Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 07, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    set- Jteinid stillen-.
heiteres aus einem Künst
lerleben.
Don W. Schulte vom Brühl
(Wiesbaden).
D
Weiß der Teufel, wie ost ich noch TM
meinen reund Willern denken mußt
Und doch ist er schon zehn Jahre todt
und seit mehr alg sechzehn Jahren habe
ich ihn nicht mehr von Angesicth zu Ans
gesicht geschaut. Aber Men then wi-:
er, Künstlernaturen bis in die Spitze
ihres kleinen Fingers, originell, init
einem Kinderherzen. werden eben ims
mer seltener in der Welt. Leider
Gottes-!
Mein Freund stammte aus einer al
ten und hoch angesehenen niederliindi
schen Künstlerfaniilir. Seine Jugend
war eine ungetrübte, denn er konnte sich »
austoben, wie er wollte, und fand in
seinem Vater oft genug einen treuen
Kumpan bei seinen tollen Streichen.
Gut ist die Geschichte von dem Ma
lerrock, auf dessen zerrisseneni Aermel
und Bruststück der Alte seine Pinsel ab
zuwischen pflegte, so dasz das alte Klei
dungsstiick steif wie ein Panzer und
bunt wie ein türlischer Shan erschien.
Hatte da nun eines Tages der lleine
Willem den als Chololadenmann in
einem Konditorei - Fenster stehenden
König Leopold der Belgier zum Ziel
siir ein Geschoß seiner Gumrnischleuder
erkoren, wobei selbstverständlich das
Ladenfenster in Trümmer Fing wenn
auch dem König Leopold kein Leid wi
dersuhr, — Gott sei Dant! Jn heller
Wuth stürzte die reinliche Konditors
frau nach dem Atelier des Alten, der,
seine Kaltpfeife schmauchend, malend
vor seiner Staffelei saß. Ruhig wand
te er sich, als die Tbür ausgerissen
wurde, uin und fragte voll Freundlich
leit: »Nun« was will sie denn, Myfrow
van der Trappen?« Aber wie vor ei
nem Wunder, mit weit aufgerissenen
Augen, blieb die Frau eine Weile
sprachlos stehen und starrte aus das
Gewand des Maler-s. Erst als er auf
stand und ihr näher trat, brach der
Bann ihrer Zunge und mit den Wor
ten: »Du könntest Dir auch mal einen
anderen Rock anschaffen, Du dreckiger
Maler!« verschwand sie schleunigst von
der-Bildfliiche» und warf lnallend die
Lzhur hinter nch zu.
Daß sich unter solchen Verhältnissen
der Knabe Willein zu einem recht origi
nellen Burschen entwickelte. ist selbst
verständlich Er schlug nicht aus der
Art, auch tünstlerisch nicht· Von der
Maler-Madame mit ihrem akademi
schen Zopf fühlte er sich bald fortge
elelt, und so nahm er sich die alten
Meister und seinen Vater zum Vor
bilde und die Natur zur Lehrerin und
stndirte eifrig für sich. Ehe man sich
dessen recht versah, zählte dies »
wilde Talent zu den Besten der
beimiscben Maler und erregte
besonders durch fein herrliches, an
Rembrandt gemabnendes Kolorit und
die außerordentlich malerische Behand
lung seiner Vorwürfe Aufsehen. Ei
nes Taaes nun fand sich im Hang der
Souverän eines deutschen Kleinstaates
betrachtend und bewundernd vor ei
nem Bilde Willems des Jüngeren. Der
Monarch hatte in seiner Hauptstadt ei
ne Kunstschule ins Leben gerufen, die
erfreulich florirte, aber seit Jahren
doch unter einem etwas harten und
bunten Kolorit der Lehrer- und Schü
lerschaft litt. »Dek- trocknen Tons bin
ich nun sattl« mochte deshalb der Fürst
vor jenem Bilde denken, und infolge
dessen wurde Willent als Lehrer an die
Kunstschule berufen, um durch die
Pracht seiner Farben eine gute Anre
gung zu geben, die denn auch in der
Folge nicht aus-blieb.
Die ganze Familie emofand die Be
rufung ihres Willem zum Malt-kosts
for einer Atademie, an der schon meh
rere der größten modernen Meister ge
wirkt hatten mit Recht als eine hohe
Auszeichnung Aber wie die Kletten
zufammenbiinaend und nicht wagend,
den lebensunerfahrenen, tollen Spröß
ling allein in die Welt ziehen zu lassen,
zog die ganze Familie: Vater, Mutter,
Schwester, Bruder, mlt nach der deut
schen Residenzstadt.
