Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 05, 1901, Sonntags-Blatt, Image 18

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    »..»--,.,-f«kkstislsuii ,
oder
Der derschwundene Kur-z
gen. ;
.- —..-.-- .-.·- .., — l
humoristische Erzählung von C la r a s
Fincke. s
Elli saß in Gedanken verloren auf!
ver Veranda des Strandschrößchens, «
in dem sie bei ihrer Tante lebte. Aber ’
das junge Mädchen hatte leine Freude E
arn Anblick der wogenden See, ihr Herz ·
eilte im Gegentheil landeinwärts nach-«
der benachbarten alten Hansastadt, in
der sie einen gewissen Jemand wußte,
der sich ebenso erfolglos nach ihr ab
schrnachtete, wie sie sich nach ihm· Sie
seufzte tief.
»Bitte, Elli.« rief die Tante Konr
rnerzienratb, die mit feierlich schweben
den Schritten, mehrere dickleibige Bü
cher in den Händen balancirend, die
Veranda betrat« »bitte, suche mir doch
die Stelle, bei der wir gestern stehen ge
blieben sind, —- ich kann sie nicht fin
den. Stand sie irn «Alsaloss« oder im
»du Bei-PS —- Oder im »Allan Kar
dec«?«
»Die haben mir heute gerade noch
gesehlt.« dachte Etli. fing aber erge
ungsvoll zu blättern an. Als sie ge
sunden hatte, was sie suchte, gebot ihr
die alte Dame:
»Nun lies mir den Abschnitt recht .
langsam und deutlich vor. Jch habex
den Sinn noch nicht ganz ersaßt.«' ·"
Mit Todesverachtung las Ellit »Wir
kommen nun zur zehnten Klasse: »Die ;
unreinen Geister.« Sie sind zum Bö
sen geneigt und geben trügerische Rath
schliige, flößen Zwietracht und Miß
irauen ein. Sie h ten sich, um sie in’s ;
Verderben zu treiben. an Charaktere,
die schwach genug sind, ihren Einflü
sterungen nachzugehen Wir bezeichnen
sie mit dem Namen »Dämonen«.«
»Den Baron von Haberstroh.« mel
dete der Diener.
»Wie der Wolf in der Fabel," dachte
Elli und las, als ob sie nichts gehört
hätte. mit erhobener Stimme weiter-:
»Femee»e Die Klopf- oder Störgeister«
— indem sie dem Eintretenden einen
seindlichen Blick zuwars.
Der Gast tutzte der Frau des pau
fes galant die rundliche Rechte.
»Aber so höre doch aus, Elli,« rief
die Kommerzienräthin, indem sie mit
einer einladenden Handbetvegung den
Baron bat. sich zu setzen. »Sehen Sie,
Ihr Stoff reißt sie dahin! ——— Je mehr
Elli unter meiner —- und indirekt
Jhrer — Leitung in den Spiritismus
eindringt, desto mehr sieht sie ein, daß
es unmöglich ist, sich den Wahrheiten
zu verschließen, die wir auf dem Ge
biet der Geistertunde erkannt haben! —
Jst mir doch dadurch« setzte sie pathe
tisch hinzu, »eine ganz neue Welt er
schlossen worden!«
»O, wie unendlich glücklich bin ich,"
rief der Baron entzückt, »nun auch Sie,
mein gnädigeg Fräulein, überzeugt zu
haben! Kaum wagte ich noch, darauf
zu hoffen."
Er haschte nach Elli’s Hand, um
seine dünnen Lippen darauf zu drü
cken, was die kleine Diplomatin jedoch
mit einer geschickten Bewegung zu ver
hindern wußte.
»Sie verzeihen,« sagte sie kühl, »ich
habe dem Diener einen Auftrag zu ge
ben« —- und ging in’s- Haus« nicht ohne
zuvor einen geringschiisigen Blick auf
den Baron zu werfen. Daß der erst
dreißig Jahre alt sein sollte, sah man
ihen wahrhaftig nicht an. Mit seiner
ausgemergetten Figur, der schlafsen
haltung den glasigen Augen und den
staatlichen haariiberresten die von ent
wundener Pracht Zeugnis ablegten
und gleichzeitig verriethen. wie stark ihr
sesihet das Leben genossen hatte —
mit allem diesem konnte er fest wirt
iich nur noch als Astralmensch Furore
wachen
Elli überließ den Besucher auch wei
ter der Tante allein, aber sie war ein
Weil-. und die Neugier siegte. Sie
hörte also, während sie sich in dem an
stoßenden Zimmer zu schaffen machte,
»was zufällig« Einiges von der Un
terhaltung Diese drehte sich zuerst um
den Gesichtssan die üblichen Schlag
worte schwirrten nur so durch die Lust.
