Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 31, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    » Die set-user Richard Itgner
begegnete.
-O—
Von heinrich Steffen.
Jn den Jahren 1872,-«73 war ich am
herzoglichens Hoftheater in Dessau en
gagirt, welches damals unter der Lei
tung des Jntendanten Kammerherrn
von Normann stand. Eines Nachmit
tags —- es war im März 1873 —- kam
ein befreundeter Kollege zu mir ge
fiiirzt und rief: Richard Wagner
kommt! Schnell ziehe Dich an, wir
wollen zum Bahnlwst
»Aus-halb follte wohl Richard Wag
ner nach Dessau kommen,« bemerkte ich
zweifelnd. »man hat Dir einen Bären
aufgebundensps »Nein. er kommt be
stimmt,« iaate mein Freund; »e: hat
mit dem Schaßmeifter des Bayreuth
Unternehmens-, der hier wohnt, zu lon
feriren.'«
Also los! Jm Laufschritt eilten wir
zum Bahnbe und kamen eben noch zu
recht, um Wagner mit Frau Cosima
aussteigen zu sehen. Da er ganz in
cognito lam, war natürlich Niemand
zum Empfang da, als der damalige
Hoflapellmeifter Thiele, welcher gleich
uns durch Zufall im letzten Augenblicke
von der Ankunft des Dichterkomponi
ften Wind bekommen hatte. Er über
reichte Frau Wagner ein Bouquet und
ftieg nach kurzer Begrüßung mit dem
Ehepaar in einen bereitftehenden Wa
gen.
Als ich mit meinem Freunde die Ca
vqlierstraße hinauf schritt, kam uns
der Theaterdiener athernlos entgegen,
der vom Jntendanten ausgesandt war,
das ganze Schauspiel-Personal zusam- .
menzurufen. Als wir vollzählig wa
ren, sagte der Jntendant: »Meine
Herrschaften! Richard Wagner weilt
in Dessaii und wird unser Theater
heute Abend mit seinem Besuch beeh- »
ren. Die Vorstellung (es wurde Glucls
»Orpheus« gegeben) ist ja nicht mehr
zu ändern, aber wir müssen doch dem
großen Künstler einen Empfang berei
ten! Jch lasse also vor der Oper die
Ouderture zu den »Meistersingern«
spielen, und dazu wollen wir lebende
Bilder stellen, Gruppen aus allen Wag
net-Opern.«
Herr von Normann war Maler und
hatte bereits eine Slizze entworfen.
Es war ein Prospekt vorhanden, wel
cher wohl einmal zu ähnlichem Zwecke
angefertigt war. Dieser bildete zwei
übereinanderliegende Reihen Nischen.
Jn jeder derselben sollte also ein Grup
penbild aus einer Wagneroper erschei
nen. Der Jntendant nannte also zu- -
nächst die Reihenfolge der Opern und E
bezeichnete diejenigen Damen und Her
ren, welche in jeder Oper «bildstehen« ;
sollten. Nachdem alle Darsteller die"
fiir sie bezeichnete Nische eingenommen
hatten, nannte der Jntendant die Sze- ;
nen und Gestalten, welche er aus jeder z
Oper ausgewählt hatte, und bestimmtö
fiir jede Figur den geeigneten Darstel
ler. Herr Steffen «Beckmesser'«, hieß .
eB. Allmächtiger, ich hatte nie Gele- ;
genheit gehabt, die damals ganz neuen
»Meistersinger« zu sehen —- ich kannte »
das Wert nur aus Krititen. Wie
sollte ich die richtige Maske für den j
»Beckrnefser« treffen? «
Als der Jntendant unsere Gruppe
stellte, sagte ich leise: Um Gottes-willen,
Herr Jntendant, ich tenne ja die Oper
gar nicht. Was muß ich denn für eine
Maske machen?«
- »Nachher, Herr Stefsen, lassen Sie
mich nur erst mit deni Arrangement
fertig sein,« war die Antwort. Rach
deni dasselbe beendet war, hatte der
Jntendant noch so viel niit dem Thea
I
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termeister, dein Garderobe-Jnspettors
etc. zu besprechen —- iiberhaupt war
der alte Herr in so großer Aufregung.
daß ich ihn nicht mehr belästigen
mochte.
Von den Regisseuren war keiner da
——; die Sang-, welche Abends zu sin
gen hatten, wirkten in denBildern nicht
mit — ich wandte mich deshalb an den
jetzigen Jntendanten, Diedeke, welcher
gerade auf der Bühne war, und der zu
jener Zeit die Stellung eines zweiten
Kapellmeifterg bekleidete.
