Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 05, 1900, Sonntags-Blatt, Image 16

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    1.
Professor Gottfried Theodor Hans
fen saß in denkbar schlechtester Laune
am Frühstückstisch Das konnte ihm
Niemand verdenten, denn das Mahl
roar so wenig einladend wie möglich.
Der Kaffee war kalt und dünn, die Eier
· ihrer Beschaffenheit nach mehr zurVer
wendung als Wurfgeschosse, als zur
Aufnahme in einen nicht allzu wider
standfähigen Gelehrtemnagen geeignet,
die Butter unordentlich ausgelegt. Au
ßerdrs hatten Bärbele’s ungefchickte
gände am vergangenen Abend die feine
eorestasse, aus der der Professor seit
zwölf Jahren seinen Kaffee zu trinken
pflegte, zertrümmert »Wie soll das
jetzt werden?« fragte er sich, tief auf
seufzend.
Seitdem vor ungefähr vierzehn Ta
gen Karen Jason-T die langjährige
Hüterin des Hauses-, gestorben war,
schienen alle Ordnungsbande desHaus
halts aufgelöst. Unordnung und Unre
gelmäßigkeit herrschten an allen Ecken
und allen Enden, ——— kein Tag verging,
an dein nicht dieses oder jenes Lieb
lingsgebrauchsstück des Hausherrn der
Fahrlässigteit Bärbele’s zum Opfer ge
fallen wäre.
Karen war ein altes Jnventarftück
der Familie gewesen; sie war schon im
Hause, als Gottfried Theodor geboren
wurde, und hatte durch ihre Treue und
Anhänglichkeit sich gewisse Rechte er- «
worden« die von den Mitgliedern der;
Familie schweigend anerkannt und re- ?
spektirt wurden. Die Mutter des Pro
fessors, die Frau Räthin Hanssen, hatte
sc--.- Æ-I--- --Z- Is- Zfsvso Efmsiksssnnfio
å
l
Itjsbus VUVOII uqu so- sey-so V ----- z ------
die bewahrte Haushälierin auf die
Seele gebunden.
Karen hatte sich in der That dem
Professor als ein wahrer Schatz erwie
sen; wieviel er an ihr verloren hatte,
erkannte er jetzt erfi, nun er unbeholfen
und beinahe hilflos wie ein Kind den
täglich an ihn herantretenden Anforde
rungen und Unannehmlichieiten des
Lebens gegenüberstand.
Gleich nach dem Tode der Getreuen
hatten die Tanten und Eousinen fein
Haus förmlich mii Besuchen über
schwemmt; sie hatten mit Vorschlägen
gäweiieiferh wie der Wirthschafisnoth
ldmöglichst abzuhelfen fei. Die
Tante Senaior hatte von einer Zei
tungsannonce gesprochen, in der man
eine honeiie Hauådame suchen konnte,
und seine Kousine Elle-, die junge ver
witiwete Frau Busenbackx wollte-ihm
sogar das Opfer bringen und, bis eine
passende Persönlichkeit gefunden sei,
persönlich die »Repräfentation« seines
Hauses übernehmen
Dieses Anerbieten war jedoch von
dem Professor ziemlich hastig und bei
Mhe unhöflich bestimmt abgelehnt wor
Wenige Tage vor ihrem Tode hatte
die treue Wirthschafterin ihren Herrn
an ihr Bett kommen lassen und eine
lange Ansprache an ihn gehalten. »Ich
glaube, Herr Professor-, es ist bald aus
mit mir,'« hatte sie ges agi, »wir das hier
wird, wenn ich die Augen zugemacht ha
be, weiß ich nicht. Dem Bärbele muß
immer Jemand auf die Finger guten,
fonft macht sie in einer Minute zehn
Dummheiten. Es wird ja nicht fehlen,
daß die gnädig-n Frauen der Ver
wandtschaft zu Ihnen kommen, sich rei
ßen und beißen werden, um das Regi
meni hier imHaufe zu bekommen. Aber,
Herr Professor, wenn Sie auf meinen
Rath hören wollen4 schmeißen Sie hi
ganze Gesellschaft hinaus! —- Mit de- ;
nen Allen ist nichts ausgerichtet, und
Sie werden höchstens von ihnen über
den Löffel barbirtk Ich habe ganz was
Anderes für Sie irn Auge. Hören Sie
zu: Sie haben doch den verrückten Uhr
macher, Enfebius Langermcinn, ge
kannt und auch seine Tochter, die hüb
sche Angelika? Entfinne ich mich recht,
fo haben Sie derzeit die Angelika sogar
ein Biåchen poussirtz Sie waren da- ;
mais noch ein grüner Junge, und wer ;
weiß, was Sie sich für eine Suppe ein
gebrockt hätten, wenn die fetige Frau
Mithin nicht dazwischen gekommen wä
re. Das war recht und gefcheidt.
