Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 19, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Sonnter - WITH
Beilage des »Nebraska Staats-Anzeiger und Herold«.
J. P. Wink-anh, .Hkmusg«e«v"kkf«
Grind Island, Nest den19 April 190l.
Jahrgang 21. Ri. 33
W
Milliardiire in Amerika
Die amerikanischen Dollarlönige
sind die Fürsten der neuen Welt. Und
wie Fürstenlronen in Europa überge
gen vom Vater aus den Sohn, so
leiden auch hier die ungeheuren Ver
mögen meist in der Familie und ver
erben sich aus die Nachkommen, auf
Kinder und Enkel, oon Geschlecht zu
Geschlecht. Jn manchen Familien
wird dasiir gesorgt, daß die Reichthü
mer sich nicht allzusehr verstreuen, d. h.
die Kinder erben nicht gleichmäßig.
Das sogenannte ,,G·roße Vermögen«
und damit die Macht bleibt in einer
Hund« Der älteste oder tüchtigsteSohn
wird Haupterbe und »Nachfolger« sei
nes Vaters. Auch bei der Benennung
der oielfachen Millionäre verfährt
man, wie es in Europa fiirstlicher
Brauch ist. Cornelius Banderbilt, der
Begründer des Hauses, wird allge
mein »Cornelius the First« genannt.
So spricht man nicht mit Unrecht von
amerikanischen Dynastien, deren herr
schende Stellung aus der Macht des
Geädes im Lande der Dollars be
ru t.
Jn einem der tchontten Stadttheue
don New ort aben die bekanntesten
amerikani chen illiardiire ihre Häu
ser — oder richtiger, ihre Schlösser,
denn mit fürstlicher Pracht sind sie
erbaut und aus estattet. ,.T isth
Avenue« ist die traße der i tar
däre. Hier liegt der Palast des ver
storbenen Cornelius Vanderbilt, viel
leicht das schönfte Privatgediiude in
ganz Amerika, und der alast von
William K. Vanderbilt; ier wohnen
die Familien Gould, Astor, Whitne ,
Coole, Huntington, Havemeher u. ?
w.; hier erheben sich die Palaste der
vornehmsten Club3, die »Union
League Club«, »Metropolitan Club«,
»Progreß Club«, hier reckt die präch
tige, m weißem Marmor erbaute Pa
trickslathedrale igre beiden schlanlen
Thürme in die uft.
Dem Aeußern der fchloszartigen
Prachtgebäude entspricht die Einrich
tung und Aus attung der Jnnenräu
me. Die herrlichsten Kunstschätze aus
aller Herren Länder sind zusammenge
tragen, um das Heim der amerikani
schen Multimillivniire zu schmücken.
Um schweres Geld gab man in den al
ten eutopäischen Kulturländern willig
alles her, was in der neuen Welt nicht
zu haben war. Wie viele Kunstgegen
stände sind nicht aus Europa, nament
lich aus Italien und Frankreich, in
den letzten Jahrzehnten in die Paläste
der reichen Yantees gewandert! Die
werthvollften Gemälde alter Meister
hängen an den Wänden, Seiden- und
Sammetteppiche aus Florentiner Pa
lästen decken die großen Salons, die
Wintergiirten mit ihren Marmorstas
tuen sind aus italienischen Gärten ge
füllt. Die Ballsäle zieren die schön
sten Möbel aus alten französischen
Adelsschlössern, aus der Glanzzeit des
,,Sonnentöni 5«. Auf den zierlichen
Baroct- und ololostiihlen, wo einst
Kavaliere mit Pertilcten und Zierde
gen und gepuderte Marquisen inReis
röcken und mit Schönheitspflästerchen
plauderten, sitzen jetzt die Nachkom
men armer Einwanderu, die in Eu
ropa nicht ihr Brod finden konnten·
Welche « ronie der Geschichte!