»Um Gottswillen, Herr Kapellmei
ster,« bat ich, »sagen Sie mit doch, was
muß ich zurn Beckmesser für eine Maske
machen? Jch habe ja die Oper nie ge
sehen!« »Na,« antwortete er, »natiir
lich lomisch.« Nun war ich so llug wie
vorher.
Die Zeit drängte; ich wollte doch to
itiimirt fein und sehen, wie Richard
Wagner die Lage betrat. Also auf gut
Glück Maske gemacht, angezogen und
dann hinunter auf die Bühne!
Das bekannte Guckloch tm Vorhang
war von Kollegen und Kolleginnen um
ringt; einer drängte den Anderen fort
während zur Seite. Das Haus war
festlich erleuchtet und selbstverständlich
ausvertauit — denn die Nachricht hatte
sich mit Windes-eile durch die ganze
Stadt verbreitet. Die Damen in Ball
toiletten —- die Offiziere und Beam
ten in Gala-Unisorrn — die Herren
dem Civil im Fras. Endlich larn der
große Moment: Ein Diener in Gala
Livree öffnete die ogenthiir, der Jn
tendant in Kammer errn-Unisorm, mit
sämmtlichen Orden geschmückt, leitete
Richard Wagner und Frau Cosnna
selbst in die Lage. Eine schmetternde
Ware ritßte die betiihmten Gäste;
das ganze abkitum erhob sich —- als
denn ein fremder Mmtch VII DCUI
s hum- hseer. M trat an die
Logenbriitiung — verneigte sich dan
kend nach allen Seiten nnd nahm mit
seiner Gattin Plas. .
Nun begann das Meistersinngpv
spiel. GFM den Schluß dgsselben hob
sich der orhang und die lebenden
Bilder erschienen. Wagner stand aus
und betrachtete die Bilder lange durchs
Opernglas. dann gab et selbst das ersie
« Beisallszeichen, in welches das Publi
kum so kräftig einstimmte, daß sich der
Vorhang noch drei-, viermal heben
mußte. ·
Nun kam Richard Wagner aus die
Bühne. bedankte sich beim Jntendanten
sür die erwiesenen Ausmerlsamkeiten
und sagte diesem, sowie dem Doflapell
meister Thiele Komplimente über die
tiinstlerisch gelungenen »Bilder« und
die musterhaste Exetution des Meister
singer-Borspiels.
Nachdem ich mir den großen Künst
ler noch einmal aus der Nähe recht ge
nau angesehen hatte, ging ich nach mei
ner eine Treppe hoch gelegenen Garbe
robe. mich umzutleiden. Als ich oben
angelangt war, ries ein Kollege: »Stei
sen. Sie sollen noch einmal aus die
Bühne kommen, Wagner will Sie spre
chen-" »Machen Sie Jhre Späße mit
Dümmeren.« ries ich ärgerlich hinunter,
und öffnete bereits die Garderobenthiir
— als ich die diinne Stimme des Jn
tendanten rufen hörte: »We- ist denn
Hserr Stessen?« »Hier, Herr Inten-«
dant«, ries ich und sprang die Treppe
hinunter.
Aus der Bühne stellte mich der Jn
tendant Richard Wagner vor. Der
Dichteriomponist schüttelte mir kräftig
die Hand und sagte: »So hat die Ge
stalt des »Beckmesser« meinem Geiste
vorgeschwebt, während ich an dem Wer
te arbeitete. Noch nie habe ich eine so
gelungene Masse gesehen. Schade, daß
ich Sie nicht in der Partie sehen und
hören kannt« «
Groszer Gott, Wagner diett mich sur
den Darsteller des »Beckrnesser« in der
Oper.
»Sie sind gar zu gütig,« sagte ich
sehr betreten, »aber ich bin leider nicht
derDarsteller des »Beckmesser«, wie Sie
glauben. Jch bin überhaupt nicht
Sänger, sondern Schauspielerx — ja «
ich muß gestehen, ich bade noch nie Ge
legenheit gehabt. die Oper zu sehen und
habe die Maske gewählt, wie sie mir
nach den vielen Kritilen, die ich iiber
Jbr Wert gelesen habe, am richtiasten
erschien«. Jetzt war der große Wag
ner in Verlegenheit. ;
»Un- so oerdienstvoller«, sagte er?
dann nnd drückte niir noch einmal herz- ;
lich die Hand. Das war einer der un- ;
vergeßlichsten Momente meines Lebens.
so-— ——————
Sie Wiss unm. i
l
;
i
Novellette von Luigi Capuani..