Die Angeiika hat den Schulmeifter
geheirathet, Sie wissen wohl. Die bei
den Leutchen find aber nicht alt gewor
den, und ihr einziges Kind, die Frie
derike, ift dann bei der Muhme Pau
scher geblieben, die in des alten Langu
mann’s Haus eine Feinwäfcherei ein
gerichtet hat· Sie muß jetzt an die
zwanzig Jahre fein, die Riese, und ist
ein fixe5, liebes, respektables Mädel
geworden. Jch hab' sie immer vor Au
gehabt, und Sie wissen, ich paß dem I
« nagen Volk ganz gehörig auf die Lum- j
pen. An der Rite hab’ ich immer nur !
meine Freude gehabt.
Das ist seine solche Zimperliefe, wie
Ue Mädchen von heutzutage; die steht
des Morgens mit des lieben Herrgotts
Some auf nnd schafft im Garten und
an der Wafchbntte, je nachdem.
Und den ganzen Tag bis zum fasten
Om Abend sieht man sie nicht müßig.
W allzeit sauber und adrett, und zu
« Tit-der Stande ein paar lachende Augen
M eh- fmmdiwes Gesicht Ich muß
Mia- :ichhabemeiueFrwde
M dem M ehabtt Bvrige Woche
sskichmnnda dieMuhme fchee
; » , » vitkaufeuseznchd zåel mirs-;
» OTHER-IMME
Wisse-Mußte
W
Gedanke durch den Sinn gegangen: das
Möbel muß zu uni; «-—— die nimmst Du
Dir in’s Haus und ziehsi Dir eineNach
solgerin heran! Na, daraus ist nun
durch meine Erkrankung nichts gewor
den, aber sie ist auch ohnedies der Aus
gabe gewachsen. Das Mädchen müssen
Sie sich miethen; sie ist zwar noch jung,
aber sie von ihrem Großvater und ihrer
Mutter das Aparte an sich, und ich
glaube, Sie wird sich schon den gehöri
gen Respeit verschaffen. Also versäu
men Sie es nicht« Herr Professor, und
sehen Sie sich nach dem Mädchen um,
sobald ich todt bin. Friederiie Häus
ling bei Frau Pauscher drüben in der
Rosengasse zehn. Na, Sie kennen das
Haus ja!«
Nach dieser langen, mit gewohnter
Energie gehaltenen Rede war Karen er
schöpft zurückgesunten, um später nur
wenige Worte noch zu s brechen.
Nach dem Tode der treuenSeele woll
te der Professor versuchen, ob es nicht
auch mit Bärbele allein ginge, die ja
doch mit Allem nn Hause Bescheid tvuå
I te. Heute jedoch, wo sie nun gar sei
sLieblingstasse zerbrochen hatte, trat
ihm wieder Karen s Bermächtniß dies
mal lebbafter als je, in die Erinne
; rang. Gedankenooll erhob er sich und
schritt durch die offene Verandathür in
den weiten, sich in lachender Frühlings
pracht vor ihm ausdehnenden Garten
Der Hanssen’sche Garten war in sei
ner Eigenart eine Sehenswürdigteit, in
altsranzösischern Stil angelegt, mit vie
len Grotten, Statuen, pbaniastischen
Teppichbeeten und korrekt verschnitte
nen, schwarzgriinen Taxusbecken, die
ioulissenartig sich zu beiden Seiten der
kiesbesireuten Wege öffneten.
Der Zauber des ersten Werdens lag
noch über dem Ganzen Das ausbre
chende, glänzende Grün wob sich wie
durchsichtige Schleiergewebe über
Strauch und Erde, aber die Bäume er
stickten schier unter der Last ihres Blü
thenschnees, und jeder leise Windng er
füllte die sonnige Luft mit einem Flo
elengewirbel weißer Blüthenblätter.
Umgehen war der Garten mit einer
über mannshohen, spalierumlletterten
Mauer; dahinter lagen die Gärtchen
der kleinen Leute, die ringsum in den
Gäßchen des Proletarierviertels wohn
ten.
Gottfried Theodor durchschritt lang
sam, in nachdenklicher Stimmun die
Länge des Gartens bis zu einer anl,
die unter den hängenden Zweigen eines
blühenden Kirschbaums stand. Auf
diese Bank ließ er sich nieder. Wäh
rend er mit verschränkten Armen sich
rückwärts an den Baumstamrn lehnle
und sinnend in das weiße Blüthenmeer
starrte, stieg traumhaft aus dem Ozean
der Vergangenheit das blühende Ei
land seligen Jugendgliieles vor ihm
empor. Wie weit lag das alles hinter
ihm, wie weit — wie weit!
