Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 17, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Shjkntajzjg - Ist-Akt
Beilage des ,,chraska Staats-Anzeiger und Herold«.
J. P. Windolph, Herausgeber-.
Grund Island, Nebr» den 17. Mai 19()1.
Jahrgang 21. No. 37
W
net-et neu Tod hinaus — ’
Eine Erzählung nach dem wirklichen
Leben.
Rauschende Musik erfüllte die von
strahlendem Kerzenglan durchsluthe
ten Räume. Aus allen Wangen glühte
der Abglanz heiteren Genusses, und
die Freude leuchtete aus jedem Auge.
Nur einer von allen Gästen zeigte ein
ernstes, beinahe finsteres Gesicht. Ein
sam stand er. in eine Fensternische ge
lehnt, mit gekreuzten Armen, und
seine brennenden Blicke folgten einem
tanzenben Paare. Ein stolzer, statt
licher Mann. Jn den fünfziger zah
ren. die er hinter sich hatte, waren ihm
wohl schon die dichten Haare ein we
nig ergraut; aber aus den festen Zü
gen seines Gesichtes und aus dem
scharfen Blick seiner Augen sprach
noch die ungebrochene Kraft des Le
bens. Und dennoch stand er in sich zu-.
sammengesunten, fast gebeugt, als
läge eine Sorge drückend auf seinen
Schultern.
Eine Sorge? Konsul Eduard Rot
tenbach, der reichste Mann der Stadt,
der Chef eines Welthauses·« und
eine Sor e? Fast schien es unglaublich.
Aber die e Sorge sprach allzu deutlich
aus dein leisen Beben seiner sarblosen
Lippen, aus der erregten Spannung
feiner iige und aus dein heißen, tro
ckenen lanz seiner Augen. Und diese
Augen suchten immer das gleiche Ziel. .
ein junges Weib von blühenden mad
chenhafter Schönheit, das mit willen
loser Hingebun in den Armen ihres
Zanzers lag. as war ein junger
4t-- L-t7-— m-—- sss tin-m
Aus-such »Gut-« »aus-. k-« . .......
Jahr von aller Welt genannt wurde.
Rastlos folgten diesem Paare die
sinsteren Blicke des einsamen Mannes.
« uweilen aber auch die Blicke anderer
«ste. wei junge Männer, die an der
Säule tanden, schienen nur von die
sem Paar zu sprechen; und aus ein
Wort des einen mußte der andere so
laut auslachen, daß ihn alle Umste
benden mit erstaunten Augen betrach
teten. Da zog er den Freund am Arm
mit sich fort, und so wollten sie unter
lachendem Geplauder in eine Fenster
nische treten. Nun plötzlich verstumm
ten sie. . . . Eduard Rottenbach stand
vor ihnen. . . . alle beide wurden ver
le en. und der eine erröthete sogar,
wahr-end er sich und den Freund un
ter einem stammelnden »Pardon!«
von der Nische zurückzog. Kichernd
gingen sie davon, blickten noch einmal
zurück und verschwanden zwischen den
Gästen, welche das Bufset umdräng
ten.
Der Einsame erblaßte, und seine
geballten Hände sanken. Hatte er ein
böses Wort gehört. . . oder hatte er
geahnt, was diese beiden gesprochen!
Ungestüm richtete er sich aus und trat
" aus der Nische hervor. Soeben war
der Tanz zu Ende, und als der Kon
sul seine Blicke an den Wänden ent
lang über die gepolsterten Sitzreihen
leiten ließ, sah er in einer Ecke des
aales die schöne, junge Frau —
nnd an ihre Seite wieder jenen An
deren-, er sprach und lachte und sie
schaute zu ihm aus mit strahlenden
Au en.
- s zuckte etwas über das Gesicht des
Konsuls, als möchte er auf diese beiden
zustiirmen und sie auseinander
reiszen mit ornigen Fäusten. Aber
nur ein her es Lächeln slog um seine
schmalen Lippen; dann wandte er sich
ab, oerliesz den Saal und begab sich
in’s Rauchzinimer. Eine kleine Gesell
schaft älterer Herren war hier in leb
haftem Gespräch versammelt; die An
tunst des Konsuls schien ihnen will
kommen, und bevor er noch Platz ge
nommen hatte, war er schon in eine
Debatte über irgend eine wichtige Er
scheinung des geschäftlichen Leben ver
wickelt.
