Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 19, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Ier dunkle kunnt.
«——.
sumoresle von T e o v. T o r n.
-.-. .,...-.--.-..-—..
ji Z Frau Alice d. zenberg hatte es
sehr eilig. Jhre angen waren getö
thet, und das kleine rosa bebiinderte
. Mubchen saß ihr schief aus dem dich
ten Blondhaar. Eigentlich trug man
heutzutage solche häubchen gar nicht
mehr, aber Frau Alice war schon seit
« vier Monaten oerheirathet und fand es
i fchauderhaft, in ihrem eigenen Hause
noch gelegentlich mit »gnädiges Fräu
lein« oder gar «Freileinchen« angeredet
zu werden.
Uebrigens wußte sie auch, daß sie
sehr niedlich darin aussah. Heute aber
hatte sie noch teine Zeit gehabt, sich
durch einen Blick in den Spiegel davon
zu überzeugen. Jhr Gatte hatte ihr
durch’s Telephon mitgetheilt. daß er
ein paar Freunde zum Frühstück rnit
hringen werden. Ein paar! Nach
Adam Riese sind das zwei. Für ihren
Gatten aber waren ein paar ein sehr
unbestimmter Begriff; es waren schon
acht Mann gewesen, mit denen er sie
überfallen hatte zu einer Zeit, da sie
knapp so viel zu hause gehabt, um
ihren ewig löwenhungrigen Mann al
lein zu sättigen.
Aber sie hätte nicht Alice v. Henzen
berg heißen müssen. wenn sie durch
dergleichen ernstlich irritirt werden
sollte. Sie war die gelehrige Tochter
einer energischen Mutter, die ihr als
obersten Lehrsatz in die Ehe mitgege
ben hatte: Laß dich nicht verblüffen
—- am Allerwenigsten aber von deinem
Mann!
Diesem Grundsatze getreu, oerspar
te sie es sich für später, dem Herrn Ge
mahl ob des heimtüclischen Ueberfalleg
ihre Meinung zu sagen, s chickte ihre Kö
-·- . chin eilends auf Einian aus und setz
Iij . te sich selbst in einen rasenden Betrieb.
. Und als Marie mit einem großen Kor
be vom Delikatessenhändler ankeuchte,
war der Eßtisch bereits so wundervoll
hergerichtet, daß sich nicht blos die
paar Freunde ihres Gatten, sondern
auch eine ganze regelrechte Hochzeits
gesellschaft daran niederlassen konnte.
Das fand auch der Assessor Fritz v.
henzenberg, welcher gegen alle Ver
abredung soeben eintrat, und zwar
ohn e Freunde.
»Alle Wetter, Schnuclchen, das ist
aber sein!« rief er, indem er einen be
wundernden Blick auf den Tisch warf
und sich dabei feiner handschuhe ent
ecuigir.
»Na und —- ?« fragte die kleine
Frau gedehnt und sah. mit einer
Schüssel voll Preißelheeren in der
band ihren Gatten mit großen Augen
und offeneni Mündchen einen Moment
sprachlos an
Der Assefsor barg umständlich seine
handschuhe in einer der hinteren Rock
taschen, zog ein paar-mal seinen sorg
fältig anfgehiirsteten Schnurrhart
durch die Finger und ließ sich mit ei
ner Art geflissentlicher Behaglichkeit,
welche Frau Alice längst als Masti
rung seiner Verlegenheit kannte, in ei
nen Sessel nieder.
»Ja, sieh mal, Schnuckchen,« sagte er
dann gedehnt, »— aber der Tisch ist
wirklich reizend hergerichtet, das muß
man sagen!«
»So laß doch den dummen Tisch!
Wo sind denn deine Freunde?«
»Meine Freunde, hin —— jetzt ist es
eigentlich blos ein Freund.«
«Einer?« Frau Alice stellte die
Schässel mit einein hörbareii Ruck auf
den Tisch und zerrte heftig an den Ach
selbiindern ihrer Schürze, was ein ab
solut sicheres Sturmzeichen war.
»Ja, sieh mal. die Anderen wollten
nämlich nicht«
»Wollten nicht?!«
»Nein, ich kann wirklich nichts da
für, Kindchen,« entgegnete der 5Bisses
sor mit der Hand auf dem Herzen.