Es gibt Dinge im Leben, unscheinba
re Dinge, die trotz ihrer Geringfügig
leit berufen sind, zu Wendepunkten un
seres Gechickes zu werden· Ein solcher
Wendepunlt in dem siebenzehnjähtigen
Primanetdasein Gottfried Theodori
Hanssen’s war es unzweifelhaft, als
ihm eines Tages beim Turnen seine
goldene Uhr, die er vom Onkel Senator
zur Konfirmation beloknmen hatte,
aus der Tasche gefallen war. Das
Werk schien dabei Schaden gelitten zu
haben, denn die Uhr ging seitdem nicht
mehr.
Die Mutter rieth ihm, sie zur Reda
ratur zu dem »verriickien« Uhrmacher,
dem Eusebius Langermann in der Ro
sengasse zu tragen. »Ja seinem Fach
ist er tüchtig, trotz seiner Uebergesotten
heit,« bemerkte die Frau Räthin noch
oazu.
Gottfried Theodor war damals ein
bochaufgefchosfener, bleicher, schmächti
ger Junge, etwas unbeholfen nnd lin
tisch und besonders im Verkehr enit
Damen und Mädchen schüchtern und
ungewtandt, obgleich er seit fünf Jah
ren jeden Winter den ,,Tanz- und An
stand-Zwequ durchmachte und in sei
nem elterlichen Hause ein reger geselli
ger Verkehr Unterhalten wurde. Da
gegen schwärmte er schon damals nur
für Natur, und die unscheinbarftc
Pflanze, das kleinste Lebewesen der
Schöpfung waren ihm ungleich interes
santer als die Dinge, welche im Leben
feiner Mitschiiler so große Rollen
spielten.
An jenem Nachmittag machte er sich
also auf den Weg zu Eusebius Langu
mann in der Rosengafsr. Das haus
des Uhrmachers lag etwas zurück von
der Häuseefluchi. Mit feinem grünen
Laden und den sauberenMull-Vorhän
hängen hinter den Fenstern, auf deren
Simsen brauner Lack und Monater
sen blühten, machte es einen freundlich
anheimelnden Eindruck; wenigstens
stach es vortheilhaft von den vernach
lässigten Häusern der Umgebung ab.
Mit leise hallendem Ton schlug die
Hansthiirglocke an, als Gottfried in
des-r kühlen geräumigen Vorplah des
Hauschms trat, dessen sauber geschen
erter Steinboden mit weißem Sand
bestreut war, und in dem es eigenartig
nach Kalmus und Lavendel duftete.
Dann wurde von innen die Stuben
: thür geöffnet.
’ Ein heller Sonnenglanz quoll durch
den dämmerigen Flur und inmitten des
Lichtes stand ein fchlantes, feingliedri
gez Mägdlein mit einem «Prinzetsin
»Wi« nnd silbrig flimmerndem
WKH Bad-Einsetz- den tder
von in nen, e we
Mädels-W Kinde empfing, trat
ev ’ltigend, das er vor Berle
i- Mltet keine Worte and
W
und mit einem taum verständlich ge
murmelten .Guten Tag'« seine rothe
Primanermiitze in den händen set
quetschte
«Wollen Sie den Vater sprechen«
herr hanssen?« fragte das Mädchen«
und als er das leise bejahte, lud sie ihn
mit der Handbewegung einer vorneh
men Dame ein« nälxer zu treten. »Va
ter ist leider nicht zu Haus« fuhr fie
fort, »aber wenn Sie einen Augenblick
verweilen wollen; ich hoffe, er wird
gleich tommen.«
Gottfried bejahte wieder; er habe
Zeit, meinte er, und wenn er das Fräu
lein nicht mit seiner Gegenwart belä
-’ stige, werde er gern auf herrn Langu
mann’s Rückkehr warten. Er nahm auf
dem dargebotenen Sessel Platz, und
wußte nicht, wie ihm geschah; nur das
eine empfand er deutlich: daß er noch
nie etwas so Feines, Bartes-, Apartes,
Reizendes gesehen habe, als die lied
lich anmuthige Angelika Langermann.
So ungefähr wäre ihm auch zu Mu
the gewesen, wenn er in irgend einem
verschwiegenen Waldesgrund plötzlich
eine herrlicheWunderblume entdeckt hät
te; nur daß es doch etwas ganz anders
um solche entzückende Menschenhliithe
war, als um eine Blume, die heute blüht
und morgen oerwellt. Sie war eine
Lichtgestalt; alles Helle im Zimmer
schien von ihr auszugehen; wenn sie sich
bewegte, schienen Strahlen von ihr ah
zugleiten und sich in dem kleinen, ein
fachen Raume zu verweilen
Seltsam traut und behaglich war es
in dem schmalen niedrigen, helltapezier
ten Zimmer. Unter dem einen der bei
den Fenster ftand derWertzeugstisch des
alten Langermann, rechts und links da
von zwei lederbezogene Lehnsiiihle, und
ein gleiches Sopha nahm die Mitte der
Hauswand ein« Auf dem mit blendend
weißer Serviette bedeckten Tisch stand
eine weitbauchige Porzellanvase, in der
ein großer, malerisch arrangirter
Strauß von wilden Psirsich- und echten
Kirschblüthenzweigen steckte.