Es war bei einem GesellschaftsspieL
Abends im Saion des Grasen Ramm. «
Die reizende Wittwe. Marchesa Bel- s
lati. war soeben verurtheilt worden, i
ibr Pfand dadurch einzulösen, daß sie
von Einem zum Anderen gebe, und Je
dem so lange Angenehmes in’s Ohr «
s!iistere. bis er sich bestiedi t erklärte·
»Ob, nein, nein!« ries sYe abwehrend v
aus. Sie wiiszte ja garnicht wie das
anfangen! Und sie lachte nnd schmollte .
und war reizend wie ein kleines Mäd- 4
chen. Der Spiel - Präsident aber war i
unerbittlich. Mit ernster Würde bot er l
ibr den Arm, unt sie im Kreis berumzas (
führen. Gerade und steis stand er bin- I
ter·ibr, wartend bis die Person« der sich
die Marchesa jeweilig genähert, von den
Bot-schlagen und Bersptechungen der
selben sich würde befriediai erklären
« Die Damen, deren sichu mehrere im
1
i
l
Kreise befanden, waren meist leicht und ;
schnell befriedigt. Ohne Zweifel wußte j
die Marchesa solche Wünsche zu erra- s
then, die unter vier Augen einzugesiehen »
sie nicht allzusehr Anstand nahmen. Die H
Männer waren gar noch liebenswürdi- "
ger, sie erklärten sich zusriedengestellt
vom alleinigen Anblick der schönen Bit
szerini Einer nur, der leste machte da- ’
von eine Ausnahme. Es war der Ba
ron Paul Flori, ein hübscher junger
Mensch, von höchst angenehmen Zügen.
Er hatte die sonderbare Gewohnheit, in
dem Salon der Marchesa jede Woche in
tragisch - ernstem Tone ihr gegenüber
unabänderlich dieselbe Phrase zu wie
derholen. Sie lautete: »Marchesa, es
isi unbegreiflich und unertlärlich daß
i Sie nicht in mich verliebt sind. Es kann
) dies jedoch nicht verhindern. daß ich
l Sie bis zum Wahnsinn liehe.«
« Immer mit derselben schelmisch - lie
benswürdigen Miene reichte ihm daraus
die junge Wittwe ihre zarte weiße Hand
l zum Kasse und sprach
»Es ist zwar unbegreiflich. lieber Ba
ron, aber nichtidestvweniger ist es nun
einmal so!"
Jn den Sein-en der Marchesa Bel
laii hieß daher der Baron Paul Flori
nur noch »Der Unbegreisliche«. Es
hatte den Anschein, als sollte die Sache
niemals die Grenze eines ileinenScher
zes überschreiten. Auch heute wieder,
in der Spagliata, der prächtigen Ban
des Grafen Ramm, wo beide sich unter
den Gelt-denen befanden. hatte der Ba
ron seiner Dame das alte Lied von es
Iier Liebe vor esuugen Gelegen it
hierzu sand er øwohl bei Tisch- als
nachher im Garten und aus der Pro
ineuade, sowie jetzt wieder im Salt-m
m sich die Gesellschasi« versammelt
hatte, um in heiterer Weise den Abend
zu Ende zu br« . Ei wurde Ie
plaudert. ein musiin und in
noch ein Gefetlfchaftsfpiel arrangirt.
, Ernft und förmlich hatte der Präsi
; dent des Spiels die Marchefa dein Va
. ron dargestellt, der. als er sie herankom
k men fah, fich in feinen Stuhl zurück- ;
sehnte mit der stolzen, ein wem im- E
z rtinenten Miene eines verwii nten,
, chtver zu befriedigenden Mannes. «
; »Oh, th« tief die Marchefa bei die
« fern Anblick spöttisch, »wenn Sie den
Spröden spielen wollen« lann ich Sie
. nur bedauern.«
»Gott sei Dant, haben wir ja noch
einen Präsidenten unter uns, der Je
den an seine Pflicht erinnern wird,
falls es ndthig fein follte," antwortete
der Baron. Und dabei wies er auf den
Cavaliere Vergatj, der ruhig und nn
beweglich einige Schritte hinter ihr
» ftand, ganz durchdrungen von der ho
hen Wichtigkeit des ihm anvertrauten
Amtes.
I Der würdige Mann verdeugte sich
tief. Er hätte irn Nothfall Juftiz,ge
übt. 1
Die Marchesa mußte sich wohl oder ’
s übel fügen. Resignirt nahrn sie anv
» Pauks Seite Platz nnd begann ihm .
J verlockende Vorfchläge zu machen.
« .Wi.irden Sie sich für befriedigt er
klären, wenn ich in Sie verliebt »
wäre?« l
» »Das wäre wenig,« erwiderte der?