«Zuerst war die ganze Band Feuer und
Flamme dafür, hierher zu gehen, und
da habe ich dir telephonirt, wie du das
siir solche Fälle wünschtest. hinterher
hab-en fie es sich aber wieder anders
til-erlegt. Sie meinten, da sie ja nur
ans einen Tag hier wären, sei es im
«sriiiitde stumpfsinnig, Familie zu
n.«
»Seit« rief die junge Frau em
IT »Und was sind denn das für
M
die sich so benehnien?«
: ,»«Gott, du weißt doch, Korpsbriiden
H zu dein Festtonimers heute Abend
, inei- sind.«
Frau Akiee warf das Köpfchen auf
M verschränkte die Arme. »Da hat
also wieder recht, wenn sie sagt,
« · der studentische Verkehr sieh für
, nicht mehr schickt!«
M Mama das sagt —- Martia
· , is immer recht,« erwiderte der As
. mit einer etwas nntlaren
, f im TM, welche et aber sofort
M III-die herzlichleit korrigirte.
» M. Schnnckchen« —- er erhob
«. und legte seinen Arm um sie —
Wkgrsäadu It dieser Gele
M io u- ist: ich spii
» wie Wer-, nicht wahrt Aber
txt-nicht Jchin t«
« Mi« erwiderte die kleine Frau
- VII schielznelend »Dein Mensch
« - «
MS M erfunden hat, ist
. Asdcheih glaube
is M ich es iet- txt-inf
fällt, dann kann ich darauf schwören,
dick-s dieser gräßliche Mensch im Spiele
I «
Sie sagte das mit zuckenden Lippen
und ta ete in dem Morgentock nach
ihrem Taschentuch. Feuchte Nieder
. schlägel Der Assessor kannte das, und er
. beugte vor.
, »Jetzt willst du wieder weinen«, sagie
E er. indem er sich refignirt abwandteiund
mit dem Zeige inger an der Jnnenseite
seines mdttagens entlang fuhr, »und
« in läng eng drei Minuten wirst du mir
. sagen, daß ich dich nicht liede, daß ich
s dich nie geliebt habe. daß ich nur den
« dicken Großmann liebe und alle anderen
·- Menschem blos einzig und allein dich
nicht. Nicht wahr? Das willst du sa
cen —«
»Nun sagst du es ja selbst. daß du
mich nicht liebst«, schluchzte die tleine
; Frau.
: »Nein, zum Kuckuck noch einmal!
«. Das sage ich nicht! Das sagst du oder
- willst es sagen!" rief Henzenberg hef
« tig. Aber im nämlichen Moment war
I ihm seine Heftigteit schon wieder leid,
» und er lenlte ein« Er zog sie an sich und
· suchte ihr Köpfchen aufzurichten. »Nun
, sei mal vernünftig und sage mir. was
' du eigentlich gegen meinen Freund
Großmann hast. Jch habe schon oft be
" merkt, daß du eine heftige Abneigung
Tgegen den armen Kerlhegft. und ich
kann das einfach nicht begreifen. Groß
mann ist eine harmlose, prächtige Seele,
die nur den einen Fehler hat. daß sie zu
ihrem rechten Wohlsein ein bißchen viel
Feuchtigteit verbraucht. Aber. du lieber
J Himmel, irgend einen duntlen Puntt
- haben wir alle!«
Frau Ali:e richtete den Kopf auf und
; sah aus so großen, llaren Augen zu
- ihrem Gatten empor, daß sie eigentlich
noch gar nicht geweint haben konnte.
»Was haben wir alle?" fragte sie ge
dehnt.
. »Nun, einen duntlen Puntt!« lachte
- ker Assessor, herzensfroh. daß es mit der
- Thränenfluth diesmal noch so glimpf
lich abgegangen war. »Jeder Mensch
hat irgend etwas an sich oder in seiner
Vergangenheit, das er nicht gerne be
rührt sieht, dessen er sich schämt und das
man ihm eben zu gute halten muß.«
»F e d e r Mensch?«
»Natürlich, jeder.«
»Du . . . auch?«
Der haftige, tast atheiniose Lon dieier
Frage brachte den Assessor zur Ertenni
niß, daß er mit seiner philanthropischen
Bemerkung eine der größten Dummhei
- ten seiner ganzen dierrnonatlichen Ehe
J begangen hatte. Und die Bestätigung
dessen ließ auch nicht lanae auf sich war
ten. Frau Alice drehte ihr Taschentuch
in den nervösen Händchen zu einem
winzigen Knäu;l zusammen. schluckte
ein paarinal heftig und trat dann dicht
an ihn heran.
