1. Professor Gottfried Theodor Hans fen saß in denkbar schlechtester Laune am Frühstückstisch Das konnte ihm Niemand verdenten, denn das Mahl roar so wenig einladend wie möglich. Der Kaffee war kalt und dünn, die Eier · ihrer Beschaffenheit nach mehr zurVer wendung als Wurfgeschosse, als zur Aufnahme in einen nicht allzu wider standfähigen Gelehrtemnagen geeignet, die Butter unordentlich ausgelegt. Au ßerdrs hatten Bärbele’s ungefchickte gände am vergangenen Abend die feine eorestasse, aus der der Professor seit zwölf Jahren seinen Kaffee zu trinken pflegte, zertrümmert »Wie soll das jetzt werden?« fragte er sich, tief auf seufzend. Seitdem vor ungefähr vierzehn Ta gen Karen Jason-T die langjährige Hüterin des Hauses-, gestorben war, schienen alle Ordnungsbande desHaus halts aufgelöst. Unordnung und Unre gelmäßigkeit herrschten an allen Ecken und allen Enden, ——— kein Tag verging, an dein nicht dieses oder jenes Lieb lingsgebrauchsstück des Hausherrn der Fahrlässigteit Bärbele’s zum Opfer ge fallen wäre. Karen war ein altes Jnventarftück der Familie gewesen; sie war schon im Hause, als Gottfried Theodor geboren wurde, und hatte durch ihre Treue und Anhänglichkeit sich gewisse Rechte er- « worden« die von den Mitgliedern der; Familie schweigend anerkannt und re- ? spektirt wurden. Die Mutter des Pro fessors, die Frau Räthin Hanssen, hatte sc--.- Æ-I--- --Z- Is- Zfsvso Efmsiksssnnfio å l Itjsbus VUVOII uqu so- sey-so V ----- z ------ die bewahrte Haushälierin auf die Seele gebunden. Karen hatte sich in der That dem Professor als ein wahrer Schatz erwie sen; wieviel er an ihr verloren hatte, erkannte er jetzt erfi, nun er unbeholfen und beinahe hilflos wie ein Kind den täglich an ihn herantretenden Anforde rungen und Unannehmlichieiten des Lebens gegenüberstand. Gleich nach dem Tode der Getreuen hatten die Tanten und Eousinen fein Haus förmlich mii Besuchen über schwemmt; sie hatten mit Vorschlägen gäweiieiferh wie der Wirthschafisnoth ldmöglichst abzuhelfen fei. Die Tante Senaior hatte von einer Zei tungsannonce gesprochen, in der man eine honeiie Hauådame suchen konnte, und seine Kousine Elle-, die junge ver witiwete Frau Busenbackx wollte-ihm sogar das Opfer bringen und, bis eine passende Persönlichkeit gefunden sei, persönlich die »Repräfentation« seines Hauses übernehmen Dieses Anerbieten war jedoch von dem Professor ziemlich hastig und bei Mhe unhöflich bestimmt abgelehnt wor Wenige Tage vor ihrem Tode hatte die treue Wirthschafterin ihren Herrn an ihr Bett kommen lassen und eine lange Ansprache an ihn gehalten. »Ich glaube, Herr Professor-, es ist bald aus mit mir,'« hatte sie ges agi, »wir das hier wird, wenn ich die Augen zugemacht ha be, weiß ich nicht. Dem Bärbele muß immer Jemand auf die Finger guten, fonft macht sie in einer Minute zehn Dummheiten. Es wird ja nicht fehlen, daß die gnädig-n Frauen der Ver wandtschaft zu Ihnen kommen, sich rei ßen und beißen werden, um das Regi meni hier imHaufe zu bekommen. Aber, Herr Professor, wenn Sie auf meinen Rath hören wollen4 schmeißen Sie hi ganze Gesellschaft hinaus! —- Mit de- ; nen Allen ist nichts ausgerichtet, und Sie werden höchstens von ihnen über den Löffel barbirtk Ich habe ganz was Anderes für Sie irn Auge. Hören Sie zu: Sie haben doch den verrückten Uhr macher, Enfebius Langermcinn, ge kannt und auch seine Tochter, die hüb sche Angelika? Entfinne ich mich recht, fo haben Sie derzeit die Angelika sogar ein Biåchen poussirtz Sie waren da- ; mais noch ein grüner Junge, und wer ; weiß, was Sie sich für eine Suppe ein gebrockt hätten, wenn die fetige Frau Mithin nicht dazwischen gekommen wä re. Das war recht und gefcheidt. Die Angeiika hat den Schulmeifter geheirathet, Sie wissen