Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 18, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    - MI
Hngenieur Horstmanw F
...Roman von... (
Yikhekm Hegeketx k
WIMQ J
I- IMW
« Aber in der ehrlichen Seele des Ma
lttj hatte das Entzücken an der schö
nen Frau dem Mitgefiihl mit dem un
alicklichen Jngrnieur Platz gemacht.
Ihm-schwebte das Bild eines alten
Mannes vor, der im grauen Zwielicht
aus dem Fenster starrt auf die herbst
lich kahlen Bäume, dem das Leben
nach allen Qualen und Enttäuschun
gen nur den einen Wunsch gelassen
hat« daraus zu scheiden.
»Was ist denn mit Horstmann ne
ins Jrrenhaus gebracht?«
- «. , das Schönste kommt erst noch,«
fuhr Oberstadt fort, während sie lang
sam in ziemlicher Entfernung hinter
den anderen zum Speisezimmer gin
M.
·,,Als horstmann nach Hause ge
I’j’-- -
Ichkhen?« fragte er. »Hm man iyn
bannen ist, hat er sich hingesetzt und I
einen Artikel für das Düsseldorfer
»Bollsblatt« verfaßt. Der Artikel
beißt: »Die luringer Brücke und wer
sie gebaut hat« Jch habe leider die .
«Rmnmer nicht mehr bekommen, aber
M da drin gestanden hat, muß ja
einfach toll gewesen sein. Den Mini
» M, den Präsidenten, die anderen
« Baumetsteu überhaupt ungefähr die
- ganze Düsseldorfer Gesellschaft hat er
» in Bausch und Bogen für Lumpen
— und Spitzbuben erklärt. Der Artikel
Mir ils-m sicher ein paar Monate ein
gebracht Aber den nächsten Tag, ais
« er sich auch zu Hause wie ein Just-ni
; M benommen hat -— er bat seine
Frau ein bischen mit dem Messer ge
shelt glaub’ ich —- da ist denn end
jfs Held der Dr. Zimmer mit cin paar
. » sank-festen Wärtern gekommen. Die
z. Haben Ihn eingesactt und nach Grafen
Zera geschickt. . . Aber kommen Sie!
Einen Schluck Rüdesheimer, ehe man
sfkrelt·»dag ist zwar eigentlich cme Un
kzresrchamtdeit einem das anzubieten,
—T« St vrangte Sich zwlimen vie Inneren
II den Tisch Und nachdem er vorsich
tig mit seinen deiitaten Musiker-hän
Den einige Brötchen ergriffen hatte,
herschlang er haiiig eins nach rein an
Der Maler, dem soeben der Diener
MGIaS Wein reichte, stand neben
»wir Horstmann’ H Tochter. Verstoh
betrachtete er sie. Alles an diesem
de ewachsenen Mädchen: die um den »
z getegten braunen Flecksten, daå
Tuchckleid die runden, wenig
, Wien Hände, verrieth einfach-e
lichkeit. Jhr Gesicht war von
Wallender Kindlichkeit. sn ihre
Fisæle hatte das Leben offenbar nur
Murg und z einfache Dinge einge
· Zugleich aber hatte das
einen gewissen müti erlich für
lichen Ausdruck, wie er jungen
chen eigen ist, die im Zusam
» leben mit alten, ebeechlichen Per
Es, , ausgewachsen Liintk Sie war
« « hübsch, aber dem Maler gefiel
im Gegensatz zu diesen künstlich
-1sfirten Salongeschöpsen Sie
- ihn an die holländischen Fi
« « n, die ihm so oft Modell
TIM hatten
de warfen sich von Zeit zu Zeit
. , Blick zu, in dem Der Wunsch
, Anknüp ung lag. Dann sagte
4 t drei bWochen .Es ist die
s- Stoße Gesellschaft, die ich mit
«Wo waren Sie früher?« j
»Ja Eisenach. Meine Großmutter
. hat dort ein kleines Haus-«
« « »Es ist gewiß sehr hübsch dort.«
«Ja... . wie mark-Z nimmt « erwi- l
sie in etwas zweifelhaftem Ton. 1
’ « e Großmutter ist seit vielen i
en kränklich. Sie muß zu Bett
: · Da bin ich oft eine Woche
«nrcht aus dem Zimmer gekom
l
s muß freilich nicht sehr amti- s
sau.«· l
o schlimm, wie man sich’s denkt, ;
sicht. Nur fühlt man sich sehr
.... hier ist es freilich schö
kamen s ell in’s Gespräch.