»Friß«, sagte sie mit einer Stimme,
die ruhig und gefaßt klingen sollte, die
aber dennoch den Sturm, den Taifun in
ihrer Brust verrieth, »Friß. ich bin dein
dir oor Gott und den Menschen ange
trautes Weib. Du wirst mir sagen, was
an dir oder in deiner Vergangenheit ist,
das dich geniert und das du nicht gerne
berührt siehst. Jch schwöre dir, daß ich
es dir zu gute halten werde; iein Wort
des Vorwurfs soll je über meine Lip
pen kommen! Aber ich muß es wissen!
« Hörst du — ich muß!« — »Nein Mensch
muß müssen's persiflierte der Assessor
und versuchte die ernst und flehend auf
ihn gerichteten Augen seines Weibes zu
tiissen. Aber da kam er schön an.
»Also es stimmt," hauchte sie entgeis
stert, »du hast etwas, das du mir ber
birgst. Sonst würdest du nicht mit ei
nein billigen Scherz darüber hinwegzu
gehen suchen. Es ist also wahr.«
Damit trat sie von ihm weg an’s
Fenster, schwer und schleppend, wie eine
gebrochene Frau.
Henzenberg blickte seiner Gattin ei
nen Moment mit offenein Munde und
auch sonst nicht gerade gescheidteni Ge
sichtsausdruck nach. Dann steckte er die
Hände in die Taschen und lachte laut
auf.
»Je t lachst du noch,« schluchzte die
kleine rau auf, indem sie sich auf einen
Stuhl am Fenster fallen ließ und den
Kon mit dem nun vollends abgerutsch
ten Höubchen auf die Fensterbani lehn
te, »lachst wo mir das Herz brechen
will daß du, der du mir der edelste und
beste der Menschen gewesen bist, so et
was thun konntest!
»Aber was habe ich denn geihani'·
schrie jeßt der Eies-einigte wild auf.
»Das wirst du schon wissen!" tönte
es gepreßt von der Fensterdant her.
»Glaubst du denn,ich hätte es nicht schon
lange gemerkt, daß dich etwas Schweres
bedrückt? Jch wollte dich nur nicht fra
gen, weil ich hoffte, daß du allmählich
den Muth finden würdest, dich inir an
zuvertrauen.«
»Jetzt wird es mir aber zu arg!«
brüllte der Assefsor und begann im
Zimmer herumzurasen. »Was soll ich
denn ve brochenha haben? Jchhabe we
der silörne Löffel gest ft,ohlen noch je
mand umgebracht! aß ich als zivdlf
jähriger Junge einmal Aepfel gemauft
habe ist längst verfährt. Und sonst
weiß ich nichts, was ich zu verbergen
oder zu gestehn-da hättet«
grau Mir-e richtete sich mit der Miene
fti r, fchnierzenireicher Manation
auf JaDass ft dir fest, nachdem du
s dich wider Willen verrathen hast. Aber
ich will nicht weiter in d dringen
s Dab hätte bei deiner ver Natur
keinen Zweck und als Geständniß file
mich auch seinen Werth. Du inu
W
; und vor den Mahnungen deines Gewis
s, Lenz Denn im Grunde bist du nicht
chlecht, Fris, ich weiß es, und du mußt
i furchtbar leiden. Wenn du also dein
; herz erleichtern willst, dann komm zu
; deinem Weibe, dessen Liebe alles ver
stehen und alles entschuldigen wird.«
- Henzenberg wurde ordentlich mitge
; rührt, so lächerlich und zugleich ärger
E lich die Sache im Grunde fiir ihn war,
· und es that ihm fast leid, daß er beim .
besten Willen nichts zu gestehen hatte. «
Ja, ihm lam sogar der Gedanke, aus ;
seiner Erfahrung irgend einen Krimi- «
nalfall herauszugreifem um der See
lenpein seiner kleinen Frau abzuhelfen.
An dieser lyrischen Verriicktheit wur- s
de et aber verhindert durch das Erschei
nen der verwittweten Frau Zollinspek«
tor Reimers, seiner verehrten Frau
Schwiegermama, die sich mit einem
ganz merkwürdigen Instinkt immer
dann einzustellen pflegte, wenn den
sonst lichtblauen Himmel der jungen -
Henzenbergschen Ehe ein Wölkchen trü- ;
ben zu wollen schien. :
Mit einem lauten Aufschtei stürzte
Frau Alice auf die streng blickende aite
Dame zu. und der ganze Schmerz ei
ner verlorenen schönen Illusion ergofr z
sich in die Worte: »Mama, er hat einen ;
dunklen Punkt!« F
Die Aussprache, welche Frau Rei- »
. mers sofort angebahnt, hatte tei- »
nen Erfolg gehabt; wenigstens den ·
beiderseits erwünschten nicht. Es
. herrschte die schwerathmende Stille ;
nach dem Sturm. Frau Alice barg-J
das Gesicht an dem vor Entriistungz
wogenden Busen der Mutter, und Fritz
von Henzenherg eraing sich in einer for
.cirten Zimmervromenadr.