Die Tante schien durch die Anwesenheit
ihres Geistersehers in hochgradige Et
siase versejh Sie begrüßte die An
Iiiudignng des Barons daß arn näch
sten Sonntage in Ulmenheitn eine
wSöance bei gemeinschaftlichen Be
rannten stattfinden werde, mit Jubel.
Nun seies ihr klar, behauptete sie, was
ihr Schutengeh der ein Geist aus dem
sechzehnten Jahrhundert sei, angedeutet
habe. als er ihr im Traume erschienen
sei und ihr weissagte, ihre Nichte werde
in Iol eines Wunders eine glückliche
Ehe i lithw
»Wie konnte es auch anders sein,«
ries die moderne Kaisandrch die Arme
Weh in die Miste streitend, mäh
rend holder Wahnsinn ihre Züge um
spielte, »der Fingerzeig der überirdi
ehen Macht —- er wird mir an diesem
Sonntage offenbar werden, —- das
. sendet Med- geschehenl —- Dann, lie
- ichs-enger Freund soll mich auch
en. Ihre Weisung unt
M W und die Ber
hob-. trde sus
( ««w«««s«m«"W-T-Yz2
.;-Is-,i-isio-i«seisw«"
Fett-( Doch m ist ja sen-musternd
t «
Das hatte er liingsi gewußt. —- Ein
wohlgefälliges Lächeln huschte über
sein Gesicht, dessen Ausdruck beständig ;
wechselte und von der Dummdreistig- z
teit bis zur perfidesten Psiffigkeit über- ;
ging
,,Das Wunder wird geschehen.« sagte !
er, »zweifeln Sie nicht daran, meines
Gnädigste, ich weiß es —- und dannT
also soll mich nichts mehr von meinem "
Glücke trennen Y«
Frau Wiederhold nickte geriihrt. ,
»Ihr werdet Euch wundern," mur- «
melte Elli drinnen. i
Mit Befriedigung sah Baron Haber- ·
stroh, daß jedes seiner Worte auch die- z
fes Mal von seiner mütterlichen Gön- »
nerin als Orakel aufgefaßt wurde. z
Ein Wunder! Kleinigkeit, sich das aus
dem Aermel zu schütteln! Die Haupt
sache war, daß man daran glaubte. Es
kam hierbei ja nur auf die Tante an :
und auf ihren Willen —- Elli mußte
sich ihr als mittellose Waise ja unter
werfen ——— und besonders auf die ver
heißene Mitgift. Wenn er sich übri
gens nicht bald verlobte, hatte er feine
olle ausgespielt, nicht als Spiritist,
sondern als Mensch. Der Wucherer
Pulverblitz wollte sh mit feinen Far
derungen nicht länger hinhalten lassen.
Als der Baron ausbrach, floh Elli in
den mtferntetren Winkel des Hauses,
um dem Ritter von der traurigen Ge
stalt nicht noch einmal zu begegnen.
Das hatte sie nun davon, daß sie des
lieben Friedens halber diesen unglück
seligen Spiritismus nicht mehr offen,
wie früher, bekämpfte, sondern ihn
stillschweigend über sich ergehen ließ!
Nun glaubte gar die Tante, daß die
Macht, die Baron Haberstroh auf fie
selbst ausübte, sich auch auf ihre Pfle
getochter erstreckte, so daß er es wagen
durfte, seine Augen zu Elli zu erheben.
»Nein, mein Georg, Dir bleibe ich
treu !« Sie rief es mit Wärme, als ob
er vor ihr stände. Ein paar Thriinlein
rollten dabei aus ihren Augen, die auch
ohne Spiritismus im Fernsehen geübt
waren und im Wachen wie im Traume
das Antlih ihres geliebten Georg zu er
blicken glaubten, der als Regierungs
bauführer auf Diiiten wohl eigentlich
der Mchste dazu gewesen wäre, ihr eine
Hütte und sein Herz zu bieten
I F I
Der große Tag war getomnien, an !
dem die Sitzung und das Wunder statt ?
finden sollte. Elli hatte sich in cis-. z
schwarzes Spitzrngewand gehülli, dessen
düstere Farbe das Abbild ihrer Seelen
stimmung sein sollte. Während Georg,
wie allsonntiiglich, hinauskam und ihr
Haus umtreiste, um ihr, da sein Mund
nicht sprechen durfte, wenigstens durch
Fensterpromenaden seine Treue und
Ergebenheit auszudrücken, mußte sie
nach Ulmenheim, wo ihr der Baron
nebst Spiritismus vorgesest wurde und
wo aus der Verauickung Beider mögli
chen Falls von der Tante die gefürchtete
Verlobung herausdestillirt wurde.
