Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 14, 1901, Sonntags-Blatt, Image 18

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    Woran its-Heinrich Lee.
(3. Istsletssmad
Das Schicksal hatte ihm keinen
Sohn bunt. Nur eine Tochter war
ihm st, und die Mutter hatte
für das Kind bei einer Geburt das
Leben lassen mit en. Eine ältere
Schwester von ihm nahm sich des Kin
des an, noch vor dem Kriege hatte sie
einem reichen Fabrikanten im Elsas.
in der Stadt Mühlhausen, ihre Hand
«aereicht, der Elsaß wurde dem Vater
lande entrissen, nach jahrelanger. tin
derloser Ehe starb der Mann seiner
Schwester, die Fabrik wurde von ihm
verkauft, und das Verniinftigste wäre
nun gewesen, die oereinsamte Frau
wäre mit ihrem Vermögen ietzt nach
Paris zurückgekehrt Aber nein, dazu
hatte sie keine Lust, sie wollte bei dem
Grabe ihres Gatten bleiben. Sie tam
nach Paris, um sich das Kind zu ho
len. Oberst —- damals noch Kapitän
d’Engretnont hätte ihr sein Kind ver
weigern müssen, denn das Land, in
das es die Schwester brinan wollte,
war Deutschland Aber als alleinfte
hender Wittwer, wieder zum Jungge
sellen ae«1vorden, hatte er teine Wahl,
er mußte es der Schwester überlassen
»Daß mir Hortenfe nicht deutsch spre
chen lernt,« hatte er Julie auf die
Seele gebunden. Julie versprach es.
Zu feiner Beruhigung außerdem
kannte er diese Stadt. Trotzdem sie
nun Frankreich geraubt mar, so war
Wesen Und Sprache in ihr doch ganz
französisch geblieben. So nahm denn
Juiie dass Kind mit sich —- nachMiihl
hausen, nach Deutschland
Viele Jahre lang sah Oberst d«En
gremont sein Kind nicht wieder. Je
den Monat kam von Julie an ihn ein
Brief über Hortense, der ihn in seinen
Baterpslichten vollan bertihigen
durfte. Julie nahm sich des Mädchens
tnit einer Sorgfalt an, als wäre es ihr
eigenes Kind. Nachdem Hortense älter
eworden war und schreiben gelernt
tte, lag dem Briese Juliens auch je
desmal ein zweites Briefchen bei —
tnit kindlichen, steifen Zügen, die sich
aber mit der Zeit immer gefälliger ge
stalteten in ihrer Klarheit, Einfachheit
nnd Energie einen Rückschluß auf den
sich entwickelnden Charakter der
Schreiberin zuließen. Was Hortense
II-—:-c. —---- c--:säj- «-»·- Il-:-- s
kaput-« tun-cis Hin-u- «.4. o.-.-«», »u
befangene Mittheilungen au-: ihrem
friedlich und geordnet dabinfließenden
jungen Leben die aber deni Oberst
immer von Neuem die Gewißheit aa
ben, daß sie nirgends-«- in der Weit des
ser aufgehoben sein konnte, und daß
ihre Erziehung von Julie ganz in dem
Sinne geleitet wurde, als wenn er nach
dem landesüblichen Brauche das her
anwachsende Mädchen in ein Kloster
egeben hätte. Erst nach der ,,Fiata:
trophe«, das heißt nach seiner Verab
schiedung, fühlte er, düsteren Gedan
ken hingegeben, das Bedürfniß, sein
Fleisch und Blut nun wiederzusehen
Sollte er sich selbst zu seiner Schwester
auf die Reise machen? Nein! Er hatte
sich geschworen, dieses Deutschland
So kam Julie mit Hortense auf sei
neu Wunsch nach Paris. Hortense wa
eben vierzehn Jahre alt geworden
und Oberst dEngremont konnte aus
das hübsche Mädchen, das ihn nun als
Vater umarmte, stolz sein. Sie trug
ihr erstes langes Kleid, aber sie war
noch so unbefangen, so frisch wie ein
Kind. Aug ihren braunen Augen
rahlte ein steter warmer Sonnen
chein; wenn sie mit ihrem Vater, be
leitet von der Tante, durch Parig
Fuhr, so schlug sie über die Herrlichkei
ten, die sie hier zum erstenmale sah,
jubelnd die Hände zusammen, sie plan
.derte, sie lachte, der Vater war ihr
nicht sremb, sie nannte ihn mit einer
Liebe »Papa«, als hatte sie ihn irri
mer gekannt. Wenn die sonstige Er
ziehungsweise die meisten französischen
Jungen Mädchen zu einer Art von
Treibhauspslanzen machte, so war
Hortense wie eine aus der Wiese ge
wachsene Blume, die jeden, der sich ihr
näherte mit ihrem Duft erquictfte
Oberst d Engremont war mit dem Er
Zehn näswerk seiner Schwester zufrie
ines Tage-B aber machte er eine
ihn tn Harnisch dringende Entdeckung
fartense sprach deutsch. Es kam zwi
chen ihm und seiner Schwester zu ei
" wem starken Austritt.