wohl. Die bei den Leutchen find aber nicht alt gewor den, und ihr einziges Kind, die Frie derike, ift dann bei der Muhme Pau scher geblieben, die in des alten Langu mann’s Haus eine Feinwäfcherei ein gerichtet hat· Sie muß jetzt an die zwanzig Jahre fein, die Riese, und ist ein fixe5, liebes, respektables Mädel geworden. Jch hab' sie immer vor Au gehabt, und Sie wissen, ich paß dem I « nagen Volk ganz gehörig auf die Lum- j pen. An der Rite hab’ ich immer nur ! meine Freude gehabt. Das ist seine solche Zimperliefe, wie Ue Mädchen von heutzutage; die steht des Morgens mit des lieben Herrgotts Some auf nnd schafft im Garten und an der Wafchbntte, je nachdem. Und den ganzen Tag bis zum fasten Om Abend sieht man sie nicht müßig. W allzeit sauber und adrett, und zu « Tit-der Stande ein paar lachende Augen M eh- fmmdiwes Gesicht Ich muß Mia- :ichhabemeiueFrwde M dem M ehabtt Bvrige Woche sskichmnnda dieMuhme fchee ; » , » vitkaufeuseznchd zåel mirs-; » OTHER-IMME Wisse-Mußte W Gedanke durch den Sinn gegangen: das Möbel muß zu uni; «-—— die nimmst Du Dir in’s Haus und ziehsi Dir eineNach solgerin heran! Na, daraus ist nun durch meine Erkrankung nichts gewor den, aber sie ist auch ohnedies der Aus gabe gewachsen. Das Mädchen müssen Sie sich miethen; sie ist zwar noch jung, aber sie von ihrem Großvater und ihrer Mutter das Aparte an sich, und ich glaube, Sie wird sich schon den gehöri gen Respeit verschaffen. Also versäu men Sie es nicht« Herr Professor, und sehen Sie sich nach dem Mädchen um, sobald ich todt bin. Friederiie Häus ling bei Frau Pauscher drüben in der Rosengasse zehn. Na, Sie kennen das Haus ja!« Nach dieser langen, mit gewohnter Energie gehaltenen Rede war Karen er schöpft zurückgesunten, um später nur wenige Worte noch zu s brechen. Nach dem Tode der treuenSeele woll te der Professor versuchen, ob es nicht auch mit Bärbele allein ginge, die ja doch mit Allem nn Hause Bescheid tvuå I te. Heute jedoch, wo sie nun gar sei sLieblingstasse zerbrochen hatte, trat ihm wieder Karen s Bermächtniß dies mal lebbafter als je, in die Erinne ; rang. Gedankenooll erhob er sich und schritt durch die offene Verandathür in den weiten, sich in lachender Frühlings pracht vor ihm ausdehnenden Garten Der Hanssen’sche Garten war in sei ner Eigenart eine Sehenswürdigteit, in altsranzösischern Stil angelegt, mit vie len Grotten, Statuen, pbaniastischen Teppichbeeten und korrekt verschnitte nen, schwarzgriinen Taxusbecken, die ioulissenartig sich zu beiden Seiten der kiesbesireuten Wege öffneten. Der Zauber des ersten Werdens lag noch über dem Ganzen Das ausbre chende, glänzende Grün wob sich wie durchsichtige Schleiergewebe über Strauch und Erde, aber die Bäume er stickten schier unter der Last ihres Blü thenschnees, und jeder leise Windng er füllte die sonnige Luft mit einem Flo elengewirbel weißer Blüthenblätter. Umgehen war der Garten mit einer über mannshohen, spalierumlletterten Mauer; dahinter lagen die Gärtchen der kleinen Leute, die ringsum in den Gäßchen des Proletarierviertels wohn ten. Gottfried Theodor durchschritt lang sam, in nachdenklicher Stimmun die Länge des Gartens bis zu einer anl, die unter den hängenden Zweigen eines blühenden Kirschbaums stand. Auf diese Bank ließ er sich nieder. Wäh rend er mit verschränkten Armen sich rückwärts an den Baumstamrn lehnle und sinnend in das weiße Blüthenmeer starrte, stieg traumhaft aus dem Ozean der Vergangenheit das blühende Ei land seligen Jugendgliieles vor ihm empor. Wie weit lag das alles hinter ihm, wie weit — wie weit! Es gibt Dinge im Leben, unscheinba re Dinge, die trotz ihrer Geringfügig leit berufen sind, zu Wendepunkten un seres Gechickes zu werden· Ein solcher Wendepunlt in dem