Wie ein Lamm, das zurSchlachtbant
geschleppt wird, tain Elli sich vor, als sie
mit der Tante das Haus verließ, uni
von der Bahnstation Z. nach Ulmen
heim zu fahren.
»Hast Du keinen Unihang mit. Elli?«
fragte Frau Wiederhold noch an der
Hausthür.
»Bei der Hitze !«
»Du willst Dir wohl den Tod holen
bei dem kühlen Abend, den wir heute
sicher wieder haben-werden ?" Geh zu
riick und nimm Dir den schwarzen Kra
gen mit der Duchessespige.«
Elli gehorchte.
Auf Station Ulmenheim angekom
men, genoß Elli den ersten Lichtblick
dieses Tages. Jm Begriva aus dem
Abtheil auszusteigem sah re den Bau
fiihrer vor der Thür an's dem Bahnsteig
stehen. Ein freudiger Schreck durch
fuhr die Liebenden, doch konnten sie das
Wieder-sehen nur wenige Augenblicke
anstostem Die Tante sah es stimmu
zelnd mit an, daß Georg Walter seiner
An ebeteten aus dem Wagen hals. Sie
rie in strengem Tone :
«Beeile Dich, Elli,« indem sie ho
heitsvoll davon-rauschte
Das junge Mädchen warf dem
Freunde einen vielsagenden Blick zu.
der beredter als Worte war, und folgte
ihrer Pflegemutter.
»Es ist wirklich an der Zeit, daß Du
Dir diese kindische Tanzstundenliebelei
aus dem Kopfe schlägst,« fügte die alte
Dame mit zorngeröthetem Gesicht hin
zu.
Elli ließ das Köpfchen hängen und
wagte keine Erwiderung.
Der junge Mann, der von einer
Waldpartie kam und nun den Zug, wel
cher von Ulmenheim wieder nach Z. zu
rücksuhr, hatte benu en wollen, um dort
die Wiederhold’sche « illa zu umtreisen,
sah, daß er den Zweck seiner Reise ver
fehlt hatte. Ader er war nun einmal
unterwegs und mußte sich an der weh
muthsvollen Freude »niigen lassen,
während der Fahrt in dem Raum zu
sein, den seine geliebte Elli eben verlas
sen hatte. War es nicht, als ob ein
gar-eh ihres süßen Selbst ihn umwehte?
in zarter Duft von Veilchen legte sich
schmeichelnd um seine Sinne —- es war
ja ihr Lieblingsparsiitn —- und erfüllte
seine Seeke mit neuer Friihlingöhpfß
nung
i O O
Junge nmrdenFa die Dame-III IT
« en an ---
PMB-WAN
ssrn mindere-winse
Msv III-Wim
L
1
de. Die Gesellschaft war bis auf den
Baron, vollzahlig. Der fühlte sich als
eine Art König im Geisterreich, der erst
zu erscheinen nöthig hatte, wenn seine
Vasallen versammelt waren. Als er
endlich lam, steuerte er sofort auf die
unglückliche Elli los, um sie so bald nicht
wieder frei zu geben. Was halfs ? Sie
mußte sich in’s Unverrneivliche fügen,
um die Tante·. von der sie mit wahren
Schlangenblicken beobachtet wurde,
nicht zu erzürnen.
Bald siedelte die Gesellschaft aus
dem Garten in’s Haus über, um die
,,S(sance« zu beginnen, während drau
ßen die Sonne mit märchenhafter
Pracht untetging. Dafür hatte Nie
mand Augen als Elli. die noch einen
fehnsiichtigen Blick zurückwarf. Waff
nicht, als ob ein leichtes Wölkchen des
Unwillens iiber die strahlende Stirn
der hehren Lichtspenderin zog, ber thö
richten Menschen wegen, die ihr schnöde
den Rücken zuwandten, um im dumpfen
Zimmer ihren Hokuspokus zu treiben ?
Da saßen sie nun mit weitgeöffneten,
vor Erwartung stieren Augen, fast ohne
Athemregung, in schweigender Ruhe,
die Hände beschwörend auf die Tisch
platte gelegt, die Anmeldung eines We
sens aus dem Jenseits erwartend. Das
reine Wachsfigurentabinet ! Aber man
wartete vergebens ! Kein Klopfen er
tönte. Mochten bie Geister Wind ba
van bekommen haben, daß eine geheime
Widersacheein anwesend sei, mochte
Frau Sonne sich fiir die erlittene Ver
nachlässigung dadurch gerächt haben.
dasz sie — vielleicht durchUS Schlüssel
loch — einige ihrer holden Frühlings
geisterchen hatte hineinflattern lassen,
vor deren Glanz und Schönheit sich die
Geister aus dem Jenseits verkriechen
mußten — wer lann es wissen ! Sie
hatten heute jedenfalls nicht ihren rnit
theilsainen Tag und blieben stumm.