.,Dasiir kann ich nichts,« erwiderte
Julie ruhig g- »in Mühlhausen hat sich
manchese andert. Man hört jetzt dort
deutsch ri roll. Was in meinen Kräf
ten stand, um mein Versprechen zu er
. Mu, habe ich gethan. Jch habe Hor
SJe deshalb auch in keine öffentliche
ule geschickt Sogar französische
Dienstboten habe ich Ihaltetn Sie hat
es tro dem gelernt on meiner eige
sung darüber spreche ich nicht
» chDeinen Chauvinismus
T under-ständig halte, das habe ich
· niemals verhehlt. «
berstikcngremont war über diese
unliebsam Entdeckung so in Zorn
er auf der Stelk beschloß, or
nimmt bei sich zu beha ten.
W e stand Ieht in einem Al
ist, is welchem sie, wie ihm Julie mit
MI Mben anbetnanbetsetzte, weib
nicht entbehren konnte.
Essig
mit keiner Stiefelsohle zu berühren. s
W
Mjbände zugeworfen, wieder nach
Mublhansen zurück.
In dem Leben von Oberst d’Engre
mont war eine neue Epoche eingetre
ten, die Politik, die alle übrigen Ge
danken in ihm, auch die an seine
Tochter, in den intergrund drängte.
Er war in den meinderath gewählt
worden. Die Wahl war wie eine
Schlacht gewesen, nur daß sie noch viel
heiser verlaufen war als die acht
Schlachten, in denen Oberst d’Engre
mont im Kriege mitgesochten hatte.
Dieömal aber war die Schlacht sieg
reich gewesen; siir die nächsten drei
Jahre —- so lange dauerte das Man
dat eines Gemeinderatbsmitgliedes —
hatte also Oberst d’Engremont, getra
gen von dem Vertrauen seiner Mit
ürzqer, das Wohl der Stadt zu dek
treten. Außer dem, was von seinen
Gegnern schon gesagt worden ist, hiel
ten sie natürlich auch mit dem Ein
wand nicht zurück. daß ein Mann.
der zeitlebens sich nur mit dem militäi
rischen Dienst beschäftigt habe, leine
Uebung in iommunalen Angelegenhei
ten haben könne. Dieser lächerliche
Einwand richtete sich von selbst. Ar
beitete man sich in solche Sachen hin-·
ein, so erlernte man sie auch, und zwei
tens — auf was kam es denn in erster
Reihe an? Aus die politische Haltung
kam es an! Ob eine Neuvslastetung,
eine Kanalarbeit, eine Schulbausc
Ausdefserung von republiianiichem
oder von imperialistischem oder von
nationalistischem nteresse war, da
raus kam es an! s as Quartier, wel
ches Oberst d’Engremont mit seinem
Mandat vertrat, lag aus dem Mont
martre. Wieder hatte man sich bei der
Wahiagitation überzeugt, daß der Ti-:
tel eines Oberst von der Armee nach
immer eine bestechende Wirkung auf
die Wähler ausübte. Nur eine einzige
dunkle Wolle stand am Horizont. Das
waren die nach den schon besagten drei
Jahren bevorstehenden sie-mahlen
Würde der Gewählte dann das Man
dat siegreich behaupten? — Oberst
d·’Engrernont hatte manchmal über
diese Frage peinigende Träume. Nur
Träume —- Gott sei Dant. Noch hat
ten die Neuroahlen ja bis zum Jahre
1900, dem Aussiellungsjahr, Zeit.
Fiin « ahre waren vergangen, seit
der O zum letztenmal sein Kind
gesehen hatte, als eines Tages aus
Mühlhausen ein Brief an ihn antam,
her ans der Adresse nichtiwie sonst die
Handschrift seiner Schwester, sondern
diejenige Hortense’s trug Und der den
Oberst in hie größte Aufregung ver
setzte. ortense theilte mit, daß die
Tante ich eine schwere Ertälrnng zu
gezogen habe, die hoffentlich bald vor
übergehen würde, wenn sie auch jetzt
das Bett hiiten müßte. Auferdem
aber benachrichtigte ihn hortene noch
von etwas anderem. Ein junger
Mann, ein Deutscher, ein Ingenieur,
hatte sie um ihre Hand beten. Wenn
ste auch kühle. so schrie sie. daß. so
lange die Tante noch nicht au r Ge
fahr war, sie nicht an sich sel st den
ten würde, viel weniger noch an eine
solche Liebes- und Heirathsangelegew
heit, so sei doch gerade die Kranlheit
der Tante die Ursache dazu gewesen,
und die Taste, die mit dieser Verbin
dung sehr einverstanden und wahrhaft
erfreut darüber sein würde, hätte selbst
gewünscht, dasz sie ihm sofort Mitthei
lang davon machte. »Ich weiß, lieber
Papa, von Tante Julie,'« so lautete
weiter der Brief« »daß Du tein
greund der Deutschen bist, aber wenn
- -u Altdorser, so heißt er, und ich sin
"de, es ist ein sehr hübscher Name, ten
nen lernen würdest, so wirst Du Dich
i selbst überzeugen, was er iir ein lie
k ber, tüchti er Und guter ensch ist.
