Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 05, 1900, Sonntags-Blatt, Image 9

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    So n ntsrgs IV l att
beilage des ,,Enzeiger M hewch
J. P. Lksindolph, Herausgeber
Grund Island, Nebr , den-J .Oct. 1900.
Jahrgang 21. No.5.
Kunst, Wissenschaft und
Gewerbe.
WSXXXSXXXXXMW
Unser Sonnensnstcnt.
Von G. Bernhardt.
Obgleich die Größen der Sonne und
der Planeten, die Entfernung der Pla
neten von der Sonne, die Umdreb
ungszeiten der Sonne und der Plane
ten uin sich selbst, und die Umlaufgzeb
ten der Planeten um die Sonne, so
Viel als möglich bekannt sind, tanu
man sich nach den gegebenen Zahlen
doch von diesen Verhältnissen teine
annähernde Vorstellung machen. Eine
Darstellung dieses Systems nach einem
kleineren Maßstabe, ist hingegen geeig
net der Einbildungslraft zu Hülfe zu
kommen. Im nachfolgenden ist ein
solches System gegeben.
Zuerst sind die wirklichen Größen,
Entfernungen von ier Sonne, Um
dtehung und Umlaufszeiten gegeben.
Tie Meilen sind geogravhische Meilen.
Die Sonne wird in Bezug auf un
ser Sonnensystern als im Mittelpunkte
betrachtet. Die Planeten drehen sich
um sich selbst (um ihre Aren) und lau
fen zugleich nahezu in ein und dersel
ben Ebene um die Sonne. in verschie
denen Abständen von derselben. Die
Sonne scheint sich auch um sich selbst
zu drehen. Die Bahnen der Planeten
send keine genauen Kreise, sondern sind
etwas länglich. Ein Punkt an der
Erdoberfliiche am Aequator, bewegt sich
in Folge der Umdrehung der Erde in
einer Secunde Zeit 1500 Fuß fort.
Jn ihrer Bahn rückt die Erde in einem
Tage 341,528 Meilen fort. Stellt
man die Planeten nach ihrer Entfer
nung von der Sonne in eine Reihe, so
steht Merkur der Sonne am näch
sten; dann folgen Venug, Erde, Marg,
Jupiter, Saturn, Manns-, Neptun.
Ob außerhalb der Neptun-Bahn noch
Planeten vorhanden sind, ist ungewiß.
Merkur und Venus bewegen sich dein
nach innerhalb der Erdbahn, die übri
gen Planeten außerhalb derselben.
Man nennt diese Planeten die großen
Planeten, im Gegensatz zu den kleinen,
welche sich in einer Zone zwischenMarH
und Jupiter besinden und die großen
an Zahl weit übertreffen
Die wirllichen Größenverhiiltnisse
sunseres Sonnenshstems:
Durchmesser-. Entfernung von der Umdtebunqueit Umlauf-km Im vie
Sonne. Sonne.
Sonne LSURA Messen 2514 Tq ·
Mut Mk . 7213 Mit-inm- Meilm U Stunde-. 5 Minuten M Inse. 253 Stauden
Juni UW - « . . II - 21 . LW . di -
»o- UII . Ek- . - 1 Tem. 1 Ich-.
May Hi « IMA - - 28 Stunde-« 37 Minuten 1 . 321 Tag-.
Jupiter IRS-II « Ists . , 9 . «7 « U Jahre, TM Tuch 20
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Ekdmond M -
Entfernung von der Erde BLROII
Meilen. Umlausszeit um die Erde 27
Tage 7 Stunden 3 Minuten,und dreht
sich während dieser Zeit einmal nur sich
selbst, indern er der Erde immer die
selbe Seite Zulebrt
Die Angabe der Namen und Grö
sxet.verhältnisse der kleinen Planeten,
und der die großen Planeten begleiten
den Monde, außer dem Erdmonde,
würde dem Zwecke dieses Aussatzes
nicht viel nützen. Nur die vier Jupi
ter-Monde seien hier erwähnt, tveil
sie schon mit einem gewöhnlichenFern
rrbre der größten Sorte gesehen wer-·
den können, und ein, dem Sonnenw
stem ähnliches System zeigen. Dieses
System ist aber so gestellt, dasz ein
Beobachter von der Erde aus nicht die
Kreisbewegungen sehen kann, sondern
die Monde bewegen sich immer in ei
ner geraden Linie. ’
Die den Saturn sreischwebend um
aebenden Ringe sind blatt, und ihre
Dicke ist verhältnismäßig gering. Sie
werden nie als vollkommen rund gese
hen und verschwinden zeitweise ganz,
wenn dem Beobachter nur ihre schmale
Kante zugekehrt ist. Sie befinden sich
ungefähr in der Aequator - Ebene des
Planeten. Die ganze Breite derRinae
beträgt, den Zwischenraum mitaerech
net, 7,981 Meilen, nnd der Abstand
von der Oberfläche Saturns unter sei
nem Aeauator 2,024 Meilen.