siebenzehnjähtigen Primanetdasein Gottfried Theodori Hanssen’s war es unzweifelhaft, als ihm eines Tages beim Turnen seine goldene Uhr, die er vom Onkel Senator zur Konfirmation beloknmen hatte, aus der Tasche gefallen war. Das Werk schien dabei Schaden gelitten zu haben, denn die Uhr ging seitdem nicht mehr. Die Mutter rieth ihm, sie zur Reda ratur zu dem »verriickien« Uhrmacher, dem Eusebius Langermann in der Ro sengasse zu tragen. »Ja seinem Fach ist er tüchtig, trotz seiner Uebergesotten heit,« bemerkte die Frau Räthin noch oazu. Gottfried Theodor war damals ein bochaufgefchosfener, bleicher, schmächti ger Junge, etwas unbeholfen nnd lin tisch und besonders im Verkehr enit Damen und Mädchen schüchtern und ungewtandt, obgleich er seit fünf Jah ren jeden Winter den ,,Tanz- und An stand-Zwequ durchmachte und in sei nem elterlichen Hause ein reger geselli ger Verkehr Unterhalten wurde. Da gegen schwärmte er schon damals nur für Natur, und die unscheinbarftc Pflanze, das kleinste Lebewesen der Schöpfung waren ihm ungleich interes santer als die Dinge, welche im Leben feiner Mitschiiler so große Rollen spielten. An jenem Nachmittag machte er sich also auf den Weg zu Eusebius Langu mann in der Rosengafsr. Das haus des Uhrmachers lag etwas zurück von der Häuseefluchi. Mit feinem grünen Laden und den sauberenMull-Vorhän hängen hinter den Fenstern, auf deren Simsen brauner Lack und Monater sen blühten, machte es einen freundlich anheimelnden Eindruck; wenigstens stach es vortheilhaft von den vernach lässigten Häusern der Umgebung ab. Mit leise hallendem Ton schlug die Hansthiirglocke an, als Gottfried in des-r kühlen geräumigen Vorplah des Hauschms trat, dessen sauber geschen erter Steinboden mit weißem Sand bestreut war, und in dem es eigenartig nach Kalmus und Lavendel duftete. Dann wurde von innen die Stuben : thür geöffnet. ’ Ein heller Sonnenglanz quoll durch den dämmerigen Flur und inmitten des Lichtes stand ein fchlantes, feingliedri gez Mägdlein mit einem «Prinzetsin »Wi« nnd silbrig flimmerndem WKH Bad-Einsetz- den tder von in nen, e we Mädels-W Kinde empfing, trat ev ’ltigend, das er vor Berle i- Mltet keine Worte and W und mit einem taum verständlich ge murmelten .Guten Tag'« seine rothe Primanermiitze in den händen set quetschte «Wollen Sie den Vater sprechen« herr hanssen?« fragte das Mädchen« und als er das leise bejahte, lud sie ihn mit der Handbewegung einer vorneh men Dame ein« nälxer zu treten. »Va ter ist leider nicht zu Haus« fuhr fie fort, »aber wenn Sie einen Augenblick verweilen wollen; ich hoffe, er wird gleich tommen.« Gottfried bejahte wieder; er habe Zeit, meinte er, und wenn er das Fräu lein nicht mit seiner Gegenwart belä -’ stige, werde er gern auf herrn Langu mann’s Rückkehr warten. Er nahm auf dem dargebotenen Sessel Platz, und wußte nicht, wie ihm geschah; nur das eine empfand er deutlich: daß er noch nie etwas so Feines, Bartes-, Apartes, Reizendes gesehen habe, als die lied lich anmuthige Angelika Langermann. So ungefähr wäre ihm auch zu Mu the gewesen, wenn er in irgend einem verschwiegenen Waldesgrund plötzlich eine herrlicheWunderblume entdeckt hät te; nur daß es doch etwas ganz anders um solche entzückende Menschenhliithe war, als um eine Blume, die heute blüht und morgen oerwellt. Sie war eine Lichtgestalt; alles Helle im Zimmer schien von ihr auszugehen; wenn sie sich bewegte, schienen Strahlen von ihr ah zugleiten und sich in dem kleinen, ein fachen Raume zu verweilen Seltsam traut und behaglich war es in dem schmalen niedrigen, helltapezier ten Zimmer. Unter dem einen der bei den Fenster ftand derWertzeugstisch des alten Langermann, rechts und links da von zwei lederbezogene Lehnsiiihle, und ein