Tante Ju ie behauptet, ich sei durch
und durch Französin —- Pariserin —
geblieben, nicht nur mit meiner immer
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i
’ UT
guten Laune, meiner Zchwntzlsaitigteii
und meiner schrecklichen Eitelkeit, son
dern auch mit meinem praktischen We
sen und meiner Verniinjiiiateit, unk
Deehalb wäre ich so eine große Deutsche
Liebe gar nicht werth. So viel aber
siitsle ich, lieber Papa, daß Du mich
wenn Du Deine Einwilligung Hier-se
sehr glücklich machen würdest· Es Der
steht sich von selbst, baß Altdorser
noch bei Dir persönlich um mich ans
halten wirb, nur muß ich ihm wohl erst
durch Diesen Brief, lieber Papa, von
Dir die Erlaubniß dazu verschaffen
Das schönste wäre, wenn Du telegra
phiren würdest, dann ist Altdorser
übermorgen bei Dir in Paris, und
dann würde, seht, sehr glücklich sein
Deine Dich innig liebende Hortense.«
Oberst d’Engrernont las noch ein
mal diesen Brief, dann zerknitterie er
ihn und wars ihn in die Ede.
Ein Deutscher! Ein Deutscher sein
Schwiegersohni
Es war weniger Hortense, der sein
sngrimm galt, als vielmehr seine
chwester. Sie hatte es zugelassen,
sie hatte der Sache wahrscheinlich noch
Vorschub geleistet, sie war damit »ein
versianben«. Aber es geschah ihm
re t. Er biitte Julie besser kennen
so n. Schon als Kind hatte sie et
was Berschrobenei gehabt nnd mit
den Portierskindern gespielt Sie
hätte, eine gebotene d’Engremont«
sonst auch reinen gewöhnlichen Fabri
kanten eheirathet, es war eine soge
nannte iebesbeirath. Allein sie trug
die Schuld. Sie allein!
Gottlob aber —- er wurde ruhiger.
Noch war nichts zu spät. Ganz
einsach, er schrieb sofort an Hortense·
daß er seine Einwillignng unt-seinet
liofversaar. Noch me ——äiazsie
forschte-umzi- zn le
een sollte nlie ans war. a
vieren-Frasse- ennegekiu s
KM UND-—- Täter-se mer
i
keine seanssichtigun niehr —- ain we
nigsten eine, wie e seine Schwester
an the ausgeübt, die Resultate davon
traten ja jth zu Ja . dorten e
konnte seht in einein itswesen d
Leitung der Wirthschast iibernebmen,
und das da te sehr gut, denn Ma
dame Bauer x, die bisher dieses
Amt versehen, hatte um nächsten
Quartal getündi t. nzweisel st,
wenn sie erst in rii war, w rde
hortense diesen deutschen herrn der
äzssein Stellte ihr nach ihren ethenen
orten nicht Julie selbst das irg
nisz aus. da sie ein oerniinti es
Mädchen war Also! Noch war ni ts
dat!
berst d’Engremont setzte sich an
seinen Schreibtisch.
Jn diesem Augenblick brachte ihm
der Diener ein soeben abgegebrnet Te
legramm. Es war von Hortense und
lautete:
»Tante Julie im Sterben. Sie
verlangt nach Dir. Komme sofort."