Da galt es nun für den neugebacke
neu Hochschullehrer zunächst, dem Für
ften die schuldige Aufwartung zu ma
eher-, eine Sache, die Willem, der nie
in seinem Leben einen Frack auf dem
Leibe und einen »Bibi« aus dem Kopfe
gefählt hatte einige Nächte um den
Schlaf brachte So wanderte denn ei
nes Morgens der joviale Direktor der
Academie mit dem neuen Kollegen zu
Hofe, nachdem von dem Setretär der
Schule ein dem schmächtigen Willem
viel zu weiter Frack und ein Prachtctp
linder entlieben worden waren.
Der Professor ließ sich auf dem gan
Wege unaufhörlich belehren, wie er
ZEM deni herrschet gegenüber anständig
MIC- bleibe bei Jhnen.« sagte der
Undene Bat-ten Sie gelassen ab,
Este tm rackzipfel ziehe. Jn
naschen Sie eine
wisse und allerunterthönigste Ber
nzdewnn stehenD Sief Bär
W XIV Mit Ctfltl -
iben sie denn nichts weiter zu thun,
is die W Ast-be abzuwarten
m sit ist-Meer Ehrfurcht en beant
Mk
of Jedes beni
W l IM- Mä »Res- Zum
»Ist M eine MWL in ro
»H- »m»
the-n Schniinoch einen gewaltigen Sä- .
bei an der Seite. Und ohne das ver
abredete Zeichen abzuwarten, beeilte er
sich, feine tiefstmögliche Verbeugung l
Missi- - » ·
» in to l geworden, o"
taunte ihm der Direktor ««·« Ists ;
nur ein Leibhusar." FUde Auf- l
usqu des- Msrers stieg immer mehr. ·
UUP km ,4.aatiezimrner beehrie er den «
Avlkjlstcten vorn Dienst in der gleichen ·
WAR, wie den Husaren. l
» Endlich standen die Beiden vor
; dem Färstem und lauen fühlte
sich Wille-n nun von seinem Geleit-Z
mante wirklich am Frackschaße gezupst,
z da hub er ein Gedienere an, daß ihm
das Blut ins Gesicht schoß und die lan
I gen. schwarzen Haare über die Augen
fielen.
»Ach, nieun lüber Professor-, iich
freue müch söhr," hob der Fürst in sei
ner Sprechweise gnädig an, worauf eine
solche Salbe von Bücllingen erfolgte,
daß der Fürst voller Besorgniß fragte:
»Ach. list Uehnen viilleicht nücht wohl,
meun lüber Prosessor2«
«Sehr wohl. sehr wohl, unter der
Gnade Eurer Königlichen Hoheit.«
stöhnte Willem unter neuen Verbeugun
gen- .
»Aber meun liiber Professor, so be- «
ruhiigen Sii füch doch!« rief der Fürst
und versuchte. die Verbeugungen zu in
hibiren, indem er dein Maler freundlich
die Hand aus die Schulter legte. Ber
gebens. Der Fürst sah das Zwecklose
seiner Bemühungen ein und entließ die
Herren in Gnaden, indem er sich halb
lächelnd, halb verdntzt an den Direktor
wandte: »Aeh»meun liiber Dürettor,
äh, man sorge, das dein Herrn Profes
sor senne Originalität in meunen .
Diensten erhalten bleube. Aeh, iich
wünsche das jin der That söhr drün- .
entn-f
g Seit dieser Audienz waren mehrere
Wochen ins Land gegangen, doch ver
geblich wartete der Besitzer des Frackå
und des anindersssv auf die Rückgabe
dieser Festgeräthe, bis er seines Tages
im Atelier Willerns, in dem auch Wil
lern senior malte. sich theilnehmend
nach dem Verbleib seiner Sachen er
lundigte.
»Der Frack und der aninder, Herr ;
Professor,« sagte der Alte mit unge- «
heureni Behagen,« die haben uns lan
nibalischen Spaß gemacht. Sie hätten
nur den Willem sehen sollen, wie er ans
der Audienz kam. Halb todt haben i
wir uns da schon gelacht, wie er in
Ihren Frack versunken dastand. Aber
der Spaß fing doch erst an, als ich ihm L
auf den tollen Hut haute, daß er ihm -
bis über die Nase rutschte und die ver- «
tückteften Falten schlug· Und noch ehe
er ihn herunter hatte, da ist dieser -·
Schlingel, unser Jamin, schon hinter s
dem Willem und schneidet ihm mit einer ;
Scheere die Frackzipsel ab, daß der
Professor wie so ein Piccolo aussah· «
Gewölzt haben wir uns vor Lachen.
Und dann haben wir den Hut genom- ;
men und haben ihn gegen die Decke ge- ;
schmissen, daß es nur so lnallte. Jmmer
neue Formen nahm das- Ding an, bis ,
es schließlich wie ein verbrannter
Psannluchen aussah. Schade« daß Sie «
nicht dabei waren, Sie hätten sich ge: E
wiß auch kaput gelacht, besonders-, als
sich der Willem in seinem kurzen Frack
schließlich noch aus den Chapeau setzte, «
als oh er ein Kissen wär’.«
Und als nach dieser Eröffnung, bei
der heiterieit der beiden Willems der !
