Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 24, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    ) U Das-d satt nnd ’u Sacke voll.
Rohetk von Diettich Theben.
Der Großh-riet Foxen Dürt vom
« Inhenhos öffnete eine vom Votflur auf
die Dreschdiele gehende Thür, blieb ste
heln und tief in das herrschende Dun
T te :
Brit —- !«
Er erhielt keine Antwort und wies I
der-holte den Ruf lautet.
« n .
Auf der rechten Seite der Diele wur- ;
de eine Thüt aufgetlintt und eine
drummige Stimme antwortete:
»Ja -— ? Was is?"
«Ftitz. komm ’rein zu mit —«
»Sind Sie das. Bauer?«
,Ftag nich lang, mach —-!«
»Jawell ———«
Fritz fuhr in die Kleider, to emg
seine atten Glieder es -rmnbten, rieb z
ein Schwefelholz in Brand, entzündete
ein Talglicht und sah bei dem trüben -
Ilackericåzun aus seine Taschenuhr.
»Nimm halb vier ——? Um die Weih
nach« un denn halb vier? Brrr ——«' s
an der ungeheizten Kammer herrsch- -
te in der strengen Winternacht eine eisi
ge Kälte, und Fritz Suhr schüttelte sich
vpt Frost.
Nach wenigen Minuten schritt er,
mit der Ketz- ses sich hernach-tend. h —
Palzpantofseln -iiber die Diele, blies
das Licht auf dem Vorfiur aus und
— klopfte leise an die Stubenthur.
Der Bauer seihst öffnete.
»Komm ’rein, Fritz«« raunte er
«Gu’n Morgen. Bauer.'·
Fritz schob sich in«’s Zimmer und be
mühte sich, mit den schweren Pankois
sein behutsam auszutreten. -
Eine Hängeiampe erhellte den wohn
lich ausgestatteten Raum, entlockke den
Eisblumen an den beiden Fenstern ein
mattes Ausblinten und befchien auf
dem runden Tische in der Mitte des
Zimmers einen Brief, der auf der nack,
oben liegenden Rückseite mit roth-rau
nem Siegel verschlossen war.
Die Lust in dem Raume war ver- ;
raucht, aber von dem mächtigen Ka- E
chelosen strömte noch eine Wärme aus,
die den Knecht angenehm berührte
Fritz lehnte sich mit dem Rücken ce
gen den Ofen und sah fchweigsnd auf
den hin und her wandernden Bauern. E
Joche-n Dürk trug bis an die Knie rei
chende Schaststiesel, unter deren der
ben Doppelsohlen der aus den Fußbo
den gestreute Sand anfinirfchtr. Sein
An ug aus dickem, dunkelgrauem Woc
stost zeigte den Sportschnitt der Ja
gerllridung, und die schwere, mit War- -
metasehen oersehene Joppe war bis an ,.
den Hals zugehöpr i
Der Bauer rauchte trotz der früh-n «
Stunde aus einer kurzen Pfeife, thes «·
dünne Wolken vor sich hin und verzog ?
sie-Zeilen die Lippen wie im Selbstge- E
sprech· s
Erst nach Minuten schoß unter den F
buschigen Brauen ein Blick der grauen I
Augen nach dem Knechte hinüber. und ?
über das glattrasirte, verschlossene Ge
sicht glitt ein belebendes Zacken.
I
;
— »Ich will naeh Kiei,« redete er den ? «
Knecht nnt geoarnpner Stimme an. ;
«Schieb’ — nachher! » den Einwän
ner ’naug und stell den Schimmel ein. ; «
Den Schlitten kann ich nich’ nehmen« ; »
denn die Bleß lahmte gestern un muß «
Ruhe haben, Un die Braunen brauchst
du nach der Mühle. Bestell an den
Müller einen Gruß von mir, un die
fünfzig Sack Weizen könnte er nach
Neusahr haben. Aber erst so was ais-ihr
Tage nach dem Fest. Früher nich’. . .«
Er machte eine Pause, drückte mit
dem Finger die Asche in dem Meisen
iops nieder sog ein paar kräftige
Fauchwolten aus und fuhr langsam
ort
«Fahr erst nach Mittag. IT dann
Zeit genug. Vormittag —- —«
Er wies aus den Brief
« »-— —- besiell den da. Schick aber
nich’ — geh selbst. An den Hans von
Neuen Jäger; — steht auch d’raus. — «
Ich muß mit dem ’mal ein Ende wa
chen. Der und die Dore? Das geht
nich’. Der Jägerhof un der Ruchen
hos —- ’ne Hand voll un n Sack voll.
