Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 03, 1900, Sonntags-Blatt, Image 9

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    W
beiiage des »aneiger mm INme
J. P. Windolph,chtausgcbcr.
Grund Island, Nebr» den Z. Ang. 1900.
Jahrgang 20. No. 48.
Knnft, Wissenschast und
Gewerbe.
WXIXXXJSW
Ein neues Rettnngsboot.
Von L. Ernst·
Bei derfurchtbaren Catastrophe, bei
der die »Bourgogne" und mit ihr viele
Passagiere in’sMeer versanken, stiftete
ein reicher Arnericaner, Namens Pot
lat, einen Preis von hunderttausend
Franken für die Erfindung eines dic
Rettung von Personen sichernoen Ap
parates, eventuell irgend eine Erfin
dung, welche derartige gräßliche Un
glücke zu verhindern im Stande sein
würde. Ein intelligenter Schmeizey
Herr Kaspar Fuchs in Brieni, unter
nahm datan einen Versuch zur Anfer
tigung eines Rettunasbootes, das nun
im Modell vorliegt nnd in Paris zur
Ausitellung gekannt ist.
Wie aus der vorlieqerideii«21bbildiiiig
des Wir-tells hervor-stehn haben wir ein
Zwillinqsboot vor tin-» dnsz einem fla
chen, nahezu Viereckisien Floß ähnelt;
ein Sinken oder Kentern ist somit aus
(
-Jig. l. Modell des Frtchs’fchcn Rettung-Z
boots.
s- gefchlossem Der gedeckte Jnnenraum
der Boote soll zur Aufnahme von Pro
viant, Trinlwasser, Decken (zum
sSchutz von Frauen und Kindern) so- I
«wie wenn möglich von Wärmeerzeu- I
-gungsapparaten dienen. Viele Men
schenleben gehen durch Kälte und . E:- .
seyöpfung zu Grunde; deshalb ist ein
so cher umfangreicher Vorrathsraum
von großer Bedeutung.
Eine bisher noch nicht überwundene
«Schwierigleit bei jedem Rettungsboot
bildet die Jngebrauchnahme no er
folgter-n Un« tück; gewöhnlich bri t eine
Panik aus« o daß die Boote überhaupt
nicht zur Funktion kommen oder beim
ungeordneten Einftürrnen der Passa
iere Noth leiden. Dem Abhilfe zu
chassen, scheint uns der Hauptvorzug
des neuen Bootes zu fein. Das Boot
wird nämlich leer ausgeseßt und die
Passagiere gelangen mittels eines
Netzes hinein, das im Nothfall als
weniaer großer Eile als Strickleiter
"Rutsch-, Sprung-, resp· Fangnetz, bei
weniger großer Eile als Strickleiter
s-. .
j
Zig. Z. Fuchs’sches Rettnn Zboot in nor
male-r Stellun an S iffohord
Das Nu chnetz fehlt.
sunctionirt. Bei einein Brande können
- die Boote aus esetzt und an Auszens
bord, je nach ewegun der See, hoher
oder tiefer in Bereit chast gehalten
werden, bevor die assagiere vom
Brande etwas wisxn Bei einem Zu
sammenstoß, wie i der «Vourg ne«
und ,.Clbe« kann das Aussehen e en
salls im ersten Au endlick vomSchisss
osfizier angeordn werden, ohne aus
das Anstürmen der Personen zu war
ten. rauen und Kinder können, nacky
dem oder 4 Mann ins Fangnetz ge
sprungen, um die Ordnung an Auszen
bord zu handhaben, vorwegs ins Reh
geworfen werden« denen die übrigen
Personen dann folgen. Die Boote sol
len 6 bis 7 Meter lang werden, so daß
jedes Boot 30 Personen, das kpzlfcmgnetz
noch 15 bis 20 au immiz s r einen
Dampser mit 800 rsonen wären so
mit 10 der neuen Rettun zboote er
Esorderlielx Auch wenn schwerem
A
Sturm die Boote aus Schlagseite nicht
regelrecht ausgesetzt werden können
und herrenlos aus das Wasser gewor
sen werden, so bieten sie immer noch
ein Rettungsmittel für Personen, die
sich anklammern. Selbst bei belasteten
Booten bietet das Anklammern keine
Gefahr siir die Jnsassen.