UnserSonnensystem nach einem ver
tleinerten Maßstabe:
Durchmesser-.
fJenae- ............................ iLA .·t. ll
Merkur ............................ sfs -
Benut- .......................... llif il -
Erde .................... l
Man ................. ist«
Jupiter ............... 10 sitt «
Saturn ............... et Itixt «
Ansserer Ring ....... Li- sth -
Jnnerer R ins ........ 17 ice -
Uranns ............................ 4 »ti? ·
Neptun ............................ ( lik- .
Erden-nd .......................... ist .
Obgleich fiir die Umdrehung der
Erde um sich selbst und ihren Umlauf
um die Sonne keine diretten Beweise
vorhanden sind, außer einigen, welche
aber nicht fiir Jedermann verständlich
sind; so haben wir doch genügende
Gründe dafür. Angenommen, die Erde
stände still, so müßten Sonne, Plane
ten und die übrigen Sterne sämmtlich
in einem Tage die Erde umkreisen.
Die Sonne würde täglich eineReise von
ungefähr 126 Millionen Meilen zu
machen haben. Die Entfernung der
Sonne von der Erde ist aber gegen die
Entfernung der sogenannten Fixsterne,
welche sich auch um dieErde zu bewegen
hätten, nur eine Kleinigkeit. Die Ber-- »
suche, die Entfernungen der Fixsterne "
von der Erde zu messen, haben noch
kein bestiedigendes Resultat ergeben.
Es ist daher viel einfacher, daß sich die
Erde täglich einmal um sich selbst
dreht, wodurch aus der Erde Tag und
Nacht ansteht, als das Gegentheil
Außerdem ist es bekannt, daß sich die
anderen Planeten Um sich selbst drehen
und so wird die Erde keine Ausnahme
davon machen. Von den Umläusen
der anderen Planeten um die Sonne,
kann man sich durch Beobachtung über
zeugen. Auch haben wir in unserem
Sonnenshstem ähnliche daraus hinwei
sende Beispiele. So z B. Jupiter mit
seinen 4 Monden, welche ihn in ver
schiedenen Abständen umlreisen. Der ;
Erdmond läuft um die Erde, und so
ist es sehr wahrscheinlich, daß die Erde
mit sammt dem Monde die Sonne
umläust. Es eristirt die Regel, daß «
die kleinen Körper die großen umtan
fen, aber nicht umgekehrt, die großen
die kleinen. Ein Hauptgrund ists
noch,das3 sich alle Erscheinungen in’
Unserem Sonnenshstem hiernach leicht
erklären lassen. Andere Systeme, nach
denen die Erde als Hauptlörpet im ;
Mittelpunkte betrachtet wurde, führten »
zu großen Verwickelungen.
Zur Aufstellung eines solchen ver- !
lleinerten Systems würde ein Um
kreis von mehr als 10 englischen Mei- ;
len Durchmesser nöthig sein.
f Jddie hier gebrauchten Längenmaße
in :
l) Der Zoll und die Ruthe, wie sie .
in den Bereiniaten Staaten vonNord
Amerika aebraucht werden. Diese
Ruthe mißt 16z Fuß. Da der Jus-, et- ;
was iiirzer ist, als der rheinliindische .
Fuß, so kann man die Ruthe ungefähr ;
zu 16 Fuß rheinliindisch annehmen. ;
2) Die englische Meile, deren-H aus-I
die deutsche Meile gehen s
l
Dem Verdienste seinen Kronen.
Erzählung non Jrnm vTroll Borcsttmni.