So n Habenichts kriegt sie alle Tage
—- Fritz, du bift an die vierzig Jahr ;
. aus m hos un’ hältst was von uns
das weiß ich. Das könnte dem Jäger
passem sich so m unser warmes Nest zu
sehen, nich« wahr? Aber daß daraus
nichts wird un daß er s sich hinter die i
Ohren schreibt gebe ich es ihm schwarz I
aus weiß. Die Landstraße kann tjch
ihm nich’ verbieten, aber wenn er bei
uns vorbei muß, soll er sich den Hof
non außen besehen un nich auf ein?
Willkommen drinnen rechnen s ie!
Mrn wird sich fügen. IX ja iib r ;
haupt blos eine Kinderliebelei. tgief
spielt war sie, als sie iich rn ihn Verg I2t3. UT
finszehry eben aus den Kinderschuhen ·
ons. So was hält nich un das s
’ ein Glück. Un nu er den bunten ,
M nich’ mehr an hat« wie dornal-, i
Wer auch blos noch- halb so sorsch
zDer Dirn brauchst dn nichts zu sagen,
rit. Wenn ’s Zeit is, wird sie O
zu wissen kriegen Dem han
m Beter brauchst du nich’ in den
« eg- ianfenz dem mag ei der Ben
» s sagen wenn er sich? getrau
is seine Sache. hasidu uiich
zog die nn den Lacheer ge
hättst hervor schob sie tin
Jst-der hinier den breiten Stätten
Mis tot-If
« e nimm den Brief most o- MS
mit in deine Kammer . . . Vor acht
heut« Abend werd’ ich woll nich’ utiick
fein . . . Leg’ e’n paat warme ecken
aus den Wagen un’ den großen Fuß
iack un’ Hafer für den Schimmel Un·
wenn der Hans vom Jäger dich fragt,
was in dem Briefe d’tin steht, hast du
natürlich keine Ahnung ur:’ drücksi dich.
ehe et’s lesen kann. Un nu ma1;’.«
»Jawoll ———«
Fritz trennie sich von dein Ofen.
nahm den Brief mit spitzen Finaern an
Ich, suchte auf den Jlnr nach feiner
Kerze, ohne sie zu finden, und tappte
im Dunkeln nach seiner Kammer.
Tief Athem hol-nd blick- er stehen,
stieß einen langen, gedampften Biiff
cis-s iznd nickte in de: :.-n;urchdrin-.i'.:
chen Finsternis vor sich Un.
.Sc wass« murmelt-· .: heiser, sties,
mit dem Knie gegen eine scharfe Kante
seines Kossers und guckte mit einem
»Dcuwel auch!« zurück.
Er entzündeie eine Laterne· schob
bei ihrem Schein den Brief in den
Koffer-, rieb sich das mißhxincselte Knie
nnd hinkte hinons.«
Nach eitles- erttelstunde rollte det
Einspiinner vom Hofe, und Fritz sah
ihm aus der Landstraße nach, so lange
er die vorgeworsene Lichtslutb der Wa- .
genlaternen bemerken und das cis-II
thiirnliche Schritten der Räder Cllf dem
hartgesrorenen Schne- vernehmen
trmnte. ’
Dann zog er sich ins haus zurück,
kroch angelleidet unter die wärmende
Bettdecke und versank in halt-wackres
Grübeln.
Es war ihm» als ob er sich in einein
Eisenbahnzuge befinde und höre und
fühle das ruckende Poltern — io täusch
ten ihn die hämmeran Schlafen.
Mit schmerzendem Kopf tarn er, als
die gewohnte Zeit zum Aufstehen da
war, zur Besinnung, weckte die dienen
ten Hausgenossen und ging schweigend ?
In sein Tagewerk.
»Js’ der Bauer all weg, weil der
Schimmel nich’ da is ?« fragte einer
set jüngeren Knechte neugierig.
»Kiel ——«. antwortete Fritz laloniscb.
»Was is« denn da ?«
»Hat er nich’ gesagt un« gebt dich
nichts an,« fertigte Fritz den Neugier!
zen ab.
»Weißt du -'s ?« ;
»Halt deinen Schnabel !« schloß der
Nißgestirnrnte grob.
»Fritz, wo is denn der Vater 's« E
klang es von der Diele her in des «
Pferdestall :
Der Angerufene verließ die Bleß, die .
er eben untersucht hatte; und takn auf i
Die Diele.