Die erste, welche wieder Worte fand, :
mal sfkllll Mel Mc Is.
« »Ehe ich die Konsequenz dieser Szene
f ziehe, Herr von Henzenberg," saate sie
; mit bebender Stimme, »richte ich an
Sie die Frage, ob» Sie Jhre Worte zu
mir behaupteten, ich hätte einen dunk
; en Punkt, das will ich Ihnen noch hin
geben lassen. Es ist ja das Schicksal
aller urn das Wohl einer verheiratheten
j Tochter besorgten Mutter, dieserhalb«
verhöhnt oder verunglimpst zu werden;
aber daß Sie auch von meinem armen
Kinde einen dunklen Punkt behaupten,
werde ich rnir nicht gefallen lassen.
i Wollen Sie das zurücknehmen ?'«
. Der Asseisor blieb stehen und zuckte
wüthend die Achseln. Dann schöpfte er
tief Athern, als brauchte er gehörig«
» Luft, um noch einmal unterzutauchen
in dieses Meer von Mißverständnis
»Verehrteste Frau Marna,« sagte er
dann mit einer fast übel-menschlichen
Beherrschung, »ich habe Jhnen bereits
. zum hundertundzwölsten Male erklärt
E daß dieser dunkle Punkt lediglich eine
allgemeine Bemerkung war, daß ich we
E der Sie noch mein eigenes Weib mit ir
k gend einem Spezialpuntte belasten
’ wollte, sondern daß ich ganz im Allge
. meinen sagte, jeder Mensch habe In sei
)
E nem Leben etwas das ihn geniere. Es «
s braucht das nicht gerade ein Raubmord
: oder eine Brandstistung zu sein — ir
gend etwas, das vielleicht in seinen ei
jgenen Augen schlimmer scheint, als die
Welt es beurtheiien würde, wenn sie es -
Joüßtr. D a s habe ich behauptet, und
das behaupte ich noch!«
»Also Sie machen keine Ausnah
men?"
«Nein.«
«Gut, mein Kind,« wandte sich die alte
Dame entschlossen an ihre Tochter, »so
wissen wir, was wir zu thun haben.
« Kommt«
»Aber Mama!« fchluchzte die junge
Frau laut aus und machte eine heftige
Bewegung, als wenn sie zu ihrem Gat
ten eilen wollte. Frau Reimerö hielt
in der Nähe der Thür, als henzenberg
mit einer ganz ungewohnten Energie
auf sie zu trat.
»Das heißt denn doch die Sache et
was zu weit treiben, Frau Mama!«
rief er. »Ganz abgesehen davon, daß
Sie sowohl wie auch Alice in der näch
sten halben Stunde schon Jhr Unrecht
einsehen werden, habe ich teine Lust.
mich wegen einer eigensinnigen Ma
rotte vor meinen Freunden bloßstellen
zu lassen, von denen mich einer heute
besuchen wird. Amtsrichter Kerftem
den Sie, wie er mir sagte, noch von
Prtsrvalk her auch kennen, wird s on
in wenigen Minuten hier eint
und Sie werden begreifen —«
berg hielt erstaunt inne. Frau
Aliee tte bei dem Namen des Amts
richters einen leisen Schrei ausgestehen
und beide händchen an den Mund ge
preßt. Auch in den Wen der alten
Dame wich das Une ttliche einer
leichten Verlegenheit.
rücknehmen wollen Daß Sie auch von «
sie jedoch zurück und war schon mit ihr ·
s
l
i
i
Der Unenor putzte ano unv ruhe ge
dehnt, mit einem prüfenden Blick auf
Gattin und Schwiegermutter, fort:
»Er ist der einzige, welcher daran fest
hielt, hierher zu tommen, ein stiller,
liebenswürdiger Mensch, der Jhnen ge
wiß gefallen wird. Aber Sie tennen
ihn ja, nicht wahr?« «
»O ja, entfernt — —« erwiderte die
alte Dame, um dann gleich unniotivirt
lebhaft hinzuzufügen: »Aber ich muß
fort! Jch tvis hoffen, daß der Streit er
ledigt ist, und ich mich um Alice nicht
mehr zu sorgen brauche."
