Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, March 15, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    Hei-He von Else KraffL
Er bewohnte den Kelleenun schon
« « IMM- der Schuhmacher Zenzte
Berlin R. Die stins Stufen, die
« irr-den kleinen Laden hinuntersiibrten,
« waren abgetreten und eingefunden
Mgten jedoch allrnorgentlich in glei
cher, srischgescheuerter Weiße, und die
Klingel an der Glasthiir sang ihr lu
« es Lied den ganzen Tag.
·1helm Zenzke war ein fleißiger
Mann. Mit einem Lehrling saß er
unermüdlich hinter den ausgestavelten
Papptartons, den ineinandergelegten
Pantoffeln, Filzschuben und Lack
släschchen. die den Laden von einem
Fenster zum anderen in zwei Theile
trennten. Daneben führte eine Tbiir
in die Wohnstube von Mutter und
Sohn, wo ein braunes Ripssopba mit
weißen Schutzdeckchen, ebensolche Ses
sel, eine Kommode und ein Kleider
fchrank neben sem großen Bett in der
Ecke dem Raume ein Iemiithliches Aus- ;
sehen gaben.
Die alte Frau wäre manchmal gern ;
in ihrem Lehnstuhl am- Fenster sitzen :
geblieben, wenn nebenan die Klingel .
ertönte. Ihre Füße waren müde ge
worden, und der Körper schwach und
hinfällig- Aber der Wilhelm brauchte
ihre Hilfe im Laden. Er konnte sich «
nicht bei der vielen Arbeit die Zeit neh- ’
men, mit den Kunden zu unterhandeln, I
seine Waare anzupreisen, oder für eit- »
le Mädchen das ganze Lager nach ;
schmalen Schudspitzen zu durchsuchen. ;
Er war überhaupt ein schweigsamer
Geselle. Nebenau der Klempnermei- F
fier Specht in seinem Keller pfiss und
sTang bei seiner Hämmerei den ganzen J
. ag. .
Wilhelm saß immer gebückt und still,
immer die Lippen fest geschlossen in
dem blassen, mageren Gesicht.
Wenn ab und zu ein paar unbehol- Z
sene Kinderbeinchen in den Laden hin
unterkletterten, wenn die Kleinen aus
der Nachbarschaft, mit ihren zerrisse
nen Schühchen in der Hand, zwischen
i den Papptartons austauchten, hob
Frau Zenzke manchmal eins der win- «
zigen, zappelnden Dinger in die Höhe
und schob sie ihrem Sohne entgegen.
»Siehste, Wilhelm, so was fehlt Dir
noch, hier zwischen allem todten
Krams bei uns. Und dazu ein paar
flinke, frische Frauenhände, die mir
die Arbeit von den Schultern nehmen.
Wie lange wilft Du denn noch warten,
Junge? Was willst Du denn anfan
gen ohne mich, wenns nicht mehr geht,
und Niemand da sein wird, der Dir
helfen thut?"
Und dann Abends ein vertrauliches
Flüstern in der Wohnstube, wenn der
Laden geschlossen war. Wieder und
wieder redete die alte Frau aus den ;
Sohn ein.
»Klempner’s Miele von nebenan, —
-—— Du, —- — Wilhelm, merkste nich,
warum sie alle Augenblicke reingucken
thut in’s Geschäft? Und drüben die
Auguste von Hauptmanns. Das wär’
auch was fiir Dich, Junge! So sauber
unn freundlich den janzen Tag. Und
nie Ballschuhe kommt se laufen, wie die
andern Mädchen hier in die Jegend.
Jmmek das eine Paar Stiefel zu repa
riren bringt se in ihrer Sparsamkeit.
Heirathe doch, Wilhelm, thu mir’s zu
Liebe! Woran lauerst Du eigent
lich?« —- —
Ja, worauf lauerte er eigentlich?
Jn seiner dunklen Kammer hinten ne
ben der Küche lag er mit offenen Au
gen und hörte fortwährend die Frage
der alten Mutter.
Wenn sie ihm nur nicht immer die
Kinder an seinen Arbeitsplatz brin
gen würde. Diese zierlichen, niedlichen
Dinger mit den großen, neugierigen
Augen. Wenn sie stolperten, die klei
nen Beinchen. wenn sie über das ausge
stapelte Schuhwerk an seinem Schemel
trippelten. Und wie weich und zu
traulich sich solche Kinderhand in seine
harten, geschwiirzten Finger legte. Ob
sie denn keine Furcht hatten vor dem
blossen, ernsten Manne? — — —
.. Solche schreckliche Furcht, wie sich da
·: mals vor sechs Jahren aus einem Mäd
-.chenantlih ausgeprägt hatte, in dem
Grade so große Augen gewesen waren,
wie bei den dummen Kleinen von der
Ja, damals- hatte er noch gepfissen
bei seiner Arbeit, manchmal auch ein
leises, stolzes Liedchen vor sich hinges
summt. Und ganz grade hat er dage
sessen und hastig die Finger an dem
Schukzsell abgerieben, wenn die blonde
Liese lachend die fünf Stufen mit ei
nein Schritt hinuntergesprungen war.
