«
An der Gartenpforte erschien ein
alter Herr, dem man den früheren
Seemannsberuf sofort ansah. Eine
breitfchirmiae Seemannsmiitze bedeckte
die schneeweißen, trausen Haare, um
das wetterhart, tiefaesurchte Antlitz
zog sich ein weißer Backenbart, der
ebenso dicht geträuselt war, wie das
haupthaar. Unter den buschigen, et
was dunkleren Brauen blickten die
blauen Augen ruhig und ernst, doch
nicht finster den Damen entgegen.
»Was wünschen die Damen?« frag
te der alte Seemann mit tiefer, knar
rcnder Stimme.
»Ich wollte fraaen, ob Sie nicht
eine Wohnung zu vermiethen haben . .«
»Ich ver-miethe nicht an Fremde . . .«
Damit wollte der Alte fortgehen,
aber da traf sein Auge das leidende,
blasse Gesicht Elfriedens — der tief
schtnerzliche Ausdruck des Gesichtes
schien ihn zu fesseln, er blieb unschliissig
stehen.
»Schade,« fuhr Elfriedens Mutter
fort, »meine Tochter hätte sehr gern
hier gewohnt. Sie bedarf der Ruhe
und der kräftigen Seeluft —- in den
Hotelö und den Villen am Strande ist
es uns zu lebhaft . . .«
»Ist auch ein tolles Treiben da un
ten,'« knurrte der Alte.
»Mit wem habe ich denn die Ehre?
— Mein Name ist Kapitän Sanders
—- zu dienen.«
»Profesforin Allmers,« stellte sich
die ältere Dame vor. »Meine Tochter,
Frau Elfriede von Bergen . . .«
»Die Damen sind in Trauer —?«
»Ja, — mein Schwiegersohn, Kor
vettentapitän von Bergen . . .«
»Mutter —- ich bitte Dich . . .«
Der jungen Frau traten die Thrä
nen in die großen, tiesblauen Augen,
ein schmerzlicher Ausdruck zuckte iiber
ihr blaffe , abgemagertes Gesichtchen.
Der alte Seemann öffnete die Gar
tenpsorte.
»Wollen die Damen eintreten? —
Jch habe zwei Zimmer im Erter frei
--- sie stehen· den Damen zur Verfü
gullgs Pension lullll las III-Iqu Illusl
geben, — meine alte Wirthschafterin
wird Jhnen aber gern das erste.Friih
stiick besorgen.'«
»Und der Preile
.,Spielt teine Rolle, Frau Profes
sor. Ich mache kein Geschäft aus dem
Vermiethtm Machen Sie das mit
meiner Wirthschasterin ab. —- He,
Kathrin, kommt einmal her!«
Eine ältliche, bäuerisch aussehende
Frau tam vom Hause her und blieb
erstaunt stehen, als sie die beiden frem
den Damen sah. Seit Jahren hatte
kein Fremder diesen Garten und dieses
haus betreten.
»Die beiden Damen werden einige
Zeit die beiden Erterzimmer bewoh
nen,« fuhr Kapitän Sanders fort.
»Besorgi Alles ordentlich. —- Jch habe
die Ehre, meine Damen.«
Er lüsteie die breitschirmige See
mannsmiisze etwas und schritt rasch
davon, ohne eine Erwiderung der Pro
sessorin abzuwarten.
Die beiden Erterstiibchen waren in
der That sehr nett. Schneeweiße Vor
hänge, frisch überzogene Betten,
Sopha nnd Stühle mit weißen, selbst
gehäteiten Spitzen bedeckt, aus dem
runden Tisch eine gebliimte Decke,
W
bunte Tepptche, die der Kavitän von
seinen Reisen mitgebracht hatte, auf
dem Fußboden, an den Wänden einige
verblaßte Familienbilder mit vertrock
neten Kränzen geschmückt —- das war
die freundliche, einfache Ausstattung
der beiden StübchenE vor deren Fen
stern sich ein kleiner Balken hinzog,
von dem man einen weiten Blick über
detå Strand und das endlose Meer ge
no .