»Morgen Dort«. grüßte er freund
lich. »Der ?« fragte er. ·Ach, hat er ;
Ihnen nichts gesagt ? Na. ich weiß k
nich« —- er traulte sich hinter den Ob- i
ken —- «— ob ich nich’ den Mund hal- ?
ten soll —- von wegen dein Kindjes’, E
pas nu’ doch bald tonnnt un’ das er Ie- D
riß bolt.«
»Er ist schon fort ?« fragte dat«
junge Mädchen lachend. .So früh ?« :
Fiel !« sliisterte Fritz vertraulich. i
»Ich soll Nachmittag nach der Mühle. !
veil zwischen Weibnach’ un’ Neujaht ;
zu viel zu thun is’ un’ wir doch Meist ;
fHaben müssen für die Annistuchen zur- l
Sylvester. Un’ Vormittags —- hnt. Z
Soll ich vielleicht aus dem Neuen Jäger ;
— einen Gruß bestellen ?« plahte ers
Heraus. i
»Was haft ou Denn oa zu suchen E-- ;
»Auf dem Jäger — ? Ja — hin »
— Dore —- fagen Sie. haben Sie ’inal :
nr Minute Zeit für mich ?« I
»Das brauchst du doch nicht zu fra
;en —"
»Nee, nee —- —
Fritz zögerte etwas. Aber dann ;
fuhr es ihm heraus : »Ich hab’ näm
lich einen Brief zu beftellen —'«
»Noch dem Jäger —-— ?«
Er nickte.
»An den Dank-". —- ergiinzte er.
»Wo?« fragte das Mädchen unsicher.
.Zeig doch ’rnal her —«
»Ja. IF aber zu un’ e’n Siegel
v«rauf.«
Er hintte in feine Kammer und folg
te dem Mädchen mit dem Briefe in’s
Wohnzirnrner.
»Weißt du, was — d’rin steht ?«
farßfchte Dvre rnit erkennbarer Bei-Irg
ai .
Fritz konnte schlecht lügen.
»Na ja«, gestand er zu.
»Was denn ?«
»Was — was Verflixtes. Dere.
Uber Ihnen werde ich’s doch sagen —
— muß ich auch, nicht’ ?«
»Ja, fag’ ’s mir —- t«
Frin hing an dem hofe und an dem
Bauern, aber mehr als an beiden an
dem hübschen Mädchen, das fich von
Kindheit an nnwiderftehlich in fein gu
tes, alterndeö Herz gestohlen hatte. Und
itrupellvs gab er das Geheimniß des
Bauern preis.
Dore horchte schweigend und schein
bar ruhig aber aus ihren weichen, blü
xndån Zügen wich doch langsam alle
ar
»Da haben Sie 's· Natürlich is« er
verrückt,« schloß Fritz feinen Bericht.
Dor« Augen verfchleierten sich.
»Bring’ den Brief hin nnd — und
—- fage hans —«
Jhte Stimme verfagte ir-. dorbrechen
dein Schlangen
»Dirn, ruhig, ruhig —- t« mahnte
res. »Sie acht sind wir sicher vor dein
rn, hat er gefagt. Soll der dank
herkam-en f«
Dore nieste hastig.
»Is- Iris-— '
ZW- wenn —egk:nntel— if. Unin
tnj
sZinn-hinanitonnnen«seerer
«
W
da ist — —«
Sie stieß die Worte übersiürzend het
vor und flüchtete dann schnell in ein
k Nebenzimmer.
; Fritz schüttelte den Kopf.
i »Das thut er nu’ seinem eigenen
! Kinde !« knurrte er, während er hin
ausging, zornig in den stoppeligen, er
grauten Vollbart und war auch noch
nicht beruhigt, als er nach Erledigung
der Morgenarbeiten die Sonntags
Pelzmütze aufstülpte und sich auf den
Weg nach dem Neuen Jäger machte.
Er spähte. als er sich dem Hofe nä
herte scharf umher und hatte das Glück,
ten jungen Hans Berlispen in der Ein
fahrt einer Scheune zu entdecken. Er
sieuerte über den Hof gerade auf das
Gedaude zu. «
»Gu’n Dag, Haus«
«Gu’n Dag, Fris. Ranu, wo
schneist du denn all her ?«
.Kannst du dir woll denken, Hans.
Bist du allein ?«
Fritz Suhr hatte dem jungen Bauern
gegenüber das Du beibehalten. wäh
rend es ihm bei Dore nicht mehr hatte
iiher die Lippen wollen« seitdem sie ein
Jahr in einer Kieler Pension gewesen
und ihm dadurch vorübergehend ent
frerndet worden war
.Mutterseelen allein," antwortete
Hans Veriöpen. »Warum ? Bringst
du nichts Gutes ?«
.,Doch, e’n Gruß von der Dorr.