Fast alle Tage war irgend etwas
· entzwei gegangen an ihren Stiefeln
Entweder die Knöpse abgeplatzt, oder
die Sohlen durchgerieben. An den
zierlichen Halbschuhen verlor sie die
Schleifen, und an den Filzsohlen für s
Aus waren die Schnallen abgerissen.
Und immer wollte sie warten aus die
Arbeit, so dringend sprach sie von den
satt-ten Dann saß sie seitwärts
dem kleinen Fenster aus einem
SM MS und hielt die hände
Hier II M gesaltet. Dauerte es
· Ue W durchstöbeete sie auch
; wehk- W Neugier das ganz(
sonstige-. M probirte die bunten
Leserschuhc an. Lächelnd streckte sit
the dann oft den kleinen Fuß entge
»Da, — —- Meister, paßt deri
Zählen Sie doch mal, ob et such nich
.zu weit fiir mich ist«
i Und er beugte sich nieder, vorsich
!tig, mit zitternden Fingern und heißer
f Stirn. Jn scheuer hakt umspannte er
’ das feine Fußgelenk des Mädchens.
I »Jhnen passen nur Kinderschuhe,
s Fräulein Lieschen, — —- brauchen Sie
gwiedkr ei Paar?«
s Sie sxüttelte triibe den Kopf.
s »Ach, Meister-! Branchen, —- -—- ja,
,aber ’s Jeld half ich nich dazu. So'n
armes Fabrikmädchen, wo denken Sie
»hin?" —- —
Und eines Abends, es war kurz
vor Weihnachten, und Wilhelm
zufällig ganz allein in feinem
Laden, da kam sie auch gesprungen,
die hübsche, blonde Liesc. Von der
Kälte draußen waren ihre Wangen ro
sig gefärbt, und behaglich dehnte sie den
Körper in der warmen Luft.
Er war ausgestanden von seinem
Schemel, und ihr entgegen getreten.
Lächelnd sah er ihr zu, wie sie sich ha
stig das abgetragene Jaquet austniipfte
und in der ihr eignen flinken Bewegung
die blonden Haarringel aus der Stirne
strich. Und dann saß sie auf einem
Stuhl vor dem Glasschrant, und zog
ein kleines Partei aus der »Tai che.
»Ballschst Möchk’ ich. Hekk anzkk,
weiße Ballfchuh’ ans recht feinem Le
der. Das sind jetzt die modernsten, —
—— was ?«
Er antwortete nicht, er blickte sie nur
n.
Jhre Augen strahlten. Jhre Lippen
glichen dunklen Rosendlättern. Behuf
sam wickelte sie das Packet aus, und
nahm ein paar weiße Strümpfe aus
dem Papier.
Garten Sie malen bischen weg. Mei
ster,'« sagte sie kindlich, »su·chen Sie mir
der-weile was extra Feines raus. Ich
had’ mir gleich neue Ballsttiimpfe mit
nebmcbt zum Amt-todtsan «
O
Er wurde dunkelroth und schlich bis
in den äußersten-Winkel feines Laden-Ä
Und dennoch giaubte er das Mädchen
zu sehen, wie es mit bloßen Füßen dort
auf dem Stuhle saß, und lächelnd das
weiche Gewebe überzog
«Als er wieder vor ihr stand, hielt er
ein paar weiße Schuhe in der Hand,
auf deren Spitzen ein grünes Myrthen:
zweiglein angebracht war.
Sie lachte und schüttelte verwirrt den
Kopf.
»Aber, Herr Zenzte, das sind ja
Brautfchuhe I«
»Ja — die können Sie auch zum Ball
nehmen. Andre hab’ ich nich in weißes
Leder. Und —- und die Myrten schneid’
gh Jhnen einfach runter, Fräulein Lies
en.«
Sie streckte hastig die Hände aus«
als er nach der Scheere griff.
»Nein, nein, jetzt noch nicht. Jch
möcht’ se erst mal anprobiren. So ’ne
entzückenden Blüthen, grade als ob es
frische wären !«
Er war vor ihr niedergetnieet und
nmfpannte ihren Fuß.
Sie beuate sich so tief herab, daß ihre
Haare seine Wangen berührten nnd
ihr warmer Athetn seine Lippen streifte.
»Wie angegossen, Meister !« sagte sie
glücklich.