Baron gleichmüthig, »und wird sich
ohnehin früher oder fviiter ereignen.«
»Wenn ich Jhnen eine hübsche Frau
mit zehn Millionen Mitgift ver- E
lchcffte2« i
»Das wäre zu viel. Die Frau der- ?
dürbe mir jedenfalls das Vergnügen
an den Millionen.«
»Alfo die Millionen alleini«
»Ich wüßte nicht· was damit anfan- ;
gen, sintemalen ich ein tugendfamer .
junger Mann von bescheidenen Ge
wohnheiten und Ansprüchen bin.« ·
»Mein Gott!" rief die Marchefa;
unaeduldia. indem sie mit dein lleinen i
! Ermangelung von Bessereni schließlich
i
Fuß stampfte
»Sol! ich Jhnen sagen, womit ich
mich zufrieden gäbe?'·
i
Massen Sie es hören es wird jeden-· «
falls ein Unsinn sein.« erwiderte die
Marchesa.
»Ganz im GegentheiL die einfachsie, :
felhstverständlichste Sache von der
Welt.'«
»So sagen Sie es doch endlich her- .
aus!«
»Ja, da miissen wir zuvor eine
Wette eingesen, und zwar eine ernst
hafte.'·
»Es sei d’rutn! Nun, und was soll
der Gegenstand derselben sein ?«
»Diese Hund«
Verwundert betrachtete die Marche
sa ihre Rechte. auf welche der Baron
bei diesen letzten Worten deutete.
«Jhre hand ..... zur Ehe,« feste
er ertliirend hinzu.
«Ah!« machte die Marchesa. qUnd
als Preis wofür?«
Da näherte er sich ihrem Ohre und
fliisterte: «Jch werde einzig und allein
zufrieden sein an dem Tage, an wel
chem ich Ihnen, wohlgemertt ohne hte
Einwilligung. aber auch ohne J ren.
Widerstand. ruhig in voller Bequem
lichkeit, einen herzhaften Kuß auf den
Mund werde gegeben haben. Wollen ,
wir wetten, daß es mir gelingt?«
Die Marchesa fuhr empor, indetnT
sie heftig erröthete.
»Es sei,« sagte sie nach einein Au
genblick, mit stolzern, überlegenetn Lä- ·
cheln. »Und das scheint Jhnen die ein
fachste Sache von der Welt? Wissen ·
Sie denn auch, was Sie sind, mein
Herr? . . . .«
»Der hübschefte Junge und der
geistreichfte Mann der Schöpfung, nach
meiner Ansicht.«
Die Marchesa erhob sich. um ihn zu
verlassen
»Verzeihung, grindige Frau," sprach
Cavaliere Vergati. indem er sie fest
hielt. »Der Baron hat noch nicht er
klärt, ob er befriedigt ist.'«
«Besriedigr im höchsten Grade," er
widerte Jener, und erhob sich dann sei
nerseits, urn mit getreuzten Atmen sich
respektvollst zu verbeugen.
O f i
Drei Monate später, des Abends ge
gen haib zwölf Uhr waren im Satt-n
der Marchesa Bellati von all’ den vie
len Gästen nur zwei zurückgeblieben
Es waren der Baron Flori und sein
Freund, der Ex-Deputirte Commenda
tor Vangetta, den seine Wähler bei der
lehten Wahl hatten durchsallen lassen.
Die Marchesa schien sehr ermüdet
von den Anstrengungen des großen
Empfanges an diesem Abend.
Sie ries ihre Zose, und befahl ihr
mit halblauter Stimme, ihr das Lager
zu bereiten.
Jndeß, der Commandatore riihrhe
sieh nicht von der Stelle. Es war, als
ver « ere er sein Gehen geradezu mit
Absi ti
Die Marchesa unterdrückte mit
trampshaster Anstrengung ein Gähnen.
Sie hätte sich gerne von ihrem Sih er
hoben, aber sie befand sich da wie an
genagelt zwischen dem Baron und sei
nem entsehlichen Freunde. Wenn der
Baron sie weni siens angesehen hättet
Sie hätte ihm ogar ein Zeichen gege
ben! Aber vergebens harrte sie aus ei
nen ihrem Vorhaben günstigen Augen
blick. Er, der sonst so geistreiche Mann,
genoß nun diese langweiligen Auseinss
andersetzungen über Eisenbahndienst
nnd Zugentgleisungen mit einer Aus
merisamteit, mit einem Ernst, mit ei
ner Msusit
Und die Züge des Commendatore
rollten dahin, einer nach dein andern.
M
ohne Aufenthalt Sie siießen aufein
ander, masiatrirten, vernichteten aber
sie hielten nimmer an!