·· te von olland. Dort hatte
» »er» ie Einsamkeit kennen gelernt
is dem öden Fischerdorf oft wo
’» » --z nichts gehort als das dumpfe
« der Mundung gegen die Dü
Hiuå doch Seemann?« unter
« si- what-kr
iprcchkn sie til-er Bilder.
s« eilst-M dsß sie auch zeich
TII W Landschaften Sie
Ia Unterricht nehmen. So
ERST-JAPAN
It r .
f « KLIIMCI wieger tLesu
e M en mir danke :
M » Wein Lehrer in
s M « »Es-Is- Ists-i
er an e
f . .« NU
. hatten lieh schon in den
» in die Hand gestützt, verfiel er mi!
« müdem, gebtochenemAusdruck in seine
’ tifch setzte. Von den verftreut herum-.
- - ’-’j"’-’I"- i
Solon zurückbegeben, während sich die i
beiden noch unterhielten. Gerade i
wollten sie nachtommen, als Frau «
horstmann in’s Zimmer sah. i
Lotte, wo steckst Du? Komm, es l
wird gespielt.« l
Das jun e Mädchen lächelte und (
hing sich erstem in den Arm ihrer
I Mutter, auf deren Schönheit sie stolz
! war. Hinter ihnen lehrte der Maler
in den Salon zurück- «
Qberfiadt asz schon am Klavier. Er
sprei te die 7 inger und fuhr mit
fchne en Gri fen über die Tasten.
Anna schob ihre Tochter auf einen lee
ren Stuhl und seßte sich selbst neben
Bert. Noch plauderte man halb laut.
Da schlug Obersiadt einen vollen At
lord an. Schnell flüsterte man die
letzte Liebenswiirdigkeit, die le e
Bosheit, ließ noch ein« Lächeln ii r
das Gesicht gleiten, dann war es ftilL
Alle blickten gelangweilt drein. Der
Componift spielte sein Opus Num- ;
mer 43.
Wie immer war Horstmann um
fünf von seinem Spaziergang heimge
lehri. Letzte Tages-helle fiel durch
dasFenfter, als er sich an denSchreib- ;
lie enden Papieren ergriff er einige
ha bbefchriebene Seiten, las sie durch,
in einen Stuhl zurückgelehnt, sann
dann eine Weile nach, während sein
Gesicht einen trampfhaft gespannten
Zug annahm, der die Mühe des Ge
dankensammelns verrieth. Dann griff
er zur Feder, tauchte ein, aber nach
dem er einige Augenblicke die weiße
Hälfte des Bogens angesiarrt hatte,
warf et den Halter zurück. Den Kopf
Grübeleien. Es ging ihm wie einem
Ertrinienden, der sich aus den Wellen
glücklich mit Anfbietung der letzten
Kräfte zum Ufer hinarbeiiet, aber in
dein Augenblick, wo er den Userrand
ergreift, verläßt ihn die Kraft, uno
er sintt haltlos in den Strudel der
Wellen zurück.
An dem einen verböngniszbvllen Ta-— "
ge war das ganze Gebäude seines Le
bens zusammengebrvchen, und er saß
mit schlossen Händen und dumpfem
Geist aus dem Trümmerhaufen, ohne
Kraft, ohne Lust, an irgend einer
Stelle wieder neu auszubauen.
EinBantkonsvttium hatte ibm beim
Bau einer rumänischen Eisenbahn
linie eine glänzende Stellung angebo
ten, aber er hatte mit zwei kurzen
Zeilen abgelehnt. Geld zu verdienen
brauchte er nicht mehr. Und eine an
gesehene Stellung in einem fremden
ande zu haben, lockte ihn auch nicht·
Hier in seinem Vaterlande, in seiner
engsten Heimath war er gescheitert,
. mit dem Werk, an das er seine beste
« Kraft gesetzt. Nicht gescheitert, das
s Wert stand da, tiialich rollten Eisen
bahnziige über die Brücke din, tau
sende von Leuten hatten aus den Cou
veefenstetn in den schwindelnden Ab
grund, über den die Kunst des Inge
nieurs den eisernen Bogen geschlagen
hatte, hinuntergeblicki. Die »Quin
ger Brücke« war weltbelannt, aber
den Namen des Erbauers hatte der
schwarze Undant ausgelöschh Er war
um seinen Lohn betrogen, durch die
Hinter-list und Gemeinheit derer. die
ihm dankbar hätten sein sollen; Das-v
tvar der Schla , der ihn niederge
sirectt hatte, un von dem er sich nicht
erholen konnte. Die Aerzte behaupte
ten, er sei verrückt aewesen. Und sie
hatten recht. Die Ereignisse der letz
ten Zeit hatten seinen Geist verwirri.