Der Baron sah sich unausgesetzt von
Eilig kühlen, scharfblickenden Augen
beobachtet und wagte es heute nicht« wie
sonst wohl wenn er einen Kreis von lau
ter Gläubigen um sich hatte, ein eigenes
Phantasie - Jmpromptu aufzutischetn
wenn die überirdischen Mächte nichts
offenbaren wollten. So blieb die Sis
ung ohne Ergebnis und bas- verheißene »
Wunder ungeschehen.
«- tote-L « sc
Ulllu nviiitncrzirnruiq wie-versenken
die von innerer Unruhe fast verzehrt
wurde, schielte fragenden Blickes voi!
Spannung fortwährend auf den Baron,
doch der lächelte überlegen, als ob er sa
gen wollte : »Warten Sie doch erst ab,
verehrte Frau ! —— Eile mit Weile !'· ;
—- Ob ihm auch der Angstschweiß aus- ;
brach. ;
Der Abend verging, aber es ereigne- (
ten sich nur die allernatiirlichsten Din- ;
ge: daß man sich zu Tische setzte, gut
und mit sehr irdischem Appetit fpeifte J
und fich später zum Aufbruch rüstete. Y
Da geschah wenigstens etwas Uner
wartetes. Elng schwarzes Krägelchen
wollte sich nicht finden lassen.
Wo konnte es nur hingerathen sein? »
Daß es mitgelommen war, unterlag;
keinem Zweifel, Elli ivar ja noch an I
der hausthiir deswegen umgelehrt.«
Nun machte sich in Ulmenheim Alles,
was zwei Beine hatte, an’s Suchen. j
Der ganze Garten wurde mit Lampen ;
abgeleuchtet, was ein Stündchen in;
Anspruch nahm, da er sehr groß war; !
die Dienstboten. die pantornimisch an- J
deuteten, daß sie sich fchiver beleidigt j
fühlten, wurden bis aufs Blut ausge- j
fragt — die Hausfrau eröffnete ihnen T
die erfreuliche Perfpettive auf Durch- ;
fuchung ihrer Kam-nein nach Fortgang j
der Gäste. Der holzftalL als Som- i
merresidenz der Laden, die den Um- i
hang möglicherweise verschleppt haben ;
konnten, wurde bis in fein tiefftes Jn- »
terieur ergründet — Allss vergeblich. s
Jrn hause selbst wurde von der Küche
bis zum Troclenboden Alles, was ei
nein Behälter ähnlich sah, ausgetramt,
in der schwachen Hoffnung, daß der
kostbare Kragen von irgend wem aus
Berfehen irgendwo hineingelegt wor
den sei. alle Möbel wurden von den
Wänden gerückt; die ganze Gesellschaft,
von einer wahrhaft fanatifchen An
theilnahme gepackt. legte sich platt auf
die Erde« tun unter Sophai und
Schranken zu suchen s- es hatte leinen
anderen Erfol als das ungefähre
Bild einer V eftliehteit beim Kaiser
in China zu vergegenwarttgen
Schließlich machten sich die beiden
jüngsten Söhne der arnilie daran, im
Goldfiichteich, in en Nähe man ge
sessen hatte, nachzufotfchem Sie ent
ledigten sich ihrer Schuhe und Strüm
pfe und stürzten sich mit frohem Ju
gendmuth in’s Wasser, wo sie alsbald
inMeinungeverfchiedenheiten geriethen,
die sie in einem so lebhaften »Spie! der
Wellen«, bethätigtem daß es wirklich
nicht einzusehen war. weshalb sie nur
ihre Fußhetleidungen abgelegt hatten.
Darauf ftiirmifehe Erlundigungen von
Seiten ihres Erzeugets, ob die ver
dammten Bengels verrückt seien, und
der Befehl, fchleunigft das nasse Ele
ment zu verlassen. Das geschah. Von
Schlammbächen umtieselt und Wasser
fchnecken nicht unähnlich, boten die bei
den Jungen gerade kein fehr anmuthi
ges Bild. Sie hielten es für zeitige
miiß, aus ihresBaterö Machtbereich
zu entfliehen, und fchickien sich an,
»zum Trockenwerden«, wie sie fagten,
auf einen Baum zu lletterm here
Fahrenholz hatte jedoch für heute ge
nug von den equilihriftifchen Leistun
gen seiner Söhne, er nahen sie heim
Schlafitichen und schleppte sie in’i
haus.