Das chnelle Wachsthum der Van
derbilts ist bezeichnend iir amerikani
sche Verhältnisse im Allgemeinen und
für die Entwicklung einer Familie im
Besonderen. Groß ist die Ahnenreihe
des Zjliyiengften Erden nicht. Erst um
die itte des vorigen Jahrhunderts
ging der Stern der Vanderbilts auf;
noch ist tein Menschenalter vergangen,
seitdem der Begründer deg Hauses
seine Augen schloß.
Cornelius, der erste Vanderbilt,
fuhr im Anfang des vorigen Jahrhun
derts mit einem tleinen Segelboot
und dann mit Dampfschisfen zwischen
Staten Island und New York hin
und her. Als er genügend Kapital er
worben hatte, begann er Eisenbahnen
zu bauen. Er sah ein, daß mit dem
Bau eiserner Schienenwege durch das
Land mehr Geld u verdienen war,
als mit der SchifsaTrt mit Dampfer
l;-ä
Als der alte ,,Commodore« im
Jahre 1877 starb, hinterließ er ein
Vermögen von 100 Millionen Dol
lare. Er setzte aber nicht seinen älte
sten Sohn Cornelius, sondern dessen
jüngeren Bruder Williain zu seinem
Haupterben und Nachsolger ein, denn
dieser hatte das Finanzgenie seines
Vaters geerbt, während Eorneliug ein
liebenswürdigerLebemann war. Schon
hier zeigte sich das Prinzip der Van
derbiltfu nicht der älteste, sondern
der tüchtigste wird Nachfolger.
William H. Vanderbilt wußte das
ererbte Bermö en bedeutend zu vers
größern. Er satte denselben Unter
nehmungsgeist wie sein Vater, und
alle seine gro en Unternehmungen
glückten. Bei seinem Tode i. J. 1885
hinterließ er ungeheure Reichthümer.
Auch er folgte dem Brauch in der Fa
milie. Keines seiner acht Kinder liesz
er unvermilgend urilck, aber die große
Maxsy das Van erbiltsche Vermögen,
blie seinem ältesten So n, dem be
reits verstorbenen Cornet us. und sei
nem zweiten Sohn William K» der
sast ebensoviel erbte wie sein Bruder.
Die anderen Kinder empsingen alle
den gleichen Theil.
Den ältesten Sohn des verstorbenen
Cornelius, der ebensalls Cornelius
heißt, tras dasselbe Loos wie seinen
Onlel: der jüngere Bruder wurde ian
vorgezogen und zum haupterben ein
ese t. Der Herzenitoman dieses
an rbilt tseiner eit viel von ich
reden gema . Erste bei seinem Ba
ter in Ungnade,. weil er gegen dessen
- Willen eine Frau heimstihrte und ei
nen reinen Herzensbund mit Grace
Wilson schloß. Der jüngere Bruder
dieses Romantiiers unter den Mil
liardiiren und Haupterbe von Corne
lius ist Alfred Gwvnne Vanderbilt,
der im Januar die hiibsche Elsre
· ren , die ebenfalls einer der reichsten
ami ien des Landes entstammt,
eimsiihrte. Wunderdin e wurden von
der verschwenderischen racht berich
tet, mit der die Hochzeit seiner Zeit in
Newport gefeiert wurde.
Noch jünger ist die Familie Gould.
Jay Gould, der Begründer des Hau
sesI wurde 1836 zu oxburh imStaat
New York eboren. Wie der erste
Vanderbilt at auch er klein begonnen.
Als Angestellter in einem Kaufmanns
haus verdiente er mit Meßarbeiten
eine kleine Summe Geldes, mit der er
seine Eisenbahnspekulationen begann.
Nach und Nach schwang er sich zu ei
nem der mächtigsten Eisenbahnkönige
empor. Nicht weniger als 25,000
Meilen betrug die Länge der Eisen
bahnen, bei denen Jay Gould maßge
benden Einfluß hatte. Als er vor
kaum zehn Jahren in New York starb,
hinterließ er seinen Erden das an
sehnliche Vermögen von hundert Mil
lionen Dollars.