Professor mit bittersiißem Lächeln »
meinte, er miisse aber doch seinen Hut
und Fracl in anständiger Verfassung
; wieder haben, da klopfte ihm der Alte
i freundlich auf die Schulter und sagte:
-, »Seien Sie froh, lieber Professor, daß
s Sie diese beiden scheußlichen und höchst
. unmalerischen Möbels auf so anständi
ge Weise los geworden sind.«
. Ja, die beiden Willems strotiten von
; Naivetät, während der Bruder des
« Professors, der achtzehnjiihrige Benja
I min, tnrzweg Jamin genannt, die un
s glaublichsten, aber leinegwegs naiven
iStreiche oerübte. Streiche, die hier
. kaum wieder zu erzählen sind, die aber
allenthalben die größte Heiterkeit er
s weckten bei Denen, die nicht davon be
I trofsen wurden.
I Willems Colorit machte Schule. Die
Meisten freilich ahmten es nur nach.
die Klügeren und Eigenarti eten unter
den Malern aber eigneten ssich nur so
viel von den Farbenprinzipien des
neuen Mannes an, als ihnen fiir ihre
Sache gut schien. Künstlerilch befruch
tend wirkte Willem auch in Bezug auf
die Radirung, in der er ein Meister
war. Freilich, seine besten handgriffe
und Finessen behielt er fiir sich; aber
sonst war er stets mit Rath und That
dabei, seine Schüler recht herauszu
bringen. Sein künstlerischer Erfolg
war nach jeder Richtung bedeutend.
Seine Stillleben erregten durch ihr
malerischei Arrangement und durch die
Farbe das höchste Entzücken und selbst
der sittenftrenge Fürst bersah einst ge
flissentlich das Motiv und bewunderte
die Pracht der schillernden Seidenstpffe,
als ihn Willern vor sein nenestei Opni
führte. Man erblickte daran ein sei
denez himmelbrett, hinter en ge
bliirntem Vorhang ein zartes men
handchen heevneschautr. Auf einem
Stuhl lag die elegante Kleidung eines
weiblichen Wesens, vor dem Bett ein
snher kleiner Atlasschuh, halb verdeckt
von einein glänzenden arenstieseL
SolchesikemachteBi minseinen
Gestaden offer. Ader auch der Um
Kasd, Its er gern schöne Wit
lerinwn in Seide und W M,
Ists-Its sie sie »Ich faul ans
betten rakeltech hielt die Damen der
W—
Gesellsch st nicht ab sich mit Vorliebe
Vonsp malen zulassen. Man erzählte
sick kdrnlusiigsten Geschichten die dabei
wfsirt fein sollten. So hüpfte Willens
der nat gebrochen deutsch sprach, einst
um die kleine teizende Komtesse T» die
et poktraitirte. herum und bewunderte
ihren Teint mit dem Aus-ruf: »O, ma
comtesse, ma comtesse, was aben Sie
doch für eine schöne-, für eine deliciösc
Fele
Ich machte Wiuemg nayere Benannt
schaft auf eine originelle Weise. Jn
einer bekannten Kunftzeitfchrist hatte
ich ein Feuilleton über die Malerfchulr.
an der jener thiitig war, veröffentlicht
und bei dieser Geleaenbeit erwähnt, daß
sich die Malweife des sonft holt-bedeu
tenden Künstlers von Manier nicht
ganz frei halte. Da rückten mir nun
eines Tages die beiden Willems auf die
Bude und mit dem melancholifchen
Tonfall, der dem Professor eigen war,
sprach er. der immer leicht ins Duzen
verfiel: »O, ich wollten Dir nur sagen,
daß Sie mir fehr geschmerzt aben. Jcl
sein keine Manierift, tein Spur von
eine Manierift.« Der Alte beeilte sich,
diese Behauptung in einem nicht minder
tollen Kauderioelfch zu unterftünen
Wir redeten eine ganze Weile über das
Thema und wären vielleicht noch lange
nicht damit zu Ende gelominen, hätte
Willern nicht plötzlich erklärt. er sähe
ein, daß mich nicht H:rzensbosheit,
sondern eine schiefe Ansicht zu jener Be
merkung verführt hätte, deshalb wolle
er mir denn auch nicht weiter böse fein.
