Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 22, 1901, Sonntags-Blatt, Image 16

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    —
IWWF
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Yn genieur Dorstmanw
.............
Mgsikhekm Degeketx
fjj III j’ —
(17. FortseyungJ
Ali es an Ue Jhiit llopizksbåk Ef!
Jmmim gleicha« MS W I M
wmig aus« ehre »Es-ein« zu rufen.
Ader der Arzt draußen schien auch
keine weitere Aufforderung zu ern-ar
ten, sondern trat mit seiner gewohn
lichen fröhlichen Miene ein.
Doktor Sinsheimer »in-at der Ober
arzt der Anstalt, ein seister angeneh
mer Dere, Mitte der Dreißrger. Von
Natur ein unbefangene-c Mensch, voller
GesWt und erenslust, hatte er
sich durch jahrelangen Aufenthalt in
der Anstalt daran gewöhnt, unter der
Oderfläckx eines liebenswürdigen We
sens seine Beobachtungen zu machen.
Er besaß in lnrvorragendem Maße die
Gabe, seine Patienten aus sich heraus
trmmen zu lassen. Selbst mißirauische
Kranke, die durch ihr abweisensdes We
sen eine Unterhaltung fast unmöglich
machten und ihre fixen Ideen harr
näckig verbargen, thauten bei seiner
herzlichen und einnehmenden Art auf.
« cht worden-, welche die anderen
He te vergebens herauszubelommen
ver acht hatten. Deshalb stand er in
Oestersclpn warm ihm Enthüllunaen
dem Ruf eines außererdentlichen Psy
chiaters. Aber in Wirklichkeit ver
drdankteosteååsts wenilgerfseiner
’ag-n · , »ung. a «s.».« einem
heiter-u Naturen Ekswak gewiß kein
Sultanpr aber er hielt sich für ein
bißcksn klüger als er war, und nichts
adsorbirt so sehr ein-en großen Theil
unkeves Verstandes als übertriebene
Si Michael-vg- « · ·
Als Doktor Sinsheimer eintrat,
wechselteer einen schnellen Blick mit
dem Meter, dar durch ein Kopfschiit
teln antwortete. Das sollte heißen:
Nichts neues. Darauf verließ Mewes
träge gähnend das Zimmer, um sich
Draußen seine Pfeife anzustecken. Der
Arzt reichte dem Kranken die wohlge
pklege kräftige nd.
» ustm Dag! «e geht’s heute?«
orstnumn nickie unsd brachte ein
mii D »Wie« hervor. Sinzheimer
fuhr fort, sich diesem unsd jenem
szu ertundi en. öde-end er sich in
einenWart chwall verlor,.muiterie er
Fu letsch den-Gransen und sigtfrxe bei
eine bachtungr.m enbar
- indet er sich noch irn melancholi - n
Stadt-enn, dachte er. Die zusamziiekp
Arn-Wenn schlaffe Haltung, die Stirn,
- noch immer in dieselben Falten ge
agen ist, das müde Auge, die ver
kchlnerte Stimme, die kaum ein paar
Werte heraus-bringt, alles spricht da
gr Und warum Ist er mit dem
uchen gean das Zenker? Ein Ge
uu-der wiirde sich uber den Sonnen
·n freuen. Cis-gessen bat er auch
nichts. Den samvsen Spinat bat
er kaum an ’-l;rt. Der Wärter wird
hohl recht ben, wenn er sagt, daß
sdet Kranke die » hat, vergiftet zu
W. Das c es werden wir jetzt
mal hereuszubelommen vers uschen
»Als-) im großen und ganzen ist Jhr
Lasset-in nicht schlecht. Puls ift nor
IIIL Zunge blank. . .. Sagen Sie
unl, i an Reer Stelle würde ein
Mit jetzigan gehen. Draußen ist
em- pcachcp our um
ZU habe Ia das Fenster offen.«
Ganz recht, dadurch haben Sie
frische Lust Aber Sie
milssm chunseren Pakt ansehen. setzt
m Frühling ist das ein Anblick, den
mn anderswo nicht leicht hat Gehen
Sti- doch n bißchen spazierenF «
habe keine Lust
i ist aber kmnischl Mit liegt der
kläglich so in den Knochen. daß ich
iebsten alles Kurjren vergäße und
iss grünen Walds zieren ginge. Wie
MMUC Schafspa Jm wunderschö
nen »Ah-nat Mai, als alle Knospen
imngn und so weiter. Sehen Sie
Mr einmal lxtausl Wie der Mai alles
sen mass Die ältesten Bäume wer
Um siedet jung l«
Mthotssmcinn wandte nicht ein
W den Vlies Unk, sondern erwiderte
WI
»Mit die Menschen nicht. «
Und all diese samosen Sachen, die
Meist-US will-ringt Das frische
Mit te finden Sie eigentlich
ftp-Küche? Sind Sie zufrieden «
Jst-Ists
. »Warum en Sie denn nichts-? Sie
Wenn mehr essenk
VIIIng » sei-: ki»
m w e n« r
da kaähw fort äste gestatten Mise
aus dem
nsie kmi scheuten-zeh
l TKTdelettab nt bißche
«UEiAp3kt1ebil-l aufs
mGie soll Ihnen nur das
. « WHAT-let wenn Sie
;..-.- Messe-«- Messe
»ne, VESIC- sie-Machka -
mehr essen, als
« Eli eben banger ma
:- .. M ei nie-e
s— PG it in Gesellschaft
— W ein paar samt-se
- I i-’-""tmqf’.