Aber auch ’n Wisch von Bauern. Da
—- ——— ties man erst.« T
Der junge Bauer nahm den Brief
mit schnell erwachtem Unhehagen entge- .
gen, trennte den Umfchlag mit einem
Taschenmesser aus und las schweigend. "
«Gieb dem Bauern den Wisch zurück
und bestell ihm: von dem Mädel laß ich
nich t« erklärte er energisch. faltete den
Brief zusammen und händigte ihn dann
dem Boten wieder ein« «
,Un die von dir auch nit.« erwi- T
derte Fritz überzeugt und richtete aus«
was das Mädchen ihm ausgetragen
hatte. »Ja recht von dir Hans: im
mer Kovs nach oben. Wer ’niiher will
übern Berg must zuerst ’naus. Jhr
könnt ja auch beide noch warten. un«
wenn dein Schädel nich’ miirber is« als i
dem Bauern feiner. denn wird aus dem
Nein doch noch ’n Ja werden — das is
all immer so gewesen. Na. also komm «L
heut’ Abend und red’ dem Mädel zu. ;
Adjes solang.« .»
Die Antwort hans Vertöpens zau- j
hrrte eine ausgliihende Freude in Dores -
schönes, junges Gesicht und ihre weiche :
Hand umschloß dankbar die arbeits- «
harte des alten Freundes. —- Gleich «
nach Tisch suhr Fritz nach der eine halbe »
Stunde entfernten Mühle und lehrte !
heim’ als eben die Dunkelheit herein- i
brach. Z
»Ich werde ausgucken·« raunte er
Dore bei einer Begegnung zu, «bleiben s
Sie man in der warmen Stube drin. j
Wenn er da is. Kopf ich an’s Fenster.«.;
Fritz promenirte um das Haus. Zum I
erstenmal seit einer Woche war der;
himmel wieder frei von den verhüllen- «
den« schneeweißen Wollen· und der E
mondlose Sternende schimmerte in ;
majestiitischer Pracht. die nur durch ?
das noch nicht ganz geschwundene Ta- I
gesiicht etwas abgedömpst wurde. Die !
Felder und der unsern vom hos begin- i
nende Buchenwald, der bis nach demi
YearnJiigert reichte, Zagen in tiefem
fSchweigen oie weilen Ueloiiachen von :
schliyender Schneedecle verhüllt, die i
Bäume und das Buschwert der Kniets å
von gliherndem Reif geschmückt und be- f
laftet. Ein Syringenbuich an der Stra- «
ßenfeite des Gartens schien die weiße
Last laum noch tragen zu lönnen, io
tief hing er hernieder. Fritz schüttelte
ihn und der Busch fchnellte auf.
Zwischen Weißlohltiipfen in einer
Ecke des Gartens liefen zahllose Hafen
spuren und ein hungriger Lampe, der
sich zu frühzeitig herangewagl hatte,
flüchtete beim Nahen des Knechtes.
Fritz lehrte um. »Die werden auch
nie satt,« murmelte er und dachte
daran, daß der Weißlohl ohnehin nitht
sein Lieblingsgericht war.
Er stopfte wieder nach der Land
ftraße zu, trat durch die tnarrende Gar
tenpforte und fchritt den Weg ein Stück
hinab. An der Waldgrenze, an der ein
Fußfteig vorn Neuen Jäger mündete,
blieb er lauschend ftehen. Kaum ein
Laut unterbrach die faft beiingstigende
Stille der Nacht, und nur der Wind
rauschte eigenthiimlich gedäinpft und
hohl in den reifbedeckten Wipfeln. Die
schwarzen Stämme der Bäume zeichne
ten fich dunlel vorn nächtlichen Grau
irseiß der Schneelandfchaft ab, und wie
unheimliche Schatten fchien es in der
Waldtiefe zwischen ihnen hin und her
zu gleiten.
Fritz Suhr lehrte wieder um. blies
den warmen Athem in die erstarrten
Hände, schlug die Arme in rafcher Wie
derholung quer über die Bruft und ver
fiel in einen gelinden Trab.
Von Zeit zu Zeit horchte er aber
mals und ehe er noch den Hof wieder
erreichte, vernahm er rasche, feste,
fchneetnirfchende Schritte hinter sich
und eine duntel umriffene Gestalt nö
herte sich ihm eilig.
»Halloh, ans —- ?« rief der War
tende fragen .