Mittlerweile esthete sich im Osien
fschon der Himmel. und die Sonne
machte Miene, die Nachtschwiirmer zu
bescheinen. Man schämte sich, daß man
noch immer da war. Ein Zug ging
erst in einigen Stunden, Herr Fah
renholz hatte also das Vergnügen, sei
ne ,,lieben Gäste« — von denen er sich
wahrlich besucht genug fühlte, mit sei
nen sämmtlichen Gespannen nach Hau
fe befördern zu lassen. Man tann es
dem Ehepaarztaum verdenken, daß es
den« Urheberinnen all’ der Verwirrung,
als sie geschieden waren, nicht gerade
Segenswiinfche auf den Lippen mur
melnd, nachhlicktr. Bot doch das Jn
nere des sonst so fchmucken Hurenhau
« fes eine Kombination von Umzug und
. Erdbeben dar·
Als der Baron Tante und Nichte in
s den Wagen hob, sah er zu feinemSchre
: cten eine Wolle des Unmuths in Frau
z Wiederhold’a Antlitz Die alte Dame
«- hatte während des Suchen-i bestimmt
I darauf gerechnet, daß Haberstroh in
I
)
i
i
)
; hertraft erfüllt.
v III
seiner Eigenschaft als Medium von den
Geistern. mit denen er aus so gutem
Fuße ftand, einen Wink erhalten werde,
wo der verschwundene Kragen hinge
kommen tei. Der Baron witterte fo
etwas wie beginnende Ungnade, und
mit der ihm eigenen. unglaublichen
Undersrorenheit sagte er:
»Richten Sie den Blick in die Zu
kunft. und vertrauen Sie mir. Das
Ereigniß, welches Sie erwarten, wird
eintreten!«
Da war Frau Wiederhold besänftigt
und mit neuem Glauben feiner Hellfe
J O
Die Damen waren zu Hause ange
la »t. Als sie das Wohnzimmer be
traten, stießen sie Beide einen Schrei
ier Ueberraschung aus. Was lag forg
lich auf Elli’s Näbtifch am Fenfter
« ausgebreitet und einen schwachen Veil
chenduft aushauchendJ
Der verschwundene Kragen!
»Welch märchenhaftes Gaulelspiel!«
dachte Elli. Laut sagte sie: »Da hört
doch wirtlich Alles auf.«
.Das Wunder, das Wunderl« rief
die Tante in Verzückung. einen langen .
Triller mit den Augenlidern schlagend.
Sie schwankte, ob sie nicht eigentlich in
die Kniee zu smten habe. «Wagft Du
es jest noch, an dem Walten überirdi
fcher Mächte zu zweifean« fragte sie.
Elli vorwurfsvoll anbliaend.
»Ich kann es mir nicht erklären!«
murmelte diese in völliger Rathlosig
teit.
»Aber ich. Du Autzsichtige, ich tann i
es! Haberftroh ift der Vermittler zwi
schen den Geistern und uns gewesen.
Jhn haben sie als würdig genug dazu
erwählt. Wir sind noch nicht so weit.
Dabei ist dieser edle Mann von einer
Bescheidenheit ohne Gleichen — nichts
hat er sich merten lassen, so daß ich fast
im Begriffe war, an ihm zu zweistan
»Wir wollen zur Sicherheit doch lie
ber die Dienstboten fragen, ob fie etwas
davon wissen.«
Friedrich, Minna und Augufte wur
den gerufen und logen, sie hätten laut
Befehl gewisiruhait das Haus gelüftet,
während sie in Wirtlichteit zum Jour
fixe einer befreundeten Köchin gegan
gen waren, deren Herrschaft sich auf
Reisen befand.
Nun gerieth die Tante in eine Eisin
fe, die nichts Irdisches mehr an sich
hatte.
i
i
!
l
i
i
«Dieser Fall muß in alle Spiriti
sten-Bliitter! Jch selbst werde ihn, na
tiirlich mit des Barons Beihilfe, be
schreiben unter der Ueberschrist: »Aus
dem Schuh meiner Ersahrungen«. Un
ser Name zusammen mit dem Daher
stroh’s wird genannt in jedem Winkel
der Erde, wo es Spiritisten giebt.«
»Um Gotteöwillen,« dachte Elli
schaudernd und bedauerte lebhaft, daß
auch sie den Namen Wiederhold siihrte.
Sie hiitte ihn lieber aus einer Verlo
« bun Bonzeige mit dem des Regierungs
dau iihrer Walter zusammen gesehen.
Nun setzte aber ganz imGegentheil
Frau Wiederholt ihre Nichte von dein
Plan in Kenntniß. sie mit dem Baron
zu derloben, wos Elli aus dem »zusiil
lig« belauschten Gespräch der Beiden
zur Geniige wußte. Da sie also vorbei H
reitet war, sehlte es ihren Weigerungen ;
nicht an Gründen, unter denen der
Wichtigste der war, daß sie nicht habet- l
stroh, sondern Walter liebte.