YOU Dem yFCllIAnlcU Wes VOTUE
mann in die Arbeitertantine aeftijrjt
und hatte dort seine wilde Aufreguna
in Bier und Schnaps ertränkt Jn
der Nacht hatte er die ebenso befin
J nungglosen Arbeiter auiaesordert.
mit ihm die Brücke zu demoliren. Sie
I wurden daran gehindert· Dann hat
; ten sie weiter gezecht. Schließlich tout
T Horstinann von dem mitleidiqu
! Wirth in die Mühn gebracht wurde-.
l Als er am nächsten Morgen rnii wü
stem Kon erwachte, machte er sich auf
den Weg. Er mußte fort. Weg von
diesem verhaßten Ort, wo feine Hoff
nungen begraben waren. Aber auch
nach Diisseldorf wollte er nicht zurück.
Der Gedanke, seine Frau oder irgend
einen Bekannten wieder ufehen, be:
reitete ihm Ekel. Er iellie sich die
höhnischen, schadenfrohen Gesichter
vor, und dann fühlte er Peitschenbiebe
auf seiner Seele brennen. Er lief der
Landstraße nach, obne zu wissen, wo
hin er ging, wie eine ent leiste Ma
schine;,er kam durch M der, durch
unbekannte Ortschaften, er schlug
Feldwege ein, er wurde sich der Ge
gend gar nicht klar. Eine ruhelose
Kraft trieb ihn vorwärts. Er merkte,
daß etwas in ihm gähne, dessen er
nicht re war. Er hatte Angst vor
ch se bst, Angst und Esel vor allen
ndern. Manchmal blieb er sieben
nnd fah Bär vor sich hin. »Als-I was
t n? I thut-V fragte er .
r seichte auf. über die weiten se -
dee agent-, au denen sich die Som
Iiersaat im ·nde schautelte, alt
wenn eine Stimme von draußen ihm
, die katroort geben kiinnte; aber sobald
To seiner Gedanken. Nur wenn
s n M M -
- branb bie « tropsen von seiner
Hirn siebenten, sand er einigermaßen
he.
Spät Abends lehrte er in elende
ulyrrnannslneipen ein, asz. trank.
rittete vor sich hin, ging dann aus
sein Zimmer-, um ·bort ruhelos auf
und ab zu laufen, bis er tobtmübe ein
paar Stunden Schlaf SLaut-.
Nachdem er so drei age lang um
hergeirrt war, legte sich der Tumult,
unb ein einziges blieb zurück: der
Wunsch nach Rache. Er wollte nach
Haus und alle Hebel in Bewegung
.«·setzen, um sich zu seinem Recht zu ver
helsen. Er setzte sich aus die Bahn.
Fu Diisselbors angetommen, ging er
osort aufs Telegraphenamt. Da der
Minister ihm unrecht gethan hatte,
wandte er sich an einen Höherm er
telegraphirte an den Reichskanzler.
Auf dem Wege nach Hause traf er
ver
vorrebete, war ausgemachter Unsinn.
Er wußte das selbst, oder wenigstens
sagte ihm eine leise Stimme in seinem
.«· Y- nkn »gem- » Wie
chiedene Bekannte. Was er ihnen »
Innern: »Das kimmt nicht Das Ge: z
aentheil ist der Fall!« Aber er mußte
so sprechen. Er tiihlte damit seinen
saß. Seine Wuih war zu einem
iesen angeschwollen, und seine Ver
nunst zu einem Zwerge zusammenge
schrumpst. Das Brüllen des wilden
Thieres in ihm übertönte bie beruhi
genden Stimmen. Er hatte leine Ge
walt mehr über seinen Geist und
konnte nur den Zuschauer spielen,
machtlos allen Verwirrungen preisge
geben. Aber selbst in den Augenbli
cken der größten Erreguna verlor er
nie gänzlich die Besinnung iiber sich.
Zu Pause angekommen, schloß e:
sich in ein Zimmer ein und schrieb bis
spät Abends die von Beleidigungen
strotzenden ZeitungsartiteL Dann
ging er schlafen. Aber·die ganze Nacht
war er von Träumen gepeinigt. Aus
recht im Bett sitzend, sprach und
stöhnte er vor sich hin. Anna. die an
seiner Seite lag, hatte die Decke über
die Ohren gezogen unb stand Todes-·
anast aus.
Als er am nächsten Jan seinen
Zelt-mager Tisebwitz bei ber Männng
tasel vorfanb, bekam er einen wahren
Tobsikchtsanfall Er schrie, Das Essen
wäre vergiftet, seine Frau stelle ihm
nach dem Leben, überall lauerten
Feinde ihm.anf.