Die Nachricht erschütterte ihn. Von
allen seinen einftigenAn ehörigen war
nur noch Julie am Le en. Persön
lich hatten die Geschwister wenig im
Verkehr miteinander gestanden, auch
ihre Charaktere hatten wenig zusam
men gepaszt, aber sie fühlten doch im
mer das gemeinsame Blut, und eins
wußte vom anderen, daß es in der
Noth an ihm einen Anhalt, eine Hilfe
hatte. Nun drängte sich plötzlich eine
sinstere Gestalt zwischen sie -—— der
Tod! «
Noch an demselben Abend reiste der
Oberst ab. Beim frühen Morgen
grauen traf der Zug in Straßburg
ein. Als sich an dein blaßblauen
Frühhimmel der rathe deutsche Mün
sterthurni abzeichnete, schloß Oberst
d«Enaremont als guter Patriot die
Augen. Dann rollte der Zug süd
wärts, zur Rechten im Westen eine
ferne blaue Bei-gleite —- es waren die
Vogesen. Jn der weiten. griinen
Ebene wurde eine Stadt sichtbar. Aug
unzähligen. hohen Schornsteinen zo
gen schwarze Rauchwollen über sie hin
und bedeckten weit und breit die Wege
mit Kohlenstaub Das war Mühl
hausen
Hortense hatte ans dem Bahnhof
ihren Vater erwartet. Sie eilte ans
ihn zu und umschlang ihn. Oberst
d«Enaremont hätte seine Tochter sonst
» wohl laum wieder erkannt, eine so
f aroße Dame war sie geworden. Sie
7 hatte Thränen in den Augen. Tante
) Julie war tobt.
" Aus der Fahrt in die Stadt erzählte
s sie, wie es so schnell gekommen war.
Noch in der Nacht hatte, nachdem ein
hocharadigesFieber hinzugetreten war.
»ein Lunaenschlag dem Hortense so
« ibeoren Leben ein Ende gemacht. Auch
i er. der alte Soldat, wischte sich bei
dieser Nachricht eine Thriine aut- dem
Auge. Was Tante Julie ihm noch
zu sagen gehabt hatte, das wußte
Hortense nicht« Bei der großen,
wahrhaft mütterlichen Liebe, die sie
fiir ihr angenommene-Z Kind gehabt
hatte, war es sicherlich nur die Sorge
um sie, vielleicht ein dringliches letztes,
gutes Wort. dar-« sie fiir Altdorfer bei
ihm noch hatte einlegen wollen
«Davon wollen wir nach dem Be
sgriibniß reden,·· unterbrach der Oberst
re.
Das Bearbbniß fand statt, und ein
zahlreiches Trauergefolge gab Tante
Julie das letzte Geleit. Namentlich
sah man hinter ihrem Sarge viele
arme Leute gehen, denn Tante Julie
war eine große Wohlthäterin gewesen.
Hortense sah in dem schwarzen Trau
ertleid, das ihre schlanke Gestalt um
spannte, beriiitend schön aus. Ihr
sein geschnittene5, blasses Gesicht war
nur von den großen braunen, jetzt
gleich der Sonne, deren Glanz sich
hinter triiben Wolen verbirgt, leuch
tenden Augen belebt. "n leichten
Wellen fiel iiber ihre weiße, schmale
Stirn und die rosigen O ren das la
stanienbraune Haar. er sie sah,
meinte, dass sie noch niemals schöner
Lgewesen sei, als so in ihrer ersten
Lrauet
Nach Der Beerdigung, noch an Dem-·
setbenTaae, harte Oberst Istsngremant
mir seiner Tochter eine tange Unter
rein-sur Wenigstens Das war ihm von
Diesem deuischen Herrn tied, daß er so
viel Feingesüht gehabt, sich während
Dieser Trauertaae sernznttatten, ein
FeingesiihL das Oberst v’E-ngrernant
von einem Deutschen vielleicht nie er
wartet hatte. Hortense sollte erst er
ählen, wie sie zu verVetanntschast die
ses Herrn gekommen war. Das war
sehr einsach. Herr Altdorser hatte ei
nige Monate in Mühlhausen wegen ei
ner neu errichteten Fabrit zu thun ge
habt, und bei einem Nessourcensest war
er Tante Zelle und ihr vor estellt
worden. - r Zufall, der gesellschaft
liche Verkehr in der Stadt führte ihn
dann noch öfters mit den Damen zu
sammen. Schließlich lud ihn Tante
Julie, weil sie so viel Gefallen an Att
dorser sand, u ihren «Mittwochen«
ein. Als die ante erkrankte, sprach
Altdorser vor, um sich nach ihrem Be
sinden zu ertundigen. Zum erstenmal
war Hortense mit ihm ganz allein, da
kam es über seine Lippen.
.Papa, ich liebe ihn,« sagte rtense,
nnd erröthend bar sie, die rme um
ihres Vaters ls schlingeny denKops
an seiner Beu . "
»Wo- ist ver r?« sragte Oberst
d’Engremont, si noch bemeisternd.