Der Marchesa kam eine teufliiche
Lust an, geradezu gleich einem Zugfiihs
rer herauszubriillem »Füns Minuten
Aufenthalt!«
Der Commendatore ließ sie jedoch
nicht dazu kommen. Er ereiferte sich
immer mehr kam dem Verwaltungs
rath in die Haare und nahm den Mi
nister der öffentlichen Arbeiten het, um
ihm gehörig den Kopf zu waschen.
Dann ging’s wie im Handumdrehen
zum Parlament über. Der ganze
Krebsschaden lag da. Das waren ja
keine Deputirten mehr, sondern Hans
wursie, Spieler, Windfahnen! Und
wie befand sich dabei das Land! das
Land . . . das arme Land!
Die Marcheia hatte sich in letzter
Verzweiflung tief in den Armsiuhl zu
rückgelehnt. So lag sie nun mit halb
geichlossenen Augen. das Gesicht im
Schatten ihres Fächers geborgen Es «
war. als habe sie dieses letzte Wort,
Land Land, Land! das der Commen
datore im Enthusiasmus feiner letzten
Rede ausgerufen und wiederholt hatte, :
vollends besiegt, und ihre leyte Wider
standsiraft, die sie dem Schlaf noch
entgegengesth gebrochen. Nach Kur-i
zem entfiel auch der Fächer ihrer hand.;
Baron Paul machte dem Kommen- s
datore ein Zeichen, er solle in seiner
Borlesung weiter fortfahren. und erhob
sich dabei leise, leite —- — —
Die Marchesa stieß einen Schrei aus
und bedeckte das Gesicht mit den Hän
den. .
»Ich hatte dabei einen Zeugen nö- H
thig.'« sprach Baron Paul, indem er I
auf den Kommendatore wies, der im- :
mer noch dasaß, aber plötzlich der Spra- H
ehe beraubt zu sein schien. »Sofern .
Sie es wünschen, tönnte er auch gleich (
Feuge unseres Heirathsoersprecheng ?
ein.« ;
O ·- Itt z
Averrnaig orei Monate sparen ore
Marchesa Bellali war an jenem Mor
gen Baronin Flor-i geworden, fuhren
sie gegen siinf Uhr des Abends davon,
den Honigmonden und ihrer Seligkeit
entaegea. s
Hand in Hand saßen die Beiden ne- i
beneinandet. Zärtlich blickten sie sichv
in die Augen, zu bewegt, ein Wort zu
sprechen. wie wahrhaft Glückliche. Sie
hatten sich schon so lange geliebt und
auf so wunderliche Weise. Und nun,
es war kein Traum, nun machten sie
ihre Hochzeitsreises »
Der unsichere Schein der Lampe ver- J
wandelte die Baronin in eine geradezu
phantasiische Schönheit Die Linien
ihres Gesichts waren wie hingehaucht, Z
von der Feinheit eines Pastellz. und da
raus hervor, von den langen Wimpern z
halb verschleiert. glühten ihre großen z
dunklen Augen. Weich und schmieg: 7
sum umhüllte sie das riuve Gewebe ki- !
nez kostbaren orientalischen Shawls
und vollendete das zauberische Bild die
ser üppigen Schönheit.
Spät erst hatte der Baron-das blaue
Vorhängchen über die Lampe gezogen. :
Ein angenehmes Dünkel herrschte nun
dadurch im Waggon.
Da plötzlich hörte man einen Kuß.
.Geliebtes Weih,« iliisterte der Ba
ron ihr in’s Ohr. »Du hast die unend
liche Süßigkeit des ersten Kusses nicht
gekostet. Oh. jener Ahnd ! . . . .«
»Geh, Liebster, ich schlief ja nichi!«
unterbrach sie ihn. »Ich liebte Dich und
. .. hatte beariiien was Du wolltest.«
Unergriindlichleit des menschlichen
Herzens-! Baron Paul war einigerma
ßen verblüfft . . .
-
-.... » h
znn Mucgrngcnunn
Erzählung von G u st a v L ö s s e l.
Ueber dem großen hause lag das
Schweigen und die Ruhe der Nacht.
Nur in einem Zimmer brannte noch
Licht. hier saß der viel beneidete Be
sitzer der mächtigen Van über seinen
Büchern. Er rechnete. Das Licht der
grünbeschatteten Lampe fiel unge
dämpft nur auf einen Punkt : die wei
ßen Blätter und die weiße Hand, wel
che in nervöser hast über sie hinglitt !