Wir schlossen also Frieden, machten
auch gleich einen gemeinsamen Spazier
gang nach einem benachbarten Dorfe
Willem fchien fehr »aufgetratzt" zu sein,
und als er auf einem Zaum, wir man
das oft auf dein Lande sieht, eine An
zahl Milch- und andere Töpfe zuni
Auslüften auf die Pfähle geftülpt er
blickte, erklärte er, es müsse doch samos
tnallen." wenn man die durch Stein
wiirfe zertrümmern Er machte auch,
gleichwie sein Alter, alsbald Anstalten,
diesen Scherz in Scene zu setzen, indem
er mit dem Stiefelabsatz einen Stein
auf dem Wege loszuschlagen suchte, da
mit er ihn als Wurfgefchoß benutzte.
Nur mit großer Mühe gelang es mir,
den Beiden die Thorheit auszureden.
Für den andern Nachmittag war ich
von den neuen Freunden zum Kafsce
eingeladen. Jch fand die ganze Fami
lie und noch einen befreundeten Land
fchaftsmaler in einem langgeftrerlten,
fchrnalen Zimmer verfammelt, in dem
eine stattliche Tafel mit verlockenden
Konditorwaaren wie bei einem Da
mentaffee, freundlich besetzt war. eDie
beiden Willems und den oieloerfpres
chenden Jamin lannte ich nun ja, aber
die Mutter des Professor-s und feine
Schwefter waren mir neue Erscheinun
gen. Trotzdem fand eine eigentliche
Vorstellung meiner Perfon nicht statt.
vielmehr erklärte Willem nur lachend:
«Dies ift der schlechte Kerl, der mich
so miferabel gemacht hat,« worauf die
alte, mit einerMatinee-Jacke geschmück
te Dame einen Schwall holländischer
Worte über mich aus-schüttete, die ich
nicht verstand, während das Fräulein,
eine pilante Schönheit in modernfter
Toilett·. ir leidlichein Deutfch sich ver
nehmen ließ, Willem fei so empfindlich.
Er tümmere sich in der Welt um nichts.
als um feine Malerei und die dürfe
man ihm nicht schlecht machen, fonst
fühle er sich tief unglücklich.
Jch betrachtete mir die Herrlichkeiten
welche die Willems hier zusammenge
tragen und an den Wänden und in den
Ecken angebracht hatten. Zerbrochene
venezianische Spieael, ein brauner Tod
tenlovf, mit einein belgischen Ofsiziers
tappt geschmückt, eine Anzahl alter Bil
der, zerschlissene, gestickte ctlltardeeten
und andere Stoffe, Vasen und Krüge,
schweinslederne Folianten, gemalte
Gläser, Waffen, turz Alles, was man
als »malerisch« bezeichnen konnte, das
lag und stand da. scheinbar in wirretn
Durcheinander herum. Es fiel mir
auf, daß fast nichts von alledem ganz
war. Aber beide, der Alte und der
Junge« schienen eine ewig neue Freude
am Anblick dieser Dinge zu haben, und
als der Professor bemerkte, daß ich mich
mit Interesse umschaute, führte er mich
an den Wänden entlang, deutete aus
diese oder jene Gruppe des antun-ari
schen Geräihs, zog dann in der Lust
mit seiner Hand einen Kreis, als stelle
er sich im Geiste einen Rahmen her und
sagte immer wieder, halb zu sich selbst,
mit dein Ausdruck vollendeten Ent
zückens: »Schön, sehr schön!«
Nun wurde der Kasfee ausgetra
gen und wir ließen uns nieder.
Mir zur Linien setzte sich der Pros
fessor. Ohne viele Umstände tniipfte»
er sich die Weste auf, stiihnte berzzer- :
brechend und rieb sich den Bauch. Dem «
Fräulein, das mir zur Rechten saß und
mir eifrig und zu meiner lebhaftesten
Befriedigung den Teller voll Forten
stiicke und Gebäck legte, schien das Ge
bahren des Bruders ein wenig genant
zu finden, und so erklärte sie mir denn,
dass der arme Willem heute mal wieder
sehr lurzathmig wäre und die Lust in
X. gar nicht recht vertragen könne. Jch
bedauerte den Stöhnenden entsprechend,
und meine tröstenden Worte schienen
ihm wohlzuthun, wie einem mit einem
Wehweh behafteten Kinde, dem man
Hunden Inzwischen hatte sich das
räulein ganz in sich selbst verloren,
ehnte sich in den Sessel zurück, die
Leckerbissen ganz unbeachtet lassend,
und seufzte einige Male mit auffälliger
kenneamlwkeåt f,.isi)kei;ichusutt,Auge
m t e e rt,« -
-teich. ärWEemthte auf,sichden
strich zu reiben, blickte die Schwester
—
rannte mir zu: das Mädchen sei
mit einem belgischen Ofsizier derlobt
und würde nächstens beiratbes. «Jn
Mem Zustande aber tbäten nach seiner
« abrung die jungen Damen immer
sotche Seufzer von sich geben und man
müßte dann Rachsicht mit ihnen haben.
z Uebrigens sei der Bräutigam auch ein
g ganz besonders schöner Kerl und habe
eine prachtvolle Uniform. Neulich erst
sei er zu Besuch dagewesen und habe
ihm sein Köppi zu einem »Stillleben«
geschenkt. Dabei deutete der Professor
aus jenes Käpph das aus dem Todten
schiidel balancirte, schlug mit der hand
wieder seinen Kreis und seufzte:
»Schön, sehr schön, in Motiv und Far
be ganz aimable!"