Zu jeder anderen Zeit hätte Gottfried
das Abbrechen der Kirschblüthen ent
rüstet als sündhafte Ruchlosigleit be
zeichnet; in diesem Falle schien es ihm
emsach selbstverständlich, daß die Na
tur der Ausschmiickung des Baumes,
den das liebliche Kind bewohnte, ihren
kostbarsten Tribut sollte.
Angelika saß ihm gegenüber aus dein
zweiten altväterlichen Lehnstuhl nnd
stichelte an einem Leinwandstreifem ab
und zu wars sie einen verstohlenen Blick
aus ihren schüchternen Besuchen der
vergeblich über eine Antniipsung zur
weiteren Unterhaltung nachdachte. Jn
die Stille hinein schwatzte mit eintöni
gern Ticktack eine Kuckucksuhr, und hin
und wieder gab der kleine goldgelbe Vo
gel rn dern blankgeputzten Messinglafig,
der iiber dem Werkzengtisch hing, ein
paar piepsende Laute von sich.
Vor lauter Besangenheit stand Gott
fried schließlich aus und besah sich die
Büchersammlung ans den Regalen der
einen Schmalwand links von der Stu
benthiir. Er war nicht wenig überrai izt
von der vornehmen Gesellschaft, di: sitt
hier in dem bescheidenen Uhrmackser
stübchen zusammengesnnden hatte, nnd
vergaß in seinem Erstaunen darüber ie
xundenldng die Sonnengestalt am Fen
i ter.
Da standen neben den deutschen-klas
sikern die griechischen Geisteshervem
Plato, Sophokles, Aristoteles, Sokra
tes. Da nahmen Dante’5 Werke einen
» breiten Raum ein, daneben der englische
" Philosoph Herbert Spencer nnd die
I deutschen Denker Kant, hegel, Scho
i penhauer, Schelling und Fichte.
! »Liest Jhr Vater diese Bücher?«
fragte Gottfried Theodor etwas ver
bliis
i Angelika legte ihre Näharbeit fort
i its-h s- ss ist- sfsim TI- rshs sitt-I- soc-I
»..» w. » .«..., » ·
zigen Freunde,'« sagte fiel ernst.
»Auch die Jhrent —- Lefen Sie auch
« »s-» q·-.--s --·
« diefe Werte?« stotterie er.
Sie fchiittelte das- Köpfchem »Va
ter liest mir hin und wieder etwas dar
aus vor und erklärt es mir, damit ich
es verstehe. Allein finde ich mich darin
nicht zurecht,« setzte sie mit ihrem rei
zenden, feinen Lächeln hinzu. »Jnte
ressiren Sie sich auch für diefe alten
Herren, Herr Hanssen?«
»Ich? —- Selbftverftändlich!« rief
er. »Aber woher tennen Sie denn ei
gentlich meinen Namen ?«
Sie lachte munter auf. qWir sind
doch Nachbarn," antwortete fie; »von
meinem Birnbaum aus tann ich Jheen
ganzen Garten überfehenz unser Gar
ten grenzt an den Ihren. Soll ich Ih
nen unseren Garten einmal zeigenisp
»Wenn Sie wollen; ich würde mich
sehr freuen,« murmelte Gottfried be
glückt.
Und dann ging sie ihm voran durch
den ladendelduftenden Flur und die
blitzblanie Küche, von der eine Thiir di
rekt in das Gärtchen führte.
Welch ein Garten! Ein nein iget
Fleckchen Erde nur, auf der einen åette
begrenzt von der Mauer des hanssenz
schen Gartens, rechts nnd links maskie
digt von hohem, hölzerner-r Planlwerl.
Und en diesen engen Winkel einge
fchachtelt eine Ueberfiille leuchtenden
Grüni, eine Unmasse von Pflanzen,
Strauchweri, Rosenbüfchen und auch
wohl Unkraut, eins in dem anderen wu
chernd, dabei jedes voll üppigen Gedeii
hens nnd traftftrotzenden Wachimi.