I Verren aus der Station. die Ihnen ge
s nnß gsallen würd-ein«
i « lpirfti lsiger allein-«
« s i de. Das i wirklich
schoka st «
Indem der Arzt den Tisch verließ.
septe er sich gerade vor horstsmann auf
eine Ruhebank und sagte, mit einem
Bein daumelndt
»Sie denken zu viel nach, Herr Jn
« r.«
»Das kann wohl sein«
»Na, und worüber denlen Sie so
rsiel nach? Sind es wissenschaftliche
Problems«
Aber wie einer, der müde ist, gefragt
zu werden, nnd keine Lust zu antwor
ten hat, zuckte horstmaxnn die Achseln
»Ich denke an alles Mögliche Pri
vatsachenl - ch lann Ihnen das un
nsoglich mitt «len.«
»O bitte!« erwiderte der Doktor leb
haft. « »Ich wünsckx das auch aar nicht
sit wissen. Ich dachte mir. Sie hätten
pielleicht Sorgen, und dann ist es doch
immer eine Erleichterung wenn man
ssch aussprechen kann"
Hieraus erwiderte der Kranke nichts
Eine Weile schwieg das Gespräch.
Der Arzt dachte vergeblich über einen
neuen Anlnüpsungsduntt nach.
Schließlich sagte er in einem Ton.
der etwas von ernster Ermahnung an
sich hatte:
· »Sie sollten sich beschäftigen Arbeit
ist das beste Mittel gegen unnötdigc
Steg-ein« .
Da blickte Horitnrann zum ersten
Mal lebhafter auf.
»Ich mich beschäftigen? Jch habe
mich zwanzig Jahre meines Lebens mit
Unternehmungen beschäftigt von deren
Größe Sie vielleicht leine Ahnuna lia
den. Ich habe ein paar Hundert Leute
unter mir gehabt Wenn ich was an
fing, handelte es sich um Million-ein
Jetzt bin ich aus dies Zimmer be
schränkt. Ich lann nicht mal frei aus
gehen und . . . ich wills auch gar
nicht« Womit sollte ich mich beschäfti
gen? Jsch habe meine Gedanken, die
sind mir gutng
Der Arzt hatte aufmerksam age
bört, und während er freundlich lö
chelnd die Worte zu bestätigen schien
dachte er bei sich: Offenbar Größen
wchn. Endlich kommt was heraus!
gänz ist denn eigentlich Ihr Haupt
wer « L
»Jch habe unter anderem die höchste
Cisenbabnbriicke der Welt gebaut «
Dann fügte er hinzu, als wenn ihn
diese paar Worte schon ärgerieru
»Uebrigens lesen-— Sie es doch en mei
nercw sogenannten Kmnlengeschichte
na .«
» ch bab«"s schon aelesen,« erwiderie
rzt obgleich davon in der Anan
ienaseschichte nichts stanld »Aber sa en
Sie mal halten See sich eigentlich iir
iraan«
»Ich bin lranl« erwiderle Hinsi
mnnn düster. »Aber lauben Sie nur
nicht, daß Sie mich uriren könne-if
»Wenn xSee nicht sagen woran Sie
leiten, allerdings nicht «
»Auch wenn ichs Ihnen sagte. Wenn
nnr körperlich etwas fehlte, wiirde ich
Sie vielleicht um Rath fragen. Aber
wie iornnee ich dazu, anen mein seeli
sches Leiden mixutheelen?«
»Ja meiner igenschast als Arzt. "
»Als Arzt? Was heißt das? Sie
haben den Blute-mian ftudirt, Sie
w: ssen, wie der Magen aussicht, Sie
könne mir sagen, ich Fieber habe,
ob ich an schlechter Verdauung leide
Aber können Sie mir deshalb in einer
rein menschlichen Angelegenheit
Nitan
Nicht iibel gedacht! Aber doch die
ganz Mkaion eines Kranken, sagte
der Erzt bei sich. Dann erwiderte er:
bt auch Aer sie siir die Seele
—- Zither-. Und a PS solcher erlaube
ich mir die
»Unser STIan verstehen Sie
die, welche die Krankheiten der Seele
nnd des Geistes stridirt haben Nicht
wes-bri«
,Gans r.echck"
»Alle halten Sie mich fiir gewes
trani«i«
Einen Augenblick schwieg der Arzt.