gleiches Sopha nahm die Mitte der Hauswand ein« Auf dem mit blendend weißer Serviette bedeckten Tisch stand eine weitbauchige Porzellanvase, in der ein großer, malerisch arrangirter Strauß von wilden Psirsich- und echten Kirschblüthenzweigen steckte. Zu jeder anderen Zeit hätte Gottfried das Abbrechen der Kirschblüthen ent rüstet als sündhafte Ruchlosigleit be zeichnet; in diesem Falle schien es ihm emsach selbstverständlich, daß die Na tur der Ausschmiickung des Baumes, den das liebliche Kind bewohnte, ihren kostbarsten Tribut sollte. Angelika saß ihm gegenüber aus dein zweiten altväterlichen Lehnstuhl nnd stichelte an einem Leinwandstreifem ab und zu wars sie einen verstohlenen Blick aus ihren schüchternen Besuchen der vergeblich über eine Antniipsung zur weiteren Unterhaltung nachdachte. Jn die Stille hinein schwatzte mit eintöni gern Ticktack eine Kuckucksuhr, und hin und wieder gab der kleine goldgelbe Vo gel rn dern blankgeputzten Messinglafig, der iiber dem Werkzengtisch hing, ein paar piepsende Laute von sich. Vor lauter Besangenheit stand Gott fried schließlich aus und besah sich die Büchersammlung ans den Regalen der einen Schmalwand links von der Stu benthiir. Er war nicht wenig überrai izt von der vornehmen Gesellschaft, di: sitt hier in dem bescheidenen Uhrmackser stübchen zusammengesnnden hatte, nnd vergaß in seinem Erstaunen darüber ie xundenldng die Sonnengestalt am Fen i ter. Da standen neben den deutschen-klas sikern die griechischen Geisteshervem Plato, Sophokles, Aristoteles, Sokra tes. Da nahmen Dante’5 Werke einen » breiten Raum ein, daneben der englische " Philosoph Herbert Spencer nnd die I deutschen Denker Kant, hegel, Scho i penhauer, Schelling und Fichte. ! »Liest Jhr Vater diese Bücher?« fragte Gottfried Theodor etwas ver bliis i Angelika legte ihre Näharbeit fort i its-h s- ss ist- sfsim TI- rshs sitt-I- soc-I »..» w. » .«..., » · zigen Freunde,'« sagte fiel ernst. »Auch die Jhrent —- Lefen Sie auch « »s-» q·-.--s --· « diefe Werte?« stotterie er. Sie fchiittelte das- Köpfchem »Va ter liest mir hin und wieder etwas dar aus vor und erklärt es mir, damit ich es verstehe. Allein finde ich mich darin nicht zurecht,« setzte sie mit ihrem rei zenden, feinen Lächeln hinzu. »Jnte ressiren Sie sich auch für diefe alten Herren, Herr Hanssen?« »Ich? —- Selbftverftändlich!« rief er. »Aber woher tennen Sie denn ei gentlich meinen Namen ?« Sie lachte munter auf. qWir sind doch Nachbarn," antwortete fie; »von meinem Birnbaum aus tann ich Jheen ganzen Garten überfehenz unser Gar ten grenzt an den Ihren. Soll ich Ih nen unseren Garten einmal zeigenisp »Wenn Sie wollen; ich würde mich sehr freuen,« murmelte Gottfried be glückt. Und dann ging sie ihm voran durch den ladendelduftenden Flur und die blitzblanie Küche, von der eine Thiir di rekt in das Gärtchen führte. Welch ein Garten! Ein nein iget Fleckchen Erde nur, auf der einen åette begrenzt von der Mauer des hanssenz schen Gartens, rechts nnd links maskie digt von hohem, hölzerner-r Planlwerl. Und en diesen engen Winkel einge fchachtelt eine Ueberfiille leuchtenden Grüni, eine Unmasse von Pflanzen, Strauchweri, Rosenbüfchen und auch wohl Unkraut, eins in dem anderen wu chernd, dabei jedes voll üppigen Gedeii hens nnd traftftrotzenden Wachimi. Fußdreiie Pfade führten durch die rü ne Witdniß, über welche die breite ro ne eines blühenden Birnbaumi ihr fchneeiges Panier pflanztein «Gelt, es sieht wild aus in unserem kleinen Gartens« fa teAngetiia Inst-L »Unsere Nachbarn-' te dentete nach W ben und drüben, »haben nicht viel rneh Plag und bauen doch eine Menge ute Dinge in ihren Gärtchen; aber ate ist so eigen. Er will keine Gemüse un« keinen Salat, überhaupt keine Ruh pflanzen, nur Blumen und Blumen Na, und ich selbst möchte es auch ga nicht anders. Sehen Sie, hier ist un sere Laube." Sie hob einige schwer Ranken empor, welche den Eingang de riinen Ecke verdecktenz eine zierlich ank rnit einem Tischchen davor wurd sichtbar. »Auf dieser Bant,« plaudert das Mädchen weiter, »unter dem Birn baum sitzt Vater am liebsten, und meit Lieblingsplatz ist hier oben. Schauer Sie her!