Die Kinder Jay Gould««s haben öf
ter von sich reden gemacht. Edwin
Gould der im Allgemeinen weniger
hervorgetreien ist, kann sich rühmen,
in der Tochter des Dr. Shrady eine
der schönsten Frauen Amerikas zu be
sitzen. Der Name seines Bruders
Howard, der die Schauspielerin Ka
tharina Clemens heirathete, ist in
Deutschland viel genannt worden, als
Kaiser Wilhelm im Juli vorigen Jah
res als Gast an Bord der Gould’ chen
Yacht weilte, die gerade im Sogar
fjord bei Bergen vor Anker lag.
Ein Leben so recht nach dem Sinn
des reichen Americaners führt Georg
Gould, der sich in dem kleinen Ort
Laleivood, inmitten der endlosen
Tannenwälder von New Jersey, das
märchenhaste Schloß ,,Georgian
Court« errichtet hat« wo er einen gro
ßen Theil des Jahres mit seiner Fa
muie zuoringr.
Zu den amerikanischen Millionärsg
töchtern, die mit ihren Reichthümern
einen alten europäischen Adel neu ver
goldetem gehört auch Anna Gould, die
den GrafenBoniface tBoni) Castellane
heirathete. Man erinnert sich noch des
Auftrittes, den der famose Graf im
Juni vorigen Jahres auf dem Renn
platz von Auteuil verursachte, und
als man ihn mit Gewalt entfernen
wollte, wurde er von seiner Frau und
TallehrandsPerigord, tapfer verthei
digt. Auch die Verschwendungssucht
des gräflichen Banne-, das in etwa
sechs Jahren nicht weniger als 23
Millionen Schulden machte, hat zu
wiederholten Malen die Oeffentlichteit
beschäftigt. Die amerikanische Millio
· närin wurde unter Kuratel gestellt,
und ihre Geschwister mußten aushel
sen, um das Aeusjerste zu verhindern.
Georg Gould tam selbst nach Paris
und ordnete die Angelegenheit seiner
Schwester, da er seinem Herrn Schwa
qer nicht recht traute. Und die Schwe
ter dieser Gräfin Castellane ist jene
Helen Gould, die allgemein die ,,wohl
thätigste Frau Americckg genannt
wird!
Zur ältesten Geldaristotratie des
Landes gehören die Astors, die aus
Deutschland stammen. ZuWalldorf bei
Heidelberg geboren, ging Johann Ja
iob Astor im Jahre 1777 zu einem äl
teren Bruder nach America, wo er zu
erst Handel trieb mit Jndianern und
Grenzbewohnern in den Pelzgebieten
des Staates New York und Canada.
Sein großes Vermögen ertoarb er,
wie so viele andere americanische Mil
liardiire durch Speculationen in
Grundstücken. BeimTode seines gleich
namigen Enlels wurde der Astor'sche
Besitz auf 100 Millionen Dollarg ge
schadts
Der gegenwärtige »Ct)ef des Hau
ses", John Jakob Astor, spielt mit sei
ner Gattin eine bedeutende Rolle im
gesellschaftlichen Leben New Yoris.
Ein anderer Astor, Waldorf mit
Namen, der sich an lisiren ließ, hat der
englischen Gese schaft durch den
Stammhauni, den er sich zurecht
machte, viel Stoff zum Spott eboten.
Er behauptete nämli allen -rnste·s,
die Astors seien ein weig der fran
zösis en Grafen d’Atorlg, die wäh
rend er Hugenottenverfo gungen nach
Deutschland verschlagen wurden, und
diese stammten wieder ab von den spa
nischen Rittern von Llstorga, dern al
ten römischen Asturia. Und da Astur
der lateinische Name von Habicht ist,
so nahm der eitle Milliardar den ha
dicht in sein selbstgefertigtes Wappen
au .
Wie die Astors ist au Perry Bel
rnont, der die geschiedene rau von W.
K. Vanderbilt heirathete, von deutscher
Hertunst Ali Agent der Rothschilds
war ein »Schönbexg«, wie die Bel
Inonts ursprünglich heißen, nach Ame
rica gekommen.