Taten sagte er fest:
st.,,Allleardins:»iö, ich halte Sie fiix gei
Votftmann lächelte: ,
»Ich bin geisti ebenso gesund, wie
Sie. Rut . .. i bin trank an wirk
lichen Verhältnissen Ich bin unglück
lich, weil ich Grund dazu habe. Das
ist meine sogenannte Krankheit.«
»Und worin besteht Jshr Unglüd?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.
geh bin ungläckkich und habe Grund
zu.«
»Sie bilden sich den Grund nur ein.
Und diese Eint-zwangen dsie Sie quä
len, find Jshre wahre Krankheit.«
.Horstmann sah den Arzt mit stillem
chn an und sagt-:
»Sie wissen es! Sind das gescheite
Leute die Jkrenärzte, die hören das
Gras wachsen!«
Doktor Sinzhetmee drang nicht wei
ter jn den Kranken, sondern ging
Meran keichtfettig zu einem anderen
Schema zähen .
.,·-Ej M ein Brief von Ihrer Frau
Mlin gekommen. Wollen Sie den
ni lesen?«
« ein.«
«Warum Meiji«
»Ich mag nicht. Uebrigens ist er
auch nicht von meiner Frau.«
«Pardr-n, der Brief ist von Ihrer
Frau Gemahlin eigenhändig geschrie
ben und an Sie aericknet." I
»Eigenbiindi gewiss-X entgegnete i
Hprsimann A r nicht von ihrem ei
genen Geist. Es hat sich Jemand an
ders meiner Frau bemächtiai.«
»Was wollen Sie damit sagen's
Halten Sie Ihre Frau Gemahlin filt
trank-«
.,Die ist auch krank! Schtoerer krank
als ich. Die leidet an den bösen Men
ichem die sich ihrer bemächtigt haben.
J? habe auch darunter aelitten. Mich
he en sie nur gequält, aber meiner
Frau baden fse die bessere Einsicht ge
nommen."
»Wer sind denn die Menschen?«
horsimann machte eine ungeduldige
anna.
«Frax,rn Sie nicht so viel! Weiß der
Himmel, ein Arzt kann nnd-r fragen,
als ein Dutzend Narren beantworten
können. Leben Sie webt! Kommen
Sie heui’ noch mal wieder?« «
Er reichte dem Arzt die Hand. Die
folgtc der Aufforderuna und verließ
das Zimmer-. Nachdem er draußen
noch einige Worte mit dem Wärter ge
wechselt hatte, besuchie er einen ande
ren Patienten Von horstmann nahm
er das Bewußtsein mit, daß ein un
beikbar Verriickter sei, in melancholi
fchem Zustand der momentan wenig
stens nicht gefährlich war.
Nachdem der Arzt hinausgegangen
war, kam Meweå wieder herein und
räumie den Tisch ab. Dann tiingelte
er, woran ein Mädchen tam, welche-k
das Getchirr hinaugtrua.