Zornbebend leistete die alte Dame
die heiligsten Eide, daß sie nie und
nimmermehr diese heirath zugeben
werde, Elli dagegen derstoße und ent
erde, wenn sie nicht den Baron erhöre,
der ihr ja össensichtlich von dem Schutz
geist der Tante mit Hinsicht aus das
Wunder zugesprochen sei.
»Diese-n dummen Wunder soll ich
mein Glück opsern,« schluchzte Etli,
»und es ist gewiß gar teins gewesen!"
«Beweise mir das doch,« höhnte die
Taute.
»Vielleicht gelingt es mir! Dann
aber, Tantr, dann oerzichtest Du hof
fentlich selbst daraus, mich mit dem, der
er vermittelt «haben soll. zu verloben.'«
»Ja, dann derzichte ich daraus.« Die
Tante war ihrer Sache so sicher, daß sie
dieses immerhin etwas leichtsertige
Versprechen ohne Weiteres geben
konnte.
Als die Damen sich von den Aufre
gungen der le ten Stunden durch stär
? lenden Schla erholt und ihr Mittags
mahl eingenommen hatten, lie sich der
Baron melden. Elli entfloh e liqst, die
Tante aber rüste ihn mit Wärme
De der ron von einer wissen
Unn- ersost war,«quntu die-Kom
netzt-»arm« get nicht. Sie führte
ihn, wortlos vor Erregung, zu dem
sammetnen Kissen, auf dem der Kra
gen, als ob er eint Krone wäre, ausge
J breitet lag. und sah dein Besucher wie
abbittend ins Ange, dann berichtete sie
T den Hergang der Sache. Dem Baron»
- fiel es wie eine Bergeslast vom Herzen,
mit Mühe onnte er nur einen Seufzer
T der Erlei terung unterdrücken Der
Zufall wollte ihm also wieder einmal
wohl; es war nun auch die höchste Zeit
mit der Verlobung. Pulverblitz drängte
( in unverschämter Weise; der Brief« den
iHaberftroh aus der Treppe seiner
Wohnung, als er schon im Fortgehen .
war, erhalten hatte, verhieß Pföndung
« für den folgenden Tag. wenn die —
Schuld nicht beglichen würde. Bei je- F
’ der Bewegung lnisterte das Mahn- s
schreiben in der Brustkasche, als ob es k
: den Adrefsaten erinnern wollte, daß er
i
i
l
)
schnell vorbeugen müsse. i
Nun war sein Glück so gut wie er- F
reicht. Frau Wieder-holt hatte ihm be- F
reits ihren Segen als Schwiegertante I
ertheilt und die Mitgift bezeichnet, die s
eine sehr befriedigende Zahl aufwies. E
Als haberfteoh bat, nun seiner angebe- ;
teten Braut den Verlobungstufz geben i
zu dürfen, da war diese nirgends zu ;
finden, und der Baron mußte sich bis :
zurn kommenden Tage gedulden, an !
dein, wie Frau Wieder-holt sagte, das i
thiikichte scheue Kind sich in sein Glück !
gefunden haben werde. i
»—L --.
Das passe oclll sollt-III ustz uuo gu- -
nicht« aber er mußte sich fügen und ver- »
adfchieden. Jhm mass vor Aufregung «
ganz fchwiil im him, und er holte im ;
Entrkz bevor Friedrich ihm in den «
Ueberrock half, fein Tafchentuch hervor,
um sich Luft zuzufächeln J
Elli war, während iiber ihr Schicksal E
beschlossen wurde, in das Wohnzimmer
geeilt. Von dort aus fah sie das Meer k
.und klagte den Wellen und dem Winde
ihr Leid. Jhre Thriinen flossen reich
lich. Sie hörte den verhaßten Freier
fortgehen und athmete ein wenig auf.
Bald darauf vernahm sie aber eine
Stimme. bei deren Klang ihr geliebtes
Herz vor Freude stillzuftehen drohte·
Es war die ihres geliebten Georgs.
Elli ftiirzte in das Beinchszimmer,
wo er auf das Erscheinen der Damen
wartete: sie achtete nicht darauf, daß
ihre Wänglein noch in Thriinen geba
det waren —- fie fah ihn, und die ganze
Welt, aller Kummer war vergessen.
«Georg, einziger, lieber Georgi« rief
sie aus. Der fah, daß es etwas zu
tröften gab, ergriff schnell die Situa
tion und legte, anstatt viel Worte zu
machen. feinen Arm um fie und täßte
sie viele Male auf die rathen Lippen«
Sie verstand, daß er damit sagen woll
te, er werde ihr Schuh und Schirm
ein.