Sie nickte dein verblüfften Schwie
gerfa e faft freundlich zu, wars auf
ihre echter einen ermunternden Blick
und ging.
Frau Neimers hatte taum das Zim
mer verlassen, als Aliee auf ihren Gat- ;
ten zustiithe und ihn mit beiden Ar- !
nien trarnpshaft umfing. i
k Brit-« tits sit pathetisch. Ahn M
die Liebe und laß den Menschen nich
» kommen! Ich bitte dich so sehr ta
: kann ! Jch will auch nie wieder unar
« tig sein, wahr und wah:haftig nicht !'
»Aber, riebes Kind, ich begreif
nicht -——··
»Nun begreifst du wieder nicht !"
schmollte die kleine Frau und stampfte
sich abwendend, mit dem Fäßchen auf
»Ja, muß ich dir das nun doch sa en
was mich unsere ganze Brautzeit sin
durch so geniert und geöngstigt hat ?
Erlaß es mir doch !«
Der Assessor hatte nach einem tiefen
Blick in die reinen Augen seiner Frau
seinen Humor wiedergefunden und ver
harrte bocibeinig auf dem Verlangen
nach einer Generalbeichte.
»Ich bin dein dir vor Gott und den
Menschen angetrautet Mann,« erklärte
er mit einem tiefen Brustton, indem er
den Arm um ihre Schulter legte und sie
hin und her wiegte, »und du mußt mir
sagen, was dich bedrückt. Jch werde es
dir zu gute halten," fuhr er mit pathe
tischer Stimme fort, »und lein Wort
des Vorwurss soll je über meine Lip
pen kommen —- höchstens ’n Kuß t«
Damit preßte er seinen Mund auf
die frischen Lippen seines Weibes.
»Ach Friß,« seufzte sie, indem sie ihre
Arme fest um seinen Hals legte, »ei- ist
ganz etwas Schreckliche-It Sieh mal
—- —— es war vor sechs Jahren, ich ging
noch zur Schule —- da war Herr Ker
sten Referendar in Pritzwali und —
und weil er mich immer so ange
schmachtet hat« so —- wie ein tranles
hündchem weißt du —- da habe ich die
sem Schaf einmal ein Gedicht geschickt
—- Fritz« du sagst ja nichts! Jst
das sehr schlimm ?«
»Sehr.«
»Ach Gott, herziiebes Fritzlc Jch
werde es ja ganz gewiß nicht wieder
thun ! Sei gut ! Jch habe ja damals
schon von Mama solche fürchterliche
Ausschelte bekommen, und die ganzen
Jahre habe ich so schrecklich schwer da
ran getragen, es war ——«" is
«Dein dunkler Punkt,
Schnuckchen !« rief der Assessor lachend
und ließ die beschämte kleine Frau erst
eine ganze Weile lang nicht weiter zu
Wort kommen. Dann bedang er sich
schleunigst den Kummers und noch ei
nen Kuß an Eidesstatt aus, daß die
Mama diesmal die Stunde der Heim
iehr nicht erfahren würde.
Dann klingelte das -—-— Schaf, und
Frau Alice eilte, Toilette zu machen,
um dem Manne würdevoll entgegenzu
treten, der einmal —- —-«. Ihr dunkler
Puntt war ja jetzt ausgetilgt !
—
ampoi — zum nur-u
Humoreste von Arthur Bremer.
— --sp..—»
Jn tadelloser Balltoilette —- den
hellen Ueberzieher lang übergeworfen,
trat er in das Haus ein, dessen Thor
der Portier gerade schließen wollte.
»Na, Herr Müller, geht der Aufzug
nicht? O, nehmen Sie sich lein
Mijhe. ich fahre schon allein hinauf.
KomnV ja auch gleich wieder runter.
Will mich bei Tante Eulers sehen las
sen. —- Viel Leute oben ?«
»Massenhast«, sagte der Portier.
»O wehk« seufzte der Ball-Besucher,
öffnete dann die Gitterthür zum Auf
zug, trat ein und zog an.
Str. . .. setzte sich der Aufzug
langsam nach oben in Bewegung
»halt. halt," rief in diesem Augen
bliet eine weibliche Stimme. »Neh:
men Sie mich doch mit!«
Der Referendar zog an der Leine
und der Aufzug sant ianft wieder
herab. Galant öffnete der junge Mann
die Pforte und die junge Dame —--—
Balltleid, weiße Schuhe, heller Mantel
mit weißem Pelz —- schliipfte herein
»Oh!« sagte sie erstaunt den ele
ganten «Listjungen« betrachtend.