» s er, Frik· Wo is Derei«
» werd te gleich rufen. Komm
inan mit bis an die Pforte.« 1
Dore hufchte, in einen dicken Mantel
gehüllt, um den Kopf ein weidet Wol
lentuch, bald aus dem Hause, und wäh
rend die Liebenden in eifri ern Ge
lzriich standen, hielt riß ini er Nähe
« nnd horchte e" Landstraße bin
rnten da der heimlehrende Bauer das I
Paar n· über-raschen sollte. i
Als er ein fetnes Rädetlchtillen zu
vernehmen glaubte, räusperte er sich,
machte dadurch auch dasLiebespaar auf
merksam nnd bewirkte, daß Hans Ver
tiipen sich rechtzeitig empfah nnd, um
den Baums nicht in den Weg zu laufen,
die entgegengesetzte Richtung einschlag.
Das junge Mädchen blieb noch stehen,
um ihre Thtänen zu trocknen und Fritz
sprach tröstend und ermuthigend auf sie
« ein. Darüber hatten sie beide nicht be
f merkt. daß der Bauer dicht an sie her
F angekommen war und erst als verheim
- tehrende laut und zornig zu schimper
begann, flüchtete Dote wie gehetzt in’s
’ Haus.
l
s »Hinimeldonner — der verdammte
Windhund!« fluchte Jochen Dürt mit
schwerer Zunge. »Du Habenichts, —
du Lausjung —- di will ick!« und er
riß am Zügel und fchlug mit pfeier
dem Peitschenhieb auf den Schimmel
ein, daß das erschreckte Thier in wil
den Sätzen auf den Knecht zurafte, ehe
dieser noch bei Seite springen konnte,
ihn mit dem Scherbaum vor die Brust
traf und rücklings in .den zwifchen
Wall und Wearand befindlichen Gra
ben warf.
Der Schimmel raste mit dem hin und
her fchlendernden Wagen weiter, machte
bei der Hofpforte den gewohnten, fiir die
Einfahrt nöthigen Bogen und prallte
auf das geschlossene Thor, daß die
schweren Holzfliigel trachend zusam
menbrachen und Schimmel und Wagen
in wirrem Knäuel an der Unglücks
stätte liegen blieb.
Der Bauer war bei dem Rasen des
Pferdes aus dem Wagen geschleudert
worden, ehe der Anprall auf das Hof
thor erfolgte. Er war glücklich in ei
nen Schneehaufen an der Wegfeite ge
fallen, richtete sich wieder auf und fuhr
sich taftend mit der Hand über die
Stirn.
Die fchneidende Kälte des Abends
hatte ihn gegen feine Gewohnheit auf
der Rückfahrt wiederholt eintehren las «
fen und die verschiedenen starken Grogs
hatten feine Sinne umnebelt. Auch
jetzt faßte et in dem Duntel -—— die Was .
genlaternen waren bei dem Anprall er- ;
loschen — nicht gleich, wag geschehen ;
war. Aber ein Schauern lief ihm den
Rücken hinab und rütteite ihn in wori
losem Schrecken. T
Er fchwantte an das Hofthor, über- z
sah mit plötzlich nüchternem Blick, wass
geschehen war und rief dann nach Hilfe. z
»Fritz —- Krischan!" schrie er, daß i
es auf dein Hofe widerhallte, »her! —-« z
hierher!« ;
Er erhielt Hilfe von einer Seite, von i
der er es nicht vermuthet hatte. i
Hans Vertiipen stürmte den Weg zu- .
rück. i
»Was is — was is?« rief er fra- ;
gend. l
Der Bauer ftand wie geliihmt und die Z
Frage packte ihn: »Herrgott, wenn der J
—- da ist« wer ift dann der andere —- »
der andere —- i« » i
Der Jägerhofer sah -den Schimmel?
zwischen den Trümmern der Pforte lie- E
gen und begriff. Er flog in’s Haus «
und tehrte mit einer Laterne zurück, ;
während Dore und mehrere Leute eben- ;
falls mit Licht folgten.
«Laß den Schimmel!« leuchte der
Bauer. »Folg mir ——«
Er ftiirinte voran, schlug auf dem
glatten Fahrweg hin, erhob sich wieder
und eilte weiter
.Da —- da ———«
Er wies auf einen duntlen Körper
im Graben und sprang zugleich hinun
ter.
»Leuchten!« schrie er heiser. »Gott
tm himmel —- der Fritz!«
Der Bauer lehnte sich erschüttert ge
gen den Wall. Aber Hans Vertöpen
behielt die Ueberlegung, reichte der nach
getommenen Dore die Laterne und rief
dann dem Bauern zu:
«Anfassen! Vor allem in’s Haus
hineinl·
»Ja, ja,« stammelte Jochen Diirl
und faßte zu, wie der Jägerhofer es mit
militäriseh turzen Anweisungen ver
langte.