Er stand wie eine Bildsäul: —
schreckgeläth ;
Der Bahnzug der ihn nach Wien !
bringen sollte, um rechtzeitig zur
Hochzeit seines Vetters etnzutresfen,
fuhr, schadenfroh pustend und sau
chend, zur Station hinaus, in dem
Augenblick, als Ludwig, schweißüber
strömt nnd atl)e1nlos, aus dem Perron
angestiirmt tam.
Lächetnd musterte der vom Bahn
steig her auf das Amtsgebäude zu- l
schreitende Stationgches die Gestalt (
seines Freundes, der, den spiegelblan- t
ten Chlinderhut in den Nacken zurück- I
geschoben, in tadellosem Frackanzug,
über dem der helle, schief eingelnöpfte
Ueberzieher krumme Falten warf, ei
nen mächtigen Blumenstrauß in der
einen, die weiße Kravatte, die er nicht
mehr Zeit gesunden hatte, anzulegen, ;
in der andern Hand haltend, in gren- j
zenloser Bestiirzung dem hinter dem s
entschwindenden Zuge sich auslösenben ;
Ranchftreifen nachblictte. !
»Zuq versäumt, was?« fragte der !
Beamte, sein Lachen unter seiner den .
Schnurrbart zwirbelnden Hand ver- ;
bergend. »Recht satal, so etwas, zu- :
mal der nächste erst Abends 5 Uhr 50
l
l
hier durchlomrnt.« l
t
Entlernunq von der Sonne. i
L» Ruchen.
Jes tut-them ungefähr Its- Meile·
cy- Nuthem unaesadr Ils- Mut-.
pr( Ruthe-h unaesade til Meile-.
Jst-( Mute-en, nnaesadr Ists-ils Meile
iztti Mathem unaesahe 17s10 Meilen.
ils-O hinkt-ein angelobt J 7itti Meilen
lTLU sitt-then, tmaetahe -’« llkt Meilen.
Entsmnuka vcn der Erde It» Zoll.
Ludwia blickte seinem Freunde Ver
stört ins Angesicht
»Schrecklich!« stammelte er. »Um
sechs Uhr sindet die Trauung statt.
Was soll ich nun thun?-«
»Du hättest eben nicht zu spät kom
men sollen.«
Alls ob es meine Schuld wäre!«
rief Ludwig, außer sich. »Der ver
dammte Kerl, der Schneider, hat mir .
den Frack erst in diesem Augenblick ge- l
schickl.« E
’ »So — so! Na, beruhige Dish.
Dein Vetter tann ja auch ohne Deine
Assistenz heirathen.« !
»Ach, wenn es nnr das wäre!«
»Was ist denn sonst noch?«
Ausseuszend wischte Ludwig den
Schweiß von der Stirne.
»Hm ja —k warum soll ich es Dir
nicht Iacsen « antwortete er,tlein1aut.
»Nun, Du weißt ja, ich liebe Hamm.
Und ich hoffte, daß sich mir beim
fröhlichen Feste eine Gelegenheit bieten
würde, ihr ein Geständniß abzulegen.'«
Der Stationschef strich sich den
Bart.
»Ja, dann begreif ich Deine Ver
zweiflung, den Zug versäumt zu ha
Ven.«
»Das ist es ja — und keine Mög
lichkeit, zurecht zu tommen!« murmelte
Ludwiq, Thränen in der Stimme.
Der Andere sehne-is- pininp Nimm-.
blicke nachdenklich vor sich Hin. Dann
plötzlich: «Sag’ mal, mein Junge,
hast Du Contaqu Und als Ludwig
ihn zweifelnd anblickte: ,,Vielleicht
tann Dir geholfen werden. . . . Es
ist ja eigentlich nicht in der Ordnung.
Aber was thut man nicht alles sil: ei
nen Freund in Liebesnöthen!« Und die
Uhr ziehend: »Also hör’ mich an! Jn
zehn Minuten trifft der Separatzug
des Königs von Rumänien, der, wie
Du weißt, zum Besuch unseres Kai
sers erwartet wird, hier ein und wird
sich zur Wasserausnahme der Lokomo
tive drei Minuten hier aufhalten. Du
schwinatt Dich auf die Maschine und
fährst mit. Den Zugfithrcr werde ich
verständigen, daß er Dir keine Schwie
rialeiten bereitet. Bei der Ankunft in
Wien sorge aber dafür, daß Dich vom
lönialichen Gefolge Niemand sieht
Wenn man von Deiner unbefugten
Fahrt etwas ersühre, töunte es für
uns beide böse Früchte tragen.«
Eine Viertelstunde später fuhr Lud
wia, hinter dem Zugfiihrer auf der
Lotomotioe stehend, dem ersehnten
Ziele zu.