Was solche geheime Kallulationen mit
unter für Sorge machen! Aus dem
vorgeneigten bleichen Gesicht des Rech
nenden lag ein tiefer, iumrnervoller
Ernst. Welche Summen! Gleich
feindlichen Kolonnen rückten die Zah- «
len gegen ihn auf. Ihm entsank die
Feder· Der Kaufmann streckte die ;
Waffen ; nur der Mensch saß noch da,
und der war elend genug.
»Nein, so ging es nicht weiter. Die
sem verschwenderischen Leben mußte
Einhalt geschehen. War das wirklich
der Banlier hermann Glittner, der an
der Börse und in der Gesellschaft eine
führende Rolle spielte, auf dessen Wort
man lauschte, dem man in Gedanlen
ungezähl Millionen urollte ? Er
wars. e Nacht ist verschwiegen Sie
verräth nichts von den geheimen Seuf
zern und Thränen der schlaflos ver
brachten Nächte. Fläche und Gebete
um Befreiung, um Erlösung sammelt
sie in ihren unendlichen Schooß. Die
Weit erfährt nichts davon. Sie schläft.
Ach und wenn es nur das yewesen
wäre, was ihn bedriicitei Die Ver
schwendunggsucht seiner eitlen und ge
fallsiichtigen Gattin konnte noch gezü
-gelt werden, wenn nicht anders, dann
mit Gewalt. Aber die Kinder ! Mar
tha war an einen Gutsbesiter verhei
; rathei. Sie lebten weit iiber ihre Vet
« hältnisse und stellten immer neue Zir
i derungen an die väterliche Kaise. a
·
i rie war eine Kiinstlernatur. Sie hatte
I einen schwarmerischen Hang zur Mu
! sit, und ihre Ausbildung erforderte
gleichsallö große Summen. Am
schlimmsten aber stand es mit dem ein-s
zigen Sohn Heinrich. Er vergeudete
was der Vater in einem langen, ar
beitssamen Leben zusammengescharrt
hatte Seine Beziehungen zu einer be
tannten Ballerina waren stadtbetannt.
All’ diese Bilder und Gestalten zo
gen jetzt mit erschreckender Deutlichkeit
an dem einsam sinnenden Manne vor
über. Und sie zogen sein in Sorgen
ergrautes Haupt noch tiefer herab. Es
gab leinen Kummer, den er nicht schon
durchgetosiet hatte. Nichts Menschli
ches war ihm fremd. Und er hatte Nie
manden. dem er sich hätte anvertrauen
—-tönnen. Seine Gattin war ihm ent
stemdet. Sie empfand jeden Eingriff
in ihr beschauliches Genußleben als
eine persönliche Kränkung. Und doch,
schloß er wieder, so ginge es nicht wei
ter. Eine Aenderung mußte eintreten.
Und sie kam. schneller und anders als
er es erwartet hatte.
Leise verschloß er seine Geheimbiicher
wieder und mit ihnen all die tausend
Sorgen und Befürchtungen, die sie um
sdcwebten Aus neuem triihseligem
Sinnen schreckten ihn Schritte, welche
leise den Korridor herausglittem Es
trar jetzt gegen Morgen. Vielleicht sein
Sohn, der aus liiderlicher Gesellschaft
heimkehrte; er mochte ihn nicht sehen,
und von irgend einem hausbedienstetem
ter hier seinen Besorgungen nachging,
mochte er nicht gesehen werden. Man
srllte es da draußen nicht wissen, daß
Sorgen aus ihm lasteten und wie schwer
sie ihn drückten. Mit einem Druck lösch
te er die elettrische Lampe. Er tonnte
k-.---.- M-- -.. Z- Ps.—t- l- t:.-L
IIllIIII MS III-s IIII OIIIUIllI slsIUIIls
Geräufchlos glitt fein Fuß iiber den
weichen Teppich nach einer Jnnentbiir.
Eben fchob er mit der einen hand die
Portiere auseinander und griff mit der
rechten nach der Thürilinte, als leife
die Korridortbiir geöffnet wurde. Er
blickte nun doch noch unter der Portiere
hervor, um zu sehen, wer da hereinlam.
Er selbst ionnte von dem Eintretenden
nicht gesehen werden
Der Schein einer Blendlaterne fiel
herein. Ja, es war fein Sohn. Und
wie fah er aus! Uebernöchtigt, aufge
regt, feine Hand taftend, fein Fußztm
sicher. Heiß wallte es in dem Vater
lierzen auf. Die Schamröthe ftieg dem
olten Mann in’s Gesicht. Und der da
war sein Einziger, sein Stimmhalter!
Voller Abscheu wollte er sich hinweg
wenden, als das seitfame Gebabren fei
nes Sohnes ihn aufs Neue an der
Schwelle fefthielt.