Wir kommen nun zum Aussetzen des
Bootes-: Dies würde allerdings eine
andere Bauart des Schissbords erfor
dern, ohne indessen mehr Platz zu be
anspruchen als bisher. Das Auslad
system isi aus Fia. 2 ersichtlich.
Der Aushebearin (.J ist an dem kürze
ren Pseiler in einein Erlenl beweglich.
Beim Loslassen des Stablseils l) wird
sich derselbe wegreckn binauslegen und
hinten durch einen Zapsen lj gehalten
werden; in dieser Laae wird das Ret
tunasboot A unter die Gallerie J wa
geracht außer Bord hängen. Jn den
meisten Fallen können schon hier Per
sei.en eingeladen werden. In Fällen
der Noth beim Ausladen oder wenn
die ast von 80 Personen beim Aus
neh en des Bootes vom Wasser auf
die Gallerie zu schwer ist, so wird das
Kletternetz benutzt, das durch einen
Cylinder über eine Walze gezogen unt
ausgewunden wird, um so viele Perso
nen aus Deck zu heben. bis das Booi
genügend entlastet ist.
Um den Ausbebearm aus seiner
wagrechten Stelluna und das Boot
selbst wieder in die schräge Lage zu
bringen, ist an dem Stablseil ein Kno
ten angebracht, damit das Stahlseil
dieSchleuse amAuleebearm nicht mehr
passiren kann. Dann wird das Boot
wieder in die schritae Lage kommen und
gehoben werden können. Nach diesem
System dürfte in zwei bis süns Minu
ten, je nach Bewegnnq der See« jedes
Boot «zr»1·siillen sein.
e «m - -.t-·
Ulc TJULKUIlUcHUIUI lIcV FOUUXIV lUlUc
te durch Ruder erfolgen. Jn dem vor
liegenden Modell hat der Erfinder
zwei Schrauben angebracht, die durch
ein Hebelwerl, ähnlich einer Feuer
pumpe in Bewegung gesetzt werden.
Dies nimmt weniger Raum in An
spruch und ift rascher funktionsfähig
els Ruder, ferner könnte jede Person,
selbst Frauen,,, Kur Bethätigung ver
wendet werden. Dies hat nrch einen be
sonderen Vertheil: durch die Bewe
’ gurg weran die Menschen vor dem
Erstarren aeschiiszt. Die Lentunq kann
durch ein Steuer oder durch Aussieben
ekner Schrot-be erfolqm Trr Erfinder
hält es nicht für ausgeschlossen, daß
einstmals kleine Motoren an S elle der
Menschenkraft treten können. ir ba
den es hier mit einer bedeutungsvollen
Erfindung zu thun. deren Erprodnnq
im Großen wir eine gute Prognose stel
len können.
----..—.-.-·
Verbreitung der titebekranthein
Unter den manninfachen Krankhei
ten der Menschen zählt der Krebs Zu
den arfiirchtetsten und verderblichsten.