Leider wurde diese fiumme Sprache
auch von der Tante verstanden. die jegt
ins Zimmer trat und gleichfalls stumm
vor Staunen blieb. Aber nur einen
Augenblick· dann gings ios, und ein
unaufhaltfanier Strom zürnender
Worte regnete auf Elli und Georg
Walter hernieder.
Als sie einmal inne hielt, um Athem
zu schöpfen, gelang es ihm, ein paar
Worte zu Gehör zu bringen, deren
Wirkung er wahrhaftig nicht voraus
aeiehen hatte.
»Ich wollte mich nur ettundigen, ob
die Damen den Kragen bemertt haben,
den Fräulein Elli am Sonntag im
Coupfs liegen ließ und den ich herge
bracht habe.·' ,
»Sie!2 ——— Du? —-— —«
Die Damen stießen diesen Ruf
gleichzeitig so gewaltsam aug, daii Ge
org ganz erstaunt war. Seine Worte
hatten doch wahrhaftig teine welter
schütternde Mittheilung enthalten.
»Das ist unmöglich, mein herr, Sie
versuchen uns zu täuschen. Es war
nur ein Vorn-and. fich hier einzudrän
gen,« rief Frau Wiederhold. «
Der Bauführer war ein wohlerzoi
gener Mann, der immer danach trach
tete, die Politur nicht zu verlieren, aber
er mußte sich gewaltig zusammenneh
men, um zu sagen: »Gnadige Frau be
lieben zu scherzen.«
»Durchaus nicht«u zürnte die alte
Dame. «Uebrigen«e ist die hand mei
ner Nichte schon vergeben. also hätten
Sie sich Jhr Märchen ersparen können
— ebenso wie Jhren Besuch!«
»Warum sollte ich ein Märchen er
fonnen haben?«
»O, die Tante glaubt Dir nicht —
hast Du denn teinen Beweisi« rief Elli
aus.
Georg sann einen Augenblick nach.
»Nichts leichter als das,« rief er aus.
»Als auf mein Lauten nicht geöffnet
wurde, ging ich un« haus und sah im
Seitensliigel ein Fenster nur angetebnt.
Ich öffnete es gänzlich und legte den .
Umhang auf ein am Fenster stehendesz
Nähtischchen. Leider glitt ich aus dem
vom Regen der Nacht durchweichten
« Boden aus und fiel hin. Die Spuren
« davon müssen draußen noch zu sehen
. sein.«
» Frohloctend eilte Elli mit dem Ge
; liebten an’s Fenster des Wohnzimmers.
L Beide blickten hinaus und fanden den
l Sachverhalt durch zahlreiche, nicht all- H
i zu zier «che Fußspuren bestätigt. Auch ;
. die T te mußte sich davon überzeugen. i
f
Jhr wurde fchwarz vor den Augen. !
»Aber Baron Haberstroh war ej E
k doch-«
»Er hat ein Märchen erfonnen, um ;
Dich zu täufchen,« sprudelte Elli her- !
vor, «er hat sich den Spirttismuö zum
Bundesgenossen erwihlt. um Dich, Du
arme Taute, zu umgaesen und das
l --- . .- « —.— -·- .«,.-—. ..--.-—- ----
Jawort für seine Verlobung mit mir
zu erlisten. aber nie und nimmer ——«
»Schweig!« ebot Frau Wiederhold,
»es tann ein rrthum vorliegen, wir
müssen des Barons Verthridigung erst
hirent« Bei diesen Worten war sie
dem jungen Paar aus dem Wohnzim
mer in’s Entrekse dorangeeilt, auf dessen
anderer Seite der Solon lag. Sie zö
gerte vor der Thür desselben ein wenig
— s eine stumme Aufforderung an den
Besuchen sich zu deradschieden.
Georg Malter verstand und derbeug
te sich vor der alten Dame, —-- da fiel
sein Blick auf ein an der Erde liegendes
Papier-. das wie ein zusammengefalte
ter Brief aussah. Er hob ihn auf und
überreichte ihn Elli. um dabei noch ei
gen oerstohlenen händedrucl zu genie
en.
Das junge Mädchen warf einen prü
senden Blick darauf. Dann wurde sie
roth und blaß vor Erregung, und ihre
Augen sprühten Bliye. Mit eisiger
Stimme sagte sie, indem sie das Pa
pier der Tante reichte: »Lies. Tante!«
Kaum hatte die Kommerzienriithin
damit begonnen, da schrie sie laut auf
vor Entsegem Die Worte »Pulderblitz
—Pfiindung—-Schuld« fagten ihr ge
nug. Sie stürzte mit dein Schriftsliict
in den Satan. wo man sie üchzend in
einen Sessel sinten hörte.