Einen Augenblick noch stand er re
gungslos, seinen Sinnen nicht trauend,
dann griff es ihm wie mit eiötalter
Fauft nach dem Herzen und fchniirte es
zusammen in namenloser Qual. Sein
Sehn ein Verbrechen im Begriff, sei
nen eigenen Vater zu beftebleni Es lag
gerade eine großeBaarfumrne in seinem
Trefor, die morgen weiter gegeben wer
ten sollte, und jenen verfuchte seinSohn
jedt mit einem Nachschliiffel zu öffnen,
dcbei wiederholt erschreckt nuffahrend
nnd fcheue Blicke nach allen Seiten wer
fend.
Eben öffnete sich die schwere Stahl
thiir wie mit einem dumpfen Seufzen
Die hand griff hinein, zuckte aber, wie
von einer Natter gestochen, zurück.
«Heinrich!«
Leise nur, wie ein Hauch, tönte der
Name an fein Ohr, und doch tlang’s
ihm dröhnend und schmetternd wie die
Posaunen des jüngsten Gerichts. Die
Laterne fiel zur Erde und erlofch. Jkn
fahlen dämmerigen Grau des Morgeng,
das noch durch die zugezogenen Fenster
tiorhönge gedörnpft wurde, ftanden Ba
ter und Sohn einander gegenüber,
Auge in Auge. wortlos, in tödtlicher
Spannung. Es bedurfte keiner weite
ren Ertliirung keines Vorwurfs, keiner
Frage.
Was der Vater ihm gutwing nicht
mehr geben wollte, nicht lonnte, wollte
der Sohn sich n hrnen« heimlich und
feige und Verda t aus einen Anderen
fallen lassen. Es war aus! Für ein
solches Verbrechen gab es nur eine
Sühne, und Heinrich Güttner mußte
aus eine bewaffnete Abwehr gefaßt gr
wesen sein. Plönlich — nur Setunden
waren vergangen und doch erschienen
sie den beiden Männern wie Ewigkei
ten — riß er den bereit gehaltenen Re
volver hervor und richtete ihn gegen die
eigene Schlafe.
Sein Vater fiel ihm in den Arm·
Ein turzeö bringen entand. Die Waffe
entlud sich. Mit einem dumpfen Weh
; laut sanl der alte Mann zu Boden und
: blieb dort regungslos liegen. Für Se
T tunden lag noch einmal die tiefe Ruhe
der »Macht iiber dein großen Hause.
Dann wurde es laut von Stimmen und
Schritten. Entsehte Zurufe ertönten,
Thüren tlappten. Man taml
Einen stieren Blick warf Heinrich
umher. Die Waffe la irgendwo ani
Boden. Es war teine Zeit mehr, sie zu
suchen und noch einmal gegen sich selbst
zu richten. Und sterben mußte er. Da
rurn fort, ehe man ihn packte und in’s
Gefängniß zu peinlichen Berhören
schleppte. Kein Ausweg ? Doch !
Durch das rasch eöffnete Fenster
sprang er hinaus auf den grünen Ra
sen. Er stürmte davon in den nebel
feuchten. bleigrauen Avrilmorgen hin
ein, dessen undurchsichti e Sch eier sich
zwilchen ihn und den hatort herab
senkten.
Die Sonne ging auf. Das Licht
brach sich siegreich Bahn durch Nebel
und Nacht und sengend, blendend siel
si
--—....-—.. I — W
es ihm in die Augen. Wie ein Gerich
teter stand er da mit gesenktem haupt.
Das Auge Gottes ruhte auf ihm mit
seiner durchdringenden Klarheit und
es las auf dem Grunde seiner Seele.
Er sank in die Knie, er warf fich zur
Erde, von seinen Empfindungen über
wiiltigt. Alte, längst vertlungene Er
zinnerungen und mahnende Stimmen
z flutheten ihm aus seiner ersten schönen
Z Jugendzeit in das Gedächtnisz zuruck.
«Vater im Himmel, vergieb!« Angst
· doll, aus gequältem Herzen stiegen die
! Worte herauf und zitterten über feine
i bleichen Lippen.
I Eine Zeitlang lag er so- still· von
Z Furcht durchschauert, in ohnmächtigem
Ringen mit dem Dämon, der ihn auf
diese Wege getrieben hatte. Dann
durchdrang es ihn mit einer wunder
baren Ruhe und Klarheit. Er stano
auf. Sein Weg war ihm vorgezeichnet.
Niemand sonst sollte in den Verdacht
der That oder der Beihilfe dazu tom
men. Der Gerechtigkeit mußte Genüge
geschehen und das konnte er nur in vol
lem Maaße, wenn er zurückging, seine
Schuld betannte und Sühne forderte.