Die sranzösische und namentlich die
englische Aristolratie dient dem ame
ricanischen Geldadel oder der Gesell
schaft der »Vierhundert«, wie sie all
Vmein genannt wird, noch immer als
orbild. Das Witzwort eines bekann
ten Rechtsanwalts, der als Veranstal
ter von Privatsestlichleiten sehr ge
schätzt wird, hat jene Bezeichnung aus
gebracht. Dieser unentbehrliche Bera
ther Feder Millionärsamilie behauptete
näm ich, wenn sich nur die beste Ge
sellschaft von New York versammle, so
kämen nicht mehr als vierhundert
Menschen zusammen. Die Bemerkung
rief natürlich einen Sturm der Ent
rü tung hervor, aber alle Entschuldi
gungen des armen Mannes halfen
nichzs: der Name der »Vierhundert«
blie .
Das New Yorter Gesellschaftsleben
hat kaum ein besonderes Gepräge.
Tonangebend, wie die Pariser und
Londoner Moden, sind auch die Sitten
und Gebrauche in den aristolratischen
Kreisen der beiden Weltstiidte. Wenn
die Saison vorüber ist, dann ehen die
Millionärssamilien an die « ee, in
die herrlichen Wälder von New Jer
sey oder in die großen europäischen
Badeorte. Zum guten Ton gehört es
auch, überseeische Reisen zu unterneh
men. Und da der reiche Americaner
die Bequemlichkeit liebt, so baut er sich
eine eigene Yacht und durchauert die
Meere, solange es ihm gefällt.
Auch das alte Wort »Noblesse
oblige« haben sich die Dollartönige
der neuen Welt zu eigen gemacht.
Reichthum verpflichtet! Man kann
nicht sagen, daß die Milliardäre nichts
sür das Gemeinwohl übrig haben.
Wie einzelne Astors, Banderbilth
Goulds, haben auch Whitne1),
Morgan, Carnegie und viele
andere mit vollen Händen gegeben.
Millionen von Dollars sind von ihnen
zur Gründung vonUniversitäten,Lehr
; anstalten, Museen, Bibliotheken, Sa:
i natorien, Krankenhäusern u. s. w.
gespendet worden.
A
C
Der Bernh-m der Welt.
i An einer jüngst in dem »Jour«aal
de Metalurgie« veröffentlichten und
in den »Mittheilungen der tats. kö
nigl. Geographischen Gesellschaft in
Wien« wiedergegebenen Abhandlung
läßt fich die Entwickelung des Berg
! bang im 19. Jahrhundert verfolgen.
j Am Ende dek- 18. Jahrhunderts war
’ die bergbauliche Industrie erst in den
Anfängen entwickelt und von verhält
nißinäßig geringem Einflufz auf Be
triebsamteit und Handel der Völker.
Während des 19. Jahrhunderts dage
gen hat sie sich zu der größten Quelle
der Reichthümer erhoben und beschäf
tigte am Ende des vorigen Jahres ei
ne Menschenmasse von 4,835,204 Per
sonen beiderlei Geschlechts. Diese
Garde des Bergbaus ist ständig damit
beschäftigtdas Salz, die Kohle das
Eisen, Silber, Gold und andere siir
Industrie, Handel und Schmuck
werthvolle Metalle aus den Eingewei
) den der Erde an s Tageslicht zu för
; dern
f Nach der Zahl der am Bergbau be
theiligten Leute steht England an der
Spitze aller Länder, da dort RAE-U
Arbeiter im Bergbau beschäftigt find.
TDie zweite Stelle nimmt Deutschland
mit 498569 Arbeitern ein, dann fol
gen die Ver. Staaten mit 444,:"-78,
Jndien mit 318,888, die Jnsel Ech
lon mit 310,210, Frankreich mit But-h
821, Russland mit 239,434, Leiter
’ reich - Ungarn mit 219,22"7, Belgien
mit 160,150, Japan mit 118,51.7 und
endlich die füdafriianifchenRepubliten
mit rund 100,000 Arbeitern. Die
Reihenfolge der Länder wird aber ei
ne erheblich andere, wenn der Werth
der in einem Jahre geförderten Mi:
neralschätze in Rechnung gestellt wird.