Horsinsann hatte wieder fein Buch
vorgenommen Er las langsam und
sorqfijltiq, wie ein Mensch, der an
Leltiitre nicht gewöhnt ist« indem er
jedes Wort für sich und im Zusam
menhang mit den anderen würdigte
Draußen stiznietterte ·ein» Bitchfini
IUIIKU sllllslllsllsll UMIUI VIII-,
während von einem entfernten Baum
das Weibchen in sclsiichternen Tönen
anttrortetr. Im offenen Fenster tanzte
ein Mitaenschwarni. Eine eFries-te war
auf ihrem Flug in’·5 Zimmer hinein
geschassen und treiste summend unter
der Decke. Plöetlich ließ sie sich aus
Vorstmanne Buch nieder. Er scheuchte
sie unmuthia mit dem Taschentuch
fort. Aber im nächsten Auaenblict war
sie wieder da. Bald tloa sie neaen sein
Gesicht, bald spürte er sie auf seinem
Hals-L Er wurde schließlich nervös,
und als sie wieder auf dem Buch saß,
schlug er sie mit der Hand todt. Ein
tleiner blutiqer Fleck bezeichnete am
Rande die Stelle, wo ihr zerquetschter
Körper gesessen datte·.. Da schng
Harstmann das Buch zu arg-stieß ei
nen tiefen Seuszer aus. n Kopf
sanl wie von einer unerträalichen Last
niederqediiickt aus seine Brust, und
mit erloschenen Augen starrte er in lei
nen Schopf-,
So hatte er mit dieser verfluchten
band sein Weib niederneschlagenk Er
mußte immer und immer wieder da
ran denken- Jedes kleine Ereigniß be
schwor die Erinnerung herauf. Es
war, als wenn die schweren Faust
schliige, mit denen er sie niedergestreett,
ihn selbst getroser bitten. Er befand
sich seitdem in einem Zustand so
schwerer Melancholie. daß er alles
nur mit halbem Bewußtsein wahr
nalnn und aussiil;iste. Nur eins war
ledendia und wach: die Erinnerun
an seine fürchterliche Tint. Die
Sipriser Blut, die i m Gesicht ent
strioknt waren, waren «r ihn zu der
breiten, rauchenden Blutlache gewor
den, die den Miit-der umrann-st, und
teren nie zu tilaender Geruch ihm
ten Atheni und den Schlaf seiner
Michte nimmt
Er hatte sein Weib aefchlagenl Die
se Hände, die ilxsni zum ersten Mal in
seinem Leben so gräßlich plump und
breit erschienen waren, als sie ihre
treißen, zarten, rinnaeschmiickten Hän
de tarein legte, hatte er aegen sein
Weib erhoben. Er hatte ihre geliebten
Züge entstellt. Jst-re Schönheit, die er
sc- anbetete, hatte er aeschtindet, er, der
rohe. brutale Mann. Vor Jahren,
noch als Arbeiten hatte er einmal ge
ehen, wie ein Junge einem kleinen
oqel bei lebendigen Leibe den Kon
Weise-Und diesen surchtdaren Schreck,
diesen gen-· tut-etlichen Schmerz, den
er damals tin ersten Augenblick nach
viel stärker als die Eint-stunk ern
dfanden hatte, empfand er immer wie
der, wenn er an Anna dachte. Er
lchaudserte vor sich selbst. vor diesem
wilden Thier, das in ihm steckte. und
das ihn « dl
KW Hätt-Wittwe bin tue-ten —
Cur-no tole et Ikllllet Mutka sgc- "
schen hatte, sah er jessnt schwarz. Er
empfand nur noch seine eiaene Schuld-«
Seine Eifersucht. seine Muth auf
holleder hatte er vergessen. Er glaubte
jetzt, daß Annw- Untreue nu: in sei
ner Einbilduna bestanden habe. Und
wenn die alten Zweifel des-,- wieder
aufftieaen in ihm, so redete er sie sich
aus, rnit einer Art wüthender Freude«
um die FurchtbarIeit seiner llntlnt
desto stärker zu empfinden. «
Immer wieder trat vor sein Auge
das Bild, wie Anna. von« seinem
Schla « getroffen ceaen lAdie Saale, die
ihre e aene Väfte trug, taumelte und
dann mit einem Aufschrei zu Boden
fiel. Und dann — das war das
Schrerllichste, das, was er nicht be
riss —- dann hatte er sich Eber lre ge
rzt, ihr das Kleid von der Schulter
gerissen und sie geschlagen, bis die zer
rissenen Hemvfetzen roth mit Blut ge
tränkt waren. Er hörte noch ihr dum
per Röcheln. Er erinnerte sich noch
aan genau, daß dieses Rocheln feine
uih gesteigert hatte, er« hatte so lange
zuschlagen wollen. bis sit lernen Laut
mehr vor: sich gab, bis fie todt war.
Alles, toas ietzt mit »ihrn geschah,
ldcss er hier unter Verruckten einge
Ysperrt ioar, that ihm wohi. Das al
les war nur eine schwache Vergeltung
ini Vergleich zu der Strafe· die er
verdient hatte.
Als er noch in Grafenbera war,
hatte man ihm gesagt, daß feine Frau
an schwerem Siechthum darniederlie
ge. S "ter hatte er aehört. ei ai e
ihr be er. Er glaubte das und qlau ,
te es nicht. Er konnte sie sich nicht an
ders vorstellen. als in einem Krantens
stubl liegend. das von Narben ent
siellte, blasse, in aller häßlichtett noch
schone Gesicht anlläaeeiich gegen ihn
erhoben. Dasselbe Siechthum, woran
er litt, aab et ihr. So wie er in dieser
trostlosen Niedergeschlaaenheit hin
btiitetr. unfähig, sich zu erheben, un
fähig, einen anderen Gedanken zu saf
en, als diese araulscnnen Selbitierss
leifchungen, so schien auch sie ihrs hin
zrrsiechem während alle Lebensfreude
in ihr erloschen war, zu einem langsa
men Sterben verdammt
Und reicht blos wegen seiner letzten
That, wegen der ganzen Verga nheit
machte et sich Vorwürfe Als ie ihm
die band reichte. hatte er ihr eine hei
tere Zukunft, ein glänzendes Leben
versprochen. Eine Zeitlang hatte er
sein Versprechen gehalten. Aber dann,
als ihn das Glück verließ, hatte er sie
mit in sein« Unaliick hineingezogen.