MS Skschclllcll Des lychllllllllys
Zimmer verse te ihn vollends in Ra
eeei. Er stie die größten Smähun
en gegen die Aerzte aus« und wenig
ehlte. so wäre er gegen den alten
Herrn handgreiflich geworden. Doch
dessen unwandelbate Ruhe witlte all
mählich wie Odium auf seine errng
ten Nerven. Schließlich ließ er sich
überzeugen, daß er krank fei, und
fuhr mit dem Arzt in die grasenherger
Jerenansialt.
Hier verfiel er nach einer sehr un
ruhigen Nacht in einen Fustand voll-·
ständiger Apalbie. Die etzie wurden
aus ihm nicht llna. Da sie nicht wuß
ten, welcher Umstand diesen jähen
Stimmung5wechsel veranlaßt hatt-·
konnten sie ihn auch nicht erklären
An Horstmann’3 Ruhe war ein
Wort des Geheimraths schuld. Dieser
halte ihm erzählt, daß man ihm die
bei der Einweihung der Brücke vor
enthaltenen Ehrungen später unter der
Hand habe zulomnien lassen wollen«
Aber er selbst habe dies durch fein
Auftreten vereitelt.
US war dem Ingenieur, ais wenn
ibn noch einen-it ein ebensolcher furcht
bnrer Schlag träfe Aber dag, tvaz
zum ersten Mal aRserei in ihm« her
oorqernsen hatte versetzte ihn jetzt in
einen Zustand vollständiger Verzweis
lung. Aller Hoffnungen tar, briitete
er vor sich bin Den Fragen der Dierz: e
oeaeniiber verhielt er sich wortiaiq uno
ablehnend Er hatte sein Leben Inn-;
nicht viel von ihnen missen wollen, sei- ;
nen übrigen Anschauungen entspre
ched, verachtete er die Schulwebizin »
nnd neigte zur Naturheiltunst
Nachdem er sich in Grasenbnrg sechs-«
Wochen lan· tadellos benommen, nicht
die leiseste »nur von Verriiiittzrit ge
zeigt. sondern imGeaentheil zugegeben
hatte, dasz er von der Vertebrtheit ver
schiedener seiner Aertßetungen über
eugt sei, wurde er ais aebeilt entlas
sen. Seitdem lebte er in seinen-. Hause
tvie ein Mann, der mit vern Dasein
abgeschlossen hat, dessen Wille erlo
» schen ist. Einige Zeit nach seiner Rück
tehr hatte er seine Tochter Lotte aus
Eisenach tommen lassen, aber als sie
da war, türnnierte er sich nrn sie
ebenso wenig wie unt seine Frau. Aus
der Anstalt hatte er sich aus den Rath
der Aerzte einen Wärter mitgenom
men, dem er wegen seines stillen, mür
rischen Wesens sein Vertrauen ge
schenkt hatte. Dieser hielt bie beiden
Räume, das Arbeitszimmer nnd ne
benan das Schlaszimmer, in denen er
hauste in Ordnung und bealeitete ihn
meistens aus den Spavzier ängen.
ärau und Tochter sah er eigent ich nnr
i den gemeinsamen Mahl eiten, sel
ten richtete er in müdem. s leppendetn
Tone ein paar Worte an sie. Daß
Anna sich immer mehr an ihre Ver
wandten anschlasz,da hanßer
Mist-ask die bei ihnen wohnte, Fest
irr-VI Dei-Ovid und eau IMME
er wie Tgfe JesäizgeberdetenJÆ
ihn nicht zu kümmern. Wart Anna
Geld vertan te, bylte er aus einstellt
schennt die undertrnarts ine, ohne
nachznseben teervtei gab- So
sehe unreretneseulltn etneenetei
rese, b selbst die Dienstboen
ihn n i einen runden ansahen nnd
« t- hatten, nur Frau Vorsi
nrann's ehle auszuführen
Doch vrftmann war weder blind,
nocha tau act-jähine iehllrQ Der alte«
ufein
llgegen ib und derenSivp
schifft war noch lebendig Nur gebrach
es ihm an Willensltaft Aber es be
durfte nur eines einzigen Anftoßez
damit er, der in feinen Geübeleien wie
ein lebendig Be tabener eingefaegt
war aufstand un zeigte, daß et noch
am Leben war . . .
Die Wanduhr in feinem Zimmer
hatte eben fechs geschlagen, als sich
idie Thür öffnete und ver Meter
; Mewes ins Zimmer fchluritr. Er war
ein Mann vvn etwa fünfzig Jahren,
- in brauner vape, schinutziger, weiß
’ leinener vfe und grauen Filzfchuhen.