073 is: daher von Interesse-, die Ver
breitung dieser Geisel der Menschheit
zu studiren. Während der andere
große Volksschiidiaer, die Tubertnlose,
eine Krantheit der ganzen Welt ist nnd
sich iiber die ganze bewohnte Erde fin
det, ist dies beim Careinom durchaus
nicht der Fall. Allerdings sind viel zu
nsenig Vorarbeiten vorhanden, um
schen ein genaue-, Vilo derVerbr «tnn.g
dei— Krebses geben zu können, i nier
lin ist es möglich, dieselbe in Umris
sen zu schildern. Wir wissen von einer
ganzen Reihe trebgfreier Gegenden,
nährend andererseits andere Gebiete
der tsrde start betroffen werden. Ese
trcchten wir zuerst Europa, so finden
trir im größten Theil des mittleren
und südlichen Europa den Krebs all
gemein verbreitet; im nördlichsten Eu
ropa ist er sehr selten anzutreffen,
ebenso in Grönland; auch im Süden
ttitr er nur selten auf; schon in Grie
chenland fällt die geringere Frequenz
des Krebses auf und in der Türkei ist
dieselbe sehr gering. Jn Asien ist der
Krebs im Norden ebenfalls unbekannt
und im Süden sehr sporadisch; in
China ist er jedenfalls seltener als in
Europa· Jn Japan kommt Carcinom
mehrfach vor. oen Afrita ist die 7 re
auenz des Krebfses nur sehr gering in
Aeghpten, Abes ynien. Tripolis, Tu
nisz häufiger tritt er auf in Algiee
und Madeira. Jn Senegambien ist er
wenig bekannt nnd fehlt in West- und
Antralafritm soweit die Angaben rei
n, fast gan . Tät Australien soll
Carcinom sle ··ufig sein;» 1896
nahm nach amtlicher Statistik das
Caretnom m Neu-Süd-Wales neben
Schwindsucht und Darmtrantbeiten
die dritte Stelle unter den Todesursai
chen ein. Wenden wir uns nach Ame
rika, so vermissen wir den Krebs aber
mals im hohen Norden; in gewissen
Gegenden der Vereintgten Staaten, be
sonders tn den Großstädten ist er da
Iegen häufig; so ist in New York die
Zareinornmortalität in den letzten
Jahren gestte en. In den troptschen
ind subtropi chen Gegenden Americas
ffet·:kt er fast ganz, so is Wir-dien
(
! Sehr bemerkenswerth erscheint, daß er
in den tiesen Gegenden Mexiko’s, in
den Terms calienrcs, wenig bekannt
ist, während er in den hohen Strichen,
die tlimatisch den mittleren Breiten
Europas entsprechen, fast ebenso häu
fig roie in Europa zur Behandlung
lrrnmt. Jn Brasclien, wie überhaupt
in den südlichen Theilen ist er von
außerordentlicher Seltenheit.
Es ist wohl sicher anzunehmen, daf-;
eine genauere medizinische Statistik
der zurnTheil erst jungst der Kultur
erschlossenen Länder oas entivorfeue
Bild noch wesentlich ändern kann,
allein es ist hiermit wenigstens der
Anfang gemacht und mit einer genaue
ren Statistik wird auch eine Berücksich
tigung all der das Auftreten des Car
cinrnr begleitenden Umstande Hand in
Hand gehen und aus diese Weise das
Dunkel der Krehsaetiologie allmählich
erhellt werden.
Serenisfmismus und der Friseur.
Wahre Geschichte aus dem Bühnenlcben.
An der Hosbiihne zu X. ist der ju
gendliche Liebhaber tontraktbrürhig ge
worden, weil —- weiLSeine Durch
laucht zu gnädig zu ihm gewesen und
das kam so.
Serenissimus hat die löbliche Ge
pflogenheit, zuweilen hinter den Cou
lissen zu erscheinen.. um diesem oder
ju.em Darsteller Elogen zu machen.
Leider ist Durchlaucht sehr kurz ichtig
Eines Abends —- es war Peru
vrrstellung —— erblickt der gnädige
Herr den Hoftåteaterfriseur in der
ersten Eoulisse, einen hübschen, ele
ganten junan Mann. Serenissilrnui
itt mit den Mitgliedern seiner Ouync
nich nicht recht bekannt geworden, Fa
die Saison erst begonnen hat und halt
den schueidigen Haarträusler sur den
ersten jugendlichen Liebhaber der Ver
sonals, der Tags zuvor mit großem
Erfolge den Don Karls-s gespielt
hatte.
»Haben Ihre Sache gestern sehr qut
gemacht!« redet er plötzlich den Friseur
an.
»O, bitte, bitte!« stottert dieser acan
erschrocken über die unerwartete Ehre,
sich tief zur Erde-neigend ,,es freui
mich ausnehrnend, Euer Durchlarrcht
zustiedengestellt zu haben!« .
»Es-walten keine leichte Aufgabe
gestern! Sehr anstrenaend in der
That!« fuhr Serenissimus fort.
»Gewiß, gewiß! ich mußte tächtiq
heran! erwiderte der übergliictlrche
Haartiinstler; »auch werden Durch
taucht kaum glauben, daß ich bereits
vor der Vorstellung zwanzig Priori
personen srisirt hatte!«
Durchlaucht sah ganz erstaunt drein.