«Nich fallen!« mahnte Vertöpem
»Nein,« antwortete der Bauer gur
gelud.
Jm hellen Zimmer riß Verlöpen dem
Verlegten die blutdurehttiintte gestriette
Wollwefte aus, zerschnitt die hinderliche
Untertleidung und stellte eine breite,
Wunde auf der Brust fest. Er hatte «
während der Militiirzeit heilsame Er
fahrungen im Sanitatsdienft gemacht,
legte mit hilfe einer zum Glück vorhan
denen hausapothele einen regelrechten
Verband an und jagte dann einen der
Knechte zum Arzt nach dem Kirchorh
»Was außen zussehen ts," erklärte er
zur Beruhi ung des Bauern und der
beftiirzten åochteh «wird woll nich«
schlimm sein. Ob’s innen was gege
ben hat, muß der Dotter sagen.«
Fritz Suhr lag bleich, aber bei un
gestörtem Bewußtsein, und die Augen
ruhten ernst auf dem Bauern. Er
wurde bequem gebettet und fand dann
auch die Fähigkeit zum Sprechen wie
der.
Haus« geh mal,« forderte er ge
dämpft.
Als er mit dem Bauern allein war,
suchte er sah etwas aufzurichten, fiel
aber mit einem Schmerzenslaut in die
Kissen zurück. .
»Gut und schlecht, Bauer —- ’n Hand
voll un ’n Sack voll,« sa te er dann mit
Betonung. »War das iir mich drau
eni Zin, das war fiir den! —- Js
s o «
« weig darüber, Fris, um Got
teiwtllen!« stotterte othen Wirt
»Ja! Aber hre äoaxter liebt den
Dank Sagen te nu atcch — sat«
F—
sMeine Diern un Hans —- ? —- Ja,
Der Knecht fand rasch ein Lächeln.
»Den-r macht mir das nichtsf ent
j gegnete er stockend. »Das — is aber
doch das erste Mal gewesen, daß —- ich
I — den Schimmel nich ——— halten konnte.
FSo n Aas, dicht beim Hof noch-Durch
, zugehen Was, der Doktor soll tom
men? Den brauch ich doch nich. — Kön
nen sie hereiniommen die — Beidetii'
; »Is. W gisich
Der Bauer holte sie.
Das Brautpaar fand in der Verstö
k rung noch kein Glück. Die Unruhe auf
! dein hof, die Sorge um den Vertetzten
Swaren noch zu groß.
i Aber um Mitternacht brachte der
Arzt die Erlösung
s
l
»Von Eisen, der Brufttaften,« er
illärte der Doktor, »der kann einen
« Puff aushalten . . . Wenn der, der den
Nothverband angelegt hat« wachen will,
können die andern ruhig schlafen gehen.
2Jhnen lann der Senfennrann noch
« nichts anhaben. was-, Suhr?«
»Ach wo,« sagte Fritz trocken. »Dies
v rnal nich und noch lange nich. Nee.«
Er fchlofz die Augen zu regelmäßi
T gem Schlafe und erwachte fpiit arn an
dern Tage, als eben der Arzt noch ein
I rnal gekommen war.
»Ueber den Bergk« erklärte der Dol
tor befriedigt und die Brautleute hatten
zugleich den Gedanken, daß sie nun auch l
iiber den Berg aufgethiirniter Schwie- ;
rigleiten hinweg waren und in der dro- «
henden Winterftarre ein lenzfonniges «
Glück gefunden hatten!
»’n hand voll un ’n Sack voll« —
das Wort des Bauern wollte dem Ver- T
wundeten nicht aus dem Sinn, »·n
hand voll Wehdag,« dachte er von sich,
»un’n Sack voll Glückfeligleit,« reflek
tirte er von dem Brautpaar....»’n ;
Hand voll Unverstand von ’m Bauern s
—- ’n Sack voll Einsehen vom Herr
gott! Und umgekehrt: ,,’n Sack voll ;
hinter die Ohren verdient un bloß ’ne I
Hand voll getriegt,« und mit der Hand H
voll Strafe zielte er auf den Schimmel,
der doch dem Verhängniß zum Opfer
gefallen war. Er hatte beide Vorder- «
beine gebrochen gehabt und war noch in
der Nacht durch einen Flintenfchufz von
feiner Qual befreit worden. Die ein
zige Strafe für den Bauern, dem das
Berenden des treuen Thieres doch nahe
ging . . . .
W
Ier blinde Kam-.
--.....--..