Am andern Ende der Tafel schien
plöylich etwas nicht in Ordnung zu
sein« denn die alte Dame mit der hel
len Jacke ließ auf einmal aus hollän
disch mit ungebeurer Zungengeliiusig
teit einen bewundernswertben Wort
. schwall los, der wie ein Schimpfrn
klang. Sie mochte es unerhört finden,
« daß Jamin ein ganzes Brödchen in
seine große Kaffeetasse gesteckt hatte.
Es sog das ganze Getränt wie eis
Schwamm aus und quoll in Folge des
sen gleich einem Ball über den Rand
empor. Mit dem Zuckerlöfsel prakti
zirte es Jamin, ohne sich durch das Ge
zeter seiner Mama im mindesten stö
- ren zu lassen, in seine hand. «Pasz
. op, Oller!« oder ähnlich schrie er dann.
und im selben Augenblick flog die feuch
te Masse an dem würdigen, grauen
Haupte des älteren Willem. der sich
plößiich bückte, vorbei und tlatschte ge
gen die Wand. sternförmia auseinan
terspritzend, während der Haupttheil
theilnehmend von der Seite an und
der Semmel in der Mitte lieben blieb. ·
Die begreifliche Aufregung iiber das
Attentat Jarnins auf seinen Erzeuger
legte sich aber sofort, als man inne I
; ward, wie hübsch die Bombe doch zer- «
. platzt ser. Nach drei Minuten schon -
war die Geschichte vergessen und der
Alte brachte Tal-at und frische bottäni :
T dische Thonpfeisen von erttecklicher ;
. Länge. deren eine er mir verebrte. Jch L
i hatte damals die Technik des Thon- "
i
pfeiienrauchens noch nicht losf
sund stopfte mir dar- Gerätb ohne-;
weiters voll. Aber Willem rief ganz :
; entsetzt: »O, so müssen Du das nicht
« machen!· Er nahm rnir die Pfeife aus
«der hand. entleerte sie wieder und
spuckte. mit Respekt zu melden. sorg
fältig in ihren Kopf. Nachdem der
Z Ton die Feuchtigteit aufgesaugt hatte,
j wurde die Pfeife frisch gestopft undS
s angezündet und der Professor that ein '
s Dutzend ZLge daraus,»ebe er sie mir
e
i
E
t
s
l
e
Mll vcll Wollen zuxuugus . »so-«
nun lannft Du lie genußlich rauchen!«
Der Genuß schien mir freilich febr
bald als ein mehr als zweifelhaften
Teufel. war der Tabai schwer! Und
wie heiß war der beißende Rauch im
Munde! Obgleich ich damals dem
Laster des Rauchens mit der Maßlofig
Zeit der Jugend fröbnte. wurde mir bei
dieser Pfeife doch ganz anders zu Mu
the. Jm Stillen die beiden Willems,
den Jarnin und den anderen Maler
bewundernd. wie andachtig sie alle an
ihren Pfeifenröhren sogen und sich und
die Damen und alle anderen Herrlich
leiten des Gemachs in dichte Wollen
büllten, legte ich bald verstohlen, laum
weniger bleich. als die Pfeife, diese ne
ben meine Koffeetafse. Die beiden
Willemiz hatten das wohl bemerkt und !
brachen in ein lautes Triumphgeheul,«
aus. .Das ift dafür, daß Sie ibml
Manieriften gefchurnpfen ’aben!« rief!
der Alte. doch der Professor fagte mil
de: «Eine frische Piep anzurauchen,
das ift vor die Swindfucht lu lriegen«. I
Und alsbald erbot er sich, für mich das s
Geschäft des Anrauchens zu überneh
men. Jn acht Tagen möge ich die
Pfeife nur holen, dann sei sie so weit
recht.
Jch war nun zwar ieineswegs des
Sinnes. dieser liebenswürdigen Auf
forderung zu folgen und driielte michs
ein paar Tage scheu um jede Weges-s
nung mit dem Profess or herum, aber er I
wußte mich doch zu erwifchen und?
nahm mich mit beim, mir die Pfeife
mitzugrben. Mein erfter Blick im
Zimmer fiel auf die Stelle an der
Wand, wo Jamins aufgeweichte Sem
inel zerplth war. Wahrhaftig« da
hingen die eingetrockneten Spuren des
Attentais noch auf der hellen Tapete.