: Sein Ge tcht fah verdrießlich aus« und
’ der ganze Kerl hatte etwas Einge
trocknetes und Verstaubtes, als wenn
er fein Leben lang unter einem
Afchenhaufen gelegen hätte. Jn der
Hand hielt er eine kurze Thonpfeife,
mit der er fortwährend das Haus ver
ftänlerie.
»Da wäre auch die Post gekammen,«
murmelte er, an Horftmaxin"sSchreib-:
tifch treiend. »Ich lann jetzt wohl die
Lampe anfiecken Z«
Der Jngrnieur nickte und brach die
Beiefe auf, die er nach einem kurzen
Blick zu den übrigen Papieren legte I
»Da unten soll wohl heute Abend T
Ball fein?«
»Was ist los-Z« fragte Horftmann !
erstaunt.
»Es sind fv viel Leute gekommen
Die Kdchin meinte, es ginge jetzt wie
der bei uns los. «
»Die Leute sind zu meiner Frau ge
lvmmen?"
»Ja, zu wem fvllen sie denn sonst
gelommen fein? So zwanzig, dreißig
mögen es fein. Der ganze ; lur hängt
voller Sachen Das ift woh nichts fiir
den Herrn Jngenieur? Jch meine ja
auch, es wäre besser, wenn wir Ruhe
hättenk
Horttmann war aufgesprungen und I
ging mit finsterer Miene durchs Zim- i
mer. Sein Gang war müde, und sein i
Kopf nach vorn geneigt, in der Hal
tung eines Menschen, der gewohnt ist,
zu Boden zu blicken. Das war die ein
zige Veränderung, die mit ihm seit (
dem Sommer vorgegangen war. i
Was war das? Seine Frasi lud(
Leute zu sich ins Hans, ohne ihn zu s
fragen? Sie wagte eine Gesellschaft zu f
geben, an der er nicht theilnatmii
»Gut-itzt soll auch werden?« fragte
er den Diener.
»Ja, die Köchin meinte, vielleicht
würde auch noch getanzt..Das könne
nian bei ver gnädigenFrau nie wissen.
Wenn hier wa los wäre, würde es.
immer lustig, t sie gesagt.«
»Bringen Sie mir den fchwarzen
NockP
»Wollen Sie wirklich minima
Glauben Siz, daß es für Sie Hut ist,
wenn Sie das Hallo miiniachen «
»Haben Sie verstanden, Sie sollen
rnir den schwarzen Rock bringen!«
»Ich drin e ihn ja schon, und Siie- «
sei müssen Sie wohl auch haben!«
Der Diener schlnrite langsam hin
aus, nnd Ehe er nach die Thisr ge
schlossen gotte, steckte er sich die abge- «
brechene honpfeife in den Mund-.
Als er uriiekkanr, saß Horsimann in
seinem iulkl und ftarrte mit aufge
stütztein Kop ins Lampenlicht.
»Sie können gehen. Legen Sie die :
Sachen dahin!« I
Während der Jngrnieur in seinem
Znnern sirh über die Frechheit seiner
rau ernpdrte hatte er den Impuls,
dagegen einzuschreiten, verloren. erst
als die Töne des Claviers zu ihm
drangen, fuhr er auf. Jeder Ton
ichnier te ihn nnd steigerte feineWuth.
Eine Theile horchte er mit geballten
ginstem Verwünschungen ais-stoßend
na zog er Rock und Stiefel an und
ging hinunter. Ohne anzunepr trat
er ein.
- wars i
Einen Augenblick blieb er in der
Tbiir stehen und ging die Gesichter
durch. Alles blickte nach der Thür hin.
Die einen behielten ihre schläfrige, gess
lanqtrieilte Miene, andere waren er
staunt: Frau Tüsbach starrte ihn an,
mit otienern Mund, der in ihrem ver
sallenen Gesicht ein großer-, schwarzes
Loch bildete, Holleder grinste spöttisch.
Debwik lzatte die Stirn gerunzelt und
m drohende Blicke zu, neben
ihm saß ein Fremder, der ihn neugie
rig firirte. Jetzt bemerkte er, tvie
seine Tochter ihre Mutter, die ab
nungglos dem Spiel gelauscht hatte,
anstiesz, und als er nun den erschro- s
ckenen Ausdruck seiner Frau bemerkte, .
schlug sein Herz in wilder reude und
Wuth. Eine Sekunde hus te Anna-H
Blick über die Gesichter ver anderen,
sosort aber hatte sie ihre Haltung
wieder-. Mit beiteretn Lächeln tam sie
auf ihn zu und sliisterte:
»Es ist nett, daß Du getontnren bist!