Altdarser hatte ihr-versprechen müs
sen, so fange, bis vom Vater die Ant
wort eintraf, nicht mehr in? aus zr
kommen. Selbst als der ad de1
M kund wurde, hielt er sich an das
Mmtäsps mMsM if W
Fett Feier Messe-spars- etn. Vers
daß sie ihn n cht —- er hatte
wo l zu den armen euten gesellt. Au
tou te er nun wohl, daß der Vater da
war. und so wartete er aus Bescheid
von ihr. --— ,Ja« oder. »Rein«. Dor
tense verstummte
«Rein!« fuhr Obert d’En remont
heftig heraus. »und u wei t, wa
rum.·'
Hortense wußte es.
nHätte Julie, hätte Deine Tante
ihre Pflicht an Dir gethan, sie hätte es
nie so weit kommen lassen, sie hätte
Dich gewarnt.«
.,Sag’ nichts böses aus Tante Ju
lie, Papa, sie hat nichts davon gewußt,
nichts geahnt.'«
Zum erstenmal in seinem Leben be
fand sich Oberst d«Engremont in ei
nem oeritablen Seeleniampi. Er
liebte sein Kind. das mertte er jetzt —
jetzt, wo ihm Hortense davon sprach,
daß ihr Glück in seiner Hand lag. Er
spürte ferner eine ganz erbärmliche
Schwäche an sich —- »Gutniiithigteit«
hätten es vielleicht minder stren e
Leute genannt — die ihn dazu versiig
ren wollte. diesem »Gliick« seines Kin
des nachzugehen oder wenigstens inso
weit Hortenses Bitte zu willfahren,
diesen Mann zu sich zu lassen, ihn ten
nen zu lernen. sAber in diesem kriti
schen Augenblick dachte er noch rechtzei
tig an etwas, was ihn wieder stark,
unbeugsarn machte —- an die »Partei«!
Oberst d’Engremont. der seine Toch
ter einem Deutschen zur Frau gab!
Dann hatten seine Gegner gewonnenes
Spiel, und bei den Neuwahlen fiel
Oberst d’Engren-.ont mit Posten und
Trompeten durch.
»Weder wünsche ich eineilnterreduna
mit dem Herrn, noch tann ich Dir
meine Einwilligung geben. Dabei
bleibt es!« saaie er mit einer Stimme,
daß Horten e daraus- entnehmen
miißte, sie habe keine Hoffnung mehr.
»Weil Dir das Glück Deine-s Kin
des weniger am Herzen liegt, als-Deine
Politik, Dein Ehrgeiz, Vaters«
Erst wußte er aus diesen Vorwurf
seiner Tochter teine Antwort. Dann
aber doch — und nun fand sein von
diesem Seelentampfe zermiirbteås Ge
müth auch wieder die nöthi e Be
ruhigung, so eine erhabene gestie
digung· Nein, er war iein grausa
mer Vater, er war nur ein großer Pa
trean
Sorg tout er ix Fesolgt nur Äo,
H
»Meine Person aehört dem Vater
land -——— nenne nicht das- Ehrgeiz, ioas
nur meine Pflicht ist. Gerade weil ich
Dein Vater bin, arrade darum solltest
Du das zu allererst begreifen Du
wirst diesen herrn vergessen das ga
- rantire ich Dir. Jch nehme Dich jetzt
mit mir nach Paris-, Julie hat uns ein
hübsches Vermögen hinterlassen, Du
wirst das Pariser Leben kennen lernen,
Du wirst Dich zerstreuen, Du bist
hübsch, alle Welt wird Dir den Hof
machen, und in zwei, drei Jahren
wirst Du einen anderen heirathen, ei
nen Mann, der Dir nicht weni er con
deniren roird als-s mir Jch sage —
das Farantire ich Dir?«
«(.S ist selbstverständlich « sagtei sie
und ihre Stimme tlan seltsam ver
ändert, »das ich mich seinem Willen
nicht wider etze. denn Du bist mein
Vater. Jch geborche Dir also. Herr
Altdorser soll von mir erfahren, daß
ich seinen Antrag nicht annehmen
kann.«
Allerdings war das nur selbstver
ständlich. Jn anderen Ländern moch
ten die Kinder, wenn die Liebe in s
Spiel tain, manchmal ge en denWillen
ihrer Eltern handeln ar aber die
Stadt, in der Hortense ausgewachsen
und erzogen war, auch dem Namen
nach deutsch —- die korrekten, in dem
Begriff »Gesellschast« wurzelnden
französischen Familienanschauungen
hatten sich doch hinreichend in ihr er
halten Auch Hortense lannte keine
anderen.
Jch brauche mich darum nicht mehr zu
betiimmern?« sraate Oberst d’Enare
mont am Ende dieses Gespräches-.
Ein harte-« ironischeg Lächeln flog
über Hortensens Gesicht.
»Nein, Papa, darum brauchst Du
Dich wirklich nicht zu betiimmern.«
Die Sache war Gottlob abgethan.