Er nickte nur. Noch immer hielt er
ihren Fuß in der hand
Das Mädchen konnte nur sein glän
zendes, schwarzes ar sehen, das sich
über der Stirn zu arnmenlocktr. Wie
hübsch das aussah ! Muthwillig grif
fen ihre Finger in so eine Locke.
; »Ist das alles Natur ?« wollte sie
»scherzend rufen, und schwieg doch wie
» gebannt, als er den Kon hob. Abgangs
jlos lag ihre Hand auf seinen Scheitel.
m nächsten Augenblick hatte er sie
Igetrißt, getiiszt mit heißen, zitternden
Lippen mitten aus den Mund.
Wie gebrochen saß das Mädchen da.
Er begann zu reden, hastig. schmei
cheläid ein Wort das andere überstie
zen .
»So lieb hätte er sie, so schreckiich
lieb ! Und feine Frau müßte sie wer
den, feine kleine, fröhliche Frau, die ihm
den dunklen Leser hell und freundlich
macht. Und nicht böse sollte sie sein,
nur nicht traurig nnd böse, daß er plöt
lieh so iiber hergefallen wäre. Er
götte sie ja so lieb, so schrecklich
okt« —- ....- —
Da war’s gekommen, da war sie aus
gesprungen, und hatte ihn zurückgestr
ßen. Jn ihren Augen eine Angst, eine
so große, entsetzliche Angst, wie er sie
angefaßt hatte. Mit beiden händen
sahe sie über die Lippen« aus denen sein
Mund geruht, während sich ihr Körper
wie im Schauder dabei schüttelte· Und
dann war sie fort, mit den weißen,
myrtengeschmiickten Brautschuhen in
den Winterabend hinausgelausen.
Seitdem hatte er das Pseisen bei der
Arbeit verlernt, und das Singen.
Da saß er eines Abends wieder sin
nend bei der Arbeit. Kurz vor Laden
schluß ging die Tbür noch einmal aus.
Ganz behutsam und vorsichtig. Ein
Kind trat in den Keller. ein kaum siins
jähriges, blondes Mädchen. Nicht mal
einen Mantel hatte es an. Jrn gestiel
ten Röckchen und ausgetretenen Zeug
schnhen stand es da. Und in den Hän
den ein Paar zerrissene Stiesel, die ·e
doch nicht siir die schmalen Kinderfitße
bestimmt waren. .
Frau Zenzie, die zwischen den unr
hergestrenien Waaren ausgetiiumt hat
te, strich der Kleinen mitleidig iiber das
« glatte Gefiel-schen
s Ach otte doch,.Du armes Wärm
I chen! on wem dringste denn dit
Schuf-« i«
—:I
»Von Mutter-« - -
Die alte Frau reichte die dar e
nen Stiefel mit bedenklichein Hi dem
Sohne entgegen.
«JB woll nichts inelir las mit, was«
Wilhelm ?« «
Er schüttelte den Kopf. Unwillliirs
lich mußte er lächeln til-er das große
Vertrauen der Leute zu seiner Kunst.
Ober- und Unterleder total zerrissen,
I an allen Seiten Sprünae nnd Löcher,
, nein, die Stiefel hatten hre Schuld-ig
! teit redlich gethan. «
! Das Kind verfolgte seine Musierung.
l mit ängstlichen Blicken. Beide hände
I legte es auf den Rücken, als der Schuh
j machet ihm die Stiefel zurückgeben
s wollte. «»
»Mutter hat teine anderen mehr,"
l sagte es leise. »Sie lauft auf
l Strümpfe.« -
i Er hob gutmüthig das gesenlte Köpf
j chen in idie Höhe. Er erschrak förmlich
über das elende Kinder-gesicht. Diese
- traurigen Augen! Er kam gar nicht
mehr los von ihnen.
Frau Zenzle lief in die Stube. Sie
. hatte Bratäpsel im Ofen, das Kind
« würde sich gewiß freuen darüber. Und
eine Tasse warme Milch aus der Küche
. ja, die könnte sie auch noch holen.
Wilhelm blickte unverwandt aus das
Kind. M legten sich ein paar dünne
Fin er um seine and. .
» achen Sie och Mutterö Schuh
wieder ganz. Bitte, bitte. nähen Sie
doch das Kaputte zu,« flehte das Kind.
»Mutter bat jesagt, denn müssen wir
verhungern, wenn se nich mehr runter
und aus Arbeit sehn kann. Un trank is
se schon jewesen, solche dicke Füße hat
e «
Bezeichnend hielt die Kleine ihre
Hände um die Beinchen. Und immer
dichter drängte sie sich an den Mann,
der stumm und starr in ihre Augen
« blickte.