Er sprach mit lauter Stimme und
mit«unermiidlichem Eifer, als hätte
er betäuben und ersticken tönnen, was
in ihm iobte mit schmer« endet Ge
walt. Ob in solchem Geipräch eine
Minute oder eine Stunde vergangen
war. . . . er wußte es nicht ..... er
fühlte nur plötzlich, wie eine Hand sich
aus seine Schulter legte. Da sprang
er aus und starrte in das verdrossene«
harte Gesicht seines Bruders.
»Ich will Dir einen guten Rath ge
ben,« hörte er den Bruder sliistern.
»es wäre besser, wenn Du Nenate
nach Hause sühren würdest. Sie be
nimmt sich. . . . ich will es nicht mehr
länger mit anhören, wie schon alle
Mäuler darüber sprechen!«
»Robert!« slog es mit einem schar
sen, zornigen Laut über Eduards
Lifpenx doch als seine Augen dem
ia ten Blick des Bruders begegneten.
sei-i ink- iwi trimi mit die Brust: er
nickte nur und ing schweigend davon«
umsRenate zu uchen. Jrn Salon sank
er sie nicht, auch nicht im großen
Saal. . . . weder sie, noch ihn. Er
eilte durch eine Reihe ossener Gemä
cher, aus deren letztern eine kleine, von
Palmsächern überdachte Treppe ir
den Wintergarten führte. Nun hört(
er die leidenschaftlich bebende Stimm·
jenes anderen:
S«»Fprechen Sie, Renate, sprecher
« ce.«
Jhre Wangen glühten, ihr Bufer
hob und senkte sich unter glühender
Athemziigen. . . . schon lag ein Wor«
aus ihren Lippen, da hörte sie in
Sande die lnirschenden Tritte. Si
schaute empor; ein jähes Erblasser
flog über ihre Züge, und ein Schaue1
rann ihr über die nackten Schultern
Was sie erblassen und schaudert
machte. . . . war es der brennend
Blick ihres Gatten, oder war es di·
kalte Nachtlqu welche durch ein ofse
nes Fenster ihr glühendes Gesteh
überhaucht hattet
»Renate,« stieß der Konsul mit hei- I
serer Stimme hervor, »ich wünsche
nach Hause zu sahren.«
Sie erwiderte teine Silbe, aber in
das bleiche Wachs ihrer Wangen schoß
ein zorniges Noth Doch gleich wie
der lächelte sie, und während sie
ihrem Tänzer die Hand um Kusse
reichte, nickte sie ganz leise mit dem
Kopfe und ließ die Lider über ihre
prahlenden Augen sinken. Das Ge
rcht des Konsulö wurde fahl; aber
chweigend reichte er seiner Frau den
tm. « « «
Jn dem schautelnden Coupe suhren
sie durch die stille Nacht ihrem ause
Ri. Keines vonihnen sprach ein ort
ur als Renate den weichen Pelz von
ihren Schultern streifte und hastig, als
würde ihr zu schwül in dem engen
Raum, das enster niederließ, mahnte
er sie, der lü len, gefährlichenNachtlust
m denken.
»Las3 mich!« stieß sie hervor. Dann
befiel sie ein Huftenreiz, den sie mit
ihrem Spipentuch erstickte.
Da grif er über ihren Schoß hin- i
weg und schlon das Fenster. SieT
ruhrte sich nicht; und auch er lehnte sich
wieder in seine Ecke zurück. . . und
dachte. . . . an alles. . .
Wechselnde Bilder flogen vor seinen
brennenden Augen vornher, all’ die
Bein dieser Na t, all’ die ban en
TIveifel dieser etzten Wochen, a es
Glück des ver angenen Jahres. Hatte
er dieses Glii denn auch verdient?