Ein paar Ta ae später, nach Ord
nung der Erb chastsangelegenheiten
reiste Oberst dEngremont mit seiner
Tochter nach Paris zurück.
Zwei Jahre waren seit dieser Zeit
vergangen Wenn Oberst d’Engremont
Hortense damals gesagt hatte, er »gu
remtiere« ihr, daß sie die Affaire in
Paris bald vergessen haben würde, so
schien seine Prophezeihung allerdings
in Erfüllung gegangen zu sein« Man
sah hortense mit ihrem Vater bei al
großen Rennen, in den Theatern,
ten Coneertery bei den Empfangen des
Präsidenten ten Elysen aus dem Rach
mittagseorsp im Boii Maul-Janer
sie mit bewunderungzrvltrdigein Glitt
häufig einen zweisisigen Tab selber
dtritschirte ans den großen Wohlthatigi
trittbazaren nnd allen sonstigen der
artigen Gelegenheiten Nach dem im
unt stattsindenden Grand Prtx reiste
e mit ihrem Vater wie die ganze
iidrige vornehme Pariser Welt in die
Wider oder auf's Land, nnd wer das
schöne Mädchen und die glänzenden
Teiletten die sie immer trug, sah,
mußte allerdings »sich-m daß ihr
nichts Mite. was sich ein
MW zu ihrem SM- mer
i
l
(
(
i
»Du wirft demHerrn also schreiben?
nen rosigen Schimmer behalten. Alle
anderinDamen puderten sich noch dazu
— hortense nicht« die Farbe der Ge
sundheit freute sie. Obwohl die Pariser
Gesellschaft, in die Dortense jeht ein
getreten war, an Schönheiten wahrlich
nicht arm war, so rief ihreErscheinung
doch die allgemeinste Aufmerksamkeit
hervor. Dabei war sie heiter, liebens
würdig, ungezwungen, ihre Unterhal
tung war voll Esprit und ihre Tot
letten zeigten den feinsten Geschmack.
Kam sonst eine junge Dame aus der
Provinz nach Paris, so bedurfte es
immer, ehe sie die nöthige Pariser
Schulung erlangte, einer gewissen Zeit.
Hortense aber machte den Eindruck.
als wäre Paris ihre Heimath Dazu
kam allerdings. daß die Verhältnisse,
in denen sie lebte, etwasAuszergewöhn-»
liches hatten. Obwohl junges Mädchen,
so iibte sie in dem Hause ihres Vaters
«-—— Oberst d’Engremont bewohnte fest.
seit der Erbschaft von seiner Schwester,
in den Champs Elhsees ein eigenes
Hotel — doch selbständia diehonneurs
aus. Schon das mußte ihr eine große
Selbstständigteii verleihen. Wer Frl.
von Engrernont nicht kannte, der hielt
sie, wenn er sie erblickte. beinahe für
eine junge Frau.
Es konnte natürlich nicht fehlen.
daß Hortense unter der Herrenwelt
wahres Furore machte. Männer von
Rang und Namen legten ihr ihre An:
träge zu Füßen- aber bortense theilte
nur Korbe aus«- Nicht selten larn es
darüber zwischen ihr und ihrem Vater
zu Controversem aber dann erwiderte
Domme
.Wenn ich heirathen soll, dann
muß ich eine Neigung dazu spüren.
Ohne Neigung zu einem Manne hei
rathe ich nicht. Besser, als es ietzt ist,
wünsche ich mir meinLeben nicht mehr.
Auch Du, Papa, würdest doch nichts
dabei gewinnen. Laß mich bei Dir, so
fiihlen wir uns beide wohl!«
Hieran entgegnete Oberst d·Engre
mont seiner Tochter nichts mehr. Hor
tense hatte recht. Außerdem war sie
noch jung. Daß sich schließlich ein ge
eigneter Verderber, der auch ihre Nei
gung erwiderte. noch finden würde
das stand natiirlich fest. Also hatte es
mit ihrer Heirath Zeit.
So wenigstens hatte es in dieseer
ziehung mit Hortense noch bis vor we
nigen Monaten gestanden. Die Vorar
beiten zu den Neuwahlen hatten be
gonnen, und diesmal, angesichts der
aanzen politischen Lage, versprochen
die Kämpfe noch higiger zu werden,
als bei der vorigen Wahl. Auch die
Partei vom Oberst d’Engremont hat
te ihre Hilfsschaaren aufgeht-ten. Man
sah Hortense jeht mit ihrem Vater sel- -
teuer. Er hatte höchst wichtige Zu- I
sammenliinfte. er hatte in seinem bis
herigen Stadthezirt, siir den er nun
von Neuem candidiren sollte, zum
Volk hinabzusteigen Reden zu halten
und vor allem Reden zu lernen. Jn
das vornehme kleine Hotel in den I
Champs Elysees kamen ietzt Leute, die
man nie vordem darin gesehen hatte.