Georg und Ellkdemühten sich um
sie, die jammernd die Worte ausstieß:
»Wer hätte das gedacht!'«
»Nun, liebe Tante, freue Dich, dafz
ibch noch glücklich der Gefahr entronnen
in."
Während die Getäuschte händerin
gend ihren Jllusionen eineThriine nach
weinte, feste sich Elli mit Georg in eine
Fensternische und berichtete den Sach
verhalt.
Endlich hatte die Tanle aus-gerun
gen, sie winite Elli zu sich. Georg tam
aber auch gleich herbei.
»Ich hatte es doch so gut mit Dir ge
meint, mein Kind,« sagte Frau Wie
derhold, »ich hoffte, Du solltest eine
glückliche Braut werden«
»Gniidigo Frau,« rief Georg feurig,
»das hoffe ich auch! Wenn Sie es nur
zugeben wollen ——"
Da fiel ihm Elli schon in’z Wort:
»Laß ihn, meinen Georg, den Bräuti
gam feint«
Da bäumte sich die Kommerziean
thln noch einmal auf:
»Einem Bauführer auf Diiilen soll
ich meine Nichte verloben?«
»Ich werde meiner Elli wenigstens
ein guter Führer durch's Leben sein.'
»Und wir werden iehr diät leben,
wenigstens so lange, bis Georg Bau
rneifter wird,« rief das junge Mädchen
mit der ganzen Opferfreudigteil und
Naivetiit ihrer fiel-gehn Jahre.
Das rührte dieTanle sichtlich. »Nun,
dai wird gerade nicht nöthig sein.'«
Da fühlte sie sich ftiirrnisch umfaßt,
und Elli jauchzte:
»Nun. Tantchem bist Du wieder
hold. Und wir werden glücklich sein!'·
Beieligt blickten sich die Liebenden an.
»Aber der Geist, der mir im Traum
erschien. sagte doch. Du würdest nur in
Folge eines Wunders eine glückliche
Ehe fchließen.«
»Hast Du das Wundrr noch nicht er
tannti Daß Du uns Deine Zustim
mung giebst, das ist ja das größte
Wunderl«
-..-, ..,.- .«-...--—- -
Der Momentohotograpkz
in de r K i r che. Bei der lirchlichen
Trauung des französischen stammer
priisidenten Paul Deschanel ereignete
sich ein lustiger Vorfall Jnmitten der
roszen Unordnung, die vor der Kirche
gerrschie —- die Unordnung war der
art, daß eine große Anzahl osiizieller
Persönlichkeitem u. a. Mitglieder des
diplomatischen Corne, umtehren mußte
— gelang es einem geschickten Photo
graphem sich in die Kirche einzuschlei
chen nnd seinen Apparat aufzustellen
— wo? das alInt man laum: ganz
einfach aus der Kanzel. wo er durch
ein günstiges halbdunlel gedeckt und
geschiigt war. Niemand hätte daran
gedacht, den nnternehnienden Jüngling
dort zu suchen. Der Photograle tonnte
also soviel Augenblicksbilder. als er
nur wollte, aufnehmen, nnd erst als
die grossen Thiiren der Kirche weit ge
öffnet wnrden und das Tageslicht ein
dran , entdeckte man den locken Mann,
der äch mit seiner Maschine so ruhig
niedergelassen halte, als wenn er bei
sich zu hause gewesen wäre. Man setzte
ihn sosort an die frische Luft. Aber
was er gewollt hatte, war erreicht, und
er machte sich sogar noch das Vergnü
gen, bevor er die Kirche verließ, den
Kirchendiener, dessen entrüstete Phy
siognomie ihn belustigte, für tiinftige
Geschlechter festzuhalten
Gipsoerband für Stuhl
bein. Ein nächtliches Stücklein er
zählen die »Aargauer Nachrichten«:
Einige übermiithige Zecher hatten in
einer Kneipe in Aargau, Schweiz, meh
rere Stuhldeine zerbrochen und gingen
die Wette ein« der U Stunden entfernt
wohnende Arzt werde zu mitternächtii
ger Stunde und bei schlechtestem Wet
ter einem telephonischen Rufe folgen,
wenn man ihm sage, es habe Einer ein
Bein gebrochen. Der Arzt liefz ein
spannen, tam. fah den Schabernack,
legte den Stuhls-einen einen regelrech
ten Gipsverband an, beinchte die Pa
tienten mehrere Male und stellte dann
eine Rechnung, die den übermüthigen
Burschen die Lust zu derartigen Wet
ten siir immer benelimen dürfte. Der
Arzt hgt einen Theil des Betrages ei
nem wohlihirtigen Zwecke zugewendet.