Was hatte er gethan, urn es zu gewin
nen. Ein Scherflein von seinem Reich
thum hatte er hingegeben, um einen
ruinirten Mann zu retten —- um der
Tochter willen. Und wie war ihm
Nenate so dankbar gewesen« Nach die
sem Dank zu greifen mit seinen Hän
den. . . . wohl hatte man ihn gewarnt,
der Bruder und auch eine Stimme in
der eigenen Brust. Aber sie war so
schön, so unsagbar lieblich. Wie ein
warmer·leuchtender Sonnenstrahl war
sie in sein dunkles einsames Haus ge
kommen; sein Neichthum bekam erst ei
nen Werth fiir ihn, als er die Freude
sah, die es der jungen Frau bereitete,
dieses Geld zu verschleudern, mit bei
den händem Sie wußte so wunder
sam zu lachen. . und sie verstand es so
gut, aus seinem herzen hinauszuw
chen, was sich kalt und schleichend da
rin schon einzunisten drohte. . . das
Alter. Und dieses Lachen sollte nun
ausgetlungen haben. . . für ihn! Nun
sollte kommen, »was kommen mußte«
. . . wie der Bruder sagte. Nein!
Nein! Das würde er nicht überleben.
Alles lieber verlieren, Haus und Be
sitz, das Leben, Alles, Alles· . . nur
nicht sein Weib, nicht seine Sonne!
,,Renate!«
»Laß mich!«
Mit dumpfem Knattern rollte der
Wagen unter ein hellerleuchtetes
Thor. Als der Konsul die Schwelle
seines Hauses betrat, flog Renate
schon die teppichbelegte Treppe empor.
Er wollte, er mußte mit ihr sprechen;
doch ihre Thür blieb verschlossen.
Noch lange Stunden wanderte er in
seinem Gemache auf und nieder; der
Morgen graute schon, als endlich der
Schlaf auf seine brennenden Augen
fiel.
st- i· III
Es war heller Tag, als der Konsul
eweckt wurde. Und zu Tod erschreckte
ihn die Nachricht, die ihm der Diener
brachte: Die gnädige Frau wäre er
krankt, sie scheine tm Fieber zu lie
en.
g Zugleich mit dem Arzte betrat er
das Krankenzimmer, und nieder
schmetternd wirkte auf ihn, was er
hörte: eine, Lungenentzündung im
Anzug. -
Sie lag schon in Fieberphantasien
und erkannte ihn nicht mehr. m
Fieber sprach sie. . . von jenem n
deren; im Fieber lachte sie . . . . jenem
Anderen galt es; und er saß dabei,
hielt ihre glühenden Hände gefaßt und
betete für ihre Genesung.
Drei Tage und drei Nächte rang sie
um ihr junges, schönes Leben. Dann
erlosch es. Eine Stunde zuvor hatte
sie noch einmal das Bewußtsein gefun
den und hatte erlannt,« wie es um sie
stünde. Da hatte sie die Arme um den
hats ihres Gatten geschlungen und in
Verzweiflung ausgeschrien: ,,Hilf mir,
Eduard, hilf mir!«
Wenn er es nur gelonnt hätte, er
hats es gethan, auch um den Preis
feiner Seele und seiner Ehre.
Nun lag sie aufgedahrt zwischen
brennenden Kerzen. Und die ganze
Nacht saß er an ihrer Seite und starrte
auf das kleine, stille, wächserne Ge
sichtchen und auf die dünnen Li
der, durch welche die großen, dunklen
Augensterue noch leise hindurchschim
merten.
Als es orgen wurde, ging er an
die Arbeit. . . um zu vergessen. Unter
den hundert Briefen, welche gehäuft
auf·seinem Schreibtisch lagen, fand
er einen . . . der Stempel war schon
zwei Tage alt. . . . und der Brief war
an Renate gerichtet. Ein zierliches
Couvert und ein Apistopf als Siegel.
War jener Andere nicht ein Jahr in
Egypten gewesen?. . . .