Dieser Balton wurde der Lieb
lingsplatz Elfriedens. Dort saß sie
fast den ganzen Tag, die blasse Wange
auf die schmale Hand gestützt und
schaute hinaus auf das unendliche
Meer-, das sich in langen, gewaltigen,
schaumgetrönten Wogen heranwälzte
gegen den Strand, brausend die Klip
pen überfluthete, um dann in leisem
Murren und Rauschen auf dem flachen
Strande zu zerfließen
Elfriede lauschte dieser gewaltigen,
mahnenden Stimme des Meeres und
der Schmerz um den verlorenen Gat
ten war sanfter, und ihre heißen, ver
dorrten Augen fanden aufs Neue lin
dernde Thränen.
Eine seltsame Ruhe nach all den
wilden Stürmen der letzten Monate
übertam sie; aber es war die Ruhe des
Grabes, in dem alle ihre Hoffnung,
all’ ihr Glück versenkt war. Sie be
i
griff die Welt, die Menschen nicht, die
trotz allen Leids, trotz Tod und Ver
derben, das sie rings umlauerte, ruhig
ihren Geschäften —- ernsten und fröh
lichen nachgehen konnten. Sie begriff
den einsamen, alten Mann da unten
im Garten nicht, der tagaus, tagein
mit liebevoller Hand seine Blumen
pflegte, über dessen Wesen und Leben
ein Frieden ausgebreitet lag, wie war
mer, goldiger Sonnenschein über som
merlicher Haide. War er doch auch al
lein geblieben auf der Welt —- hatte
) doch der Tod alle feine Lieben mit ge
s waltsamer Hand sortgerafft, wie sie
von feiner redseligen Magd gehört
s hatte.
s Sie bknkiff »ne- Mnttsk nie-fis M
-----
derte und die sie jeden Tag leise und
sanft mahnend fragte: »Sollen wir
nicht den kleinen Botho kommen lassen,
Eifriede?«
Nein, sie konnte ihren Sohn nicht
sehen — seine Stimme nicht hören!
Seine Augen, sein tindliches Lächeln,
seine blonden Locken — Alles erinnerte
si« an den furchtbaren Verlust, den sie
erlitten —- und das Herz wäre ihr ge
brochen, wenn der Kleine gefragt
hätte: »Wann lommt Papa wieder?«'
Wenn er wenigstens in ihren Armen
gestorben wäre. Wenn sie seinen letz
ten Liebesblick, fein letztes Liebeswort
empfangen! Wenn sie zu seinem
Grabe wandern könnte, um seineRuhe
sJätte mit Blumen zu schmücken, mit
Thränen zu benetzent — dann würde
sie nicht so furchtbar einsam sein! —
Aber so — ein Wirbelsturm hatte sein
Schiff gegen die Felsen geschleudert,
deren scharfe Klippenziihne die Rippen
des Schiffes zerschmettert und deren
Wassersprudel Schiff und Mannschast
in die Tiefe des Meere gezogen. Nichts
als einige wenige Trümmer, als einige
zerfetzte Leichen waren an den fernen
oltasiatischen Strand geschwernmt —
Alles Andere hatte das Meer ver
schlungen . . . . und mit einem Hur
rah auf Kaiser und Reich war er und
die Mannschaft in den Tod gegangen.
Hatte er ihrer noch im letzten Augen
blick aedacht, oder war seine Seele ganz
erfüllt gewesen von den Pflichten sei
nes Amtes, von dem Gedanken anEhre
und Ruhm? —
Eine wilde Sturmnacht hatte das
Meer bis in seine Tiefen aufgewiihlt.
Brausend rollten die Wogen in voller,
sich überstiirzender Eile heran und zer
schellten mit donnerndem Getöse an
den Klippen und Felsen des Ufers,
dieses selbst weithin überschwemmend.
Ein Theil des Badestrandes war von
der empörten Fluth fortgerissen, den
Steg, welcher in die See hinansfiihrte,
zerschmettert und Badehäuser und
Strandtörbe umgeworfen und fortge
schwemmt.
Eine wilde Unordnung herrschte am
Strande, der noch immer von den
c..«f---c.--h--s Lin-ff-- stillschJcUD
O,UIC,HLI,IIIUIII WLUDOI UUI0.0UIO,II
wurde.