« Sie hate das Kleid leicht geschürz und war mit ein paar gewandtei Sprüngen in der Krone des Baumes wie ein kleiner, leichter Sommervoge wipte sie sich auf einem Ast. ,.Wollei Sie nicht auch mal herauskommen? Man sieht von hier aus so schön in Jh ren Gartenl« Gottfried ließ sich das nicht zweima sagen; er war ein guter Turner unt stand schon in der nächsten Sekund( nebenAngelika aus dem lustigen Laub thron. Zu Beider Füßen breitete sich de1 Hanssen’sche Garten aus; man konnt( von dieser Stelle aus jede Ecke und je des Plätzchen in ihm übersehen. Drit ben an den Gemüsebeeten stand eben Karen und bückte sich, um Spargel zu stechen siir den Abendtisch. Gottfried schüttelte den Kopf. Der väterliche Garten mit seinen egal ge schnittenen Taxuswiinden, den saube ren Wegen, den glattgewalzten Rasen und den akkurat umstochenen Rabatten tam ihm plötzlich ganz fremd und merk würdig nüchtern und reizlos vor. »Al so Sie haben mich von hier aus schon ost esehen?« sragte er »F wie ost,« sagte Angelika lachend » --L I-· -«- --«--- --I-Is-4-- III-Ist II--- QÅ s Hut-II- (Us IIIOIII vhsbvsstdst YOU-sc -,:t-I III Sre immergehaltenxSre haben faimrner ein Buch in der Hand, wenn Sie im Garten gehen, und sind so vertieft in Jhre Leltüre, daß Sie gar nichts ande res sehen und hören.« »Aber in Zukunft wird es mit der Leltüre nicht viel werden,« fiel er ba, von ihrer Lebhaftigkeit angesteckt, ein; »ich werde immer nach dem Birnbaurn schauen und ich glaube, ich lönnte vom Spalier aus hier hinauf llettern.« »Das lassen Sie nur hübsch blei ben!" rief sie. »Vom Psirsichspalier! J, Jemine! Da würden Karen und die gnädige Frau Mama Sie schon Mores lehren!« Gottfried wollte mit Einsetzung sei ner ganzen siebenzehnjährigen Pein-»a nerwürde gegen einen folchen Verdacht proteftiren, aber da lachte Angelika wie der; sie hatte ein allerliebstes. unwider stehliches Lachen, es tlang wie Sau-sal bengezwitscher« und ohne zu wollen« mußte er mit einfiimrnen. Drinnen schlug die hausthürgloele wieder an. Angelika flog mit ein paar graziöfen Bewegungen von ihrem improvisirten Thron hinunter und stand in der näch sten Minute wieder unten im Garten. »Der Vaterl« rief sie, in’s haus eilend. Gottfried folgte ihr etwas langsa mer. Eusebius Langermann war noch lein alter Mann, aber eine harte Le bensfchule, trübe Erfahrungen. Ent täufchungen, ein aufreibender Daseins tacnps, und außer einer Menge alltag licher Sorgen Schicksalsschliige trau rigfter Art hatten ihn vorzeitig zum Greise gemacht. Mit seinem weißen, spürlichen Haar, der gebückten Haltung und dem verrunzelten Gesicht machte er den Eindruck eines uralten Männ chens. Flur vie tlaren, dunteLblauen -.— -.-L Ullgcll lcllcllll llull Uct clulgcu Just-u eines tiefen Gemüths und von reichem innerm Geistes-leben. Er begrüßteGott lieb flüchtig und nnterzog dessen Uhr ei ner raschen Untersuchung »Ich werde sie Jhnen in einigen Tagen zurückschi den, sagte er; »ich sehe, es sind einige Federn zu ersetzen; das und die neue Regulirung nimmt immerhin etwas Zeit in Anspruch.« »Wenn Sie gestatten, hole ich mir die Uhr dann selber ab«, stotterte Gottfried etwas verlegen, und als ein rascher, mißtrauisch fragender Blick aus den blauen Augen des Alten über ihn streif te, setzte er hinzu: »Ich habe mir vorhin Zhre Büchersammlnng angesehen; Jhre ochter sagte mir, daß Sie sich viel mit Philosophie beschäftigen. Vielleicht er lauben Sie mir einmal Jhre Ansicht über diese und jene Frage einzuholen. Zu hause nnd bei meinen Mitschiilern finde ich wenig Verständnis dafüe.