Zu diesen Leuten gehörte auch der
junge Gras Montrejeau.
Graf Montreieau tvar Mitglied des
Wahlcomiies. Aus diese Weise hatte
der Oherft seine nähere Bekanntschaft
gemacht. Der Graf war der leßte sei
nes hauses, das leider, wie allgemein
bekannt, total verarent war, Jan aber
nicht hinderte, daß die junge Gras eine
sehr comsortahle Junggesellenwoh
nung nebst Dieneeschaft hatte, ver
schiedenen tostspieligen Clubs ange
hörte und auch sonst ein Leben führte,
trie es seinem alten, dornehmenNamen
zukam. Woher er die Mittel dazu
nahm, das wußte man nicht. Wahr
scheinltch hatet er geduldige Gläubi
ger, die damit rechneten, daß er ein
mal eine reiche Heirath machen wür
de. Seit einiger Zeit verging tein
Tag, an dem der Graf nicht wenig
stens einmal zu dem Oberst inshaus
lam. Die Dienste, die er dar Partei
und im speciellen dem Oberst leistete,
spat-i- zmtchössshjsx Ists-Ists Ists
em system, die Wanieetcnan zu de
ardeiten, das fast etwas Näthselhaftes
. hatte. So tvar es ihm zum Beispiel
’ gelungen, in dem Wadldezirt des
Obersten sämmtliche Schlachten Mei
ster und Gesellen, aus die Seite der
Partei zu drinne-T —— einfach dadurch,
daß er den Vertetern dieses ehrenhaf:
ten Handwerts im Vertrauen erzähl
te, die Partei würde dasiir eintreten,
daß der städtische Zoll, der auf das
von auswärts anlangende qeschlachtete
Fleisch erhoben wurde, erhöht werden
sollte —- nur wünschte, wie er hinzu
sügte, die Partei vorläufig aus Op
dortunitätsaründen diesen Puntt des
Programms als Geheimnis-, zu behan
deln. Auch dar Oberst d’Enaremdnt
durfte dieses »Geheimniß« nicht »ge
liistet« werden, denn bei seinen »strena
soldatischen Anschauungen« hätte sich
der alte Bett wahrscheinlich nicht ganz
einverstanden damit gezeigt. Natür
lich bethiitigte sich Graf Montrejeau
auch als Journaltst. Jn einer gewis
sen . itung las rnan unter einem al
,len arteigenossen bekannten Pseudo
nym aelegentliche Artikel von ihm.
Dazu sein Name, seine Verbindet-i
mit dem höchsten Adel. kurz. Gea
Mannesan war site die Partei eine
unschähbate Kraft, und demzusol e
siir den Oberst auch. Nur harten e
sah den Grasen nicht gern, und dei
halb kam es zwischen ehe und ihrem
Vater manchmal kleinen Seenen.
So war es erst ge en gewesen.
«Dn behandeln ihn mit einer Mil
te. einer Abwetsung,« s e der Oberst
sey-, »Du st tilne drett vor den
Yo . Der Gea ist mein Freund. er
.-.---., - -»-«.·» ..«·-..-.,.-.-.-.--...»—
leistet mir und der Partei die nüslickk
sten Dienste, ich muß also von Dir
verlangen, dass Du das berücksichtigst,
daß Du artiger zu tbm bist.«
»Ich in genau so artig und rück
sichtsvoll zu ihm, wie er es verdient.
Nur seine Komplimente, seineSchmei
cheleien tann ich nicht autsteben,« er
widerte hortense. »Das Beste wird
eben sein, ich bermeide rtan jede un
nti e Begegnung mit i m.«
as war wieder tbr Trohiops
Zum Glück trat ein Diener ein mit
der Meldng. daß man den Oberst
zu sprechen wünsche, und das Gespräch
wurde nicht sortgeseht
»Ich gehe in den Tuileriengarten
zum Concert. Wenn etwa Gras
Montrejeau lommt und mir etwas
Drinaendes zu sagen bat, so melden
Sie ibm, daß ich ihn dort erwarte,«
hatte der Oberst vorhin beim Verlas
sentseines hoieis dem Concierge ge
aa .
Die Musik im Tuileriengarten und
der Spaziergang über die Place de
ia Concorde, durch die Rue Royalr.
die Rue Nivoli und den Louvrebos
war doch die einzige Erholung, die sich
der Oberst in diesem ausgeregten Ab
schnitt seines Lebens gönnte.