Ein erhabnen aewaltiger Anblick,
das brausende, donnernde, wildem
rörte Meer! Elfriede starrte hinaus
in den Aufruhr derNatur mit großen,
stieren Augen. Die wilde Poesie des
Meeres ergriff auch ihr mitbes, zer
martertes Herz und sie verstand Letzt
die Liebe, die Sehnsucht ihres Gatten
siir das gewaltige, ewige Meer!
Der alte Kapitän stand neben ihr,
still und schweigsam wie immer, aber
in seinen tlaren blauen Augen leuch
tete und schimmerte es wunderbar und
seine breite Brust hob und sentte sich
in tiefen, hastigen Athemziigen.
»Ist es nicht schön — das Meer?«
fragte er plötzlich. ·
Elsriede blickte ihn an und erstaunte
iiber die Veränderung seines Wesens.
Seine Gestalt schien sich gereckt zu ha
ben, die Muskeln ftrasften sich und sein
Auge leuchtete in wunderbarer Klar
beit.
»Sie lieben noch immer das Meer?«
fragte Elfriede zurück.
»Ja —- ich kann mich von seinem
Anblick nicht tcnnem wie man sich von
dem Grabe seiner Lieben nicht trennen
mag. Wenn die Wellen sanft sliistern
und murmeln, dann glaube ich die
Stimmen meiner verstorbenen Lieben
—
zu hören — und wenn es seine Stur
messtimme erhebt, dann singt es mir
ein gewaltiges, ewiges Klagelied um
den Tod der Meinen. Ein solcher
Sturm zerschellte mein Schiff an den
Felsen und riß meine Gattin in die
Tiefe des Meeres, während er mich
auf den Strand wars —- in einem sol
chen Sturm verschwand spurlos das
Schiff, das meinen Sohn trug — ein
solcher Sturm vernichtete das blühende
Leben meiner Tochter . . . .«
»Und Sie lieben noch immer das
Meer?!«
»Ja — ich liebe es noch immer!«
»Ich verstehe Sie nicht. . . .«
»Auch Jhr Gatte, gnädige Frau, ist
den Seemanstod gestorben. — Jhre
Mama hat es mir erzählt . . . ich er
rieth es am ersten Tage, deshalb öff
nete ich Ihnen mein Haus. Sie tön
nen den Schmerz nicht überwinden —
Sie hassen das Meer, das Ihnen Ihr
Liebstes raubte — und doch zieht es
Sie nach dem Meere und Sie können
das Auge nicht von dem Meere wen
den, als müßte es Jhnen Jhr Liebstes
wiedergeben. Das Meer giebt die
Todten nicht zurück, aber wir selbst,
meine liebe, gnädige Frau, können sie
uns wieder erstehen lassen, wenn wir
in ihrem Geiste weiter wirken und
schaffen. Sie haben viel verloren,
gnädige Frau, aber nicht Alles, wie —
ich. . . .« i
Elsriede war tief erschüttert. Noch
niemals hatte der alte Kapitiin von sich
und den Seingen gesprochen. Nie
manden hatte et von seinen Schicksa
len erzählt. Nur ihr sprach er davon.
,,Sehen Sie sich einmal meine Rosen
an,« fuhr der Alte nach einer Weile
sort, »sie sind meine Lieben, meine
Finder geworden, sie sprechen zufmiy
sie erzaycen nur von Den Manning
denen und meine Seele ist ruhig ge
worden . . . .«
Elfriede beugte sich bewegt iiber eine
schöne, dunkeln-the Rose, in deren eben
erblütheten Kelch ein Regentropfen
wie eine einsame Thriine blinlte.
»Diese Rose pflanzte ich,« sprach der
alte Kapitän weiter, »als ich von der
Fahrt heimkehrte, auf der ich vor
zwanzig Jahren meine Frau verlor.
Es war an der schottifchen Küste, als
der Sturm mein Schiff an die Felsen
warf — meine Frau hatte mich seit
zwanzig Jahren auf allen meinen Rei
sen begleitet — wir trennten uns nie
mals, jetzt trennt uns der Tod. . .