« Die blauen Augen des Greises wur den wärmer, leuchtenden »Und dieses Berständnisz hoffen Sie bei dem »ber riickten Uhrmacher« zu findenli« sagte er. »Nun, kommen Sie in Gottes Ra men, so oft Sie wollen; wir werden se hen, ob unsere Ansichten übereinstim men.« Er nickte Gottfried zu. Dieser griff hastig nach feiner rothen Mühe, nnd mit einem verlegenen Gruß gegen Angelika, die sich wieder auf ih ren Plan am Fenster niedergelassen hat te, verabschiedete er sich von Vater und Tochter. Das war die erste Anknüpfung zwi schen Gottfried Theodoe hanssen nnd Langermann Z gewesen« Ensebtus Langeernann entstammte ei ner angesehenen Familie am Nieder rhein; er hatte das Gymnasium absol vitt, nnd et war sein Wunsch und Wille gäwesern Philolog u ftndtretn Aber sann trenzte das ogSelZi icksal seinen Weg in Gestalt einer großen Liebe izu einem two-u- tchösw arm-. verwest-usin c c k ; I · de, das um jeden Preis bald ein Heini und einen halt im Leben haben mußte Damit war durch die ausgestellte Rech j sung seiner Hoffnungen und Wünsche - ein dicker Strich gezogen. Seine Eltern M . « waren damals schon todt; was sie an ir k I k c I ! I s I I dischen Gütern hinterlassen, hätte nur durch äußersteEinschriintung und durch sleißigen Nebenerwerb zum Studium ausgereicht, und es wäre wohl aus die - , stm Wege noch manches Jahr in’s Land 1 gegangen, bevor er seiner Oelene eine Existenz hätte biten tönnn. So zo er es denn vor, einen prattischen Beru zu « erwählen, und statt aus die Universität 7 ging er zu seinem Onkel, dem Fein mechaniter und Uhrmacher Langu mann, nach Hannover in die Lehre. Vier Jahre später etablirte Eusebius sich in Neustadt, nachdem er kurz vor bei sein junges Weib heimgesührt hat te. Sein Geschäft verstand er zwar aus dem Grunde, aber er wußte keinen rech ten ertheil aus seinen Fähigteiten zu ziehen. Deshalb lam er aus teinen grü nen Zweig. Dazu hatte er viel mit den Widerwärtigkeiten des Schicksals zu tämpsen; seine Frau träntelte, von den Kindern starben eins nach dem andern, und endlich kostete die Geburt des letz ten Kindes, der kleinen Angelika, die Mutter das Leben. Aus dem Schissbruch seiner ehemali gen Hoffnungen hatte Eusebius sich nur seine Bücher und sein Denten gerettet. Wenn er sich am Feierabend nach getha ner Arbeit in seine griechischen Philo svphen versentte. oder wenn während der mechanischen Thätigteit seiner Hände seine Gedanken einen Aussiug in das Land des Unsichtbaren, Geistigen unter nabmen, dann wich die graue Prosa des Werttages und der Gegenwart mit ihren Sorgen und Kümmernissen zu rück, und er wanderte wie ehedern im Reiche seiner Jugendliebe. Die kleinen Leute« in deren Mitte Eusebius Lan nksmann skin Domizil aufgeschwan hatte, starrten den Mann mit den ge lehrten Liebhabereien wie eine Art Wunderthier an und nannten ihn, weil sie diese nicht begriffen, »den verrückten Uhrmacher«. Ja, ein bischen verriickt war er nach ihrem Dafürhalten sicher; im Uebrigen hatten sie den armen Langermann, der, so viel es ihm seine bescheidenen Ver hältnisse gestatteten, für Jeden, der sich in irgend einer Sache bittend an ihn wandte, stets eine offene. hilfsbereite band hatte, sehr gern. Hin und wieder erhoben sich zwar Stimmen, die ihm die »seine Erziehung« seines Töchterchens arg bewachten aber irn großen Gan zen gingen Vater und Tochter so still und geräuschlos und unauffällig ihren eigenen Weg, daß felbst böser Wille teinen Haken zur iiblen Deutung an beiden finden konnte. Sie verkehrten mit Niemand; ein freundliches »Guten Tag« und ein ge legentliches hin- und herüber mit den Nachbarn bildeten ihre einzigen Berüh rungspunlte mit ihrer Umgebung. Die Bekanntschaft des jungen Prirnanerg aus dem hause des Raths war da her gewissermaßen eine Sonnenwende. Gottfried lani oft, fehr oft; er wuß te am Ende selber nicht mehr, wer und was ihn am meisten nach dem häuschen in der Rosengafse zog: der alte Mann mit seinen originellen Gedanken und feinen seltsamen, tiesgehenden Philoso phien, oder das junge Kind mit den «Sonnenaugen« und dem »Mondichein haar«, zwei poetisehe Bezeichnungem die er in einem «an sie« gerichteten Ge dicht gebraucht hatte. Jn Wahrheit tarn Gottfried saft mehr wegen des alten Langermanns selber beinahe täglich in die Rosengassez er war ungewöhnlich tief angelet und dachte über Manches eingehen nach, was dem leichteren Sinn feiner Alters aenossen noch himmelfern lag. Bei dem alten schlichten Mann am Uhrina chertisch fand er ein Verständnis und ein Eingehen auf feine Jdeen und Ge danten, das ihn hoch beglückte und ihn gleichzeitig mit dankbarer Ehrfurcht und Bewunderung fiir den Greis erfüll te. Zu Haufe war Niemand, dem er so seine innerften Empfindungen mitthei len konnte. Die Mutter, eine refolute, praktisch denkende Frau, ging in der Sorge iiir den Haushalt und das leibliche Wohlbe sinden der Jhrigen auf, und der Va ter war pon feinem Geschäft und feinen Rathsangelegenheiten vollan in An spruch genommen. »Geh mir ab mit Schopenhauer und Konsorten!« pflegte er zu sagen. .Wozu überhaupt philosophirens Le ben und leben lassen! Seine Pflicht erfüllen, sich des Lebens freuen und mit gutem Gewissen schließlich »Abe, Welt« fagen können; das ist die beste Philo xteiphie und die größte Weisheit des Le nz « Da saßen sie einander nun manche Stunde in den ledergepolsterten Groß vatekfeütncn am Werkzeugtiich gegen über, der alte und der junge Denker, und iaufchten ihre Ansichten über die grössten Dinge und die tiefsten Proble me des Daseins aus« Eufebiuz Langermann wurde jung mit dem Jüngling« der mit ehrftirchtiger Andacht seinen Vorträgen iiber die Be griffe des Jdealen und Realen lauschte. Kraut und verworren klangen sie manchmal, diese Auslafsungem aber Gottfried fand doch manches Goldtorn heraus« das er Zieh fürforglich aufbe wahrte und aus em er fich in späteren Jahren manche Lebensweisheit heran Ez waren die seligsten Stunden net Lebens, welche er in dem en gen Stäbchen des UWI verlebta W Das Vaterbaus erschien ihm dann niichtern und reizlog, wenn er von Lan ernianns heimkehrte Zuweilen malte feine Phantasie ihm allerdings entzü ckende Zukunstibilder ; dann sah er im Geiste Angelika als seine rau iiber die Schwelle seines Familien uses schrei ten; er hörte sie mit flinken, leichten Fäßchen über die breiten, dämmerigen Treppen des alten- Patrtzierbeims hu schen, ihre lichte Libellengestalt gaulelte durch die großen Gemächer, herz und Pul e klopften ihm rascher bei dieser Bat ellung, und es konnte geschehen, daß er plötzlich das Fenster ausriß und « vor lauter innerem Jubel und glückse liger Zukunftsstirnmung einen schallen den Jauchzer in die blühende Welt hin aussandtr. Er war wie umgewandelt. Seine Mitschiiler in der Prima machten ihre Witze über ihn. »Dein Gottfrie delchen schwillt der Kamm!« sagten ei nige. Etliche sehten erläuternd hinzu; «Er ist verliebt!" Ob sie recht hatten? — . 