» Als die Mutter zurückkam wollte
das Kind weder essen, noch trinken, noch
nach Hause gehen. Erst sollten Mul
ters Schuhe geflicit werden. »
It sue uluu Haku-g tut-plus Use
Hände zusammen. Alles Zureden half
nichts bei dem Kinde.
Zenzte. der ein paar Mal unruhig
durch den Laden geschritten war, suchte
hastig an seinem Arbeitötisch herum.
Dann hielt er der alten Frau ein Paar
. neue Stiefel hin.
»Was meinste. Mutter? Das sind
- die ver-paßten vorn Fräulein Schmidt.
« Ob ich se dem Kinde mitjeben soll fiir
; seine Mutter ?«
Frau Zenzke zuckte die Achseln. »
»Jeh’ lieber selbst, Junge, solche’
I arme Frau glaubt dem Kinde am Ende
T nich. Kannst sie ja billig lassen, die
Schuhe.·'
Er nahm seinen Hut· und die Hand
des kleinen Mädchens-. Als es fragend
zu ihm empor-sah, wies er lächelnd auf
das Packet irn Arme.
«Korntn’ nur, lamm’, ich gebe Deiner !
Mutter ein Paar ganz neue Stiefel,
wenn Du mich zu ihr dringen willst.««
Und sie schritten über die Straße,
über den Hof eines alten, großen hau
fes, und vier Treppen eines Seitenflii
gels hoch.
Als er an die Thiir llopfte, vor die
ihn das kleine Mädchen geführt, hörte.
man die Schritte der öffnenden Frau
laurn. Ganz erschreckt zuckte sie zurück«
als sie den Mann sah.
Das Kind zog ihn ungeduldig in die
Stube.
»Na triegft Du Schuhe, Mutter,
ganze neue, hat er jesagtsl"
Die Frau rührte steh nicht. Sie hat
te das blasse Gesicht unter den schwar
zen Haaren sofort wiedererlanni.
Flüchtig Eil-erblickte er ihre dürftige
Gestalt, ihr müdes, elendes Gesicht, und
wickelte dann schüchtern und unbehol
fen das Packet aus
»Die Kleine sagt — —- —, sie war
» so traurig daß diealten Sziefel lnicht
Ulcbsl Zu lcsulclcll gllcgclh IlUIlcllc KL
»Vielleicht passen die hier — —- ——s, ich,
ich habs nich so nöthig, das Jeld.«
Sie schüttelte den Kopf und deckte
die Hand über die Augen. Wie sie sicb
schämte, wie sie die Zähne zusammen
beißen mußte, um nicht laut aufzu
schreien in ihrer Verlassenheit und
Schande. Nein, der da, der einst ihre
Lippen in ehrlicher Liebe geküßt, der
wußte nicht, daß sie die frohe, blonde
Liese von damals war.
»Sie —- —- Sie find viel zu gut, Herr
Zenzle. Aber gehen Sie ——- —, gehen
Sie doch, sonst zeigen noch die Leute
mit Fingern aus Sie,« sagte sie heftig.
Jäh blickte er empor. An der Stim
me erkannte er sie. Er wurde dunkel
roth und wandte sich mit steigendem
Blick zu beni Kinde, das mit ernsten
Augen mitten in ber Stube stand.
Sie lächelte. Zärtlieh striehen ihre
Finger über das blonde Köpfchen «
»Das ist meins, —- meinj ganz al
lein,« sagte sie rasch.
Traurig sah er sie an.
«Liese, —- ——— Liese, warum haben
Sie mich damals sortgeitoßen V«
. Da fchluehzte sie aus. Iriiftelnb sog
sie die Schultern in dem lahlen, kalten
Raum zusammen. Eine warme, ge
miithliche Stube sah sie plö ich, mit
braunen Möbeln unb blitt weißen
Decken darüber. Und am Fenster eine
liebe, alte Frau in ihrem Lehnstuhl, ein
zwiefchernder Vogel über ihr im Bauer
— —- Waemn gi der Mann noch
nicht ? Warum sIeic ssettsctn en«
Und Weite sogar, » ein Blick bat
Kind streifte ?
Sangs-un trat et auf fte zu, eng
streckte die nd cui. W st»
sende, als tteerihr etwas Ihn-bitten
dem Kind-X sagte er ieife. »Sie sind
staat Liefe, und da- ileine Mädchen
an «
Als sie den Kan schüttelte, als in
ihr-Reiches Gesicht dunkle Röthe stieg,
fuhr er hastig zu sprechen fort.
»Ich hii te ie damals nicht küssen
diirfen, Liefe. nein. so . » . hätte ichs
nich thun dürfen ! Sie waren ja das
reine Kind noch, so jung, ach,.fo jung !