Wie im Fluge sauste er dahin und
ehe er es fiir möglich hielt, tauchte der
araue Dunstkreis der YJtillionenstadt
vor seinem Auge auf. DerZug dampf
te unter der alasgedectten Kuppel des
Bahnhrsses ein.
Gedenl der Mahnung seines Freun
des, hielt Ludwiq sich hinter dem brei
ten Niictrn des Heizers Versteckt. .
Plötzlich wars als hätte ihn ein
elektrischer Schlag getroffen. Es war
der Zugsithrer, der seine Schulter he
rührte,
»Ich gehe jetzt,« sagte dieser zu ihm.
»Sie werden gut thun, sich mir and-us :
schließen«
Vorsichkia kletterte er von der Ma
schine hinab, um im nächsten Augen«
biict voll Entsetzen einen ruinänischen
General zu bemerken, der, von der
Seite seines Monarchen siche trennend,
geradewegs auf ihn zuschritt.
,,Darf ich um Ihren Namen bitten,
mein Herr. Ich finde ihn unter den
den Zug Seiner Majestät begleitenden
Herren nicht verzeichnet.«
Ludwigs Herzschlag stockte. Aber
teinen ganzen Muth zusaminenraf
send, antworte er:
,,Ludwig Helo«
,,Charatter?«
»Regierungssekretar.«
»Dante bestens.«
Der General tlappte das Notiz
bueh mit Ludwigs Angaben darin zu,
salutirte wieder und entfernte sich·
»Na, das ist eine schöne Gesch-ichte!«
rief der Lokomotivführer ihm leise zu.
»Wir werden eine gehörige Nase be
kommen, wenns nicht noch was
Schlimmeres absetzt. Ein Esel war
ich, das-, ich micb in die Sache einließ!«
Worauf er brummend wieder zu seiner
Lotomotive zuructschritt
Ludwia setzte seinen Weg fort. An
der Ausgangsthür prallte er aber auf
den dienstthuenden Polizeicomnrissär,
der dort augenscheinlich auf ihn ge
wartet hatte und nun mit kurzem
Gruß auf ihn zutrat.
,,Pardon, Herr Setretär, darf ich
fragen, in welcher Eigenschaft Sie
dem Zugspersonale des Königs von
Numänien beigestellt waren?«
»Dein Zugspersonale gehörte ich
wohl eigentlich nicht an, Herr sinnr
missär.«
»Ich weiß. Eben deshalb meine
Frage.«
Tief aufseufzend nahm Lndwig das
Wort. In tnappen, scofzweisen Sätzen
erzählte er den Sachverhwit
Der Commiser hörte aufmerksam
zu, notirte Namen und Adressen,
grüßte steif Und ging.
»Ha, eZne Henkersfrist Von weman
Stunden· bis das Verhängnis; iiber
mich hereinbricht!« dachte Ludwig,
während er die Bahnhofsstieae hinab- »
eilte. Auf dem Platze winkte er einein s
Winter und fuhr in die Wohnung oeg E
Bräutiaams, der, noch mit seiner Tot
lette beschäftigt, die an einen Kohlen- s
brenner eemahnende Person seines -
Vetters mit vor Staunen weitausge
sperrten Augen anstarrte.
»Mensch — wie siehst Du aus?;«
riet· er entsetzt.
»Wie Einer, der, um bei Deiner
Hochzeit nicht zu fehlen, sich den Teu
scl auf den Hals gehet-i l)at,« versuchte
Ludiviq zu scherzen. »Später sollst
Du alles erfahren. Jetzt aber bitte
ich Dich um Wasser, Seife und Bür
sten und um Deinen Diener damit er
mir reine Wäsche beforgt.«
Die Wandlung, die Ludwig erzielte,
betraf aber nur fein Aeußeres. Jn sei
nem Innern blieb es düster, wie zuvor.