»’s ist auch»nicht mein Beruf«, sagte
der Reserendar, den Ausruf der jun
gen Dame wohl verstehend. »Treibt’s
nur manchmal mit als Sport. Erste
Eta e!«
« ein, dritte·«
«Oh.'zu Euler’s?« und er zog an
und der List ging wieder in die öhe.
»Sie machen also den Ball mit "
«W bin deshalb gelommen.«
» s iindert die Sache.«
«Wieso?«
»Richti, ich meinte nur . . . . ich hatte
eigentlich leine Absicht zu bleiben, jegt
a r . . . .'·
Ein abweisender Blick der jungen
Dame ließ ihn verstummen. Ein Blick
gilt-; geradezu oerächtlicher Kälte.
r .....
»Donnerwetter,« ries der Referen
dar plii lich, »was ist denn dass« und
es gab e nen Ruck und der Aufzug blieb
stehen. Mitten zwischen der zweiten und
dritten Einge.
Der junge Mann zog und zerrte an
den Striaenz der List rührte sich nicht.
Er drehte an den Kurbeln, der List
rührte sich noch immer nicht. Er drück
te aus alle möglichen Knopr derselbe
Erfolg — d. h. keiner.
»Wir stecken sest«,.Jagte der junge
Mann und wandte wie in ver
gweiflungjvoller Entschuldigung an
die junge Dame.
Länder-der kalte, verachtungjvolli
Bli .
»Mein herr«, sagte sie dann. »Was
Sie da thun, ist empsrend. Ich fordert
Sie aus. den Auszug sofort wieder in
Bewegung zu sehen. Nach unten oder
oben. wie Sie wollen· Aber soforti«
l «Meiue Gnädtgste,« entgegnete dar
is
auf es. »Ich Ihren Verdacht,
als set das GegewgißJ ein beabsichtig
tei, mit aller chiedrnheit zurück, «
und er griff wieder nach den Seiten und
Hebeln. »Ich werde thun was in mei
nen Menschenkraften liegt» ..« und
zog. Umsonst; der Lift riirhte sich nicht.
Sie sah ihm zu und biß sich mit ihren
kleinen Zähnchen fest auf die Lippen.
»Lafsen Sie mich verfuchen,«. fagte
sie und griff nach den Seilen.
»Bitte fehr,« sagte er. trat uriicl und
sank erschöpft auf das rothe liifchsofa
im Aufzug.
Nun war es an ihr. Sie zog und
J zerrte und zerrte und zog. Umsonst
Ein nervöses Zittern ging durch ih
ren Leib. ihre Hände umirampften
. förmlich die Stricke. eine zarte, flie
ginde Nöthe flog iiber ihr Gesicht, und
s hriinen der Wuth traten ihr in die
Augen.
Wunderliebliche Augen, wie der
. Referendar beim Scheine der elektri
- schen Lampe fah.
.-. «
»Meine Gnödigste, es thut mir un
endlich leid . . . ."
Sie aber warf ihm einen Blick des
? Hasses zu.
»Sie haben mich in diese Lage ge
bracht, Sie haben die Pflicht, mich
aus ihr zu befreien. Jch verlange es
I von Ihnen. ich will es. Jch lasse mich
s hier nicht lompromittiren.« ’
»Damit Sie sehen, daß mir diese
Absicht ferne liegt. werde ich das Ein- «
zige thun, was mir zu thun iibrig
bleibt. Jch werde Sie verlassen.«
Er war ausgestanden und schritt
entschlossen auf die Pforte zu. »
»Um Gotte-willen, was wollen Sie
thun?« rief die junge Dame und hielt
» ihn in ihrer Angst am Frackfchoofze zu
’ rück.
»Was ein Ehrenmann in meiner
Lage nur thun tann.« entgegnete er
mit Aplomb. »Da ich nicht hinaus-—
gehen tann, so werde ich mich hinaus-s
. stürzen.«
»Sind Sie denn wahnsinnig,« schrie
sie beinahe auf
Was soll ich denn thun? Gehen
» kann ich nicht bleiben will ich nicht
« also .....
,,.Dann . dann bleiben Sie. Aber
. es ift schrecklich«
»Fürchterlich,« betheuerte er. obs?
s gleich es ihm gar nicht so fürchterlich s
« vorkam. »Soll ich rufen««:"« fragte er
dann.
»Damit das ganze Haus zusammen- -
läuft. Damit wir zum Gespött Aller «
: werden Nein versuchen Sie es noch T
« einmal. Vielleicht geht es fest. «
Gehorsam stand der junge Mann
: auf Nach hatte er die Hand nicht
nach dem Seite ausgestreckt, als etwas j
Schreckliches. etwas völlig Unerwarte- -
tes geschah.