Er zitterte, daß ihm das Blatt
schier aus den Fingern fiel, und es
kam ihn die Lust an, diesen Brief mit
gänden und Zähnen zu zerreißen· . .
ann aber richtete er sich aus, schwer
athmend stieg er die Treppe empor und
schob den Brief unter die bleichen, kal
ten Hiinde, siir die er bestimmt war.
Lange stand er vor ihr, bis sich eine
Hand aus seige Schulter legte.
»Trd«ste Dich, Eduard,« klang die
harte, kühle Stimme des Bruders. . —
»es ist besser so!«
Er aber schüttelte den Kon .....
und als gerade am trüben Himmel das
ziehende Gewölk die Sonne sreigab
und durch das Fenster ein goldiaer
Streif in das Zimmer und über die
Bahre fiel, da griss er mit beiden
Händen nach dem leuchtenden Strahl
und brach in heftiges Schluchzen aus.
--«.— -——.————·
Aue Londoiss ZeitungevierteL
Noch bis vor Kurzem hatte es in
England für ein Staatsverbrechen ge
golten, über die Verhandlungen in der
Kammer Berichte zu veröffentlichen,
und-Dr. Johnson, der Vater des eng
lischen Journalismus, mußte seine
Parlamentsbriefe nach Hörensagen
versassen und unter demDecltitel »De
batten isir Senat von Lilliput« erschei
nen lassen. Die Zeiten haben sich ge
ändert. Ueber dem Stuhl des Spre
chers im Unterhause, an den die Ab
» geordneten, wie es die ungeschriebenen
» Gesetze des Hauses erheischen, sich
i wenden, ist eine geräumige Tribüne
für die Presse angebracht, und zu ihr
hinauf, mehr oft als zum Sprecher in
seinem gothischen Stuhl, sprechen die
»Gentlemen of the House of Com
mons«, Reichsboten wie Minister der
Krone. Ja, wer weiß wie viel, oder
besser wie wenig überhaupt noch ge
sprochen würde, wenn da oben nicht
die Herren mit ihren Bleistiften und
Notizbiichern saßen, die erst der gro
) ßen Welt drauß-n die Weisheit ver-—
miteln, die hier »An beredten Lippen
strömt.
Man hat ihnen hinter der Tribiine
eine ganze Flucht geräumiger Zimmer
zur Verfügung gestellt, wo sie arbei
ten, speisen, sich unterhalten und der
Ruhe pflegen können. Statt des einen
Mannes, der mit Hülfe aufgehaschter
Redebrocten in seinem ärmlichenDach
stübchen ganze Parlamentsdebatten
ersinden mußte, finden wir in diesen
vornehm ausgestatteten Räumen heute
Hunderte von Journalisten. Der par
lamentarische Stab der ,,Times« als
lein besteht aus 18 Berichterstattern
von denen ein jeder 10 Minuten auf
der Tribiine verweilt. Dann löst ihn.
ein zweiter ab, diesen ein dritter u. s.
w., bis wieder die Reihe an den ersten
kommt. Dieser hat die Zwischenzeit
benutzt, sein Stenogramm zu über
tragen.
Die Vertreter der meisten Zeitun
gen besorgen dies mit der Tinte und
Feder; die »Times« benutzte eine Zeit
lang ihren Fernsprecher, den sie sich
eigens hatte vom Unterhause in den
Setzerraum zu PrintingHouseSquare
legen lassen. Dort waren die Schall
rohre dicht am Ohre des Setzerg an-.
gebracht und dieser setzte sogleich die
Rede, wie sie ihm der Berichterstatter
Wort siir Wort aus seinem Steno
gramm verlas. Seit einigen Jahren
ist diese Einrichtung jedoch wieder ab
geschafft worden, weil erstens jetzt die
Sitzungen im Unterhause sich selten
iiber die Mitternachsstunde ausdeh
nen, und dann auch, weil die Nerven
vein für den Seher aeradezu uner
F
träglich gewesen sein soll.