Aber Willens batie dort rnit schwarzer
Kreide ein riesiges Spinnen-sey aufge
zeichnet. Der brauntruftige Brödchens
reft bildete den Hinterleib des Spin
nentbiers, dem ern Vorderkörper und
lange Beine angemalt waren, während
die umher efprihten Bröckchen als n
d fetten ers ienen, die fich im Rede in
gen«
.Das ist einfach großartig!" rief ich
bewundernd. Doch Wille-n entgegnete
gleichmiiidig: »O, mien Briend, es muß
sich eine ganze flechte Maler sein, der
nicht versteht, zu Benutz der Sufiillig
ieiten.«
Ich habe denn fehr viel mit den bei
den Willerns verkehrt. Naivere Men
fchen als sie find mir in meinem Le
ben nicht begegnet. Zumal der Pro
fessor war in allen Fragen des Da
seins von einer geradezu tlassischen
Varmlosigteii. Was über Pinsel und
Palette hinausging, das waren ihm bö
nrische Dörfen Seine Unselbstftiindig
teit war ordentlich rührend. Trat
irgend einmal eine Entscheidung
nichtmalerifcher Art an ihn heran,
dann war feine stete Auirrde: »Da
muß ich doch erst einmal meinen Vater
fragen,« eine Redewendung, die bald
W
zum geflügelten Wort bei der ganzen
Malerschaft in X. wurde. Trotz solcher
Umstände war ei aber keineswegs un
- intereganh näher mit ihm zu verseh
E ren. s wurde dann eben fortwährend
s »fachgesimpelt«. Und auf diesem Ge
. biete war der Maler eine Quelle steter
« Anregung. Da sprudelte er förmlich
, von geistvollen und eigenartigen Be
; mertungen. die immer ins Schwarze
« trafen. Kann es etwa für einen Voll
bluttoloristen, wie es Willem war, eine
tennzeichnendere Bemerkung geben, als
sein Wort: »O, eine Bild muß sein wie
eine Feldbouauet?«
« Es war ein Genuß, ihm zuzuhören,
wenn er ein Bild durchtritisirte, oder
wenn er aus seine geliebten alten Mei
ster zu sprechen tam. An seinen Aus
führungen tonnte man Kunst verstehen
lernen. Die Farben, die Linien wur
den förmlich zu lebenden Dingen bei
ihm, mit denen er bei seinen Erklärun
gen gleichsam Zwiesprache hielt. Und
wenn er gar Pinfel oder Radirnadel
zur Hand nahm« dann wurde er gleich
ein ganz Anderer. dann wurde der Le
bensunerfahrene, wurde das große
Kind oft im Handumdrehen zu einem
stürmenden Titanen. Bei einiger sei
ner Bilder und Blätter blieb er zwar
in dem reichen Vielerlei feiner nervöfen
Technik, in Rezepten und Mützchen ste
cken, doch gewöhnlich wuchs er hoch iiber
das Nebensächliche hinaus, und viele
seiner Arbeiten sind von einer genialen
Wildheit, von einem fortreißenden Zug
ins Große erfüllt. Realist durch und
durch, liefz er in feinen Werten doch
niemals das Modell in den Vorder
grund treten. Er drückte eben Allem
den Stempel feines intensiv malerischen
und geistigen Empfindens aus. Aber
seine Eigenart, sein allem Alademischen
fernes, selbstherrliches Gestalten und
seine göttliche Naivetiit brachten ihn
leide-r in Konflitt mit seinem fürstli
chen Gönner und der Aufgabe feiner se
gensreichen Lehrerstellung
Das tam so. Für ein berühmtes
Schloß des Fürsten hatte er einige ge
schichtliche Bilder zu malen. Es wur
den Werte voll Leben und Eigenart,
Bilder,»die ihre Vorwürfe mit einer
wahrhaft elementaren Realiftit behan
delten, aber eben deshalb, mochte die
Künstlerschast auch noch so sehr ent
züctt von ihnen fein, erregten sie das
Mißfallen der »iisthetisch" empfinden
den, verständnißlofen Hoftliaue.