In völliger Geistesabwefenheit ließ er
die Trauungsceremonie an sich vor
überqel)en.
Erst im Festfaale, als die rauschen
den Orchestertliinae eines Strauß’
schien Walzers — an sein Ohr schlugen,
löste sich allmählich die Schreckstarre
von seiner Seele, und als er Hanna in
tuieaendem Tanzschsritt in seinen Ar
men hielt, fühlte er sich plötzlich ein
Anderer geworden.
In einer vom grünen Geranke üppi
aer Blattpflanzen zu einer lauschigen
Laube umgewandelten, tiefen Fenster
nische sprach er die Frage, die ihm so
lange auf den Lippen geschwebt hatte,
aus. Und als cin Händedruck, ein tei
ses süßes Wort ihm Erhörung
schenkte und dann auch vom Munde
des Vat ers der Geliebten das be
aliiclende ,,Ja!« ihm entgegentlang, da
war es- ihm, als vermöchte er das
Uebcrmaß oon Seligkeit nicht zu tra
gen, nicht zu fassen. Angst- und sor
aenersiillt hatte er dies Haus betreten
— als aliickltchster aller Sterblichen
wiirde er es verlassen!
Es sollte anders kommen.
Als Ludwig, in traute-s Geflüster
mit Hanna vertieft, an der blumen
qefchmiickten Tafel sitzend, mit Unge
duld in die auf das neubermähltePaar
aus-gebrachten Toaste einstimmte, hoch
tlopsenden Herzen« des Hausherrn
feierliche Kundgebuna der Verlobunq
seiner zweiten Tochter mit ihm erwar
tend, tlanq P lötzlich die l)«itereStimme
seines Cousins zu ihm herüber:
,,.L)eda, Vetter Ludwig! Du bist
mir ja noch die Lösung des schwarzen
Räthsels schuldig!« Und zu den An
deren gewendet, erzählte er, wie dieser
aanz von Ruß und Ftohlenstaub ge
schwärzt, zu ihm gelommen sei
Ludwia lachte fröhlich auf. So
hochaemuth war feine Stimmung, dasz
ihn jetzt sein Abenteuer höchlich be
lustigte. Die feierliche Haltung des
Generals die grabitätifchse Frnqu si
torenmiene des Polizeikommissiirs und
seine eiaene Angst voll heiterster Laune
verspottend, gab er die Episode zum
Besten. Wie erstaunte er aber, als er,
im Kreise umher-blickend, nichts als
ernste, verlegene Mienen sah, in denen
sich der Ausdruck peinlichster Bestät
zunq spiegelte Selbst Hanna streifte
ihn mit erschrockenetn Blick und schaute
ängstlich auf ihren mit gerunzelten
Brauen vor sich hinstarrenden Vater
l)iniil-er.
M-« s:-I--— Os«-.--s-(Z,l ,,,·.!·. , L , -.
»He Use-fu« auHUIUUU UcIcll, UUO
unbehagliche Schweigen unterbrechend,
lockeude Geigentöne die Gesellschaft in
den Tanzsaal zurück. Ludwig erhob
sich, um Hanna seinen Arm Zu reichen.
Aber schon glitt sie, von ihrem andern
Tischnachbar geführt, leicht wie eine
Elfe in die Reihen der Tanzenden.
Aufs tiefste verletzt, folgte Ludwig
den Enteilten. Er verstand nicht, was
all’ dies zu bedeuten habe. Von neuen
sorgenvollen Gedanken erfüllt, schaute
er, am Thürpfosten lehnend, in das
wogende Reigengewiihi. Da stand
plötzlich die kleine, korpulente Gestalt
des Bankiers vor ihm.
»Auf ein Wort, wenn iiz bitten
darf!«
Beklomrnen solate er ihm in sein
Arbeitsziniiner. Wie anders blickten
die kleinen, klugen Augen aus dem
seisten Gesicht dieses Mannes jetzt auf
ihn, als in dem kaum verflossenen
Augenblick, da er ihn als künftigen
Schwiegersohn begrüsztl
Eine kurze, peinliche Pause ver
strich. dann nahm der Bankier das
Wort:
»Sie haben sich um die Hand mei
ner Hanna beworben . .. Es thut mir
leid, Ihnen sagen zu miissen, daß ich
zu Folge des satalen Ereignisses, das
Sie eben erzählt haben, mich aezrvuni
gen sche, meine Zusage zurückzunehi
men. Verzeihen Sie, aber Sie haben
sehr unvorsichtig gehandelt. Es un
terliegt keinem Zweifel, daß Sie sich
durch den schweren Verftoß, den Sie
sich zu Schulden kommen ließen, Ihre
Laufbahn als Sliegierungsbeamter ver
scherit haben.«
..Ol),« rief Lisdwig ausser sich.