DerStenograph ist heute nicht mehr
die wichtigste Person im Parlaments
stabe einer großen Londoner Zeitung
Der Borrang gebührt den politischen
Mitarbeitern, die dem Gang der Ver
handlungen folgen, um ihn am näch
sten Morgen ihren Lesern in einen
Ueberblick auszutifchen. Von einer ge
schickten Feder besorgt, ifi dieser Ue
berblick sehr fesselnd, giebt es doch aus
dem Erdenrund kaum einen Platz, wc
man den Puls der Weltgeschichte sc
lebendig zu fühlen vermeint, wie in«
House of Commons. Auch der Lobby
Vertreter ist von Wichtigkeit; er ver.
wickelt die Abgeordneten in den Wan
delgängen in’s Gespräch und entlocl
ihnen oft wichtige politische Nachrich
ten. Keiner versteht es besser, solch
parlamentarischen Momentphotogra
phien schnell und sicher aufzunehmen
wie J. P. O’Connor, der als irifche
Abgeordnete eine einflußreiche Stirn
me in den Debatten des Unterhause
- hat und überdies über eine sehr ge- s
wandte Feder verfügt.
Was hat O’Connor in den 15 bis
20 Jahren, die er dem Jounalismus
angehört, nicht alles schon geschrieben,
wieviel Zeitungen hat er nicht gegrün
det, um sie dann, nachdem er sie zu
Ansehen gefördert, für ein Erkleckli
ches andern Händen zu überlassen!
Erst kam der »Star«, ein radikales
Abendblatt, das für einen halben
Penny verkauft wird, dann die ,,Sun
day Sun", die, solange O’Connor sie
leitete, eines der lesbarsten Sonn
tagsblätter Londons war, und zuletzt
die »Sun«. Seine Arbeitskraft ist
unermüdlich. Jst es doch kein Ge
heimniß, daß «O’Connor bei der Nach
richt von dem Tode seines Freundes
undParteifiihrers Parnell in einer
Nacht und einem Tage die ganze Le
bensgeschichte des ,,ungetriinten Kö
nigs von Jrland« verfaßte, ein Buch
von mehreren hundert Seiten.
Freilich der wahre journalistische
Instinkt verräth sich erst in dieser Fä
higkeit, zu jeder Stunde und in der
türzesten Zeit den Gedanken kurzen,
treffenden Ausdruck zu geben. In
allen Ländern, in denen es echte Jour
nalisten giebt, hat sich auch diese Be
gabung bewährt; manches des Besten
das in den Zeitungen erschien, wurde
unter dem Drange des Augenblicks ge
schrieben, während Minuten kostbar
waren und »Printers Devils« drau
ßen im Gange auf ,,Copy« harrten.
T. P. O’Connor ist einer von de
nen, die den ,,neuen Journalismus'«
in England eingeführt haben. Der
neue Journalismus bemächtigte sich
zuerst der kleinen Blätter, und es ist
gut, daß er in seinen unerfreulichsten
Erscheinungen bei diesen stehen ge
blieben ist; die Sucht, Aufsehen zu er
regen. Neugier und Kauflust der Le
ser durch Standalgeschichten zu er-.
ivecken, das unverfrorene Eindriugen
in das Privatleben sind keine nachah
mungswerthenErscheinungen im jour
nalistischen Wesen. Aber man muß
den Weizen von der Spreu sondern
und Stead, damals in der Redattion
der »Pall Mall Gazette«, war einer
der ersten, die neue Wucherpflanze auf
guten Boden zu versetzen, zu beschmi
den und tulturwiirdig zu machen.
Er führte das Jnterview ein und
begann, zu passenden Gelegenheiten
da der Stift eindrucksvoller wirkte als
das Wort, eine Illustration in seine
Spalten aufzunehmen. Dieses er
regte aroßes Aufsehen, obwohl es sich
im Anfang um weiter nichts handelte
als um ein vom Setzer mit seinem ge
wöhnlichenMaterial von graden, kür
zeren und längeren Linien zusammen
gefügtes Bild, einen Plan etwa, dev
die Lage eines Hauses, in dem ein
Mord begangen worden oder Aehnli
ches, anschaulich machte. Seitdem
sind die Jllustrationen, Bildnisse und
Ansichten in den meisten Zeitungen zu
finden. Ja, in einigen bilden sie diel
Hauptanziehung
Es ist kein Geheimniß, das die
,,Westminster Gazette« hauptsächlich
der Beiträge ihres Zeichners Frant
Carruthers Gould’s halber gekauft
wird. Gould versteht es, in wenigen·
kräftigen Strichen, die sich imSchnellJ
pressendruck leicht wiedergeben lassen
eine politische Karrikatur zu zeichnen,
die selten verfehlt, die Frage des Ta
ges in schlagender, von dem Schein
werser liberaler Kritik beleuchteter
Weise vorzustellen.