Jch glaubte, den Schmerz nicht zu
überleben, ich haßte damals das Meer,
das mir mein Liebstes geraubt. . . .
ich zog mich hierher zurück, um nie
mehr die Planke eines Schiffes zu be
treten. Zum Gedächtniß an meine
Frau pflanzte ich diese Rose, da ich sie
nicht auf ihr Grab pflanzen konnte.
Die Rose ist mir das Bild meiner
Frau, meiner treuen Lebensgefährtin
geworden. . .
»Aber das Leben hatte mir noch an
dere Schmerzen aufgespart — sehen
Sie diese aelbe Rose —- ich pflanzte sie,
als ich die Nachricht erhielt, daß mein
Sohn, der als Steuermann auf einem
großen Dampfer fuhr, bei einer Ex
plosion des Kessels umgekommen
war. . «
»Und sehen Sie diefe zarte weiße
Rose mit dem röthlichen Kelch! Jst I
sie nicht herrlich? ——«
Dem alten Mann traten die Thra
nen in die Augen und mit sanfter
Hand liebtofte er die zarte, weiße Rose.
»Es ist mein Kind, mein Töchter
cben, meine Marn, zu derem Gedächt
niß ich sie pflanzte-. . . auch ihr
Grab kann ich nicht schmücken. . . .
sie fuhr mit ihrem Gatten nach Ost
asien—— in einem Taifun ging das
Schiff unter —- niemals erhielt ich
mehr Kunde von meinem Kinde . . .«
,,Armer Mann —- wie bedauere ich
Sie! Sie haben Furchtbare-s erlebt..«
»Das Furchtbarste tam noch, meine
liebe Frau ..... meine Tochter hatte
mir ein Kind zurückgelassen, ein zwei
jähriges Mädchen, Aennchen, meine
Herzensfreude, mein Herzenstrost
Sehen Sie diese kleine weiße Rose. . .
es ist mein Aennchen, meine Herzens
freude, mein Herzenstrost, die mir vor
iiinf Jahren durch ein tückisches Fieber
entrissen wurde.«
Die hellen Thränen Perlten dem al
ten Mann über die gefurchteten, wet
terharten Wangen, er beugte sich über
das weiße etltöschen und küßte es.
. .h- k-.».--«c-4- -.-IJ s» Ins-»Ko
UIILIIUO Uktllluuuv neu-» ou Use-upo
Sie weinte heiße Thriinen, aber unter
der Thränensluth schmolz der starre
Schmerz dahin und ihr Herz ward
weich. Was hatte dieser alte einsame
Mann da gelitten! Welches Leid hatte
sein Leben erfüllt? Und wie sest, ruhig
und treu stand er da, gebeugt von dem
Leide, aber nicht gebrochen, sich immer
wieder ausrichtend an der liebevollen
Erinnerung an die Seinigen! Die Na
tur, das allgewaltige Meer, die Kelche
der Blumen, die er mit liebevoller
Hand pflegte, hatten den Schmerz. zu
fanster Wehmuth gemildert, hatten
ihm gelehrt, den Schmerz in edler,
stiller Würde zu traan.
Und sie — durst? sie verzweiseln?
Hatte ihr das Leben nicht noch ein
theures Pfand der Liebe ihres Gatten
aelassen? Hatte sie ein Recht, nur
ihrem Schmerze um den Verlorenen
zu leben?
Sie errgiss die Hand des alten
Seemannes und küßte sie, von einer
tiefen Erreguna erfüllt.
»Ich danke Ihnen. » .«
,.Danten Sie mir nicht, mein Kind,
sprach der Alte sanft, »ich habe Jhnen
von meinen Rosen erzählt, weil ich
sah, daß Sie sich aus Jhxem Schmerze l
i-..-- --
nicht herausfinden konnten. Sollten
Sie jetzt den rechten Weg finden, so
danken Sie es den Rossen des alten
Kapitäns . . ."
Er strichsanssl und zärtlich mit sei
ner harten Seernannshand iiber ihr
dunkles Haar, b.:nn wandte er sich ab
und schritt langsam dem Hause zu.