Fußdreiie Pfade führten durch die rü
ne Witdniß, über welche die breite ro
ne eines blühenden Birnbaumi ihr
fchneeiges Panier pflanztein
«Gelt, es sieht wild aus in unserem
kleinen Gartens« fa teAngetiia Inst-L
»Unsere Nachbarn-' te dentete nach
W
ben und drüben, »haben nicht viel rneh
Plag und bauen doch eine Menge ute
Dinge in ihren Gärtchen; aber ate
ist so eigen. Er will keine Gemüse un«
keinen Salat, überhaupt keine Ruh
pflanzen, nur Blumen und Blumen
Na, und ich selbst möchte es auch ga
nicht anders. Sehen Sie, hier ist un
sere Laube." Sie hob einige schwer
Ranken empor, welche den Eingang de
riinen Ecke verdecktenz eine zierlich
ank rnit einem Tischchen davor wurd
sichtbar. »Auf dieser Bant,« plaudert
das Mädchen weiter, »unter dem Birn
baum sitzt Vater am liebsten, und meit
Lieblingsplatz ist hier oben. Schauer
Sie her!«
Sie hate das Kleid leicht geschürz
und war mit ein paar gewandtei
Sprüngen in der Krone des Baumes
wie ein kleiner, leichter Sommervoge
wipte sie sich auf einem Ast. ,.Wollei
Sie nicht auch mal herauskommen?
Man sieht von hier aus so schön in Jh
ren Gartenl«
Gottfried ließ sich das nicht zweima
sagen; er war ein guter Turner unt
stand schon in der nächsten Sekund(
nebenAngelika aus dem lustigen Laub
thron.
Zu Beider Füßen breitete sich de1
Hanssen’sche Garten aus; man konnt(
von dieser Stelle aus jede Ecke und je
des Plätzchen in ihm übersehen. Drit
ben an den Gemüsebeeten stand eben
Karen und bückte sich, um Spargel zu
stechen siir den Abendtisch.
Gottfried schüttelte den Kopf. Der
väterliche Garten mit seinen egal ge
schnittenen Taxuswiinden, den saube
ren Wegen, den glattgewalzten Rasen
und den akkurat umstochenen Rabatten
tam ihm plötzlich ganz fremd und merk
würdig nüchtern und reizlos vor. »Al
so Sie haben mich von hier aus schon
ost esehen?« sragte er
»F wie ost,« sagte Angelika lachend
» --L I-· -«- --«--- --I-Is-4-- III-Ist II--- QÅ
s Hut-II- (Us IIIOIII vhsbvsstdst YOU-sc -,:t-I III
Sre immergehaltenxSre haben faimrner
ein Buch in der Hand, wenn Sie im
Garten gehen, und sind so vertieft in
Jhre Leltüre, daß Sie gar nichts ande
res sehen und hören.«
»Aber in Zukunft wird es mit der
Leltüre nicht viel werden,« fiel er ba,
von ihrer Lebhaftigkeit angesteckt, ein;
»ich werde immer nach dem Birnbaurn
schauen und ich glaube, ich lönnte vom
Spalier aus hier hinauf llettern.«
»Das lassen Sie nur hübsch blei
ben!" rief sie. »Vom Psirsichspalier!
J, Jemine! Da würden Karen und
die gnädige Frau Mama Sie schon
Mores lehren!«
Gottfried wollte mit Einsetzung sei
ner ganzen siebenzehnjährigen Pein-»a
nerwürde gegen einen folchen Verdacht
proteftiren, aber da lachte Angelika wie
der; sie hatte ein allerliebstes. unwider
stehliches Lachen, es tlang wie Sau-sal
bengezwitscher« und ohne zu wollen«
mußte er mit einfiimrnen.
Drinnen schlug die hausthürgloele
wieder an.
Angelika flog mit ein paar graziöfen
Bewegungen von ihrem improvisirten
Thron hinunter und stand in der näch
sten Minute wieder unten im Garten.
»Der Vaterl« rief sie, in’s haus eilend.
Gottfried folgte ihr etwas langsa
mer.
Eusebius Langermann war noch
lein alter Mann, aber eine harte Le
bensfchule, trübe Erfahrungen. Ent
täufchungen, ein aufreibender Daseins
tacnps, und außer einer Menge alltag
licher Sorgen Schicksalsschliige trau
rigfter Art hatten ihn vorzeitig zum
Greise gemacht. Mit seinem weißen,
spürlichen Haar, der gebückten Haltung
und dem verrunzelten Gesicht machte
er den Eindruck eines uralten Männ
chens. Flur vie tlaren, dunteLblauen
-.— -.-L
Ullgcll lcllcllll llull Uct clulgcu Just-u
eines tiefen Gemüths und von reichem
innerm Geistes-leben. Er begrüßteGott
lieb flüchtig und nnterzog dessen Uhr ei
ner raschen Untersuchung »Ich werde
sie Jhnen in einigen Tagen zurückschi
den, sagte er; »ich sehe, es sind einige
Federn zu ersetzen; das und die neue
Regulirung nimmt immerhin etwas
Zeit in Anspruch.«
»Wenn Sie gestatten, hole ich mir die
Uhr dann selber ab«, stotterte Gottfried
etwas verlegen, und als ein rascher,
mißtrauisch fragender Blick aus den
blauen Augen des Alten über ihn streif
te, setzte er hinzu: »Ich habe mir vorhin
Zhre Büchersammlnng angesehen; Jhre
ochter sagte mir, daß Sie sich viel mit
Philosophie beschäftigen. Vielleicht er
lauben Sie mir einmal Jhre Ansicht
über diese und jene Frage einzuholen.