Setf Dich!«'
Aber Horsttnann machte sich von ih
rer Hand los, ing zu dem Clavier,
an detn Oberster i ohne Unterbrechung
weites gespielt hatte. und schlug den
e zu.
Entschuldigen Stel« sagte er höf
lich. »Diese laute Musik thut meinen
Nerven weh.«
Dann nahm er, ohne sich uin den
wüihend outsesprun en Comoonn
ennu beliimnrertn n Einem Sessel
las und schlug die Beine übereinan
der. Er war der einzige, dessen Ge
cijeeinen volllommen ru t en Aus
uet bewahrt hatte. Ra rn einige
Augenblicke versitichen waren, sagte
er.
«Jch muß wiellich unt Entschuldi
u bitten wegen der Störung, aber
tgchaeann absolut keine Musit vertra
en.
g Anna trat ans ihn zu; während sie
in ihren- blosen Gesicht kaum den
tödtlt n Daß verber« en konnte, strei
chrttez ihm sanft its-er die-paare;
, »Weder Guttat-. Herr Oberstadt
hatte die Gitte, uns seine Sonate bor
uspielen. Darum be ich die herr
chaften gebeten, zu mir zu tommen.
Laß ihn, bitte, das Stück zu Ende
spielen.«
»Ein meinem Hause nicht!«
,, nerhört!« tief Mike.
»Was findest Du unerhört, Schwä
gerin?«
Als diese nicht antwortete, fuhr er
ruhMotk
» nn Dir an Musik so viel gele
s en ist, laß sie doch in Deinem Hause
s Ppielenl Mich stört der Lärm bei der
T Arbeits«
L Bis seht hatte Frau Oswald ruhig,
J mit iächelnder Miener dagetessen. Nun
J aber, ihrem Gesicht noch mehr den
Ausdruck volltommener Höflichkeit ac
« bend, sah sie sich im Kreise um und
erhob sich, wie zum Aufbruch unifor
dernd.
Da sagte Dehtvitzt
»Ich möchte Dich auf ein Wort
sprechen, Schwager!«
Horstmann. dessen Miene sich all
mählich verfinsterte, sah ihn an.
-»Vielleicht gehen wir in’"5 Neben
zimmer?'«
Nebenau Z« erwiderte der eInge
nieur. »Warum nicht hier? Willst Du
mir etwa mittheiten, daß Du Deine
Schulden bezahlstZ Das iit das ein
zige, was mich an Dir interessirt?"
Dehwitz machte eine Bewegung. wie
um sich auf Horstmann loszusiurzen,
aber seine Frau hielt seinen Arm fest.
« n dem Augenblick erhob sich Frau
stvald schnell und veranlaßte auch
die Uebrigen zum Auibruch Alle stan
den bestiirzt aus. Horitmann saatr:
»Es thut mir sehr leid, daß dieser
Auttritt passirt ist· Aber Sie wissen
vielleicht, ich war sehr trank, und
meine Nerven sind noch immer ange
griffen. Es ist gewiß tactlos, daß ich
die Musik unterbrach. Aber es ist woht
auch Miler das-, man in das Hang
eines Kranken eine Gesellschaft einlud.
Entschuldigen Sje, bitte!«
Er verdeugte sich leicht. In seinen
ruhigen Worten lag eine Ueber-teu
gungslrait und ein Anstand, daß in
diesem Augenblick Niemand den Ein
druck von ihm hatte, er sei ein Verriidi
ter. Frau Ostvald driictte ihm träftig
dicHand und sa te sehr laut, in einem
Ton, der die Bosheit ihrer Worte
durch seine Herzlichteit verstärkte:
»Wir müssen Sie um Entschuldi
gung bitten, Herr Ingenieur. Es ist
gewiß nicht tactvoll, daß hier eine Ge
sellschaft stattfindet, aber —- tvir find
1a nur die Geladenen.«
Dann legte sie ihr allerhöhnilchstes
Lächeln um die Lippen und warf der
blaß und ohne Haltung dastehenden
Anna ein lurzes: »Nimm Frau-dorti
mann« zu.
Hinter ihr gin die ganze Gesell-«
schaft in wirrer Fast rnit eitigen Ver
beugungen hinaus. Der Ingenieur
dlie mit Anna, bfrauNegierungsrath,
Alire und Lotte allein im Zimmer. 2
Nach einigen Augenblicken kam Deli- »
witz wieder herein. Horstmann blieb
vor seiner Frau stehen. .