Weil er griesgrämig war, sollte sie es
auch sein. Weil er die Menschen si
te, sollte auch sie die Menschen ha en.
Aber was hatten ihr die Menschen ge
than? Wie konnte sie in ihrer lachen
den, erwartungsvollen Juaend den tie- ;
sen Schmerz dessen ermessen, der, am -
Ende feines Lebens anaelommen, die i
bittere Enttiiuschung erfährt, von der ;
ein alter Mann sich nicht wieder erho- -
len lann’.2 Er hatte sie siir rnitleidlos I
nnd egoistisch gehalten. aber im Grun- j
de trat sie nur jung und biegsam und T
voller Lebenslrast gewesen. Weil er !
sliiaellalnn war, hatte er auch ihr die ·
Schwingen gebrechen. Er hatte Ehre j
Jugend zerstört und ihr ganzes Le- ’
bensgliiel vernichtet. Auf ihm lag die
ganze Schuld.
Jetzt, too er in diesen Stunden ein
samen Grübelns iiber ihr gemeinsames
Leben nacht-achte, begann ihm aus«-n
dämmern, worin der tiefe eigentliche
Grund ihres gemeinsamen Unglück-s
lag. Er war alt. und sie war jung.
Er war der rauhe Arbeiter, der hart
geworden war unter irrem Leben von
Miihsal und Plaaen, und sie war das
Beichte Geschöpf des Luxus, zur Freude
und zum-Gefallen aeschaffen.
Mancknnal stieg ihm derWunfch und
rie leichte Hoffnung auf, noch einmal
das Leben mit ihr zu beginnen. Dann
tu llte er bescheiden, wie der Zuschauer,
der zum Tanz zu alt ist« an ihrem
Glück, an ihren Erfolgen sich freuen.
Aber er sagte sich. daß es auch dazu zu
spät sei. er hatte sich selbst diesen letz
ten Rest des Glücks zertrümmert oIhm
blieb nichts ühri , als sein dersezlteit
Leben zu verfiu n und einsam zu
sterben.
Es kamen freilich auch Augenblicke,
wo er die Dinge in einem anderen
Lichte sah. Dann dachte er an Anncks
Mutter, an ihre Schwester, an Veh
wis, an Holleder. Ihnen hatte er
den alten Groll bewahrt. Er war da
von überzeugt, daß sie die eigentlichen
Ursachen feines Unglücks waren. Jn
de nAuaen feiner Verwandten war er
der Fremde gewesen, der außerhalb des
Familientreises stand· der nur gut da
zu war, um betrogen und aus-geplün
dert zu werden. Und nicht zufrieden
damit, daß sie ihn um Geld betrogen,
hatten sie ihm auch seine Frau gestoh
len. Sie hatten sich zwischen ihn und
sie estellt. Sie hatten sie mit ihren
lkin iisterungen aufgehetzt und ver
rathen« dafz Anna allmählich nicht sie
selbst, sondern eine ganz andere war,
ein Geschöpf dieser schlechten Menschen.
So hatte ihr eigener Mann sie nicht
mehr ihn. Eine Atmosphäre von Lüge
und Haß war von ihr au angen
Und gean diese verdorbene «reatu:,
die mein mehr fie selbst war, hatt-e er
tie Don-d erhoben. Indern er Anna
niederschlug, hatte er nur die Gemein
heit der anderen treffen wollen. ·
Aber dies Raisonnement, das sein
grübelnder Verstand erfann, rannte
Ihn nicht trösten, es tonnte ihn uher
die eine Erinnerung nicht wes-bringen
Was er steh auch verirrt-etc auf wen er
auch die Schuld zu späten s e, rin
rner wieder rollte die schwere ast auf
ihnzseriich « « » »
« u-.
Cc lsul all Icllkk Unscclclh IIIII III
chen Gjrdanien wie an Ketten g e eli.
und wenn nach langem Grübeln die
Dämmerung anbrach und er sich noch
immer dasitzen sah, die breiten Hände
unbeweglich im Schoß, dann stieg ihm
die Erinnerung an seinen Vater auf,
der im Zuchihaus gestorben war-, weil
er rinen Menschen umgebracht hatte.