Dann kommen die Bereinigten Staa
ten von Amerika an die Spitze mit ei
ner Produktion im Werthe von 28.r 2
Millionen Mart. Das britische Reich
steht an zweiter Stelle mit 1440 Mil
lionen Mart, Deutschland mit 980
Millionen an dritter Stelle, und
dann folgen weiter Rußland mit 600
Millionen, Frankreich mit 520 Millio
nen, Transvaal mit 340 Millionen
Oesterreich mit 228 Millionen, Cana
da, dessen Bergbau erst im Anfang der
Entwickelung steht, mit 200 Millionen
Mart. Eine der bedeutendsten That
sachen, die aus dieser Zusammenstel
lung hervortritt, liegt in dem Nach
weis, daß in den Ber. Staaten mit
bedeutend weniger Arbeitern ein viel
größerer Erfolg im Bergbau erzielt
wird, als in den europäischenLiindern.
»Ja den Vereinigten Staaten wurden
im vorigen Jahre fast 200000,000
Tonnen Steintohle erzielt, nicht viel
weniger ais ein Drittel der Produk
tion der ganzen Erde, und mit seinen
12,000,000 Tonnen Eier liefert die
fer Staat sogar mehr als ein Drittel
der Weltproduktion. Von anderen
wichtigen Stoffen producirt die Berg
bau - Industrie der ganzen Erde am
Ende des 19. Jahrhunderts folgende»
Mengen: 15,771,000 Tonnen Petro-;
leum, 1.1,353,000 Tonnen Salz,
790,000 Tonnen Blei, 442,000 Kilo
gramm Kupfer, 471,()00 TonnenZink,
77,523 Tonnen Zinn, 5,695,000 Ki
logramm Gold. Trotz dieser ungeheu
ren Produktion und trotz der beson
ders großen Gefahren des Bergbaube
triebes beläuft sich die Sterblichkeit
unter den Bergleuten gegenwärtig auf
nur 1,68 vom Tausend.
Vetmifchtes.
Die außerordentliche Popularität,
deren sich seit einiger Zeit der Dichter
Vagabund Gorti in gan Rußland er
freut, giebt russischen eitungen und
Zeitschriften Gelegenheit, eine große
Anzahl Anekdoten zu erzählen, die sich
aus die verschiedenen Epochen dieses
an Abenteuern reichen Schriftstellerle
bens beziehen. Jn jeder dieser wahren
Geschichten zeigt sich Gorti mit der
ganzenNatürlichleit seines Charakters,
mit seiner Rauheit und Roheit und
seinem ungetüns elten Humor. Die
hohe literarische Stellung, die er jeßt
einnimmt, bereitet ihm fast Verlegen
heiten; er findet sich nur schlecht in die
neue Rolle des berühmten Mannes
hinein und kann es nicht verwinden,
daß der Erfolg ihm die frühere Unab
hängigkeit geraubt hat. Letzthin
wohnte er in einem Moskauer Theater
der Ausführung eines neuen Stückes
von Tschechow bei. Als ihn die Zu
schauer erkannten, vergaßen sie das
ganze Drama, um nur ihn anzusehen
und ihm Ooationen zu bringen. Gorti
wurde schließlich ungeberdig und
machte, ohne sich durch die Ehrung ge
schmeichelt zu fühlen, seiner schlechten
Laune in folgender brüsten Rede
Luft: »Was sixirt Jhr mich denn,
Gaffer? Jch bin doch keine Tänzerin,
noch die Venus von Milo, noch ein ins
WasserGefaileiier, den man soeben her
ausgesischt hat! Ich schreibe Geschich
ten, die das Glück haben, Euch zu ge
fallen. Um so besser. Aber deswegen
braucht Jhr mich doch nicht so anzu
glotzm Man spielt da oben ein«-Stück
das sehr hübsch ist. Seht Euch das
lieber an und laßt mich in Ruhe!«
Diese Worte versehlten aber vollstän
dig ihre Wirkung; man llatschte dem
Redner Beifall, lies; sich aber sonst
nicht stören, und bestaunte ihn immer
wieder.