Schleunigst wurde der Fürst entspre
chend bearbeitet und Willem aufgefor
dert, einige Aenderungen an seinen
Bildern vorzunehmen. Da er diese
aber vor seinem tünftlerischen Gewissen
nicht glaubte verantworten zu können,
weigerte er sich dessen, worauf dann
mit gleicher Promptheit die sürstliche
Schatulle sich weigerte. das ausbedun
gene, übrigens sehr mäßige Honorar zu
zahlen. Der Professor. in dem kind
lichen Glauben, daß das Portemonnaie
seines hohen Gnners und die Per
son desselben zwei ganz verschiedene
Dinge seien, ging hin und tlagte seine
Forderung ein. Die Schatulle mußte
zahlen, aber Willem wurde im
Dank-umdrehen »gewimmelt« und sei
ner Professur enttleidet. Er
entwickelte einen «Mordszorn« darob,
richtete ihn aber teineswegs an die
Adresse des immer noch von ihm sehr
verehrten Fürsten, sondern an die eines
in der liünstlerschast weidlich verhaß
ten, einslußreichen Hosherrm in dem
man das böse Prinzip des hoses zu er
blicken sich angewöhnt hatte.
ulllclocs Wllc Ulc Mlllcslcc MU
.lcm’s geheirathet und war mit Mutter
und Bruder und dem gesammten haus
balt wieder dorthin gezogen, woher sie
gekommen. Willem tonnte wegen der
Ordnung seiner Angelegenheiten nicht
gleich folgen, so ließ man ihn denn be
triibten Herzens unter dem Schutz sei
nes Seniors einstweilen zurück. Die
Beiden bezogen ein tleines, ödes Logik,
fühlten sich höchst ungemüthlich und
irrten wie ein Paar arme, verlorene
Hühner umher. Jn dieser betrübten
Zeit schlossen sie sich mir noch enger an.
Gegen Abend tam der Professor ge
wöhnlich auf meine Bude gerückt, mich
abzuholen, damit ich ihm und seinem
Alten noch ein paar Stunden Gesell
set-ask leiste. Wir bereiteten uns dann
unser Abendbrod. Jn eine Pfanne, die
nebst einigen anderen Küchengeriitben
zurückgeblieben war, fchnitten wir Le
ber- und Blutwurst hinein und brieten
das, die Pfanne dirett ins Ofenseuer
schiebend, solange, bis von den Seiten
ter die Flammen gierig nach unserem
Mahle ziingelten und wir die Sache fiir
reif hielten. Dann setzten wir die
Pfanne mitten aus den Tisch, bewaff
neten uns jeder mit einem Stiick Brod
und fuhren mit Gabeln zwanglos in
das schwarze Gemisch, das wir uns ge
genseitig so lange als vorzüglich an
rrtesen, bis wir es selber glaubte-n
Wenn ich besonders guter Laune war,
bereitete ich wohl auch einmal eine
Pfanne tleinwiirseliger Brattartosfelm
denn in diesem Artikel galt ich als Spe
zialist und die ganze ledige Maler
schaft pries mich darum. Mancher lud
sich da wohl bei mir zu Gaste und er
freute sich an meinem Anblick, wenn ich«
meine Kleider gegen das sprißende tt
zu schützen. die Küchenschitrze me ner
hauswirthin vorgebunden, mit einem
großen Messer in den treischenden Kar
trsieln herumstocherte und sie mit einer
frischen Ladung Wurstsett versah, mit
dem ich die Braterei zu bewertstelligen
pflegte.
Nach dein frugalen Nachtmahl bei
ten beiden Willems erlabten wir uns
gewöhnlich an einigen Gläschen Gene
W
urs, wozu wir aus den Jhonpfeifen
schmauchten und grimmig fachsimpeii
ten, wenn wir nicht etwa die Zeit mit
? Bufsspielen todtschlagen, ein Spiel,
j auf das mein Freund ganz versessen
« war.
" Dann tam die Zeit des Abschieds nö
» her ·Die Wehmuth feste sich bei den
s Zweien in eine fabelhafte-8erstdrungsg
wuth um. Der Alte hatte da ein nettes
Spiel erfonnen. Er behauptete, in all
dem zerbrechbaren Tifchgeriith das sie
noch hatten, den bösen Kerl vom ofe,
dem sie ihr Malheur in die uhe
J schaden, wiederzuertennem »Das Bieft
« muß malerifch gemacht werden!" war
die Parole, die der Alte ausgab. So
wurde denn jeden Tag etwas Anderes
- malerisch gemacht. heute ein gläsernes
Salzfaß, morgen ein Teller, übermor
« gen eine Tasse. Entweder wurde mit
ten unglücklichen Gegenständen Fuß
- kalt im Zimmer herum gespielt, bis sie
- in tausend Scherben lagen, oder wir
, fchessen mit einer Flobertpiftole danach.
; Das Alles vollzog sich natürlich nicht
unter feierlichem Schweigen der Bethei
ligten. Der hauswirth war deshalb
froh, als die tollen Vlamliinder
endlich abzogen Froh wurde auch das
i fürstliche Museum, denn in Anbetracht
— tesfen, daß der Fürst für den Willem
: immer etwas übrig gehabt habe und nur
; von seiner Camarilla mißleitet worden
·- sei, stiftete der Senior dem Institut
eins seiner besten Bilder. einen die Fe
ier fchneidenden Atten, ein Wert, das
" sich den Bildern altniederliindifchcr
Meinmeifter ebenbürtig an die Seite
stellen tann und das eine der vornehm
’ sten Zierden des Museums bildet. So
tsergalten diefe beiden Leute die Unbill,
; lsie ihnen wiedersahen.