Sein eigenes Schicksal war nicht besser
Jeden Tag, ungefähr um dieselbe
Stunde, bekam Horsimann Besuch von
Doktor Sinsheimer. Er behandelte den
Arzt, wie man einen lästigen Men
schen behandelt, dessenGegenwart man
wo l oder übel eine Zeit ong ertra en
rnu . Er durchschaute ihn, er wu ie,
daß sein liebenswürdiges Wesen et
was anderes verbarg, daß seine harm
losenIFragen immer doppelsinnig wa
ren. anchtnal weidete er sich an sei
ner Neugierde und gab ihm Rats-set
zu knacken, manchmal suhr er ihn grob
an, je nachdem et ausgelegt war. Ihm
war dieser Mensch mit dem stets hei
teeen Gesicht der tadellos weißen Wä
sche, den gesunden, rothen Backen im
in Grunde unsympathisch. Er erin
W
nerte i n zu sehr an die Leute, die in
lückliåm Zeiten an seiner Tafel ge
fchmau und seiner Frau den Hof ge
macht hatten. Jhrn sagte Lein argwöh
nifeher und durch das Le den verfei.
nerter Instinkt, daß- dieser Mann
mo te er auch noch so gut in feiner
Wi en chalt defchlagen sein« doch al
lem en chlichen fremd gegenüber
ftaud. Er war vielleicht ein iundiger
Pgchiatey ein Seelenlundiger war er
ni t Oft verrieth Horstrnann gegen
Zum Willen durch ein unitderlegtez
oet fein inneres Leiden. Ader diese
halben- Offenbarungen, die ein theil
nehmender Freund vielleicht erfaßt
hätte, entgingen dem Arzt. Jhm tam
es nur darauf an, Spuren den Horfts
mann? Jrrynn zu entdecken.
Daß der « ngenieur geifteslrani iet,
daran zweifelte er teinen Augenblick.
Das ging aus feinem friiheren Leben
Irr-oh wie es in den Arten stand.
iese Akten stammten von der Hand
des Geheirnraths Zimmer. Wie alle
schwachen Men ehen hatte der Geheim
rath feine frühere Lauheit gut u ma
chen versucht und im ersten Ue reifer
ein möglichst diifteres Bild von dem
ngenieur entwor en. Der gssse
latfch, der in Dii eldorf von ihm
umlief, den seine Verwandten und
Mewes über ihn verbreitet hatten, war
darin getvisienhaft niedergelegt. Es
fehlte weder dasMoment schwerer erd
licher Belastung von Seiten eines
trunlsiichtigen Vaters, noch die Er
wahnung des Jahre zurückliegenden
ersten Ausbruehs der Kranlheit in
stza. Der Bericht fchnitt jede Hoff
nung auf Besserung ab und hob um so
mehr die Gemeingefährlichteit des
Kranken hervor.
: Auf diefe Weise do ingenonimen,
legte der Arzt Horftman s Worten,
nie eine Bedeutung an sich, sondern
nur eine fnmptomische Bedeutung bei.
Seine Meinung über ihn stand bald
feft, er hielt ihn für einen auf Grund
tranlhafter Selbstiiberfchähung von
Verfolgungsssvahn Befangenen. Daß
der Jngenieur noch gewisse fire Ideen
hinterm Berge hielt, davon war er
überzeugt. Daß er dies so hartnäetig
und lange that, wunderte ihn nicht·
Manche Krante verbargen ihre wahre
Natur monatelang, oft bedurfte es ei
ner ganz besonderen GeiegenheiL um
sie aus sich heraustreten zu lassen.
Eines Nachmittags als Doktor
Sin heirner wiederkam sagte er zu
Hor mann, daß der Amtsrichter au
Andernach ihn in einer richåserlichen
Angelegenheit zu sprechen wünsche
»Der Besuch eniertSie doch nicht?«
»Nein. Nur ol! er die Sache turi
machen.«
Doktor Sinsheimer besorgte in sei
ner chevaleresten Weise die Vorstel
lang.
»Herr Amte-richtet Vetters-, Herr
horitmann Der Herr Amtsrichs
ter bleibt gleich zum Kegelabend hier«
Haben Sie nicht auch Lust, err Jn
genieurk Sie sollten sich wir lich eins
mal unsere Keaeibalyn ansehen."
»Er-Eiter vielleicht", entgegneteHorst:
nmnn abweisend.