Elfriede aber sank auf das Knie
nieder und küßte unter Thränen die
kleine weisse Rose, de s alten Mannes
Aennchen. des alten Mannes Herzens
freude und Heri:nstrost..
Nach einig-en Tagen erfüllte fröh
licher Kinderjubel den sonst so stillen
Garten des alten Kapiiäns Der klei
ne, fünfjährige Botho war mit seiner
Wärterin angekommen und sprang ju
belnd in dem Garten umher. Die
alte Kathrine wunderte sich des Höch
sten, daß ihr Herr ruhig dazu lächelte,
wenn der kleine Bursche Blumen
pflückte oder in den Gartenwegen mit
dem Kreisel und dem Reisen spielte.
Anfangs wollte sie es dem Jungen
verbieten, aber Kapitän Sanders
meinte lächelnd: »Laßt den Jungen
nur gewähren, Kathrin, er soll seine
Freiheit haben»
Und der kleine Botho und der alte
Kapitän schlossen bald innige Freund
schaft. Mit glühenden Wangen und
leuchtenden Augen lauschte Botho den
Erzählungen des Alten und wenn die
ser »die Hand auf des Jungen Haupt
legte und ihn fragte: »Was willst Du
werden, kleiner Kerl?« dann antwor
tete er sich emporreclend: ,,Seemann,
anel Kapitän, wie mein Vater und
u .....
Das Meer sang sein uraltes, ewiges
Lied von dem Werden und Vergehen,
und die Rosen des alten Kapitäns
blühten in diesem Jahre schöner denn
je, sie hatten einem todtwunden Herzen
neues Leben und Frieden gebracht. —
nges Wißverständniß.
FrauMeyer: ,,Wirwiirden
Jhre Tochter gern als Besuch bei uns
behalten, wir sind leider ein bischen be
schränkt.«——-F r a u M e h e r : »Ach,
das macht nichts, meine Julie ist auch
g’rad nicht die G’scheiteste!«
anmertrsame Yowirttmng.
(Jm Bahnhofrestaurant.) »Sie,
Kellner, soll das eine g a n z e Portion
sein?«-—,,Zu dienen, ja!'«—»Aber die
ist klein!«—»Jn Jhrem eigenen Inte
resse!—Wenn wir Jhnen mehr dor
setzen, versäumen Sie den Zug!«
such ein Ziemdpunkh
C r : »Meine liebe Else, wir find
ruinirt! Kein Mensch will mir mehr
Geld borgen——es bleibt mir nichts wei
ter übrig, als ehrliche Arbeit!«—S i e :
»Ach, wer hätte je daran gedacht, daß
wirso tief sinken würden!«
Vorschlag sur Würd
Junge Frau (nach dem ersten
Streit in der Ehe): »Und damit so
etwas nicht mehr vorkommt, lieber
Viktor, schlage ich vor: Sind wir glei
cher Meinung, hast Du Recht, sind wir
aber verschiedener Meinung, habe ich
Rechts«
Zu gütig.
Dramatiter(dersichbei der
Premiere verspätet hat, als er die
Bühne betritt): »Um Himmels willen,
Herr Direktor, ist mein Drama etwa
durchgefallen ?'«-—D i r e i t o r : »Noch
nicht-Sie können aber d’rauf war
ten.«
Vertljeidigt
R i ch t e r : »Stoppelbauer, wie
konnten Sie denn den Schauspieler
Müller einen Mörder nennen, er hat
doch keinen Mord begangen?«—»Hab’B
aber do mit eigenen Augen gesehe, Herr
Richter, wie er im Theater einen er
stochen hat.«
gakornenlwfblüttjem
»Kerls, könnt ich Euch doch in’5
Meer der Vergessenheit tauchen!«
»Na, Meier, grinsen Sie nicht so!
Sie präsentiren das Gewehr und nicht
eine Wurst!'« .
»Huber, treten Sie nicht so s chüchtern
auf, wie der erste Flaum unter der
Nase!«
th grdauernsworiher.