: Sie zogen davon. Jhre Ankunft in
ter Heimath meldeten sie mir durch eine
Riefenfendung feinen Tabaks, einge
packt in den werchoollsten Kasten ihres
" Buffspiels, das sie mir zum Andenken
; verehrten. Doch ihre treue Anhänglich
i leit dauerte weiter fort. Einen ganzen
; Stroß Briese in der feltsam schönen,
. verschnürtelten Schrift meines Freun
-r des bewahre ich noch auf, Briefe, in de
nen er mir über seine neue Arbeiten
Bericht erstattete und mich immer wie
der an unsere oergniigtenStunden erin
nerte, da wir uns Würfte brieten und
Gläser und Teller malerifch machten.
Dann tam das Unglück. Erst starb
meinem Freunde die Mutter fort, nicht
lange daraus sein treuer Beschützer und
Gefährte, Willein senior. Das konnte
ker Professor, für dessen asthinatische
Zustände die heimathliche Luft überdies
höchst schädiich war, nicht verwinden
Vereinfamt, vertrauert starb auch er
iald darauf, taum vierzig Jahre alt.
Ein Jahrzehnt ift seither verflossen,
aber wenn ich in einer Stunde der
Muße mir wohl die Mappe mit seinen
Radirungen und Zeichnungen herbei
hole und sie Blatt um Blatt mit dem
behaglichen Gefühl eines echten Kunst
genuffrs betrachte, dann ist mir fast,
als höre ich des Freundes Stimme,
böte ihn lachen und als fähe ich feinen
ausdruetsvollen Künstlertopf vor mir,
sähe die riefige feidene Schieife seines
Shlipseö, wozu er meist ein altes Hut
kc nd feiner Mutter oder Schwester
genial verwendete.
Das ift fiir mich nun einmal ausge
macht: solch einen prächtigen Gesellen,
wie ihn, finde ich in diesem Leben nicht
wehr. Er sowohl, wie sein Vater, bleibt
für mich der lehte, in unsere nüchterne
Zeit hineingefchneite echte Repriifeni
tont altniederländischen, lebensfreudis
gen und intenfioen Künstlerthums.
-— Thierversteigerung in
A n t w e r p e n. Eine Persteigerung
seltener und wilder Thiere findet in be
stimmten Pausen im Zoologischen Gar
ten in Antwerpen statt. Bei solcher Ge
legenheit strömen die L iter der ver
schiedenen europäischen hierparke und
auch die Besitzer »wi!der« Schaustellun
gen, Spezialitätenliinstler in Schaaren
herbei. Diesmal war die Nachfrage
eine sehr rege, denn viele deutsche zoolo
gische Gärten sowohl, wie die von Pa
ris, Hang, London, Amsterdam u. v.
m. hatten Vertreter entsandt. Außer
dem fand sich auch das iibliche tauslu
stige Publikum der Schaubudenbesitzer
und Zäbmer ein. Der Verlauf begann
mit einer zahllosen Menge kleiner Pö
gel. Es folgten Enten, von denen es ein
Paar bis auf 240 Mi. brachte. Ein
weißes Schwanenpaar erzielte über 300
Mk» Affen hatten Preise von 12-—-160
Mk. Eine rei ende Schlangenbeschwöre
rin erwarb ch eine Pythonschlange fiir
64 Mk. Die nachfolgenden Preise geben
eine kleine Uebersicht davon, was Thiere
werth sind. Drei malaysche tleine Bö
ren tosteten 260 Mi» ein junger-komp
leapard M, ein ausgewachsener Lev
pard 580 Mk» eine schwarze Panthe
rin 560, ein dressirteg Zebra 2,400, ein
Kängurub 600, ein Kasuar 540, ein
Kondorpaar 440, ein Strauß 440, ein
Adler 88. eine Antilope 220, ein Lama
260, ein Paar Dromedare 1,200, ein
Büffel 480. Nur ein großer, weißer
Bär fand keinen Liebhaber. Keiner
wollte den sich aufbinden lassen ! .....
Heitenleidelheiin Der 48
Jahre alte verwittwete Tagner Anton
Arnald aus Mertesbeirm welcher sich
seit längerer Zeit hier aushielt, wurde
von einem Erdgriiber bei den Thou
gruben im Schlamme erstickt ausgesun
den.
Stadelbeim Das sechijiih
rige Söbnchen des Gesängnißaussehers
Schönerer fiel beim Spielen aus einem
am llser angebundenen Kahn in den
Jnn .-.nd ertrank.