»Was hab’ ich denn so Fiireliterlishes
begangen. Es war doch kein Ver-:
brechen!«
Der Bankier lächelte fein.
»Sie wissen —- ein Fehler ist zu
weilen schlimmer als ein Verbrechen«
»Es ist also Ihr unabänderlicher
Entschluß — Sie versagen mir die
Hand Jhrer Tochter?« frug Ludwig
mit bebenden Lippen.
Der Bankier nickte.
»Ich bedaure, wiederholen zu müs
sen, daß mein väterliches Gewissen es
mir verbietet, das Lebensglück meines
Kindes einem so leichtsinnigen jungen
Manne anzuvertrauen.«
Bleich bis in dic Lippen hatte Lud
wiq sich erhoben.
»Dann will ich nur wünschen, daß
der Mann, den Sie dieses Vertrauens
für würdig halten werden, Ihre Toch
ter so glücklich machen möge, wie dies
der heiligsteZweck meines Lebens ge
worden wäre.«
Eine kalte Verbeugung, Und festen
Schrittes verließ Ludwig das Zimmer
und das Haus-.
Als er nach kurzem, fieberhafien
Schlummer, der seine Auge-n gegen
Morgen endlich geschlossen hatte, am
späten Vormittag endlich erwachte,
fühlte er sich wie ein Schiffbrüchsiger,
der Jll’ seine Lieben, sein Hab und
Gut im Sturm verloren.
Da wurden ihm früh Morgens von
dem ihm das Frühstück servirenden
Kellner zwei Vriefe überbraszht, der
eine war von Hanna. Zitternd vor
Erreaung löste Ludroig das Couvert
und las:
»Mit heute gelingt es mir, meine
argwöhnisehe Bewachung zu täuschen,
um Dir zu sagen, daß ich nicht aus
gehört habe, Dieb zu lieben, Dich im
mer lieben und Dir Treue bewahren
werde. Der Tag wird kommen, der
mich großjährig werden läßt. Bis
dahin Geduld und Muth! Ewig
Deine Hanna.«
Thränen jauchzender Seligkeit
näßten Ludwige-, Augen. Er bedeckte
das Blatt mit zahllose-n Küssen und
wurde nicht müde, es immer wieder zu
lesen.
Da bemerkte er plötzlich auf deni
Tische neben feiner unberührten Kas
feetasse den zweiten Brief, in dem er
sofort ein amtlicheg Schreiben er
kannte. Es enthielt seine Vorladung
zum Eisenbahnncinister für Vormit
taa els Uhr desselben Tages.
Kuapv vor Els trat er in das
Worte-Zimmer des Ministerg. Er fand
nicht gleich Einlaß bei Seiner Excel
len3. Während er wartete, suchte er
in den Mienen der amtirenden Herren
zu lesen, ob sie etwas von seiner
Affaire und seinem Schicksal wußten.
Aber die glatten, gleichmiithigen Ge
sicbigzüge gaben ihm keine Antwort.
Endlich öffnete Excelleuz die Thür
und Ludwig trat vor seinen Richter.
Seinen chrsurchtsvollen Gruß mit
leichtem Kopfnicten erwidernd und
ihm durch eine Handbewegung einen
Sitz anweisend, nahm der Minister
das Wort:
»Ich erwartete Sie schon voll Neu
gierde.« Und als Ludwig ihn fragend
anblickte: »Ah, Sie wissen den Grund
Ihrer Vorladunq noch nicht! Es han
delt sich um das Personal, das wir zur
Vegceirunq oez dem ztontg von »sama
nien zur Disposition gestellten Sepa
ratzuges bestimmt hatten.«
Ludwiq fühlte einen Kälteschauer
iiber seine Wirbelsäule rieseln. Und
doch war es so behaglich warm im
Zimmer. »Als ob ich nicht wüßte,
worum es sich handelt,« dachte er.