T
»Das Dasein ist wirklich ein Kampf
—jctzt lieg ich schon den ganzen Tag
hier, trink Champagner und rauch Ci
attetten und komm nichi drauf, wen
ch nun eigentlich anvumpen solls«
H
l seltsam-r Drum-.
i »Warum will denn Jhr Gatte nicht
« mit in’s Bad?"—-—,,Ach, der ist ja so-·
s ch m u tz i g . «
gu- dem Bericht eines Gr
. moindevorsictjeri.
l Bei der darauf entstandenen Rausey
tei wurde dem Hintertupfer Sepp sein
zweites und letztes Ohrwasch’1
abgerissen.
Probe-tie- Mittel.
E A.: »Wie wäre der Nervosität unse
rer Frauen am schnellsten abzuhelfen?«
—- B.: »Wenn irgend ein berühmter
Arzt feststellen würde, daß sich diese erst
in einem gewissen Alter einstellt!«
F Gemiithtich.
P a t i e n t i n : »Um Gottes willen,
Sie haben mir ja einen ganz schrecklichen
Schmerz bei dem Zahnziehen gemacht!«
-—-A r z t : »Ja, wissen Sie, ich ziehe
auch sonst keine Zähne-aber einem so
hübschen Fräulein, wie Sie sind, kann
man ja nichts abschlagen!«
t
« Zingutar und Plurah
- »Siehst Du dort die zwei Herren,
den Schäbigen und den Eleganten?«——
»Ja! Wie kommen die zusammen?«—
»Ja, weißt Du, das sind Brüder. Der
Schädige ist ein armer Teufel; der
macht B ii che r. Und der Elegante
ist Millionär; der ist B u ch machet-"
Wink. «
r i xP .- ges LJ
! K a st e l l a n: »Zum Schlusse,
meine Herrschaften, werde ich Jhnen
jetzt das Burgverließ zeigen, welches die
Jnsassen nur gegen hohes T r i n i ·
H g e l d—wollte sagen Lösegeld-zu ver-.
lass en pflegten!«
Zwecken-.
»Aber, Hans, wie kann man wegen
dem bischen Zahnweh so heulen?"—
»Deswegen wein’ ich auch nicht!«—
»Nun, warum denn?«—»Weil das
Zahnweh ganz und gar zwecklos
ist, denn wir haben ja jetzt so w i e s o
F e r i e n. I «
Bein gindernifp
Unteroffizier:,,Einjähriget’
Huber, was find Sie denn von Berqu«
— ,,Rechtspraltikant, Herr Unteroffi
zier.«——Unteroffizier : »So,na
deshalb dürfen Sie aber bei uns doch
links antreten.«
Poe-wickelte Richtschnur-.
Feldwebel:,,Nochaufeinswill
ich die Herren Einjährigen aufmerksam
machen. Der Herr Hauptmann pflegt
gern ab und zu einen Witz loszulassen.
Lachen Sie laut, so werden Sie be
straft; lächeln Sie verstohlen, so meint
er, das wäre Hohn; lachen Sie gar
nicht, so hält er Sie fiir dumm! Also
richten Sie sich darnach!«
Empfehlung.
Altes Fräulein (zumNef
fen): »Wenn Du nach der Residenz
gehst, dann gebe ich Dir einen Empfeh
lungsbrief an den Herrn Justizrath
Meier mit, der wird Dich gewiß prote
giren.« — N e f f e : »Kennsi Du denn
den Herrn Justizraih so gut, Tantei«
-—Altes Fräulein: »Freilich,
ich habe als junges Mädchen einmal
einen Kotillon mit ihm getanzt!«
Der ljöflicijo Bat-lett
Der Referendar H. hat sich auf sei
nem Wege zum Amtsgericht erheblich
verspätet. Als er befltigelten Schrit
tes durch eine enge Straße saust, die des
Wochenmarites wegen sehr belebt ist,
passirt ihm das Malheur, eine mit
Körben hochbepackte Bauersfrau anzu
rempeln. Pöfliclx wie ein Referendat
immer sein oll, leucht er halb athemlok
sein »Pardon!« und glaubt sein Ber
gehen damit hinlänglich gefühntL
Wüthend ireischi ihm jedoch die Alt-»
nach:»Kick, Dö Krät schömbs
Dokyo-bl«