,,»W——a-—-H.Z Zwanzig Personen fri
sirtIL Das ist wohl nur ein Scherz.7«
»Die strenge Wahrheit! eran«zig!
Jch kann sie alle namhaft machen!«,
tsetheuerte der Friseur.
»Aber wie vereiniaen Sie denn diese
» zum mindesten außergervdlmliche
Thätigleit mit Ihrer Stellung an
unserer Hofbiihne?«
.l)c.lt! dachte der Berschönerunass
rath, das ist eine Geleaetlheit, die Ge
ljaltgsraae ;n betrat-ren- »’««ltotl7 lehrt
beten!« sagte er achselznxkentt mit zoeh
lnlijthiaein Lächeln »von dein, wag
mir die Hoitheatertasse bezahlt, tann
ich meine Faniilåe nicht erhalten nnd
se mit darf ich keinen Verdienst Von ter
Hand weisen!«
»Es-nd Sie denn ein aelernter Fri
seur?« fragte innner erstaunt-er der
hebe Herr.
»Ich habe in den ersten Salons
«nritionirt, - — das amerikanische
System der Vehandluna des Haupt
haareLs ist meine Specialität.«
Durchlaucht schlug ein helles Ge
lächter anf. »Das ist oriqinell«, sagte
er und empfahl sich.
Abends war eine tleine Gesellschaft
bei Hofe Serenissimus liess. es sich
nicht nehmen, seinen Gästen die Mit
theilung zu machen, daß der Don
Kot-los der Bühne aelernter Friseur
sei und, Um seine zahlreiche Familie
zu erhalten, als Nebenverdienst Fri
site-; nack- ameritanischem System be
teei e.
Was Wunder-, daß diese seltsame
Mär bald die Runde durch die ganze
Residenz machte.
Don Kaelos —- mit Brennscheere
und Haaebürstei Romeo —- rnit dem
ofrisemskncmtelS Der jugendliche Lieb
baber —- Vater von acht unerzogenen
kleinen Kindern! — ia acht! so hieß
es, denn Gerüchte übertreiben bekannt
lich immer.
Der arme Liebhaber traute taunr
seinen Ohren, als et von dem Stadt
aespräche Kunde erhielt. »Heiliger
Himmel!« tief er verzweifelt aus, acht
lebendiae Kinder! und ich bin an allen
so unschuldig, wie ein neuaeborenegl
Nach amerikanischem System! und ich
habe nie eine Brennscheere in der
Hand ehabtl Wer bat rnir nur die
sen S reich gespielt und die vermale
reiten Lügen erfunden? »Ja-— wer?
wie entstehen Gerüchtes sein Leugnen
— sein Eisern — sein Fluchen Halsen
nichts! er blieb für das·aanze Stadt
chen Friseur und Familienvater, Ia er
; erhielt jeden Tag mindestens drei bis
a
vier Zuschristen von Leuten (auch
jungen Damen), welcte nach amerika
nischem System von ihm frisirt sein
wollten —- sein Name war fortan un
·i;eitrennlich von Vomade und Haaröll
»Ich gebe jetzt das Engagencent
al«s!«' ries endlich in sliellen Zorne-J
slainnien unser Don Carlos und
schrieb sofort an den Jntendanten,
dasz ein fataleg Gerücht, welches uder
seine Person in Umlauf aesetzt sei,
ihm den ferneren Aufenthalt in X.
unmöglich mache und daß er bei Sei
ner Durchlaucht hiermit um die aus
genijliclliche Entlassuna einkomme·
Der Jntendant theilte Serenissi
nsns das Entlassungsgesuch pflicht
schuldiast mit.