»Jet) will von nun ab leine Gesell
scha t mehr im Haufe haben, von der ’
ich nicht vorher weißt Verstehst Du?«
»Glauhst Du, daß nach diesem Auf- :
tritt noch Jemand in mein Haus«
tommt2« f
»Du bist an dem Austritt schuld. l
Hast Du nicht dem-crit. Frau stalv :
wuhze meine Betpeaariinde zu würdi
«Ja dies« erwiderte Anna, wäh
rend ihre Gestalt vvr innerer Wut-)
bebte. »Die aah Dir rechts Der. hast
Du das größte Vergnügen bereitet!«
Sie warf sich aui das Sovha und
brach in Thranen aus. Frau Diisha h»
setzte sich zu ihrer Tochter-, Alick lief
Sich einem Eau de Alagia-Flasch
n.
Lotte hatte tiev an iciren Baier ge
ichmieat uno sah ihn ängstlich an. «
»Weißt Du, daß Du durch Dein
Benehmen Deine Frau unmöglich
mackrit?« fragte Seh-witz.
,.War das tiie Bimertiina, die Du
mir machen wiillteit?«
»Allertsinas.«
»Dann laß Dir gesagt fein, und ich
bitte, das-. Du Dir das km jetzt a:i
niertft: ich biii hier Herr im ..Vaiiie.
Niemand anders. Jn meiner Güte
habe ich Euch zu viel Freiheit gelassen,
da habt Jhr Eure Position vertannt.
Jhr seid meine aediildeten Gäste, wei
ter nichts. Das schreibt Euch hinter
die Ohren: Du und Deine Frau und
Anna’s Mutter.«
»Weißt Du, was meine Antwort
«i»rziire. wenn ich nicht bedachte, daß
sm . . «
ieuchte:
»Sprich niirt Sprich nur!«
»Wenn Du vei Verstand wärest,
schickte ich Dir morgen mein-e Kein-um«
Horitiiiann schüttelte sich vorWutb,
die Fäuste aeballt. Latte hing laut
neinend an seiner Brust. Frau Ditti
bach hatte ihren Schrieaersohn um
armt iiiiv schrie:
»Nimm Dich zusammen! Sei still,
NarlP
Mit einein Riietsinachte der Jngr
rieiir sich von seiner Tochter los, und
die Thiir aufnißenv, schrie er:
»hinaud! HinaiHiIP
Deliin hatte feine Frau ergriffen
die, sich umdrehenv, mit ihrer-harten
Stimme leeiickiiu
.Er braucht das nicht zweimal zu
sagen. der saubere Patron. ver Schu
biatlj
«.,hinei«.is!' schriescriinianm »Da-sit
Inirpnoch einmal mein Haus zu betre
M «
Er schqu die Thisr hinter ihnen zu,
Horitinann trat auf ihn zu rian
und, allein mit den drei Frauen, ging
er mit großen Schritten iin'31mmer
auf und ab, seinen teuchenden Athern
ausstoßend. -
»Der elende Hu.id!« Der soll nur
wagen, meine Schwelle zu betreten
Ich habe ein paar Fußtritte tiir ihn.
Ein schöner Kerlt Arbeiten will er
nicht, lebt lieber von anderer Leute
Geld. Und dann iciiit er hier noch
das Maul aus« der Hammer
»Liebe: Papa, sag’ doch nicht so
schreckliche Wort-P flehte Lotie und
nmpreßte ihres Vaters hand. «
Naß mich los! Ich muß Deiner
Mutter sagen, mit was fiir Gelichter
sie mein haus antiillt!« »
Da erhob sich Frau Diisba hande
ringend aus dem Sessel und ame:·
»Herr horitrnanm Sie ichmahen Ia
Anna’3 eigene Schweitert"
»Ah! Sie, Frau Reaieri:ngsrath,
Sie siken auch noch da?« sa« te der
Ingenieur, mit grimmiaem i usdruct
auf die sich wieder duckende Alte los-—
gehend.
»Sei-en Sie, setzt machen Sie sich
klein, und weiß Gott« Sie haben auch
alle Ursache dazu. Hatten Sie lieber
den Mund gehalten. dann betäknen
Sie nicht meine Meinung zu hören.
Wissen Sie auch, was ich erfahren ba
beZ Sie haben zwanzigtausend Mart
Schulden gemacht und sich nickt ge
schart-t, sie von mir bezahlen zu assen.
Das ist ja eine seltsame Sitte, daß ein
Sckyivieaersohn die Schulden seiner
Schwiegermutter bezahlt. Ja, nun
fletschen Sie die Zähne. Jst das wahr
oder nicht«-«
,,Pfui, schön-J Dich!« rief Anna
ihrem Mann zu. »Du hast verspro
chen, das meiner Mutter nie zu sa
gen.«
»Wenn Du Deine Berti-reinen- ge
halten hättest, hielte ich auch die inei
nigen . OtFran Neaierunsgratn
trag sind Sie tiie ein sauberer ogeit
Sie vergeuden Jdr Vermögen und
n iissen nun bei Ihfsetn Schtvtegersohn
schmarotzen. Ader. wenn man anderer
Leute Brod ißt, dann bleibt man
liibsch bescheiden. Bei-stehen Sie das!