Zu hause nnd bei meinen Mitschiilern
finde ich wenig Verständnis dafüe.«
Die blauen Augen des Greises wur
den wärmer, leuchtenden »Und dieses
Berständnisz hoffen Sie bei dem »ber
riickten Uhrmacher« zu findenli« sagte
er. »Nun, kommen Sie in Gottes Ra
men, so oft Sie wollen; wir werden se
hen, ob unsere Ansichten übereinstim
men.« Er nickte Gottfried zu.
Dieser griff hastig nach feiner rothen
Mühe, nnd mit einem verlegenen Gruß
gegen Angelika, die sich wieder auf ih
ren Plan am Fenster niedergelassen hat
te, verabschiedete er sich von Vater und
Tochter.
Das war die erste Anknüpfung zwi
schen Gottfried Theodoe hanssen nnd
Langermann Z gewesen«
Ensebtus Langeernann entstammte ei
ner angesehenen Familie am Nieder
rhein; er hatte das Gymnasium absol
vitt, nnd et war sein Wunsch und Wille
gäwesern Philolog u ftndtretn Aber
sann trenzte das ogSelZi icksal seinen Weg
in Gestalt einer großen Liebe izu einem
two-u- tchösw arm-. verwest-usin
c
c
k ;
I
·
de, das um jeden Preis bald ein Heini
und einen halt im Leben haben mußte
Damit war durch die ausgestellte Rech
j sung seiner Hoffnungen und Wünsche
- ein dicker Strich gezogen. Seine Eltern
M
. « waren damals schon todt; was sie an ir
k
I
k
c
I
!
I
s
I
I
dischen Gütern hinterlassen, hätte nur
durch äußersteEinschriintung und durch
sleißigen Nebenerwerb zum Studium
ausgereicht, und es wäre wohl aus die
- , stm Wege noch manches Jahr in’s Land
1 gegangen, bevor er seiner Oelene eine
Existenz hätte biten tönnn. So zo er
es denn vor, einen prattischen Beru zu
« erwählen, und statt aus die Universität
7 ging er zu seinem Onkel, dem Fein
mechaniter und Uhrmacher Langu
mann, nach Hannover in die Lehre.
Vier Jahre später etablirte Eusebius
sich in Neustadt, nachdem er kurz vor
bei sein junges Weib heimgesührt hat
te. Sein Geschäft verstand er zwar aus
dem Grunde, aber er wußte keinen rech
ten ertheil aus seinen Fähigteiten zu
ziehen. Deshalb lam er aus teinen grü
nen Zweig. Dazu hatte er viel mit den
Widerwärtigkeiten des Schicksals zu
tämpsen; seine Frau träntelte, von den
Kindern starben eins nach dem andern,
und endlich kostete die Geburt des letz
ten Kindes, der kleinen Angelika, die
Mutter das Leben.
Aus dem Schissbruch seiner ehemali
gen Hoffnungen hatte Eusebius sich nur
seine Bücher und sein Denten gerettet.
Wenn er sich am Feierabend nach getha
ner Arbeit in seine griechischen Philo
svphen versentte. oder wenn während der
mechanischen Thätigteit seiner Hände
seine Gedanken einen Aussiug in das
Land des Unsichtbaren, Geistigen unter
nabmen, dann wich die graue Prosa des
Werttages und der Gegenwart mit
ihren Sorgen und Kümmernissen zu
rück, und er wanderte wie ehedern im
Reiche seiner Jugendliebe. Die kleinen
Leute« in deren Mitte Eusebius Lan
nksmann skin Domizil aufgeschwan
hatte, starrten den Mann mit den ge
lehrten Liebhabereien wie eine Art
Wunderthier an und nannten ihn, weil
sie diese nicht begriffen, »den verrückten
Uhrmacher«.
Ja, ein bischen verriickt war er nach
ihrem Dafürhalten sicher; im Uebrigen
hatten sie den armen Langermann, der,
so viel es ihm seine bescheidenen Ver
hältnisse gestatteten, für Jeden, der sich
in irgend einer Sache bittend an ihn
wandte, stets eine offene. hilfsbereite
band hatte, sehr gern. Hin und wieder
erhoben sich zwar Stimmen, die ihm die
»seine Erziehung« seines Töchterchens
arg bewachten aber irn großen Gan
zen gingen Vater und Tochter so still
und geräuschlos und unauffällig ihren
eigenen Weg, daß felbst böser Wille
teinen Haken zur iiblen Deutung an
beiden finden konnte.