»Er ist wohl närrisch!« meinte Se
renissimus, »wenn er an einem Abend
zwanzig ersonen srisirt, wie er mir
selbst ton identiell gestanden hat, so
kann er doch erwarten, daß sich das
endlich herumsprichtl Schreiben Sie
ihm nur, er solle im Engagement blei
bin und ruhig weiter srisiren. Wir
hätten nichts dagegen, und wenn er —
drei Barbierbeclen an feine Thüre
hingel«
Als dem vielgepriisten jugendlichen
Liebhaber diese höchste Entscheidung
lrörtlich und brieslich mitgetheilt
wurde, ries et: »Ganz X. ist ein Toll
hausl Eh’ ich aber nur einen srisire
-—soll sie der Teufel alle beim Schopfe
fassen!« er packte schleunigst seineReise
lofser und verließ noch selbigen Tages
die kleine Residenz.
Erst nach Wochen klärte sich das
Mißverständnisz in X. aus, sehr zufäl
lig, als Serenissimus einstmals dcn
Hostheatersriseur wieder hinter den
Cculissen zu Gesicht beåain und in ihm
den vermeintlichen ju, endlichen Lieb
hcler wieder ertanntek Leider war der
wirklich-.- damals ——— schon lange iilser
alle Berges
Ein hattnactiger Vater.
Stubiosus Bummel ist abgebrannt.
Was thun, denkt er. indem er mißmu
thig im Zimmer aus und ab geht.
Plötzlich setzt er sich an den Schreibtisch
und schreibt foljendis Teleqkamm anf:
,,Schicke sofort Gely oder Revolrer.«
Dein unqlijcklicixr Sohn.
Tags darauf, früh nioraens, Bam
n el wiegt sich nsch in Träumen, klopft
eg« nnd herein tritt Ver Postbote mit ei
nem Partit. Hastiq öffnet es Bummel
nnd siehe, es war —— es ist rein zum
Vclztveifeln — ein nagelneuer Revots
ber. . .
Kurz entschlossen sitzt sich Bummek «
sogleich an den Schreibtisch und te!c
gn phirt:
,,Sende sofort Patronen.«
Wie Bummel Abends beimkommt,
findet er wirtlife ein Packetchen vor,
das scharfe Patronen enthält. Ein
trehnsiitbiges Lächeln Umspielte seine
Li; pen, was nützt-In ihm die Patronen,
er hatte den Revolver schon — versetzt.
——.——-.
Grase-person und Bauer-leist.
Unter den inanniaiaitien Erinnerun
gen an den Verstorbenen Großhean
von Abendan die ietzt in den Vliii
tern auftauchen verdienen die veer
fentlichten Aufzeiilniunaen eines Ol
denbnrqerg einen liesonderenPlan Tag
aesannnte oldentuirnisme Volk , kannte
seinen Großl)erzo.1, nnd auch er kannte
Tausende aus ren! Volke. Wer :a
meinte-, esdei ihm Unbill aeschel)en,wer
in seinen erhiiltiiifsen nicht mehr nng
und ein wußte, er qina zum Großher
zog und tlagte ilnn sein Leid. Und fiir
alle hatte er ein offenes Ohr und eine
offenc Hand. Angenehm freilich ist
der landegväterlische Beruf« so wie er
ihn auffaßte, ihm nicht immer gewor
den. Es war während der siebziqer
Jahre im Schlosse zu Birkenfeld. Im
großen Saale summte und surrte es
von den Vielen, die sich zur Andiens1
angemeldet hatten. Die meisten waren
oldenburgische und preußische Würden
träger,die gekommen waren, demGroß
herzog ihre Reverenz zu bezeigen Aber
auch eine stattliche Schaar von Bauern
hatte sich eingefunden. Der Mittel
puntt der Bauern war ein Ackeree, der
in höchster Aufte una darüber jam
merte, daß man i m seinen dritten und
letzten Sohn unter das Militär ge
steckt habe. Nun solle der Großherzog
helfen, denn er komme um unter all der
Last und Arbeit. Und dabei blieb er,
obgleich ihm einaeredet wurde, dasMi
litär unterstehe nach« der Conveniion
mit Preußen dem Großherzog nicht
mehr, und also werde dieser ihm nicht
helfen können Die Audienzen began
nen, und es dauerte nicht lange, so
rief der dienstthuende Flügeladjutant,
uptmann v. Wedderlopp: »Ach-m
» ecker ausHirstein!« Erhobenen Haup
tes ging der Bauer dem vertchwiegenent
Audienzzimmer entgegen. Doch nicht
lange wahrte es, und man hörte seine
lreischende Stimme laut Und deutlich.