Die Neigung jenes Theiles Publi- (
lums, die Geschichte des Tages lieberi
im Bilde, wie der Stist es zeichnet,»
mit einem Blick zu überschauen, als
sich aus den Wortgemälden der
Schriftsteller von der Phantasie aus
zubauen, hat denn auch wiederholt zu
Versuchen geführt, eine tägliche Zei
tung herauszugeben, deren Haupt
werth nicht im Text, sondern in der
Illustration liegt. William Thomas,
der Begründer und Besitzer des ,,Gra
phic«, war sich von vorn herein der
» Schwierigkeiten seines Unternehmens
bewußt gewesen und hatte sür genü
gendes Kapital gesorgt, um sein neu
vom Stapel gelaufenes Schiff, den
,,Daily Graphic«, iiber Wasser zu
halten. Die Klippe ward umfchisst,
und jetzt ist der Daily Graphic längst
ein Unternehmen, sest in der Gunst
des Publikums und eine melkendeKuh
sür seine Besitzer.
Der Werth der Illustration siir
eine Londoner Tageszeitung läßt sich
am schlagendsten an einem Bilde be
weisen, das vom ersten Tage an ein
Merkmal des Daily Graphic war und
nicht wenig dazu beitrug, das Blatt
beliebt zu machen. Statt der in
Worte getleideten Wetterankündigung
die sich in den anderen Zeitungen fin
det, sieht man täglich aus der ersten
Seite des »Daily Graphic« eine weib- E
liche Figur, deren Stellung, Kleidung
und Umgebung die Wetterprognose
versinnbildlichen. Diese von Perry
Marquold gezeichnete junge Dame in
klassischer Gewandung gehört heute
zum festen Besitz des britischen Vol
kes. Einmal sehen wir sie, wie sie sich
fröstelnd die Hände über einem Koh
lenbeclen wärmt, ein andermal hält sie
die zusammengepreßten Hände dicht
an’s Kinn, während Haar und Ge
wand im Winde flatternz dann wie
der —— an schönen Sommertagen —
sitzt sie gelassen auf marmorner Bank,
ihr hübsches Gesicht blickt träumerisch
in’s Weite, kurz, täglich haben wir
mit einem Blick den Inbegriff des Ba
rometers vor uns, und es ist längst
süße Gewohnheit des Briten gewor
den, sich beim Morgenausgang Raths
von der jungen Schönen des »Daily
Graphic« zu,holen, ob es besser fei, zu
Stock oder Regenschirm, zu Pelzman
tel oder leichtem Ueberzieher zu grei
sen.
Bei Gelegenheiten, die dieNeugierde
des Publikums reizen, wie die großen
Schaugepränge der letzten Monate,
iibt der ,,Daily Graphic« natürlich
besondere Anziehungstraft aus. Die
Mittel, sich Bilder schnell zu verschaf
fen, sind zahlreich. Häufig bedieneni
sich die Zeichner der Brieftauben, die
ihre Stizzen sicher und in der That
im Fluge vom Schauplatze nach der
Reduktion bringen. Bemerkenswerth
ist es übrigens, wie die lünstlerischen
Eigenschaften der Zeitung sich auf den
Anzeigentheil ausgedehnt haben.
Kiinftlerifch beinahe, jedenfalls ber
vorragend als Erinnerungsbilder
waren die Zeichnungen des Dailyä
Graphic zu den Leichenfeierlichkeiten
für die Königin Victoria und den Re
gierungsantritt Edwards des Sieben
ten.; Jnserate, in denen Pillen und
Fleischextratte ihre Vorzüge anprei
sen, sind malerisch und ansprechend.