Sonst kommt-i mir in den Sinn Sie
setzt noch pseinden zu iassen. Dann
hieße eg, aufgeschoben ist nicht ausge
hodm Ich sage Ihnen, Ihre Gegen
wart paåt niir nicht niedr. . ch will
mein Haus sauber haben. — ielleicht
Frieden Sie zu Ihrer anderen Tochter.
packen Sie mor, en Ihre Kassert«
Frau Diisba hatte die Hände
Prsä Gesicht ges-blasen und schiuchzte
out. «
»He-eben Sie wrdl!'« schrie Herst
inann, als sie aussiand. »Den Binsen
tcsiirier schicke ich Ihnen nachs·
Anna hatte idre Mutter ritn die
Taille gefaßt und wollte sie hinaus
führen.
Aber Harstiriinn riß sie vor der
Thiir an sich.
»Du bleibst!«
»Papa! Papa! Sei doch nati« sagte
Lotte leise. »Was thust Du. Papa?'«
»Duniine Gans, sei still! Willst Du
Dich gegen Deinen Vater auslehnens
Geh! Jch habe mit Deiner Mutter zu
spreche-if
Wädrend Lotte Frau Regierung-gi
rath s)inaussuhrte, ergriff er Annae
handgeient und zwang sie aus der
Sessel nieder. Als sie allein waren.
setzte er « ihr gegenüber und starrte
sie finste: an.
»Wenn Du mir was thust, ruse idk
Um Hitse!« tagte Anna mit bei-enden
Lippen.
»Ich Dir wag thitni Ich werde
mich hüten. Dich anzuriibrem Ader
disk zu! Jetzt spreche ich zum ersten
Mal als Dein Mann. Drei Fahre
i hebe ich Dein Treiben mit ange eben.
heute sage i Dir: Es ist genug. Du
’ hast mir Lie zugescknvoren, die hast
E Du mir nicht egeben. Jetzt halte ikii
mich an den bot-sam. den Du rnir
am Altar geschtvoren basi. dich will
ein Hehatsames Weib aus — r ina
chenL ,
) »Ur-tin toll Ich Dir gehorchen
»Das werde ich Dir schon sagen,
wenn's Zeit ist. Vor allem verlange
ich, daß Du mit mir zusammenlebst
und nicht mit der Sippschast, die eben
mein Haus verlassen bat. Meine Jn
teressen sollst Du Tsir zu eian machen,
um meis-. Woht sollst Du Dich vor als
lem tiimmern .. . . Jch hab« Dich ge
iiebt, eWib. Du hast ia nicht gewußt.
trag Du mir wosst. Wenn Du mir
nur ein biszchen von Deinem Herzen
gegeben hättest, hättest Du mit mir
machen tsinnem was Du wolltest· Abe
ieint Jch war iiir Dich nur der Töt
pel, der gut genug war. Geld herzu
geben, imnrer wieder Geld· site Deinen
Luxus-, sü: Deine Hungerteider von
Verwandten. Daß Du so dumm warst
und nicht einsabst, daß. wenn man
so viel nimmt, man auch was geben
muss, aus reiner Klugheit, damit der
Tölpel bei auter Laune bleibt! Aber
Du! Je besser ich zu Dir war, desto
mehr ha Du mich verachtet. Je rei
cher ich « ir meine Liebe offenbarte
desto mehr hast Du darin den Grund
gesehen, mich an die Wand zu pre en.
Wäre es nach Dir gegangen, "tts
ich mit den Dienstboten zusammen e
gessetn Du hättest mich am lte er
per-leugnet vor Deiner Gesellschaft
Lieber himmel. wenn Du bloß eins
Ahnung hättest. ivieviei me verti«
ich bin alj die ganze Blase! n von
deren Dasein tetn Mensch mehr eine
Ahnun bat. dann wird man geb mei
ner trog erinnern. Jet- babe ehettev
verrichtet idie nicht zu Grunde neben
selber Du bist Ia unseibia. den wirkli
chen Werth eines Menschen zu schiism
Du hast e»s-«oioten, wie hallet-eh und
wie alTe Fetzen die nichts können.
all eh »die sinaermiaei reinm
gegen mich vorgezogen Du hast
immer aesekiiimt!«
Fortsetzung selgt.)