»Was-? Sie wollen Großherzog sein
und können das nicht einmal?« Still
und stumm wurde es in dem Vorzim
mer; alles lauschte gespannt. Und
dann hörte man weiter: »Sie sind
dazu da, daß uns die Preußen nicht
völlig die Haut vom Leibe 7iel2cn.«
Kurz darauf öffneten sich wieder die
Flügelthiiren. ,,-Ob’s was geholfen
hat,« meinte das teuchende Bauerlein
zu seinen Freunden, »weiß ich nicht;
aber geååigt hab’ ich’s ihm gehörig.«
Einige ochen später meldeten die Lo
calblätter, der dritte Sohn des Acke
rers Becker in Hirstein sei bonI Ell-Städt
entlassen worden.
«—.——-———
Gegner der Buchdritckerkunst.
Erbitterte Gegner der Buchdrucker
kunst sind geraume Zeit die Schreiber
gewesen. Die Befürchtung, daß ihnen
die neue Kunst ihr Brot nehme, ließ sie
mit allen Mitteln gegen das Buchdru
cken ankämpfen. Aber ihr Widerstand
niitzte nichts, denn die Vortheile des
Druckens waren zu einleuchtend. Aber
trotzdem ging das Schreiben nicht zu
Grunde. Jm Gegentheil, es entwickelte
sich in bester Weise, weil sich bei der
durch die Vuchdruckerkunst bewirkten
Zunahme des geistigen Lebens, dem
Wachsen der a gemeinen Bildung, der
Ausbreitung von Handel und Verkehr
der Nutzen einer guten Handschrift im
mer mehr als eine Nothwendigkeit her-«
ausstelltr. Das Schreiben begann po
Pulär zu werden und der HerrSchreib
meister eine hervorragende Rolle zu
spielen. Die ehrsamen Meister des
Gänsekiels und der Krähenseder waren
auch von ihrer Bedeutung derart über
zeugt« daß sie Schreibbiicher in stattli
cherAnzahl heraus-gaben. Es gibt deut
sche, italienische, niederländische, engli
sche, französische, spanische Schreibbii
eher aus der Jst des 16. Jahrhunderts
ist ziemlirher enge. Dutzende verschie
dener Maniren sind in ihnen angege
ben. Die Schreibmeister suchten ihre
Kunst darin, jeder Nation und jedem
Stande eine besondere Art des Schrei
bens zuzuweisen Zwei Hauptaattun
Sen fin den Beruf ma n sieh besan-v
-erå bemerkbar: die S rift für die
Krnzel und die siir den Kaufmann.
Man schrieb im 16. Jahrhundert vor
trefflich, besonders in Italien, wo na
mentlich die Cursivschrift prächtig ent
rdirkelt wurde Mit ter Zeit machte sich
eine Verflachung geltend, die im 18.
Jahrhundert ihren Höhepunct erreichte,
wie denn auch damals dieKalliaraphen
in gewissen Wunderlichkeiten ihr Kön
nen zu betreffen suchten. Einer dieser
Herren leistete sich sogar das Vergnü
qen, das Portrait Friedrichs des Gro
ßen in Schnörkeln zu kalliaraphiren,
ein anderer das Bildnis-, des- Großen
Königs in einer einzigen, von der Na
senspitze beginnenden, bald einschmei
lenden, bald abnehmenden Spirale
wiederzugeben
I--«——.————
Der gefiel-leere Hansrncchh
Eine eraötzltche Scene spielte sich
kürzlich in Paris auf der Straße ab.