»Sie diirfen nicht hierbieikkn mit
3 Sie hatten ja Recht, daß Sie wegliefen, »
und nie, . . . . niemals mehr wiederbr
- men. . . .».« Sie unterbrach ihn.
T o so schiecht !
Er hielt noch immer feine Hand nach
»Nein, nein, Herr Zenzle, das sagen «
Sie jetzt bloßsok Jch bin ja so schiecht, .
- ihr ausgestreckt Jn ihm war alles
; Güte und Milde.
F »Komm«, —- —;— sagte er fliisternd, ;
»komm, meine Mutter macht Dich wie-—- ,
! der gut, Liese.'«
Frau. ·
Und das hat sie auch gethan, die alte
,- Als ich mich wunderte, daß der T
« Schuhmacher in seinem Kellerfenster z
lich, als ich vorüberging, sogar ein
wieder pfiff bei feiner Arbeit, und neu-— ·"
Wiegenlied vor sich hinsummte, hat mit s
Frau Zenzte die kleine Geschichte selbst "
erzählt.
Wo—.—....—---.--·..«--.-----------....
Der gute ziiamn
—
Bon Emil Marriot.
E Daß Herr Karl Lamperl ein fetten
« guter Mensch war, wußte alle Welt,
s und namentlich er selbst. »Ich heiße
» nicht nur Lamperl,« pflegte er zu sa
; gen, »ich bin auch ein Lamperi. Fragt
i nur meine Irau.«
f Seine Kumpane, die ihm Nachmit
J tags im Kaffeehaus beim Tarni Ge
T sellschaft jeifteten und sich am Abend
n threr Ocammrneipe »zum goloenen
Engel-« mit ihm zusammensapdem um
da bis Mitternacht und darüber ge
meinsam zu zechen, lachten und stimm
ten ihm bei »Ja wohl,-Du bist ein
LamperL und genau besehen sind wir
Alle verdammt gute und vertrögliche
Kerle. Man muß uns nur ein bissel
Freiheit lassen: dann tann man uns
um den Finger wickeln.«
Diese Freiheit hatten sie sich insge
sarnrnt erobert, denn im Grunde ge
nommen thaten Alle den ganzen Tag,
was ihnen gefiel. und von den Dingen.
die ihnen zu thun hehagten, war die
Arbeit grundsiislich ausgeschlossen Sie
ließen Andere sür sich sorgen. Den Ei
nen ernährte sein Vater, den Anderen
hielt eine alte Erhtante aus, siir den
Dritten sorgten zwei Söhne-. Wenn sie
dann und wann siir ihre Erhalter ei
nen Gang gemacht oder ihnen zu Liebe
einmal zu hause geblieben waren, weil
man sie da brauchte, waren sie wie er
schöpft und meinten, etwas Großarti
» ges geleistet zu haben, so daß sie sich in
; der Kneipe einen Liter Bier extra gön
! nen mußten, um die Erinnerung an die
i Plage rasch hinabzuschwemmen. Dazu
! lächelte here Lamperl mit gewohnter
I Milde. Jhm wurden solche Plagen
niemals aus ebiirdet, und ihn schalt
auch Nieman , was den Anderen von
Seite ihrer Versorger doch hin und
wieder begegnete. Besonders die alte
Erbtante zeigte sich ast renitent, zantte
ihren Nessen aus, wenn sie bei übler
Laune war, und nannte ihn einen
Lumpen und miserablen,saulen, nichts
nußigen Kerl. Sie hatte eben, alt wie
sie war, die deraltete Ansicht, daß ein
gesunder Mensch zu arbeiten ha Der
Neste klagte oft über sie und go , um
sich von ihren Aussällen zu erholen. ei
nen Extraliter hinter die Binde. here
Lamperl hörte ihm mit erwartungs
vollem Lächeln zu, goß aus Theilnah
me ebensalls einen Extraliter hinter die
Binde und sagte: Wöret Jhr so seelen
vergnügt wie ich, würdet Jhr Alle
diese Berdrießlichteiten nicht haben.
Gut muananjeim dann erreicht man
.-- —— -—!lI s
UUII Ucu Dscllswclh IUUI lllulc Isla
Er war in dem kleinen Kreise der
Einzige, her ein Weib genommen hatte.
Eine Wittwe war es gewesen, mit ei
nem einträglichen, vorn Seligen mu
sterhaft eingerichteten Geschäft, das ihr
den Luxus, herrn Lamperl zum Man
ne zu haben, ohne allzu große Be
schwerden gestattete. Freilich mußte fie
vom Morgen bis zum Abend thätig
sein, mußte nebenbei das haus in
Stand halten und rackerte sich ganz be
trächtlich ab. Dafür aber hatte sie ei
nen um zehn Jahre jüngeren Mann.
der einen herrlichen Vallbart besaß und
wie ein Kavalier aussah Cin ihren Au
gen)· Und für einen solchen Mann
bringt eine nicht mehr junge Frau wil
lig manches Opfer.