Gorti war nicht immer so geehrt.
Jn einer in Samara erscheinenden
Zeitung erzählt der Schriftsteller Be
sobidni von seiner ersten Begegnung
mit Gorti. Gorli tauchte eines schonen
Tages als Arbeiter mit anderen Ar
beitern aus einer tleinen Bahnstation
aus. Er bat um Arbeit. Der Herbst
ging zu Ende, der Winter tam heran,
und der vagabundirendeStrectenarbei
ter trug ein leichtes, zerrissenes, durch
löchertes, fadenscheiniges Gewand.
Seine Ansprüche waren sehr beschei
den. Er forderte irgendwelche Beschäf
tigung bei der Güterabsertigung, aber
es war keine Stelle frei. Man machte
ihm nun den Vorschlag, auf einer ttei
neu Nachbarstation das Amt eines
Bahnhosswächters anzunehmen Er
war sofort bereit dazu und schilderte
bald darauf dem Schriftsteller Beso
bidni seine Eindrücke tsr war heiter
und guter Dinge und haderte nicht mit
seinem Schicksal. »Ich bin sehr zufrie
den,« schrieb er, »und lebe sehr gut.
Jch tenne meine Pflichten und erfülle
sie pünktlich. Mit meinen Kameraden
komme ich sehr gut aus. Jch habe mir
die Gunst des Bahnhofsinspectors er
worben, der mich jeden Tag beauf
tragt. den Stehricht aus seinerKiiche 3si.
entfernen. Das ist ganz reizend. Jch
möchte nur wi en, ob das zu meinen
amtlichen Psli ten gehört, oder ob es
ein Zeichen einer persönlichen Zunei
gung ist.« Man sieht, Gorti verlor trotz
der Hausknechtsdienste, die er verrich
ten mußte, nicht den guten Humor und
konnte Besobadni bald daraus mit
theilen, daß er zum ,,Ober-Besen- und
Wagendeclen-Wächter« ernannt wor
den sei.
Ist-its
Jn der »Jnsel der Blödsinnigen«,
einem vom Verlag der ,,LustigenBlät
ter« in Berlin heraus-gegebenen Büch
lein, worin die Ausartungen der mos
dernen Kunstbestrebungen theils mit
Laune, theils mit Witz, t eils blos mit
Behagen verhpottet wer en, schildert
u. A. Alexander Moszlowgki die Be
schwerden, denen die Musiktritit in
Berlin auf Grund der Massenproduk
tion von Concerten ausgesetzt ist. Er
schreibt: »Siebzehn Ausführungen an
einemAbenb sind allerdings etwas viel,
allein die kritische Pflicht verlangt,daß
wir überall dabei gewesen seien, und
so stürzen wir uns denn mitten hinein
in die musikalische Sintfluth. Schlag
7 Uhr begaben wir uns in die Sing
akademie, wo der hochgeschiitzte Teno
rist Herr Gaumig eine Soiree veran
stalten wollte. Da das Concert noch
nicht angefangen hatte und wir gleich
wieder fort mußten, baten wir den
Concertgeber im Künstlerzimmer, uns
privatim wenigstens sein hohes B
zum Besten zu geben. Er that es und
zwar mit solcher Verbe, daß wir nicht
zögern, ihn als einen unserer ersten
Liedersiinger zu proklamiren.
Mit Hilfe unserer Rundreisedrosch
te erreichten wir noch rechtzeitig den
Saal Bechstein, in dem die neueste
Geigenfee Fri. Streichlinger auftrat
Wir hörten von ihr allerdings nur die
Anfan sleistung, nur das Stimmen
ihrer ioline, bezeugen indeß der
Wahrheit gemäß, daß selbst Sarasate
und Joachim nicht meisterhaster zu
stimmen vermögen. Nun ging es in
I schärfstem Trab nach der Philharmo
s nie, woselbst Nikisch sein Abonne
mentsconcert dirigirte. Auf dem Pro
gramm stand als Novität eine Sym
phonie von Rimsih-Karsakoff, deren
ersten Satz wir bereits versäumt hat
ten. Wir hörten indeß die ersten drei
Takte des zweiten Satzes und schieden
mit der Ueberzeugung, daß der rafft
sche Comvonist mit diesem Werke der
Beethoven’schen Neunten die Zehnte,
wo nicht gar die Elfte hinzugefügt ha
be. Jn weiteren sechzehn Minuten wa
ren wir im g.os3en Saale des Hotel
de Rome, woselbst der holländische
Pianist van Hammern gerade die Bar
carole von Chofin spielte.