Sie verkehrten mit Niemand; ein
freundliches »Guten Tag« und ein ge
legentliches hin- und herüber mit den
Nachbarn bildeten ihre einzigen Berüh
rungspunlte mit ihrer Umgebung. Die
Bekanntschaft des jungen Prirnanerg
aus dem hause des Raths war da
her gewissermaßen eine Sonnenwende.
Gottfried lani oft, fehr oft; er wuß
te am Ende selber nicht mehr, wer und
was ihn am meisten nach dem häuschen
in der Rosengafse zog: der alte Mann
mit seinen originellen Gedanken und
feinen seltsamen, tiesgehenden Philoso
phien, oder das junge Kind mit den
«Sonnenaugen« und dem »Mondichein
haar«, zwei poetisehe Bezeichnungem die
er in einem «an sie« gerichteten Ge
dicht gebraucht hatte.
Jn Wahrheit tarn Gottfried saft mehr
wegen des alten Langermanns selber
beinahe täglich in die Rosengassez er
war ungewöhnlich tief angelet und
dachte über Manches eingehen nach,
was dem leichteren Sinn feiner Alters
aenossen noch himmelfern lag. Bei
dem alten schlichten Mann am Uhrina
chertisch fand er ein Verständnis und
ein Eingehen auf feine Jdeen und Ge
danten, das ihn hoch beglückte und ihn
gleichzeitig mit dankbarer Ehrfurcht
und Bewunderung fiir den Greis erfüll
te. Zu Haufe war Niemand, dem er so
seine innerften Empfindungen mitthei
len konnte.
Die Mutter, eine refolute, praktisch
denkende Frau, ging in der Sorge iiir
den Haushalt und das leibliche Wohlbe
sinden der Jhrigen auf, und der Va
ter war pon feinem Geschäft und feinen
Rathsangelegenheiten vollan in An
spruch genommen.
»Geh mir ab mit Schopenhauer und
Konsorten!« pflegte er zu sagen.
.Wozu überhaupt philosophirens Le
ben und leben lassen! Seine Pflicht
erfüllen, sich des Lebens freuen und mit
gutem Gewissen schließlich »Abe, Welt«
fagen können; das ist die beste Philo
xteiphie und die größte Weisheit des Le
nz «
Da saßen sie einander nun manche
Stunde in den ledergepolsterten Groß
vatekfeütncn am Werkzeugtiich gegen
über, der alte und der junge Denker,
und iaufchten ihre Ansichten über die
grössten Dinge und die tiefsten Proble
me des Daseins aus«
Eufebiuz Langermann wurde jung
mit dem Jüngling« der mit ehrftirchtiger
Andacht seinen Vorträgen iiber die Be
griffe des Jdealen und Realen lauschte.
Kraut und verworren klangen sie
manchmal, diese Auslafsungem aber
Gottfried fand doch manches Goldtorn
heraus« das er Zieh fürforglich aufbe
wahrte und aus em er fich in späteren
Jahren manche Lebensweisheit heran
Ez waren die seligsten Stunden
net Lebens, welche er in dem en
gen Stäbchen des UWI verlebta
W
Das Vaterbaus erschien ihm dann
niichtern und reizlog, wenn er von Lan
ernianns heimkehrte Zuweilen malte
feine Phantasie ihm allerdings entzü
ckende Zukunstibilder ; dann sah er im
Geiste Angelika als seine rau iiber die
Schwelle seines Familien uses schrei
ten; er hörte sie mit flinken, leichten
Fäßchen über die breiten, dämmerigen
Treppen des alten- Patrtzierbeims hu
schen, ihre lichte Libellengestalt gaulelte
durch die großen Gemächer, herz und
Pul e klopften ihm rascher bei dieser
Bat ellung, und es konnte geschehen,
daß er plötzlich das Fenster ausriß und
« vor lauter innerem Jubel und glückse
liger Zukunftsstirnmung einen schallen
den Jauchzer in die blühende Welt hin
aussandtr. Er war wie umgewandelt.
Seine Mitschiiler in der Prima machten
ihre Witze über ihn. »Dein Gottfrie
delchen schwillt der Kamm!« sagten ei
nige. Etliche sehten erläuternd hinzu;
«Er ist verliebt!"
Ob sie recht hatten? —
. 2.