Man sollte nicht glauben, daß er mit
Ueberlegunge die Waffe wider seinen
Vater erho n hatte, wie es unbedingt
geschehen mußte, wenn er ohne ein Ge
ftiindniß aus dem Leben ging. Und io
lentte er feine Schritte nach dem Vater
hause zurück.
—-». -..—- ——--——--——-——- i
peu uno warm schien die Sonne her
nieder. Ein erstes lindes Friihlings
wehen strich iiber die Erde hin. Auch in
seinem Leben war es noch Frühling,
und nun ging er in den Tod . . . .
Da lag das Haus von einem großen
Garten umhegt, so still, so sriedlich, als
lägen nicht die Schatten des Todes aus
ihm, als wäre alles das, was er in den
letzten Stunden durchlebt hatte, ein wit
ster Traum gewesen, der mit der Nacht
entschwebt war. Ein starker Lebens
I drang wurde in ihm wach. Er war
« noch so jung. »Fiiehe!« raunte die
Versuchung ihm zu. Nein, er wider
i stand. Er hätte doch nirgends Ruhe
; gefunden. Er hasttete weiter. Durch
s eine lleine Mauerpsorte, zu der er den
i Schlüssel hatte Und durch die er heute
Morgen geslohen war, trat er in den
; Garten. Einen hastigen Blict umher,
f dann stand er wie gebannt. Sein Va
j ter wandelte unter den Bäumen. Er
s tam aus ihn zu. Er war nicht todt.
! Nur der Schmerz über den verlorenen
Sohn hatte ihm jenen Wehelaut ent
i lockt, nur der Schreck hatte den nerviis
i Zerriitteten zu Boden geworfen.
- Mit einem Jubelrus eilte Heinrich
F ihm entgegen. Er wars sich ihm zu
Füßen« er umllammerte seine Knie.
»Vater, oergied!« stammelte er unter
Schluchzen und Thriinen. Jhm gegen
iiber bedurfte es seiner Ertlärung. Er
kannte selbst den ganzen Vergang.
Nein, er war tein Mörder, er war auch
tein Verbrecher — noch war er es nicht.
Sein Vater hatte ihn zurückgerissen,
als er am Abgrund schwankte. Seine
s Reue und der Schwur der Besserung,
s den er jetzt seinem Vater gelobte, kamen
noch nicht zu spät· Aus seiner schweren
Betäubung erwacht. hatte er, um den
Sohn zu schonen, einen ganz Anderen
als den Thaler beschrieben, einen un
belannten Mann, zu dessen Verfolgung
heinrich sich aufgemacht hatte.
Arm in Arm gingen Beide nach dein
Hause zurück. Es sollte sortan anders
werden.
--». H..·.-.. «
Llcicht sehr schmeichelhast.
Afritareisender: «....Ja, einmal
bin ich nur mit lnapper Noth der Bra
tenschiissel entgangen.«
»Ach, da haben Sie wohl einen Bor
geichmack belommen, wie einem Beei
steat zuMuthe ist i«
Gauners Entriiitung.
Gauner(einem nobel gekleidetenherrn
verächtlich nachdlickend, dessen Taschen
er durchsucht und leer besunden hat):
»So ein Lump, nicht einmal ein Poete
rnonnaie hat er in der Tasche i«
Fachmännisch ausgedrückt.
Fräulein iszu einem Leutnant der
Artillerie. der ihr seit geraumer Zeit die
Cour schneidet): »Herr Leutnant, Sie
iind ein Schwärmer.«
Leutnant: »Gniidigeg Fräulein, bei
dem Brillantfeuerwert Jhrer Augen
muß man ja zum Schwärmer werden.«
Jm zoologischen Examem
Professor : »Können denn die Fische
auch riechen ?«
Kandidat : »Gewiß, wenn sie nicht
mehr frisch sind L«
Aus der Gesellschaft
As »Wer ist der Herr, der da an
dem geschlossenen Klavier lehnt?«
B.: »Unser guter Engel einstweilen,
so lange er den Plah hehauptet.«
Z a r t e r W i n l .
herr: »Er-ten Tag, mein Fräulein-—
ich — ah, habe ich die Ehre mit der
Tochter des hat-fest«
Fräulein Eise: »Jawohl———Sie wün
schen, mein herri«
Herr: .Jch möchte gern Jhren herrn
Papa sprechen —«
Else: »Ach, der ist jetzt nicht hier —
aher bitte, treten Sie doch näher —
vielleichä —- sprechen Sie mit Mu
ma — "
Das Sprichwort »Ende gut, Alles
gut« hat noch Niemand veranlaßt, seine
gut endende Krantheit siir gut zu hal
ten.