Es war uns nicht vergönnt, das
ganze Stück zu genießen, wir mußten
uns vieimehr mit einem einzigen Dop
peltriller begnügen, der indes-, so wun
dervoll aussiel, daß wir uns nur mit
Mühe von ihm los-rissen um noch eine
Ausführung des Domchors, einen
Compositionsabend im Concerthaus,
eine Soiree des Tonkiinstlervereins
und einen Novitätenabend im Beetho
ven-Saal zu besuchen. Als wir hier
nach noch das Oratorium in der Gar
nisontirche hören wollten, fanden wir
bereits verschlossene Thüren. Unter
solchen Umständen mußten wir auf
die Symphonie - Soiree im Opern
haus, sowie auf die Wohlthätigkeit-Z
concerte im Feenpalast, im Saale des
Englischen Hauses, des Norddeutschen
Hofes, im Hotei Jmperial und in den
Aulen mehreren Ghmnasien und Real
schuten verzichten. An allen Orten
fanden wir die Ausführenden auf der
Höhe ihrer Aufgaben; gleiches Lob ges
biihrt dem Gaul meines Droschken:
kutschers, der fein dreistiindiges »Pres:
iisfimo« mit unglaublicher Ausdauer
bewältigte.«
Der augenblicklich in Paris weilen
de Herr Björnstjerne Björnson hat ei
nem Jnterviewer mitgetheilt, daß er
den Plan zur Herstellung einer großen
internationalen Zeitschrift im Dienste
der Friedenssache gefaßt habe. Die
Zeitschrift soll zugleich in Berlin,Lon
don und Paris in den europäischen
dreiHaiiptsprachen ausgegeben werden.
Den Mitarbeitern wäre völlig freie
Hand zu lassen, nur daß sie gegen die
herrschende Krieggmoral protestiren
sollen. Als Theilnehmer waren beson
ders hervorragende Gelehrte gedacht,
da nach Meinung des norwegischen
Dichters die bisher zumeist in den
Dienst der Friedenssache eingetretenen
»unwissenden Schwärmer« diese er
habene Jdee nur comprotnittirt haben
sollten. Ob der in literarischen Käm
! pfen gelegentlich gegen Damen recht
ungalante Herr Björnson damit die
. Freifrau Bertha v. Suttner meint?
Die Zeitschrift sollte besonders auch
siir die größere Werthschätzung der
kleineren Nationen und Staaten das
Wort nehmen, da nur diese die Kul
. tur wirklich fördern können, wogegen
die Großstaaten vor lauter Erobe
rungs-, Colonial- und Handelspolitik
keine Zeit dazu hätten. Eine dichte
rische Meinung, die wohl nicht unbe
dingt die Prüfung auf der Goldwage
erträgt.
Ists-sit
« Das Bureau für geologische Ver
messungen hat in diesen Tagen eine
igigantische Arbeit in Angriff genom
j men. Es handelt sich um die Errich
; tung großer Reseervoirs auf der West
« seite der Grenzlinie zwischen Talifow
nien und Nevada und die Trosten
legung ausgedehnter Sümpfe an der
Ostseite. Hundert Mann sind an der
Arbeit, die etwa zehn Jahre in An
spruch nehmen und gean 10 Millio
nen Dollars kosten dürfte.