Und wie er fie bemitleidete! Sie
war fa schmal und dünn und bla ge
« worden in ihrer Ehe mit dein schönen,
tavalierartigen Herrn Lamperl Das
entging ihm nicht, seelengut wie er war,
und er lonnte nicht genug Worte fin
den, um ihr seine lieber-alle Theilnahme
auszudrücken Schon am Morgen fing
er an, sie u bedauern. Sie stand zeitig
auf. m te sich bufüg fertig- Hm
Lamperl blieb im Bett liegen. »Du ar
me alte Dant!« sagt-e er. Einst so
früh aus den Federn. Das reine Ven
derl. Und talt ist’i auch im Zimmer.
Wie Du mir leid thuft!«
Sie brachte ihm bat Frühstück ans
Vett, heizte tüchtig ein, bevor sie ihn
verl und haftete dann ins Geschäft.
inperl reckelte sich im Vette, bis
es Mittag meet-F and dann auf,
machte im behagli durchwärmten
Zimmer langsam und gemächlich Tei
leite und unternahm vor Tisch, um sei
nen Appetit zu schärfen, einen kurzen
; Spaziergang Bei Tisch sahen die
I Gatten sich wieder: er angenehm aus
eruht und von der Lust aufgefrischt,
« se miide und abgeheßt »Du Atme!«
sagte er. »So matt sieht mein Engel
ausl« Und er aß für Zwei, denn sie
hatten eine vorzügliche Köchin und er
einen dem Gebotenen gleichwerthigen
Appetit. Und dieFrau freute sich, daß
es ihm schmeckte. s
Nach Tisch legte er sich auf einen
breiten, weichen Divan, las illustrirte
Zeitungen und Witzblätten nauchth
trant schwarzen Kaiser und ein Gläs
chen Cognac und schlies eine Stunde.
»Leg’ Dich doch auch hint« sagte er
tagtäglich zu seiner Fran. »Es wird
Dir gut thun, Du arme alte Mutt«
Sie hatte keine Zeit dazu, wie er wohl
wußte. Aber er sagte es dennoch, weil
er so gut war und so theilnehmend.
Die Frau mußte, nachdem sie ihn be
dient hatte, wieder ins Geschäft lau
fen. er schlief sich aus und ging dann in
sein Stammlasseehaus, um da mit sei
nen Freunden bis zum Abendbrod zu
tarotiren.
Punkt acht Uhr wär er wieder da
heim. Frau und Essen warteten aus
ihn. er aß sich satt, bedauerte die Frau.
die zum Umfallen müde war, und rieth
ihr, sich zeitig zu Bett zu begeben: »Wie
Du so müde bist, Du arme, alte Haut!«
Da sie sich wirklich taum aus den Füßen
zu halten vermochte, troch sie, sobald sie
nur irgend konnte, unter ihre Decke. er
lüszte sie nnd begab sich in seine
Stammtneipe, wo er mit den »Drit
derln« zechte und tauchte, bis sie genug
hatten.
Eine Gardinenpredigt betam er nie
mals zu hören. Die Frau war zu er
schöpft dazu. Sie erwachte nicht ein
mal wenn er nach Hause getortelt kam.
und er stellte sich an das Bett der
Schlafenden, betrachtete sie voll Rüh
rung und murmelte: »Schlaf’ nur, ar
me, alte Haut! Hast ihn nötbia, den
Schlaf. Morgen in aller Früh hebt
die Rackerei von vorn an. Hart ist
Dein Leben, Du Gute! Aber was läßt
sich da machen. ?«
Manchmal wenn er »Zeit« dazu
hatte, führte er sie ins Theater. An
Sonntagen machte er wohl auch Besuch
mit ihr oder half ihr Gäste empfangen.
Und im Sommer machten sie auch
Landpartbien. Aber häufig kam er
nicht dazu: sein Tag war im Voraus
eingetheilt und jede Acnderung störte
ihn empfindlich. Aber er war so gut,
daß er seiner Frau willig manches
Opfer brachte Und wenn er ihr eines
gebracht hatte und sie ihm für den ver
gnügten Nachmittag oder Abend voll
Demuth dankte, pumpte er sie unfehl
bar an. Aber niemals brauchte er das
Geld fiir sich· . »Für eine arme Wittwe,
weißt Du. Wir machen eine Samm
lung." Oder für einen wohlthätigen
Verein. Oder für sonst etwas Aehn
liehes. Immer waren es edle, selbstlosc
Zwecke. Und sie gab ihm, was er ver
langte, ohne zu prüfen und tiefgeriihrt
über sein weiches, mildthätiges Herz
Und auch die lieben «Freunderln«
laubten an seine Güte. Blos der Herr
ätirnpelhuber glaubte nicht daran. Er
gehörte aber auch nur halb zu dem
Kreise Am Nachmittag tain er mehr
mais in der Woche ins Kaffeehaus um
an der Tarotparthie theilzunehmen,
doch bei den Abendtneipereien war er
fast niemals zugegen
Er paßte auch nicht recht zu den An
deren. Jm Grunde verachteten sie ihn.