Von P. Hallftrisnn
Frau Agplunds neues Dienstmäd
chen, Christine, hatte gerade leine guten
Tage· Aber wenn die Frau auch zuwei
len etwas mißgeftimmt war, Du lieber
Gott, sie war ja auch so alt. einsam
und lranl! Und Chrisiine war auch
nicht oerwöhnt und fühlte sich recht
wohl in ihrer Stellung. So hätten sie
lange zusammen leben können, wenn
nicht das Schicksal Gefallen daran ge
funden hätte, auch diefe Bande zu zer
reißen.
Eine-« Sonntags Abends, als Frau
Asplund in einen halbfchlummer ge
fallen war. fafz Christine in der Küche.
Plötzlich hörte sie, wie etwas an der
Fläiir taftete und dann gegen dar-Schloß
te .
Als sie öffnete, lah sie, wie eine ge
beugte Gestalt sich aufrichtete und sich
die Stirne rieb.
Auf Christinens erfchreckte Frage
antwortete der Mann:
»Ja, es thut ein bischen weh, aber
gefährlich ift es nicht; es gefchieht recht
oft, daß ich mich stoße, denn ich bin
blind.«
Wie leid er ihr that! Und in ihrem
Mitleid fagte sie:
»Ach, sind Sie blind, Aermster?«
Dann kommen Sie nur in die Küche
und ruhen Sie sich aus! Sind Sie ganz
blind? Können Sie auch hier nichts fe
hen, wo es doch so hell ist?«
«Nein«, erwiderte er, und mußte
darüber lachen, daß es ihr fo schwer
wurde, zu begreifen. daß er volllornmen
blind wäre. — Es lag etwas fo hilf
loses und Kindliches in feinem Wefen,
daß sie fuchte, es dem Fremden fo an
genehm wie möglich zu machen
Während des Gesprächs stellte er sich
vor. Er heiße Quill. bewohne feil ci
nigen Tagen ein Zimmer auf dem Bo
den und ernähre fich mit Körbeflechten.
Und Chriftine hörte gespannt zu
und fah ihn an mit Augen, beinahe
ebenfo blind wie die feinen von Thra
nen der Rührung Sie hatte die größte
Mühe, nicht ihre rothen, rauhen Arme
um feinen hats zu ichlingen. mit ihtn
zu weinen und über ihr eigenes Leben
zu spreche-d · ·
Dann erzählte er. wie nett er einge
richtet wäre. nur schade. daß niemand
zu ihm lam, um sich fein Stäbchen an
zusehen.
Manchmal fpielte er auch die Flöte
und dann fang fein Kanaeienvogel mit
ihm utn die Wette. Scherzend behaup
tete er dann, daß er gegen die Thür ge
fallen wäre. weil er durch das Schlüs
fellpch nach dem fchiinen Mädchen
schauen wollte, von dem er hätte spre
chen hören.
Zuleht wurden sie geradezu übermit
thig, und ei wäre noch lange so weiter
; gegangen, wenn nicht der Blinde eine
; Bratpfanne hinuntergeworfen hätte,
als er ausgelalsen lachend den Kon
nach hinten ilberbeugte.
Da ertönte aus dem Zimmer ein tie
fes Stöhnen. Es war Frau Asplund,
die erwachte und mit ihrem rafchen
Kombinationjvermögen loiort liber
zeugt war, daß Feuer ausgebrochen fer
und sie nun verbrennen müsse.
!
W
Christine schob eiligst ihren Gast zur
Thitr hinaus und begab sich dann zu
ihrer Gebieterin. um sie zu beruhigen.
Das kostete Zeit und Mühe, und
i Christine mußte sie in die Küche füh
Z ren, damit sie selbst nachsehen konnte.
: ob alles an feinem Plahe stände. Das
Vertrauen der Frau zu ihrer Dienerin
war jedoch geschwunden, und sie ließ
sich nicht ausredem dasz Christine et
l was zu verbergen hatte. Das stimmte
; ja auch, denn der Blinde larn ost, um
! sich auszuruhen, bevor er seine vier
k Treppen hinauftletterte.
F Obgleich sie viel Aerger seitens der
. Frau zu erdulden hatte, fo konnte sie
I es doch nicht übers Herz bringen, ihn
T abzuweisen, und eines Sonntags
Abends ging sie sogar mit ihm hinaus
Auf fein Nimmst
Dasselbe war llein und iiußersi
dürftig ausgestattet Der Blinde hatte
eine Lampe angezündet und iastete eis
rig mit den Händen daran herum, utn
zu präsen, ob sie auch ordentlich brenne.