Unterdes hatte der Amtsrichter Hut
nnd Stock auf den Tisch gelegt nnd
sein blaues Actenlsest ausgebreitet
Nachdem er sich den Schweiß von der
Stirn gewischt hatte, sal) er den Kran
ken neugierig und ängstlich an. Jlnn
war nichts so iatal wie diese von Zeit
zu Zeit nothwendigen Besuche insder
Anstalt. Schon öfter hatte er von ei
nenr Kranken, den er verhärte, schleu
niger Reißaus nehmen müssen, als et
es mit seiner Würde als Beamter’und
gamilienoater für vereinbar hielt.
sinnial hatte ihn ein Tobsüchtiger
mitten ins Gesicht gest-nah ein ande
res Mal hatte eine inorphiuinsiichtige
Dorne ihm die Uhrtette von der Weste
erissen, und wenn .nicht der Arzt
chleunigst dazwischen gesprungen
wäre, hatte die goldene Uhr zerschmet
tert anf dem Boden gelegen. Selten
vertiefen diese Besuche ohne unlieb
saIne Zwischenfälle, aröbliche Schimpf
worte waren das Mindeste, was er
einstecken mußte. Er athmete jedejmjl
ans wenn er mit heiler baut wieder
draujzen war, und Frau und Kinder
empfingen ihn nach solchen Expediticp
nen immer wie einen aus der Schlacht
hetmtehrenden Soldaten.
Mit einem « ln, das um Wohl
wollen u bittenz ten hatte der Amts
richter ie ersten ragen gestellt. Herst
mann antwortete tan und gleichgiltig.
Dann wurde das Lächeln des Fragerö
nach freundlicher und dieStiinrne he
lain einen unsicheren Klang.
»Nicht wahr Sie sind tranlt Das
werden Sie doch ugeben?«
hie-»Gewiß Sonst wäre ich ja nicht
r.« »
Der Amtsrichter fchrieb eifrig und
fteckte feine Nafe tiefer ins Papier:
»Da Sie traut ind, ift es Ihnen
auch wo nur wegnehm, wenn das
Gericht hnen ein ormund einfeßtzsp
»Wir-" fragte Horftrnann erstaunt.
ISie werden doch gewiß diefe fe
engreiche Einrichtung kennen. Wenn
ernand trank ift, wird ihm ein Vor
mund eingefe t, der feine Angelegen
heiten fährt. B ift eine wahreWohis
that für den Krankenk
horftmann hatte die Stirn gerun
zelt und erwiderte finfter:
»Wenn das der Zweck Jhres Besu
ches ift fo tlappen Sie Jhre Schrei
berei nur u Jch kann meine Angele
» genheiirn elbft beforgenX
»So lange Sie hier find, hat das
» doch feine Schwierigteiten. Und iin
Ihre Nerven wäre es abch nicht gut.
Nicht wahr?«
Dabei fah der Amtsrichter unsicher
. den Arzt an Dieser nicktr.
«Freilich, her-r Horfimanry laffen
«..-—·- -—
l Ste’s gut sein. Es geschieht UUT zU
Jhrem ei enen Besten!«
. »Was iir ein Blödsinn!" sagte der
Jngenieue erregt. »Wenn ich das Bein
gebrochen hätte und im Kranicnhaus
läge, müßte ich auch die Geschäfteiie
gen lassen. Aber eti täme doch Keiner
aus die Idee, mich zu entmiinvigen.'·'
»Es geschieht wahrhaftig nur in
Ihrem ;’interesse,« tagte der Amts
rnhter. »Sie haben Jshr Wohnhuus
in Düsseldorf bei weitem unter seingn
reellen Werth verkauft. Dabei sind Die
— Sie nehmen mir das nicht iidel —
ein bischen über’s Ohr gehauen wor
den. Ihre Familie eviinicht nun die
im Vertauf rückgängig gemacht zu fe
hm· Das ist aber nur mögMz nsenn
Mel-gewiesen wird, daß Sie zu der
stattliche-i Zeit nicht mehr im Besitz
Ihrer normalen Geisteöträite waren.
Sie nehmen mir das nicht til-el,
Eber . . . .'«
horitmann war aufgesprungen ·
»Auf wessen Antrag geschieht die
Entmiindigung?«
»Aus den Antrag Ihrer These-aus«
»Und wer soll mein Vormund wer
den?«
wizxer Hauptmann a. D. von Dekl
· Die Antwort oersente deangenieur
in eine furchtbare Autreaung Das
Blut stieg ihm inse Gesteh-, nach
Athem ringend, stieß er abgerissen-e
Worte aus. Er iief im Zimmer aut
nnd ab, während der Arzt ihn mit
tiihlem Interesse ncobachtete. Plötzlich
schlug er auf den Tisch.