Einer jener Menschen, die aern ein-J
den Taschen Anderer jeden, schlenderte
in der Rue Droont uiniier und beobach
tete einen aroszenHandtoaaetn der schon
ieit einerViertellstundc vor einem mehr
stiictiqen Hause )ielt. Das Gefährt tvar
niit einer starken Leinwand bedeckt,
und das geräumige Innere ließ auf
reichlichen Inhalt schließen. Da er Nie-:
inanden erspähen konnte, der Interesse
an dein verlassenen Wagen zeigte, «
spannte er sich schnell davor und lief, «
so rasch er konnte, mit seiner Beute da
vr-n. tfr hatte es so eilig, daß er an
der Ecke des Boulevard Montinartre
und der Nue de Richelien mit einer ihm
entaegentoinmenden Droschke zusam
menprallte. Erfchreckt iiber seine Unge
schicktheit, blickte er vrüfend auf das
entführte Gefährt, ob es auch nicht
Schaden gelitten hätte. Da glaubt er
plötzlich eine Bision zu haben, und vor
Entsetzen bleibt er wie an ewurzelt
steigen. Die Leinwanddecke t eilte sich,
un heraus steigt E ein kräftiger Bur
sche, der, nachdem er die letzten Waaren
abgeliefert und sein ihn begleitender
Gefährte in einer Weinkneipe Station
gemacht hatte, unter dein schützenden
ach seines Wagenkastens eine tleine
Siesta halten wollte. Aus süßem
Schlummer wurde er nun durch die
Collision geweckt. Ehe der Strolch zur
Besinnung kam und seine Rettung in
schleuniger Flucht suchen konnte, hatte
ihn schon der sich schneller von seiner
Ueberraschung erholende Hausinecht
beim Kragen gepackt und einem Polizi
sten übergeben.
Fürsten als Ansstellungsgäste'.
Zu den augenblicklichen Marotten
der Franzosen, zu ihren Schwächen,
Jon denen auch die Regierung nicht frei
it, gehört das Verlangen, recht viele
ssiirsten als Ansstellungsaäste beher
)e··r«gen zu dürfen, aber echte, ordentliche
T
Fürsten, mindestens Könige und. auch
teine gar zu exotischen. So haben die
Franzosen es beispielsweise sehr iibel
genommen, daß irgend ein deutches
Wiszblatt vor einiger Zeit die ,, el
dung« gebracht hat, die Reihe der fürst
lichen Absagen auf die französischen
Aussiellungs - Einladungen sei un
längst zur großen Freude der» Pariser
durch eine fröhliche Zusage Konig Pir
lcins unterbrochen worden, nur hatte
König Milan gleichzeitig um einen
kleinen Reisevorschuß gebeten. Wie
man sich aber die Aussicllung nicht gut
denken mag ohne Kaiser und Könige,
so vermag man sich auch die Kaiser und
Könige nicht anders zu denken als vor
Sehnsucht nach der großen Vogelwiese
ar-. der Seine vergehend. Namentlich
steht bei jedem Franzosen, insonderheit
bei jedem so recht von Herzen deutschen
fiesserischen Nationalisten unwiderleg
lich fest, daß der deutsche Kaiser sich
vor Sehnsucht nach der Rue de Paris
und nach der Rue des Nations gerade
zu verzehre. Dieser gallische Aber
glcube ist nun einem harmlosen deut
schen Spaziergänger in der Ausstel
lung recht peinlich fühlbar geworden.
Bcsagter Deutscher soll in seinem Aru
sxern eine gewisse Aehnlichkeit mit Kai
ser Wilhelm gehabt haben; vermuthlich
beschränkt sich, nach dem, was inzwi
schen über die Angelegenheit verlautet,
diese Aehnlichkeit daraus, daß er einen
Schnurrbart und zwar einen Schnurr
bart a la Kaiser Wilhelm trug und
überhaupt militärisch aussah. Das
giniigte ober, um zunächst den Reporter
eincs Boxerblattes auf ihn aufmerksam
zu machen. Der Reporter folgte ihm,
rief ein paar Bekannte heran, denen er
»den deutschen Kaiser« zeigte, als Jn
cognitoausstellungsbesucher— NB. der
deutsche Kaiser war seit Eröffnung der
Ausstellung schon ein paar Mal incog
nito hier; das läßt sich kein echter und
kein guter französischer Boxer nehmen.