2. Monate waren dabingegangen. Die Zeit der Birnbaumbliitbe war längst vorüber-; aus der Schachtel voll Früh lingsgriin, rnit- einer solchen konnte man wohl Langermann’s Gärtchen im Mai vergleichen, war wie durch Zauber ein kleines Paradies voll Sommerdust und Rosenblüihe erstanden. Fast ein Wunder erschien das überiippige Blü ben und Gedeihen der beinahe ineinan der verwachsenen Sträucher und Blu men aus dem winzigen Raum. Was liibte und duftete da nicht Alles um und durcheinander: Purpursarbene Ranunleln, zarte Centisolien und wei ße Rosen in tausendfacher Fülle. wei ße Lilien, buntgesprentelte, start duss tende Federnelten, farbiger Rittersporn und hundert altmodische Blümchen und Kräutleiin Ende Juli. aerade um die Keil der »- . höchften Rosenbliithe, fiel Angelitcks fünfzehnter Geburtstag. Gottfried hatte durch Zufall das Da tum erfahren und trug sich wochenlang vorher mit Plänen und Entwürfen, wie der hohe Freudentag am schönsten und sinnreichften verherrlicht werden könnte. Vier Poesien hatte er schon verfaßt. ohne das ihm eine davon würdig erschie nen wäre, »sie« damit zu beglücken. Am meisten Kopfzerbrechen aber machte ihm das Geschenk, welches er Angelika zu überreichen gedachte. Nach langem Nach denlen faszte er endlich den Entschluß, beim Goldfchmied Vatsen an derMarit- « erte ein Ringelchen für seine herzenstös nigin zu taufen. Das war ein sinniges und zugleich fnmbolisches Gefchenl; es fagte nichts und dabei doch Alles. Der alte Waisen machte ein todterni ftes Gesicht, als« Gottfried fein Begeh ren vorbrachte und dabei unter Errö then etwas von einem »Kousinchen« und »Geburtstag5geschenrl« stammelte. Er breitete den ganzen Vorrath feiner be sten Ringe vor dem ihm bekannten Rathåfohn auf dem Lathisch aus; die Auswahl war groß un gediegen. Da waren Ringe mit blitzenden Dia manten, mit Rubinen in der Farbe thaufrifcher Blutstropfen und vergiß meinnichtblauen Türtifen. Gottfried Theodor wühlte und nichts wollte ihm schön und kostbar enug für das Händ chen des blonden onnentindes erschei nen. Nach dem Preise brauchte er nicht zu frachen; die Ersparnisse, die er seit Jahren von feinem reichlichen Tafchengelde gemacht hatte, würden für ein halbes Dunend dieser funkelnden Dingerchen gereicht haben. Endlich entdeckte er einen winzigen Reif aus mattern Golde, mit einer gro ßen, weißen Perle· der ihm besonders ge fiel. Den erftand er. Wie einen segen spendenden Talisman oerwahrte er das weiße Schächtelchen, in dem, in rofa Watte gebettet, der kleine Ring lag, an Ielllkk IIIUIL Wenn er uucm tue-« nahm er den Ring wohl heraus, betrach tete ihn verziiclt und driiclte auch wohl die Lippen darauf. Einmal überraschte ihn die Mutter bei dieser Spielerei; sie war unbemerli eingetreten und sah natürlich auch das Ringlein in feiner Hand, aber sie war eine viel zu tluge und verständige Frau, um ein Wort darüber zu verlieren Gottfried’s fleißige Besuche bei Langu rnanns waren ihr lein Geheimniß, viel leicht hegte sie auch ihre eigenen Gedan len iiber den Magnet, der ihn so konse quent dorthin zog; aber sie hiitete sich, diese laut werden zu lassen. »Wie alt ist Langermann's Tochter eigentlichi« fragte sie gelegentlich einmal Karm. »So «n Stücker vierzehn bis fünfzeh muß sie sein, dente ich,« gab dieser zur Antwort. Die Mithin nickte, Kinderei natürlich, die man nicht durch mißbilligende Worte unnöthig aufzubaufchen brauchte; aber die Augen offen halten wollte sie doch. Gortfehung folgt) Gu l afch 2 Pfund lafli es Rind fleijeh vom Rippensiiick wird ign vieeaige Stuckchen geeichnrttem mit Salz bestreut und met einer gehackten Zwiebel in 2 Unzen zerlasiener Butter, wohl age deeih gedampftz auch einen Eßlilssei voll Kumrnellornen die in ein saubere Mull - Lavpchen gebunden werden« legt man zu dem Fleisch Nach Verlauf von U Stunden staubt man etwas Mehl darüber, welches man mit der kurz ein gelochteu Sauee verriihrt und, ebenso eine Prtle Bat-eilen die man lur e elt damit vertechen läßt. Vor dem a ch ten nimmt man den Lümmel heran-. Die Sauee tann auch mit einein W den Madeira verieineet Herden.