Das schnöde deutsche Tonstück war
vorüber. Das Publikum applaudir
te, und zwar viel lebhaften ais es
sonst zu applaudiren pflegte. Schon
das war ein Beweis, wie weit es lei
der mit dem Pariser Volk gekommen
und wie nothwendig eine Partei von
der Richtung war, wie sie Oberst
d’Engremont vertrat. Es gab viel
aufzuräumen unter seinem armen,
irreqeieiteten Volk.
Von dem großen Marmorbaisin
ber, auf dein, von der bunten Kinder
schaak und den dazu gehörigenDienst
miidchen und Bonnen umringt, die
kleinen Schiffchen schwammen, iam
ießt ein jnger Mann. Er war in ta
dellosestem Salonanzug —- Lackschube
mit einaeietztem hellgrauen Wildleder,
weißer Weste von modernstemSchniti.
in der sein bebandschuhten Rechten
ein Stöckchen mit goldenem Knon
nnd im Auge ein Monocle ohne Ein
saisuna und obne Band. Eben wandte
er nach der Kinderarudpe noch einmal
den Kopf zurück, und sein Blick schien
einem netten Dienstmädchen zu gelten.
dann setzte er seinen Weg fort. Sein
Gesicht mit dem kleinen, zierlichen,
schwarzen Schnurrbiirtchen hätte un
bedingt hübsch genannt werden dür
fen, wenn es nicht so verlebt ausne
seben hätte. cis war Graf Montie
Isslss
Bevor Gras Montrejeau Volititer
aeworden war, hatte er eine Zeitlana
in seinem noch so junaen Leben 'den
schwarzen Talar des Rechtsbeslissenen
aetragen. dann ging er, weil es im
Justizvalast nicht immer sebr amti
sant ist, in ein Ministerium über, das
wenigstens die Aussicht aus staats
männische Karriere bot. Aber auch
diese Thiitigkeit sagte ihm nicht zu,
denn andere und wichtiaere Dinge
nahmen ibn zu sehr in Anspruch, die
Rennen, die Theater - Premieren, ac
wisse Damen aus den Varietetlieatern,
siir die er Kouvlets dichten mußte. aes
wisse kleine, späte Souvers imR oberen
Stockwerk des Case de Paris-. zu dr
nen er als anerkannte Autorität aus
diesem Gebiete die Menuä entwerien
munte, der Automobilsport — wenn
er sich aus leidigen iinanziellenGriins
den auch selber ein solches Fahrzeug
versagen mußte, so hatten doch seine
Freunde genug davon —- und schließ
,.lich, als unter diesen wichtiaen Din
; gen das allerwichtigste, das Svielzirm
I mer im Club. So aab er notbaedrnn
gen auch das Ministerium aus, schon
deshalb, weil man ihm im Ministe
rium selbst zu diesem Entschluß gera
then hatte. Eines Tages landete er
also in einer Redaition. Der Dust der
Druckerschioärze, der das ganze Haus
erfüllte. hatte sofort etwas Sympathi
«sches siir ihn. Hier, das stand sofort
siir ihn seit, wollte er Hütten bauen
So war Gras Montreieau in die Pa
litit bineingerathen, so auch in ihre
Eoulissenwelt, so batie er die Be
tanntschasi des Oberst und vor Allem
auch seiner reisenden Tochter gemacht.
Er war in hortense verliebt. Das
stand positiv fest. Andere weibliche
Geschöpfe interessirten ihn nicht mehr,
mochte jetzt Kouplets siir sie machen
und Menus zusammenstellen, wer
Lust dazu hatte. Aber Hortense war
nicht nur reizend, entzückend, sie war
auch reich. So eine Frau brauchte er
gerade; daß sie etwas spröde zu ihm
that. das machte sie siir ihn nur noch
begehrenswerthendas aab ihr nur noch
einen Reiz mehr. Der Einwilligung
ihres Vaters konnte er sicher sein, und
das iibriae ergab sich von selbst. hor
tense konnte ihm nicht ernstlich wider
stehen. Die Hauptsache war, daß elf
erst einmal allein, ohne Zeugen, mi
ihr war. Bei jedem anderen Mädchen
wäre. das natürlich kaum möglich und
auch aar nicht nothwendig gewesen.
Anders r bei den außeraewöbnlis
chen Ver ««ltntisen Dortense«s. Das
»Ja« zuerst von ihren eigenen Lippen
eint-sangen — es mußte ein besonde
rer Genuss sein.
In der«That hatte Gras Meutre
ieau, bald nachdem der Oberst das
baut verlassen, darin mitgesprochen «
Der concierae gab ihm den von sei
nem Herrn hinterlassenen Bescheid.
«Dann melden Sie mich dem gnä
dtaen Frsulein.«
Er hatte dortense von der Straße
aus ans Fenster Mel-ein bei seiner
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