Denn erstens war er Beamter und ar
beitete jahraus. jahrein ; zweitens ver
brauchte er seinen Gehalt nicht stir sich
allein. sondern sorgte für feine Frau
und seine Kinder-. Und drittens end
lich war er ein mäßiger, sparsamer und
solider Mann. den der Kreis blos an
loette. weil Alle gute Tarotspieler und
in ihrer Art antiisante Burschen waren
Jn fein hauz aber lud er sie niemals,
und warm wurde man auch nicht mit
ihm. Namentlich gegen Herrn Lam
perl verhielt er sich ablehnend, und
wenn der Vortreffliche die eigene Güte
: rühmte, hatte Pimpelhuber eine Art,
J den Mund zu verziehen, die Herrn
. Lamperl in hohem Grade verdroß. An
einem Abend M es war zur Sommers
zeit -—— fand sich Herr Pimpelhuber,
dessen Familie sich auf dem Lande aus-—
hielt, in Ermangelung einer besseren
Zeitanwendung in der Stammtneipe
»zum goldenen Engel« ein. Alle waren
fchon ein bischen »geladen'« und» bewill
tommten den verspäteten Gast mit lau
tem hurahgeschrei. herr Pimpelhuber
feste sich zu ihnen, trant mit ihnen und
bemühte sich, luftig zu fein wie fie.
Doch eigentlich fand er das Ganze
ziemlich geschmacklos, und er fann ge
rade über einen Bartvand nach, der es
ihm möglich machen sollte. sich zu
drücken, ohne die Gesellschaft zu ver
letzen, als herr Lamperl nach der
Wanduhr sah, sich in feinen Stuhl zu
rücklehnte und pathetifch ausrief :
»Was ! Schon elf Uhr ! Und um Achtt
hätte ich auf dem Südbahnhof fein fol
len t«
»Ja, wozu denn, Lamderl i« fragt·
einer feiner Freunde. »Was hast Dr
denn auf dem Südbahnhof zu thun-.
Bist Du vielleicht ein Defraudant unt
willst durchgehen li«
’ «Mach’ teine schlechten Wisse, den
die Sache ist nicht zum Lachen,« ent
gegnete here LamperL »Meine rau
die gute Seele, hat heute nach adei
fahren miisfen. Nicht um Vergnügen
sondern eine-e gefchiistl n Angelegen
heit wegen. Jeh hätte sie begleiten sal
len, aber das tonnte ieh nicht. Si
liest sich bei geschäftlichen Dingen im
mer so ab, dasz es mir das Herz zer
reißt. Jch kann es nicht mit ansehen
Es thut mir zu weh t« (Beisälliges
Genturmel der Brüderln«.) »Ich habe
ihr aber versprechen müssen,« fuhr Herr
Lamperl mit-gesteigerter Rührung fort,
z »sie aus dem Bahnhof zu erwarten.
Z Um acht Uhr ist sie angekommen. Und
s ietzt ist’ö elf Uhr vorbei. Drei Stun
« den wartet sie nun schon aus mich, diese
s gute alte Haut !«
z Er war so gerührt«daß ihm Thra
" nen in den Augen standen. Und sed
I Zechgenossen waren ebenfalls bewe.
Herr Pimpelhuber hinge en, der des
I Rede des Herrn Lamper mit immer
! grimmiger werdender Miene gefolgt
war, schlug jetzt so wuchtig aus den
j Tisch, daß die Gläser und Fiaschen
E tanzten.
E »Da soll doch gleich ein Donnerwct
s ter dreinsahren!« schrie er mit wahrer
iLöwenstimmr. »Und sie hocken noch
; biet-? Sie zahlen nicht sofort? Sie ha
sben noch nicht Ihren Ueberrock an?
Jhre Frau wartet seit drei Stunde-·
auf Sie und das fällt Jhnen erst jetzt
ein? a. was sind denn Sie für ein
Meus ? Ein ganz ruiseradeler Kerl
sind Sie, sammt Ihrem goldenen Her
zeu! Ein Tagedieb sind Sie und ein
i Lump! Todtschlagen, bänaen sollte
man Sie wie den ärgsten Raubmörder!