Ists-II
Die neueste Entdeckung ist, daß ein
Vint Apfelwein, tiialich genommen, die
Poeten heilt. Vielleicht hat auch Stie
fextttzikhfe noch eine Zukunft als Heil
mi e.
q
, Haus-spräch. «
1»Gniidiges Fräulein, haben CI
schon ’mal jeder Beschreibung gespä
M « »
anpgreiflirii. ! « '
L eutna nt: ,,,Aeh verstehe nicht« «
wie der König eine Civilliste be
ziehen tann!«
Der Zorn-in
B a n k i e r (zum Buchhändler);
»Ich möchte mir eine Bibliothek ein
richten; sagen Sie, was kosten so 400
Bücher?«
Yoirattjgausfmit
Bankier (zu seiner alten Toch
ter): ,,Trd·ste Dich, Rosalchen, der
Baron Zwirinsky macht schon auf
Deine Hand Schulden.«
Entartung.
»Ihr Sohn ist in der Stadt wohl
ein sehr feiner Herr geworden, Kraut
hofbauer?«—»Ei freili, nit mal aus
spucken kann der mehr!« -
Kattjederblüttih
P r o fe sso r: »Der Patient,
meine Herren, den ich Jhnen hier vor
führe, ist sozusagen ein A l k oholi
te r von reinstem Wasser!«
glm zoologische-r Garten.
Mann: »Sieh nur, was dieser
Vogel für einen wundervollen Kopf
schmuck hat!«—F r a u: »Ach ja,
Männchen, ich muß dieses Jahr auch
einen neuen Hut haben!«
Bier-b antisoufk er«
»Das tägliche Brod wäre nicht gar
so schwer zu verdienen-— aber halt
das tägliche Bier!«
Philister-Hitandpnnkt.
Onkel (im Atelier seines berühmt
gewordenen Neffen): »Was-, 20,000
Mark haft Du fiir dieses Bild bekom
men? Da kannst Du ja die Male
rei aufgeben und ein solideö
s«
Geschäft anfangen —- Ufi
Bettler-Wachs ON
Bettler: »Könnte ich vielleicht
ein Vaar abgelegte Schuhe bekom
men?«—-F r a u (barsch): »Ich schenke
Bettlern nichts-Arm überhaupt bin ich
Wittwe « — Bettler: »O, ich
glaube, Jhre Schuhe wiirden mir auch
PAUM «
Zum ein Bevor-d «
F r a u (zur stellesuchenden Köchin)
»Ne, hören Sie mal, zwei Tage waren
Sie in Berlin, drei Tage in Bitterfeld,
vier Tage in Halle Und fünf Tage in
Leipzig in Stellung!«·—K o· ch i n:
»Ich hab’ nämlich ein R u n d r e i se -
billet!« »Hfo
Höchste Zubordinatiom «
Kellnerin: »Also Sie, Herr
Oberamfsrichier, bekommen zwei
warme Würste, und Sie, Herr Sekte
tär, bekommen auch zwei?«-——S eite
tar (leife): »Aber was denken Sie
denn, wenn der Herr Oberamtsrichter
zwei bekommi!—(laut) Mir bringen
Sie bloseine!«
»Herr-sit sein ist gutes. «
Während der Nacht platzt im
Schlosse die Wasserleitung, so daß der
alte Kammerdiener es wagt, Durch
laucht digkret zu ermuntern. »Warum
weckeu Sie mich denn-? Was ist denn
los-P ---s—»«-11rchlaucht Verzeihen, ein
Leitungsrohr ift geplagt, das Parterre
sieht schon unter Waffer.« D u r ch -
la u cht kfreudig auffpringend):
»Dann schnell meine M a r i n e u n i -
fo r m ! « i
, o.
Feine Familien
d
Ä « .
»Ja Jhrer Familie wird also sehr
viel gewistZ«-—»Natütlich, wo ein paar
von uns immer steckbtieflich verfolgt
werden!«
Immer vom Viellan «
K u t sch e k (amPostschatter): »Fa
einen Daler Breifmarken.«——B e a m -
te r : »Wie theuer, zu 5, 10, 20 oder
50 PfennigeTLsK u t seh e r : »Dum
gebens man tau föftig Pennig, denn sq
wat Billiges köfft uns’ Herr nicht« -
--—.