,.Sagen Sie meiner Arm-, daß iaes
Haus vertautt wird, daß wir von
Ditsseidorf fort-nehm Kein Mensch
hat da herein-Zureden Sauen Sie ihr.
daß das Vermögen mit gehört. Ich
habe es verdient bis aui den letzten
Pfennig. Ihr gehört nicht ein Stück
Möbel im Haus« Ich kann mein Geld
ausgehen, spie ich will. sich tenn’s
zum Fenster hinanswekfen wenn's
mir paßt, das acht Niemanden was
an. Die Kanaillem sie Gaunerbans
de! Wissen Sie, wer meine Frau de
iedet hat, mich zu entnnindiqenZ Ihre
Verwandten! Ihre Mutter« ihre
Schwester-, ihr Schweine-ei Das sind
die größten Hnllnnten vcn gan: Düf
feidors, die haben es nur aus mein
Geld abgesehen. Gehen Sn hin und
sagen Sie ihnen, daß sie sich nicht un
terstehen, einen Pfennig unsursjszren
Ich käme evje»cr. und dann wird ad
gerechnet!«
»Man iaikk Ihr Vermöan nur zu
iamnienhulte.-, das müßten Sie doch
e:nse«hen!« mais der Amte-richtet ein.
Aber de- «s,-·genieur baue alle Be
sinnung den-seen. Dieser eigeiswillige
Mensch, der tiin Lebelana aenahnt ge
nesen war, daß man ilmi gez;.-:chte,
scheiumte über see Wust-, at- knan sei
ne Selbsianvinteit antaitete. An kein
Tage, wo »m-! ihn ikberwiittigt und
aebunven hatte wie ein wild-:- This-.
hatte er sich iec Uebetmacht ergeben
müssen. Ader et hatte an den Stei
eten aezettt. nnd wenn ek- min nehm
aen wäre, sich frei zu machen, so hätte
e! die umgekan Die sich iorn entne
aengeftell: hatten. Man hatt-: .i)n be
tauben mild-um um ihn zur Nil-.- zu
bringen. skest am nächsten Tage war
ate- Reattipn di: aänztiche Stumvftxit
eingetreten vie ibn zu einen-: todte-no
sen Menschen machte.
Jest such-e man ihn zum zweiten
Mal, morasiickzzu wedeln-Man krell
t- ihn unieibktiindia machen wie ein
Kind. Die Lea-, die et am meisten
haßte, venen e: am meisten mißttaute,
wollten ihm cas- nehmen, was doch
ganz allem ihtn .1ehötte. Er ten-ne
teine Watte findet-« un den beiden
Leuten, vie ihm veritöndnii.log zu
hörten. begeeiftich zu machen, mir-if
ein Verbrechen hier an ihm begangen
werden sollte.
Tet Ums-richtet erwiderte nichts-.
Aber det Arzt machte hin unk- wieder
eine Entgegnung einen ateichgilligen
Gemeinplaß, ven et in aerinaschadb
gem und überleaenem Ton dem Kran
ten hinwarf. Er schien es varan ab
gesehen zu haben, seine Muth nach.
inebe zu reizen.
otstmann tlcnaelte. Als der Miit
iet lam. chtie er ihm zu:
»Der «eettek soll iviktt tainmen!«
Mewes sah den Am an. der auf
eine stumme Frage lächelnd »wi
e:
»Saqm Die dem Herrn Dkkeiioi,
ich ließe ihn bitte-i. wenn er Zeit» rai,
sich einen Augenblick jekiubeknuiynf
horstmann qinzi wud ken und bet.
Die vüsieke Schipekinnih, die so Zunge
auf ihm gelaiiei hatt-. wa; zerrissen,
wie der Id:nch, »wenn plehisch die
Feuetiäiile durcho:icht. Jesi dachte
et nur an tsie its-n damals annetixane
Schmach. Und ei-. iviikde ihm immer
klarer, daß alles ein von lanKek Hand
angelenies Kampfe-is wac. «- cin hatte
ihn fchuivig umsehn um iich seiner
entledigen zu hinnen. Seine Feinde
hatten ihm das Schantmcil Di: Ber
ziickiheii auf even-: um freie Hand
zu haben. iin Mir-i sie- in feinem
us. Nun hatten sie erwies-L ins
ie wollten« Sie triunipbitiei:. Sein
hab und Eins w« ihnen preisgegeben
er hatte ins-bis nich-, er war hier ein
aefpecti, ais-—- Maiineöckchte beraubt,
wie ein Kind. Sie saßen iii Sicher
heit, maßt-»i, veraeuoeien fein Gikd
und verhökiiilen sin, und er konnte
nichts vix-Herr Er trat hilflo-! —- ge
bunden Dies das Isackititoii tiefes
wildfkeinoez:, Mit blöde-n GeZTcht auf
feine-n Stuhl bockenden Menschen . . .
Ein einziges Verlangen schrie in fei
nem Funeknx unter die Verbrechen
bei-de zu treten, einen Aiiiienbiick lang
sich an ihren anastbleichen Gesichtern
zit- weiyeii und sie dann niederzufchlg
»n, wie man ekelt-afte, wir-etliche
Thiere niederschlägt
Entsetzt-im Man . »