Einmal war es dem Dain Graphic
vorbehalten, sogar in die deutsche Po
litik einzugreifen. Es war tm Jahre
1895, zur Zeit des Krieges zwischen
Japan und China. Jm März dieses
Jahres brachte der Dain Graphic ein
Bild der Einnahme von Wei-hai
Wei, das ein Officier an Bord eines
der britischen Kriegsschifse, die von
ferne Zeugen des historischen Vor
gangs waren, entworfen hatte. Es
zeigt den Angriff auf die Festung von
der Land- und Seeseite. Jn der
Mitte sieht man die japanischen
Kriegsschisfe und Torpedoboote, im
Vordergrunde ankern drei mächtige
britische Schiffe, Spartan,Edgar und
Centurion. Ganz zur Rechten ent
deckt man ein kleines Schiff, mit den
erklärenden Worten des Zeichners
darunter: ,,Deutsches Flaggschiff
nur ein Segler«. Zufällig kam diese
Nummer der Daily Graphic dem
deutschen Kaisr zu Gesicht, und zwar
zur Zeit der großen Flottenvorlage.
Welchen Eindruck die harmlos ge
meinte Bemerkung des Zeichners auf
Kaiser Wilhelm machte, läßt sich da
raus ermessen, dafz er mit eigner-Hand
die Worte darunter schrieb: »Welch’
ein Hohn liegt darin!« Mit dieser
Randbemerlung versehen, gelangte
das Blatt in die Hand des Staats
ministers von Bötticher; der Austrag
erging nach London, die Restauflage
der betreffenden Nummer aufzutau
fen, und am Tage der großen Flot
ten-Debatte fand dann ein jeder Ab
geordneter auf seinem Platze im
Reichstage ein Exemplar der Daily
Graphic mit dem kleinen deutschen
Segler bescheiden an der Seite der
mächtigen fremdländischen Kriegs
schiefse, eine handgreifliche Illustra
tion des laiserlichen Wortes: »Bitter
noth thut uns eine große deutsche
» Flotte.«
Tragbate Dnnkclkainnter.
Der sranzösische Artillerie-Haupt
mann Hardy hat eine tragbare Dun
kelkammer erdacht, die geeignet er
scheint, viel Mi stände zu beseitigen,
die sich einem P otographen, der kein
ständiges Laboratorium zur Verfüg
ung hat, entgegenstellen. Die Ueber
schrift giebt das Wesen der Erfindung
an, die Abbildungen lassen die Einrich
tung des leicht herzustellenden Appa
rates erkennen. Er besteht aus einem
Kasten aus Holz oder Metall von etwa
26 bei 28 bei 38 Centimeter Größe.
Leicht und bequem zu transportitem
ist er dazu geeignet, alle Manipulatio
nen in seinem Innern bei sonst hellem
Tageslicht Und an jeder beliebigen
Oektlichkeit vorzunehmen, die völligen
Abschluß des Lichtes verlangen. Der
! Apparat enthält alle für die verschiede
nen Entwickelungssliissigkeiten und
Waschwasser erforderlichen Gefäße,
s einschließlich zweier Flaschen für Flüs
Fsigkeitem die den Entwickelungsptoceß
Ibeschleunigen oder hinhalten. Der
rechteckige Kasten kann links völlig ge
öffnet werden vermittelst eines Rah
! mens, der in Scharniren drehbar ist
und in geschlossenem Zustande durch
Haken gehalten wird.