Monate waren dabingegangen. Die
Zeit der Birnbaumbliitbe war längst
vorüber-; aus der Schachtel voll Früh
lingsgriin, rnit- einer solchen konnte
man wohl Langermann’s Gärtchen im
Mai vergleichen, war wie durch Zauber
ein kleines Paradies voll Sommerdust
und Rosenblüihe erstanden. Fast ein
Wunder erschien das überiippige Blü
ben und Gedeihen der beinahe ineinan
der verwachsenen Sträucher und Blu
men aus dem winzigen Raum. Was
liibte und duftete da nicht Alles um
und durcheinander: Purpursarbene
Ranunleln, zarte Centisolien und wei
ße Rosen in tausendfacher Fülle. wei
ße Lilien, buntgesprentelte, start duss
tende Federnelten, farbiger Rittersporn
und hundert altmodische Blümchen und
Kräutleiin
Ende Juli. aerade um die Keil der
»- .
höchften Rosenbliithe, fiel Angelitcks
fünfzehnter Geburtstag.
Gottfried hatte durch Zufall das Da
tum erfahren und trug sich wochenlang
vorher mit Plänen und Entwürfen, wie
der hohe Freudentag am schönsten und
sinnreichften verherrlicht werden könnte.
Vier Poesien hatte er schon verfaßt.
ohne das ihm eine davon würdig erschie
nen wäre, »sie« damit zu beglücken. Am
meisten Kopfzerbrechen aber machte ihm
das Geschenk, welches er Angelika zu
überreichen gedachte. Nach langem Nach
denlen faszte er endlich den Entschluß,
beim Goldfchmied Vatsen an derMarit- «
erte ein Ringelchen für seine herzenstös
nigin zu taufen. Das war ein sinniges
und zugleich fnmbolisches Gefchenl; es
fagte nichts und dabei doch Alles.
Der alte Waisen machte ein todterni
ftes Gesicht, als« Gottfried fein Begeh
ren vorbrachte und dabei unter Errö
then etwas von einem »Kousinchen« und
»Geburtstag5geschenrl« stammelte. Er
breitete den ganzen Vorrath feiner be
sten Ringe vor dem ihm bekannten
Rathåfohn auf dem Lathisch aus;
die Auswahl war groß un gediegen.
Da waren Ringe mit blitzenden Dia
manten, mit Rubinen in der Farbe
thaufrifcher Blutstropfen und vergiß
meinnichtblauen Türtifen. Gottfried
Theodor wühlte und nichts wollte ihm
schön und kostbar enug für das Händ
chen des blonden onnentindes erschei
nen. Nach dem Preise brauchte er
nicht zu frachen; die Ersparnisse, die
er seit Jahren von feinem reichlichen
Tafchengelde gemacht hatte, würden für
ein halbes Dunend dieser funkelnden
Dingerchen gereicht haben.
Endlich entdeckte er einen winzigen
Reif aus mattern Golde, mit einer gro
ßen, weißen Perle· der ihm besonders ge
fiel. Den erftand er. Wie einen segen
spendenden Talisman oerwahrte er das
weiße Schächtelchen, in dem, in rofa
Watte gebettet, der kleine Ring lag, an
Ielllkk IIIUIL Wenn er uucm tue-«
nahm er den Ring wohl heraus, betrach
tete ihn verziiclt und driiclte auch wohl
die Lippen darauf.
Einmal überraschte ihn die Mutter
bei dieser Spielerei; sie war unbemerli
eingetreten und sah natürlich auch das
Ringlein in feiner Hand, aber sie war
eine viel zu tluge und verständige Frau,
um ein Wort darüber zu verlieren
Gottfried’s fleißige Besuche bei Langu
rnanns waren ihr lein Geheimniß, viel
leicht hegte sie auch ihre eigenen Gedan
len iiber den Magnet, der ihn so konse
quent dorthin zog; aber sie hiitete sich,
diese laut werden zu lassen. »Wie alt
ist Langermann's Tochter eigentlichi«
fragte sie gelegentlich einmal Karm.
»So «n Stücker vierzehn bis fünfzeh
muß sie sein, dente ich,« gab dieser zur
Antwort.
Die Mithin nickte, Kinderei natürlich,
die man nicht durch mißbilligende Worte
unnöthig aufzubaufchen brauchte; aber
die Augen offen halten wollte sie doch.
Gortfehung folgt)
Gu l afch 2 Pfund lafli es Rind
fleijeh vom Rippensiiick wird ign vieeaige
Stuckchen geeichnrttem mit Salz bestreut
und met einer gehackten Zwiebel in 2
Unzen zerlasiener Butter, wohl age
deeih gedampftz auch einen Eßlilssei voll
Kumrnellornen die in ein saubere
Mull - Lavpchen gebunden werden« legt
man zu dem Fleisch Nach Verlauf von
U Stunden staubt man etwas Mehl
darüber, welches man mit der kurz ein
gelochteu Sauee verriihrt und, ebenso
eine Prtle Bat-eilen die man lur e elt
damit vertechen läßt. Vor dem a ch
ten nimmt man den Lümmel heran-.
Die Sauee tann auch mit einein W
den Madeira verieineet Herden.