»Welche Präliminarien, um mir das
Messer an die Kehle zu setzen!«
Der Minister aber fuhr fort:
»Wie es bei solchen Anlassen üblich,
wurden die von Uns- zur Begleitung
des Zuges entsendeten Herren vom
Könia mit Ordensverleihunaen aug
gezeichnet, deren Uebermittelung mir
übertragen ist.«
Ludwia unterdrückte einen Seufzer.
Wie arausam, es ihm vorzuhalten,
daf; Andere für ihre Fahrt mit jenem
Zuae Orden erhielten, während er . ..
Der Minister lief-, ihm nicht Zeit,
den Gedanken zu vollenden. Ludwig
scharf anblickend, fuhr er fort:
»Ja, nun sagen Sie mir, mein Lie
ber« wie um des Himmels willen kom
men denn Sie zum rumänischen Kro
nenorden, den ich Jhnen überreichen
soll's — Hier auf der Liste steht Jhr
Name mit dem Vermerk Jhres aus
,2uzeirhnenden Verdienstes-, das; Sie sur
besonderen Sicherheit der Reise Sei
ner YJiaiestät die Fahrt selbst aus der
Lokomotioe mitgemacht haben.«
Mit einem leisen Schrei sprang
Ludwia vom Platze empor.
,,(5xcellenz — —-- dass ist — —-——
oh -—- wer so etwa-I hätte denken kön
nen!«
Und er erzählte Alles.
Da sinq der Minister zu lachen an.
Und so gewaltig laebte er, das; an sei
ner iiber des Leibes Rundung sich
wölhenden Weste ein Knopf absprang
; und die Beamten im Nebenzimmer die
-..—..
Ohren spitzten nnd einander mit Ver
wunderung anbliclten. Denn solches
M
Lachen seiner Excellenz hatten sie noch
nicht gehört.
»Wie schade, daß Jhr Vater, mein
s lieber, guter-, alter Freund, das nicht
erlebt hat!« rief endlich, zu Worte
kommend, der Minister. Dann aber,
Ludwig das in einem zierlichen, sam
metgefütterten Lederetui ruhende,
blitzende Ordenskreuz überreichend,
sprach er feierlich: »Den Verdienste
seine Kronen!«
»Und nun rasch- zu Ihrer Flamme!
Ich wette, daß ihr gestrenger Papa ein
Einsehen haben wird.«
Der Bankier hatte das Einsehen.
Lächelnd und schluchzend zugleich
flog Hanna in Ludwig’s Arme. Als
aber die hochgehenden Wogen der all
zuplötzlichen Freude sich allmählich be
sänftigt hatten, faßte sie ihn mit ihren
zarten, rosigen Fingerspitzen am
Ohrläppchen, und ihre vollen Lippen
zu einem reizend spitzbiibischen Lächeln
verziehend sliisterte sie ganz leise in
sein Ohr: »Dein Verdienste seine
Kroneri!«
G-—
—— —.—.—
Der Schatz zu Haufe-.
Der Schah von Perfien bewohnt in
Trheran ein großes Gebäude, das den
Namen »Ari« führt: man gelangt
dorthin durch monumentale Thore;
aus einem dieser Thore begrüßen Mu
siker und Tänzerinnen den Aufgang
und den Untergang der Sonne. Jn
mxtten des Art befinde-sich ein großer
viereckiger Garten mit riesigen »Nota
nen und zahllosen Rosen; ihn durch
ziehen Rinnen von blauer Fahence,
die in Wasserbeclen münden. Den gan
zen Tag durcheilen Bedienstete die
Gange, um die abgestorbenen Blätter
zu entfernen. Rings um die Garten
anlagen sind verschiedene Paläste er
richtet: der Palast der Sonne, das
ganz mit Spiegelglas ausgestattete
Prillantenzimmer, die Orangerie mit
ihren «rn Marmorrinnen laufenden
Bachlein, das Ventilatoren - Gebäude
mit dem großen Vogelhaus, dieWerk
statten der Diamantschleifer, das Mu
seum u. s. w. Das Museum ist ein
seltsamer Mischmaschx dort liegen die
herrlichsten Kunstschätze neben Gegen
standen aus dem Dreimark - Bazarx
drei Glasgefäße, ähnlich denjenigen, in
welchen man Goldsische großzieht,sind
mitPerlem Gemmen und Diamanten
gefulltz Neben einem entsetzlichen
Bildmß von Napoleon ill. steht der
Psauenthron, ganz aus Gold und aus
Gemmen, mit einein großen Diaman
tenz der die-Sonne darstellt. Der Tag
rcp Sei-ac- 111 ewig derselbe. Vormit
taqs arbeitet der Herrscher. Zwischen
11 Uhr und Mittag frühstlickt er. Das
ist die Stunde, in welcher seine orien
talische Melancholie einer heiteren Le
bensauffassung Platz macht; der erste
Dolmetsch liest ihm die französischen
Witzblätter vor, und Maiestät geruht
zu lachen. Wenn das Mahl beendet
isnd die Pfeife geraucht ist, ziehen sich
die Minister zurück, und der Monarch
bleibt allein mit feinen Kammerher
ren, die ihn bis 4 Uhr unterhalten.