Vorder- und Hinterwand sind mit je
einem rothen Glassenster versehen, die
so angebracht sind, daß durch sie der
Tragbatc Dunkelkammeru
Aeuszere Ansicht.
ganze linke Raum der Kammer, das
eigenttlicheLaboratorium, bequem ein
gesehen werden kann. Das rathe Glas
fenster der Borderwand ist durch eine
matte Glasscheibe geblendet, es liegt
ziemlich dicht am Entwickelunasbehäl
ter; das rothe Glas der Hintertvand
ist durch ein gelbesDecksenster, in einem
Rahmen drehbar und beliebia feststell
bar, geblendet
Jn der Abbildung, die den geschlos
senen Apparat darstellt, wie er bei den
Entwickelungsarbeiten benutzt wird,
bemerkt man an dem Verschlußrahmen
und an einem viereckigen, rechtwinkeli
gen Ausschnitt rechts an der Vorder
wand Stoffbekleidunqsen. Der Stoff
ist lichtdicht, die Bekleidungen endigen
nach dem Jnnern des Kastens zu in
einer Art Manschette, durch die der
Laborirende die Hände in das Jnnere
des Apparates einführen kann. Durch
elastische Einlagen ist für den gänzli
chen Abschluß des Lichtes auch wäh
rend des Laborirens gesorgt. Die Ab
bildung der Jnnenansicht läßt die be
sondere Einrichtuna der Bekleidungen
erkennen; diejenige links ist so dinien
sionirt. daß man den Apparat bequem
Tragbare Dunkelkammen
Innere Ansicht.
mit Platten versehen und diefe heraus-«
nehmen kann. Jm Jnnern oes Appa
rates find verschiedene kleinere Kam
mern eingerichtet, in denen die leicht
herausnehmbarem mit Deckeln bedeck
baren Schalen für das Entwickeln und
Abwafchen der Platten stehen.
Man kann die Dunkeltammer in
ihren Abmessungen so einrichten, daß
sie, ohne für den Transport zu schwer
oder für die Dunkelkammerarbeiten zu
unbequem zu werden, auch den eigent
lichen photographischen Apparat mit
allem Zubehör (Platten, Papier
Trockenbrett u. s. w.) ausnehmen kam-.
Durch die Glas-scheiden in « den
’ Längswänden des Kastens kann man
- sehr leicht die Entwickelung des Bilde-s
beobachten, wenn man den Apparat an
ein Fenster stellt; das directe Einfallen
des Sonnenlichtes muß selbstverständ
lich hierbei vermieden werden. Gegen
Ende des Entwickelungsprocesses kann
man ohne Gefahr das helle Glas ent
fernen und man sieht dann die einzel
nen Linien des Bildes deutlich. Für
den Transport der Dunkelkammer be
dient man fich eines schalenartig ge
theilten Kastens, dessen beide Hälften
man fehr gut zum letzten Abwaschen
der Platten an einer Wasserleitung be
nutzen kann.
Der Apparat erscheint sehr geeignet
fiir Zwecke an Orten, wo man die
nöthigen und üblichen Hülfsmittel
sonst nicht findet.
. ..-..-.-. - «
Tie vrimitivsten Formen der Eifenös
fen treffen wir an der Wefttüite Indiens
foivie ini Inneren von Afrika an. Die
Eifenfelnnelzen welche einer niederen
Ratte angehören, ziehen häufig von Ort
zn Lrt nnd bauen ihre einfachen nnd
höchst unvollkommenen Apparate dort
anf, wo es ihnen möglich ist, die Erze
nnd siohle leicht zu beschaffen. Ihre
Leer bestehen ans einem 4 Fuss hohen
runden Samt. welcher 1 Fuß weit ist;
derselbe ist ais-J Thon aufgebaut und be
sitzt unten zwei Oeffnungem von welchen
die eine zur Einführung des Gebläses«
die andere zum Abflnffe der Schlach
tvelilie fiiv aus den ini Erze vorhande
nen Silieateu bildet, dient. Die Blase
liälge sind gewöhnlich aus « ieaeufell
oder Viiffelhänten hergestellte äcke mit
einer Duse aus Bambnsrohr oder aus
gehöhlte Baumstämme, in welchen
Stempel anf- und abbewegt werden. So
bald der Ofen angeheizt ist, werden oh
weehfelnd Lage-n von Hol kohle und zer
tleinertem Erze aufgege en, bis man
nach 4 bis 6 Stunden einen 5—-—30 Pfund
schweren boröfen Eifentlumpen erhält
welgier auf dem Ambosse ausgearbeitet
wir .