»Wie nett und gemiithlich es hier
ist!« sagte Christine. Er schien so er
sreut iiber diesen Ausspruch, daß sie
gern noch etwas mehr gelogen hätte —
ihm zu Gefallen
Das Gespräch wurde bald heiter, und«
Quist holte alles hervor, um es stolz
zu zeigen — seine Kochgeriithe, ein Per
leniissen und seine Kostbarkeiten.
Schließlich holte er seine Flöte von
der Wand herunter und begann zu spie
en
Wie fröhlich und leicht, wie innig
glücklich und srisch das klang!
Zuletzt wurde das Spiel unruhig. er
hörte plöylich aus und dann brach er
los:
Ob sie ihn ein wenig gern hätte, ihn
heirathen wollte, ihn, den Atmen, den
Einsamenl Er liebte sie so sehr und
war auch überzeugt, daß sie schön sein
mußte.
Das Geständnis war so überraschend
gekommen, daß Chrtsiine ganz aus der
Fassung gerieth und stürmisch anfing
zu schluchzen.
Es waren nicht Thränen der Ver
zweiflung, sie sühlte nur etwas so Un
gewohntes in der Brust, etwas so be
unruhigend Neues.
Quisi stagte ganz entsetzl:
»Sie mögen mich also garnicht?«
»Buch, doch! Ganz gewiß!«
»Glauben Sie also . . .?«' Er wurde
ganz blaß und streckie seine Hände aus.
»Ja, ich glaube, daß....« Die ar
men Hände hatten so rasch die ihrigen
gesunden !
Nach einer Weile fragte sie verlegen :
»Glaubsi Duvwirilich daß ich hübsch
bin ?«
»Ja natiirlich ! Du bist ia so lieb und
gut! Das geht doch immer Hand in
Hand i«
Hiibsch ! Sie mußte bei dem Gedan
ken lachen, aber angenehm war ihr diese
Verehrung doch.
Da ging der Blinde, zu glücklich, um
es unter seinem niedrigen Dach aushal
ten zu können, hinaus in's Freie, iiber
sich die Nacht und die Sterne. von denen
er wußte, daß sie io schön sein sollen.
Er wars den Kopf zurück und wandte
sein strahlendes Antlitz dern Fenster pu,
das er erleuchtet wußte, aus dem sie hin
adsbliclte, die ihn liebte trotz seines Ge
brechens.
COE
Ob der Kleine Recht hat?
Eine hübsche Schulgeschichte 1oird aus
dem badischen Unterlande berichtet.
Ein junger Lehrer gab seiner Klasse
biblischen Unterricht iiber die Scho
psungögeschichir. Als er seine tieinen
Schüler fragte. warum nur Eva sich
von der Schlange habe verfiihren lat
sen, Adam aber nicht« antwortete ei-:
Junge von neun Jahren promot:
»Weil die Weiböleuk biet dämmer sind,
als die Mannsleut’!« Der Kleine er
regte selbstverstiindlich nicht geringe
Heiterteit.
Des Kaisers neuer Mar
st a l l. — Der neue Marstall des deut
schen Kaisers ist jetzt vollständig bezo
gen Jn dem neuen Gebäude am
Schloßplatz sind gegen 300 Pferde un
tergebracht. Sie sind aus zwei iiber
einander liegende Stalle vertheilt. Die
Leibpserde des Kaisers, die von ihm
täglich geritten werden« sind besonders
untergebracht. Die grosse Mehrzahl der
Pferde entstammt heimischen Gestiiten;
meist sind es Tralehner. Auch mehrere
Ponies sür die jüngeren Prinzen stehen
in den Reihen der Reitpferde.
Ein FrauenblieL
Deteitiv: haben Madame nicht ei
nen Mann und eine Frau in einem
Buggh hier vorbeisahren gesehen?
Hausfrau: Jaroohl, vor einer
Stunde eitva !
Detettivx Dann bin ich aus der rich
tigen Spur. Erinnern sich Madame
noch, was slir ein Pserd sie hatten?
Hausfrau: Nee, das hab' ich nicht
bemerten können — sie sind zu schnell
vorübergejagt. Jch weiß nur soviel,
daß das Frauenzimmer eine Sealstins
jarte getragen hat, einen rothen
Schtips. ein paar seine Diamant-ihr
ringe und einen Hut mit Zabelpelz gar
nirt und mit einer großen Feder, das
haar it la Pompadour srisiri und ei
"nen violetten Schleier vor’m Gesicht.
Das ist Alles-, was ich in der Eile hab’
sehen tsnnent
Es ist ja alles-das
»Der Schmidt hat aber ’ne Frau, die
sich gewaschen han«
see-Ja und et ist des Waschlqppmxsks