Um 4 Uhr öffnet der Schuh das lesor
der Vergniigungen und acht in den
Palast der Frauen. Ein hübscher zwei
stöckiger Paoillon, durchbrochen, mit
Schnitzwert versehen und von einer
Terrasse überragt, deren Balluftrade
mit Blumentöpfen qeschmiickt ist,schiii3t
den Schlaf des Herrschers, an dessen
Ruhebett lzwei seiner Lieblingsfrauen
kc1.ern. So bersliesit das monotone
Leben Muzaffer’g«. So versloß das
Leben seines Vaters-. Aber wenn der
Sommer oie trockene Lust vonTehcran
brennend macht, wandert der Schah
mit seinem Hof in die Berge. Man
kambirt unter dem Zelt in einem mit
fließendem Wasser versehenenGelände.
Der Schuh reist zu Pferde oder in ei
nem Wagen, welcher bon Pferden gezo
aen wird, deren Schwanze roth anne
nrrchen sind. Die Läuser des Monat
cben tragen griine Kleidung. Sein Zelt
ist roth inmitten all der weißen Zette.
Mit Vorliebe zieht der Schuh nach
Geaendem in welchen Steinböcke,
LUkufsethiere, Tiger und Panther hau
sen. Er kämpft am liebsten mit Be
stien, die sich nicht ohne Protest nieder
schiesien lassen. Da er ein vortrefflicher
Schütze ist, trifft er fast immer und
nimmt im Notl)falle auch zum Jagd
inesser seine Zusluchi.
Die Zunahme der deutschen Dam
pferflotte hat, wenn kein Jrrthum in
den betreffenden Zahlen vorliegt, im
verigen Jahre zum ersten Male die
der englischen gesct)laqen, ein Umstand,
der die Aufmerksamkeit der britischen
Industrie nicht wenig erregt. Die
deutsche Damvserflotte hat im vorigen
Jahre um 248,()(,)0 Brutto- und 149,
000 Netto-Tonnen zuqenommen, die
englische dagegen nur um 100,000
Brutto- und 2(),0()0 Netto-Tonnen.
Der Abstand erscheint zu Gunsten
Deiitschlirnd’s außerordentlich groß;
an der Richtigkeit der Zahlen wird
atser wohl ka isn zu zweifeln sein, da
sie deni ersten englischen Fachblatt
,,Engineex« entnommen sind.
. ds- II Il·
LUiancne Leute linben Stimmen, die
sich dersvrechniasibine n undervoll an
passen. l"·-"s.«-l. Bruan aebiirt zu dieser
Klasse. Andere wieder Vermögen mit
der arijsiten Vlnstrenauua tauni einen
tssindruck auf die weilt-»O kracht-ähnliche
Masse zu machen. ausJ der die Pbono
aranliralliu bestehen. Ein tüchtiqer
»Stil«-Unmenin Artist«. d li. eine Per
sim, deren Stimme sich den Rollen
scharf und vriiitis eindriickt, verdient
mit Sinnen und Reeitiren vor dem
«llhonoareplien 5315 vts Mo pro Tag.
Für ieden vollkommenen »Mutter Re
cord«, den sie liest-ist« wird 81 bezahlt