Das Licht im Treppenhaus, dag?
Licht im Aufzuge erlosch und tiefe,
schreckliche Finsterniß umgab die Bei
den.
»Um Gotteswillen!« rief sie. , ;
»Donnerwetter!« rief er
Die Situation war allerdings eine !
peinliche.
Eine dumpfe Stille trit ein. Platz
i lich hörte er ein Geräusch wie leises
t Weinen
i Das traf ihn schwer. Er wollte sich
zu sden Zugleinen hintaften. Sie hörte;
auch streifte er ihr Kleid. Da 1
s schrie sie auf
- Flämmchen auf. Das zweite Streich
»Zurua. Sonst ..... ont er re ei·
ich Sie.« ! . I O s
»Meine Gnödigste Sie.... Sie j
werden doch nicht glauben . . . ." i
»Sie sind ein Scheusal Mache s
Sie Licht oder . .. oder ich steche . . ·
und sie schluchzte laut aus. l
,,Gut,'« sagte er, »ich werde Licht i
machen.« Und er zog eine Streichholz:
schachtel aus der Tasche und setzte ein
Streichholz in Brand.
Der sahle, zuckende Lichtschein schien
die junge Dame zu beruhigen. Aber :
das Licht erlosch. Ein turzes Glims
men noch, dann zuckte ein neue-Z «
holz war angezündet worden« Und so
stand der Reserendar da und setzte ein l
Streichholz nach dem anderen in l
Brand. .
Beim zehnten tam es ihm schon
unendlich lächerlich vor, beim zwölf
ten verwiinschte er schon das ganze.
Abenteuer und heim dierzehnten . . . . 4
Donnerwetter. beim dierzehnten hörte
er ein deutlichei, wenn auch miihsam
verhaltenes sichern. 4
Sie lachte ihn aus-. I
Sie —- lachte ihn aus. .
»Sie werden doch nicht die ganze
Nacht dastehen wollen und Ziindhiilz
chen onziinden ?«
»Nein. Sie reichen auch gar nicht
so lange.«
»Nun, dann wollen wir einen Kom
promiß schließen. Jch hin jegt nach
ihren Beleuchtungsversuchen überzeugt,
daß Sie wie ein Kavalier handeln
können. Jch ziehe mich —- bitte zün
den Sie noch ein Zündhölzchen an —
hier in diese Ecke des Sosas zurück. Sie
sehen sich dort in jene. So —- und nun
tönnen wir plaudern.«
»Brado! Dann bin ich auch wieder
glücklich, daß . . .«'
utFalt, das ist gegen den Vertrag.
Au mündliche Annäherungen sind
nicht gestattet. haben Sie eine Ziga
rette?«
«Rauchen Sie?«
»Nein. Aber Sie sollen rauchen.
Jch habe es gern, wenn Jemand raucht
und dann . . . .«
«Oh ich verstehe. Das Glimmen
der Zigarette soll Jhnen verrathen, oh
ich . . . . Meine Gnädigste, Jhr Miß
l
i
s
W
I trauen tränkt mich.«
t »Es soll auch tein Mißtrauen sein,
i nur —- berechtigte Vorsicht."
I ,,Unberechtigte.«
! »Meinetwegen. Sagen wir also be
I greifliche.« .
? »Zugestanden. Und Sie wollten al
3 so auch zu Eulers gehen.«
i »Ja. Und Sie. ..
I »Ich muß, d h. ich müßte, denn ich
kann ja doch nicht Aber das thut
nichts. Jeh wäre doch« nicht lange ge
blieben. Außer.
s .Fangen Sie schon wieder an . . . .
»Nein. Aber sonst wäre nichts ge
wesen, was mich dort hätte halten tän
nen. Wohl aber etwas, was mich hätte
vertreiben tännen.«
»Ah, und das wäre . . . . ?«
»Jemand, den ich nicht kenne. Je
mand, mit dein Tante Euler mich
gerne veriuppeln möchte.«
»Ah, das ist interessant« und ohne es
zu bemerken, rückte sie dem Reserendar
twas näher ,,Erzählen Sie doch!"
»Was ist da groß zu erzählen. Die
alte Geschichte. Eine junge Wittwe,
steinreich, angeblich hübsch —- was alte
Tanten eben hübsch nennen . . .na
und jung! Kurz und gut, die sollte die
rechte Partie fiit mich sein: Heute sollte
sie tommen. ch wollte sie mir anse
hen. Na, der ante zu Liebe muß ich
hingehen. Aber ihr auch den andern
Gefallen thun und heirathen —- nein!