Das Anfangs kleine Häuflein derer,die
»dem deutschen Kaiser« folgte, wurde
immer größer. Als dann der ,,deutsche
Kaiser« sich in ein Münchener Bierhaus
fliichtete, wird dies förmlich gefiiirmt
ton lauter Leuten, die sonst nie bayeri
sches Bier trinken; der Wirth macht
eine Viertel Stunde lang ein glänzen
des Geschäft, aber dein armen von den
fürftentollen Parisern improvisirten
deutschen Kaiser bleibt nichts übrig,
als sich aus der Ausftellung auf die
Straße, auf der Straße in eine Drosch
ke und aus der Droschke zu einem Fri
seur zu flüchten, mit der Bitte an die
sen, ihm seinen Schnurrbart, damit er
Ruhe Vor den französischen Boxern ha
be, nach Art der chinesischen Boxer, an
siatt nach aufwärts nach abwärts zu
brennen.
Nase als Characterschcüssel.
Ein Londoner Blatt schreibt: Pho
siognomiker behaupten, daß die Nase
der Schlüssel zum Charakter des Men
schen« der ,,Jndex« zu seinem Gehirn
ist. Es giebt aber, wie man so sagt,
Nasen und Nasen, sogar unter den u
ten Cxemplaren. Da ist die »Künst er
Nase« —- Schriststeller und Maler ha
ben sie oder sollten sie wenigstens ha
ben —, die »Constructions« - Nase
die Architecten und Jngenieuren eigen
ist, und nicht die unwichtigste ist die
von den Physiognomikern als ,,kamps
lustig und organisatorisch« bezeichnete.
Man könnte die letztere auch die ,,mili
tärische« oder »Kämpfer-Nase« nennen
Sie gehört großen Befehlghabern zu
Wasser und zu Lande, und sie ist so
hervorragned, daß man sie nicht vers
kennen kann. Wellington besaß sie in
abnormem Maße, in dieser Beziehung
ist ihm wie in vielen anderen niemals
ein anderer Soldat gleichgetommen.
Sie war gleich von der Wurzel anstatt
Jedoan und tourde erst zur Spitze hin
qeka0c· Mculllgloll glauolc Ullcy all
Nasen; und ebenso bewunderte IIer
seyn eine guis Nase. Er selbst Max in
dieser Hinsicht gui ausgestattet, seine
Nase hatte ähnliche-, aber schärfer ges
zeichnete Formen Beide sollen siir
wichtige Stellungen die Leute tiach der
Größe und Form ihrer Nasen gewählt
haben. So Verwendeten sie also die
Physiognomie siir ihre beruflichen
Zwele wag ihnen zu Zeiten der Köni
gin Glisabeth als ein Verbrechen ange
rechnet worden wäre; denn damals
setzten sich ,,alle Personen, die vorga
ben, Kenntniß von der Physiognomie
oder ähnlichen phantastischen Einbil
dungen zu haben«, allen möglichen Ge
fahren nus. Auch im jetzigen Kriege
in Südasrata sind ,,Kämpser-Nasen«
vertreten. Das schönste Exemplar die
ser Gattung gehört dem GeneralKellh
Kennh. Sie ist ganz ähnlich gestaltet
wie die von Wellington. Mit solcher
Nase müßte General Kellh-Kennh ei
gentlich weit kommen. Aus der Nase
des Generals French, die ganz gerade
ist und eineSpitze hat, würden diePhh
siognomiler auf Entschlossenheit und
Beharrlichleit schließen. Sir Redvers
Bullers Nase —- sie sieht sehr eigen
thümlich aus, hat unter der Mitte ei
nen kleinen Knick und die Spitze ist
eckig —- toiirde wahrscheinlich als einem
,,Biifsler« gehörig angesehen werden,
während Lord Kitkhener mit einer et
vas ausgestiilpten Nase ,,empsindungs
los-« ist. Von den Besehlshabern der
Buren hat nur Lonis BotlJa eine mitt
iärische Nase. Und Lord Roberts’
Nase? Sie trögt gar nicht den »Nim
)ser« - Stempel. Sie ist ziemlich klein,
srst gerade und hat eine gleichmäßig
runde Spitze. Der »Gesichtsleser« wür
)e sagen, daß ihr Besitzer großen künst
erischen Jnstintt haben muß
· Art-eh an sehr« guten Tafeln ist häu
Ig einer der Gange ganz ungenießbar:
er Gang der Unterhaltung. »