Und Ihre Frau ist, bei aller ihrer
Tüchtigkeit, eine dumme Gans, daß sie
s solchen Kerl kleidet, siittert und beher
bergt, anstatt dasz sie ihn einfach zur
s Thitr hinauswirst!"
Herr Lamperl war wie derdonnert.
Und auch seine Freunde saßen wie er
starrt da. Herr Pimpelhuber abe
zahlte und sagte: »Aus Nimmerwieder
sehen, Jhr Ehrenmanner!« und ging
t
i
- son.
Eine lange Pause. Dann sagte end
lich Einer: »Das darfst Du nicht aus
Dir siten lassen, Lamperl, Du, der beste
Kerl aus der Welt! Du mußt ihn aus
Ehrenbeleidigung tiagen.«
herr Lamperl hat es nicht gethan.
Vielleicht unterließ er es aus Bequem
lichteit, vielleicht aber auch, weil er sich
im Stillen sagte: »Der Mann hat ja
vollkommen recht!" Auch war ihm der
Gedanke, herrn Pimpelhuber im Ge
kigtssaale gegeniiberzustehen, unbehagss
r
Zu seinen Freunden aber sagte er:
»Ich bin nun einmal so: ich itann tei
nern Menschen weh thun. Und so über
lasse ich den Pirnpelhuber seinem Ge
wissen. Ja, seht Jhr. so bin ich: der
beste Kerl auf der Welt!"
Und die gerührten Freunde trauten
einen Exiraliter auf Herrn Lamperks
unvergleichlich gutes Herz.
Frau Lamperl würde aber noch heute
au ihren guten Mann warten, wenn
nicht Herr Pimpelhuber direlt vom
,,gotdenen Engelknach dem Südbahn
hof gefahren wäre und die arme Frau
»nach Hause gebracht hätte.
-—« W- —-.- - « «..» ..»..«.»»».«....
Königstarneval inNizza.
Bei herrlichem Wetter begann er seine
, lustigen Scherze. Der Himmel zeigte
T die tiefe Bläue des Südens; südlich war
euch die warme Sonne, die Mengen, die
. von überall kamen, unt an den Festlich
ieiten theilzunehmen. waren in fröhlich
ster Stimmung. Die schön ausge
schmückte Avenue de la Gare war vom
frühen Morgen an gedrängt voll. Um
10 Uhr gaben Kanonenschiisse bae Zer
chen zum Beginn des Festes, und bis
zur Mitternacht herrschte allentbalben
ausgelassene heiterteit Consetti bedeck
ten die Wege wie Schnee. Der Zug ver
Wagen und Masken war in diesemJait
re ganz besonders schön. Man sah eine
Reihe hiib cher neuer « deen, u. a. eine
sungeheure Windmühl , an deren sich
drehenden Flügel Landleute sich »am
nierten. Auf der Place Masse-no wirt
ten vier Kapellen zum Anz« Andere
Mittelpunlte fiir »Tanz unb modern-a
lischen Gesang« befanden sich gegenüber
dem Pavillon König Karnevals und bei
den großer-, fiir die Zuschauer errichte
ten Schaugeriisten. Engländer und
Ameriianer wetteiferten mit den Fran
osen in lächerlichen Vertieidungen und
führten einen tollen Krieg mit Pierrot5,
Milttärs und langnaiigen Spaß
s nie-ehren
Eine Brücke über den
Kleinen Belt wird, wie berichtet
wird, geplant, um den ständig wachsen
den Verkehr zwischen Deutschland und
- Dänemarl zu erleichtern. Die Kosten
dieses Unternehmens sind auf etwa
zwanzig Millionen Mart veranschlagt
weiden. er Kleine Belt verbindet
betanntli ebenso wie der Große Belt
nebst dem Sund die Ostsee mit der
Nordsee. Er trennt die Jnsei Fünen
von Jiitland und Schlesrvig und ist
0,6 Kni. hist 15 Kin. breit. Die größte
Tiefe de-) ZleinenBelt ist annähernd 26
Meter. Wegen der starken Strömun
gen und der vielen Krümmungen ist der
Kleine Belt sehr schwer zu befahren,
sodaß die Verstellung einer Brücke von
größtem wirthschastlichen Vortheil sein
dürfte. Als Uebersahrtsorte dienen zur
Zeit Middelsort, Assens und Fast-org.
Die engste Stelle des Kleinen Belt be
findet sich bei der Festun Fredericia,
in deren Nähe wohl auch d e Neuanlage
hergerichtet werden wird. Bisher
wurde der gesammte Transport durch
eine Fähre detoertstelligt, die indessen
den Anforderungen des Oandels und
des Verkehrs immer weniger entsprach.
Kellinghusein —«hosbefcx;er
Lange oeru litckte mit seinem Jung
wert ; man and ihn auf der Chausi -
todt anf. ,