Jch danke für Obst. Verheirathen lasse
sich wer will ich nicht. Wenn ich schon
heirathen muß, dann heirathe ich sei
t.-—«
»Das ist recht von Jhnen,« sagt die
junge Dame. »Erzählen Sie doch wei
ter·"
»Jch weiß nichts weiter.« Jeßt ist
die Reihe zu erzählen an Ihnen. Sie
wollten doch auch zu Tante Euler hin
auf.«
,,;-a· Allerdings. Aber auch nur
aus einen Moment. Auch nur der Frau
oon Euler zu Liebe. Jch sollte dort ei
nen jungen Mann tennen lernen. Ei
nen sehr liebenswürdigen, angenehmen
jungen Mann. Ader man weiß ja.
was alte Tanten liebenswürdig und
angenehm nennen. Na, das sollte die
rechte Partie fiir mich sein. Jch wollte
ihn mir mal ansehen . . .«
»Und?« fragte der Referendar und
rückte, ohne daß sie es merkte, näher an
die junge Dame heran.
»Und --- nichts. Ich wollte ihr den
Gefallen thun und hingehen. Aber den
anderen Gefallen und heirathen—nein!
Jch dante fiir Ob t. Verheirathen laß’
ich mich nicht« enn ich schon heira
then soll, dann —- heirathe ich selbst.«
»Gniidige Frau! Sie sind hart. Sie
. . . Sie strafen mich mit meinen eigenen
Woßrien Wenn ich gewußt hätte,
da . . .«
»Daß ich Frau von Glitmer bin, nun
was dann . . . ?"
»Dann hätte ich . . . oh« und er war
hingeriickt ganz nahe zu ihr und . . .
Sie aber wehrte ihn ab.
»Ich bitte, zünden Sie wieder ein
Ziindholz an. Das wird gut fein und
übrigens — Sie danken ja für Obst.«
»Nicht aber, wenn es so herrlich ist
wie hier," und er versuchte in der Dun
kelheit die Gestalt des jungen Weibes
an sich zu ziehen. Sie aber wich zurück
und im Zurückweichen erfaßte ihre
hand eines der Seite und da —- da ge
schah ein Wunder. Der Auszug be
wegte sich und —- glitt hinab.
»Wir sinken,'« sagte der Referendar
erstaunt.
»Gott sei Dant!« athmete die tleine
Frau aus«
»Geben Sie mir das Seit. Sonst
können wir unten zerschellen.«
»Um Gotteswillent" und sie über
ließ ihm willig das Seil
»Bitte, zünden Sie jeßt ein Sünd
hiilzchen an. So. Und jeßt . . . wol
len wir nicht lieber nach oben? Bitte,
ziehen Sie hier« Ziehen Sie mich em
por, zum Glück, zur Seligkeit.« —
Und sie zog.
----— —.0--«-—— --———«
Knhner Vergleich.
Ossizim »Einjähriger Lehmann,
Sie zielen viel zu lange! Sie sind im
Civil Kausmann?«
Einjiihriger: »Ja Befehl!«
Osfizier: »Na, glauben Sie nur
nicht, daß Sie hier drei Monate Ziel
haben!«
Ein Gemüthsmenseh
Braumeister: »Man-le Joses — is
diis mal a Bier, das i heuer äsamms
braut hab' —- so a herrlichen ropfen
hat’s nimma geb’n! Dös is aber viel
zu gut siir Euch —- diis Bier san i
halt ganz alleini«
Ein Opfer des Armenballs.
«Woaßt, Wastl, du hist scho narriseh
a —- acht Ilasch’n Schainpus sausa!«
»Geja? Und da hoaßfs nacha. ma
that nix fiir dii Stadtarnia!«
Er t a n n t e Physiognomie.
A.: »Was macht denn der Student
« Stissel siir ein hitterböses Gesicht?«
. B.: «Veksatz amtsmiene!«
i --—....-.....
- Untalentirt.
I A.: »Na, haft Du im Florettstechen
i schon Fortschritte gemacht?«
) B.: «Leidet nein, ich mußte schon
! nach der ersten Leltion aufhören, weil
ich zu tiylieh bin.«
l Konkurrenz.
I
- Madame: «Diesen Monat habe ich
- ein neues Kleid vom haushaltungsgeld
« eriibri t!« ,
! Kö in: »Ich sucht«