Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 06, 1900, Sonntags-Blatt, Image 11

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    - neues-w «
Diener Skizze von Ebua rd PöhL
Wh---.
Bot wenigen Tagen starb in Wien ein
Fmbur here Dallinann, in der Blü
t
der s nneesshre einer jähen Tode-i
ii Recht wird von ihm er
zählt« daß er Wien überaus geliebt
und stets da längere Zeit gelebt hat, wenn
er zur Erholung non den Tücken des tro
pischcn Ali-irae ans Singapore nach Eu
ropa gekommen war. Dieser Hamburger
Gast war ein reisender Men eh und tin
Yer Beobachter. Er tannte ien mit sei
nen Eigenthümlichleiten fast besser als
die liinheimischem Noch nie ist n-«;.ein
Norddeutser begegnet, der sahen-ie
nert gewesen wäre. Nur, daß er den
weichliehen Pessiniisrnns und die ewige
Raunzerei nicht hatte. Jhm gefiel Alles
iiber die Maßen in Wien, auch die Wic
nerinnen natiirlich." berganz inbrünstig
verehrte er das Wiener Rindfleisch, in der
Subpe gewinnpr wie man es dort mit
Gemüse oder anderen Zuihaten Tag für
Tag zu essen psieat Und das Rind
sleifch war es auch, das ihn gleich bei sei
nem ersten Besuche in Wien so sehr siir
die Wiener einnahm infolge eines tleinen,
aber bezeichnenden Erlebnisses, das sich
«·r ihn zufällig an diese Nationalspeise .
niipste. Jch will es genau so wiederzu- s
geben trachten, wie es mir Here Dall- ;
maan selbst er ählt hat; denn der Vor- «
ug solcher Gefchichten ist stets die wirt
ich erlebte Wahrheit.
Der prächtige Hamburger hatte schon
damals, als er in Wien noch ein remder
wor, die berühmteste Nindsleischtilche
ausfindig gemacht. Gut ist ja dass Rind
sleisch fast überall in Wien. aber irgend
wo muß es doch am besten sein, und das (
war es in einem Restaurant der inneren i
Stadt, das heute noch in diesem Punkte 1
eisersiichtig aus seinen Ruf hält. Herr ;
Dallmann war von dem ersten garnirten I
.Taselspitz«, den er dort oorgesetzterhielt, i
schlechtweg hingerissen· Sein verwöhn- -
ter Hamburger Gaumen sagte ihm, daß .
dies die Krone aller Fleischspeisen sei. !
Als Mann, der eine gute Klinge siihrte,
nahm er zwei Portionen dieser töstlichen
Spezialität zu sich und tampfte eben ge
en weitere Regungen von Fraß und
öllerei. die ihn zu einer dritten Portion
verführen wollten. als er am Nebentische
eine grämliche Stimme sagen hörte:
»Das war heut wieder ein elendiger
Brocken! Dem Heinrich werd’ ich meine
Meinung geigen!"
(
Es saßen dort zwei ältere Verren, ty
ifche Stammgäste, beide wie in einer
olte von Unzusriedenheit thronend,
aus der es im nächsten Augenblick bliyen
und donnern mußte.
»Ich war auch nicht ganz zufrieden
heut«, stimmte der Zweite zu; ,,dieier alte
Gauner. der Heinrich, hat mir statt dem
Anschnitt. der mir gebührt, das nächste
Stück nach demAnschnitt gebracht. Wahr
Minlich hat er den Anfchnitt wieder an j
Meistbietenden derlizitirt, diese Li- 7
sitationshyiine.« .
»Da soll einem das Essen anschlagen,
tvenn rnan sich dabei immer so ärgern
muß«, lnurrte der Erste weiter; «sinden
Sie nicht auch, daß es non Jahr zu Jahr :
Häechter und theurer wird in dem Bei
e «
»Ja, es wechselt itart. Denken Sie
nur: seit dem ersten dieses Monats wird
Rierndlsauee nicht mehr «gernischt" ber
gegeberq man muß Sauee und Erdäpfet
eparai zahlen! Unverschämte Ausbeu
ung. was?
»Gebt Alles auf Rechnung der Mitgift.
Der Wirth heirathet seine Tochter aus-,
von unserem Geld. Die ungemischte
Rierndlsaure muß die Hochzeitsreise tra
gen . . . Ah, da ist ja der Heinrich! Sie,
heinrich, kommen S« einmal her!«
Der betagte Obirlellnen wie ein Hof
rath anzusehen, eilte dienstsertig herbei
und neigte seine würdet-allen Badenbart.
spitzen gegen die beiden Gäste, während
eine Luchgaugen immerfort durch das
Geige Lokal schweisten, um die andern
Kellner im Gefühle ununterbrochener
Knechtschaft zu halten.
»so dienen, Herr von L . . . . , was-,
Das war heut wieder ein Fleifcherh auf
der ung' zerflossen, wass«
»He Hochftabler, daß Sie Jkinen
nicht der Sünden sürchiznl Ein Bro
cken war’s, ein ganz gewöjinlicher
Brocken, nicht zum essen . .."
»Aber, Herr von L..., ich fei,’ ja,
daß S nicht ein Alzerl übrig gelassen
haben ; es tann also . . .'«
»Ah, da hört sich Alles aqu Hiiti’
ist« vielleicht Hahkn und steh’n lassen
sollen? Jch nahte mich, Mensch, nährt
mich schlecht und recht wie ein sit-infor
tablepierd mit Sachen, die mir nicht
schmecken... Ueberhaupt, wenn ich da
ran dent’, was dar zehn Jahren noch flir
ein gutes Rindfleisch da war, und
1etzt....
»Dein-Sen zu spafkem Irr v. L .....
vielleicht mit dem linken Frist heut zuerst
aufgestanden,« unser Rindfleifch ist auf
der Höhe . . .«
»....der Erschwinglichteit«, fiel der
zweite Stacnmgaft ein, »aber nicht mehr
der Güte. Es war besser vor zehn Jan
ren. viel besser, und jetzt wird es mit je
dem Tag schlechter, ich geh's Ihnen
schriftlich.«
»Als-I reden wir morgen weiter«, be
Ichwichtigte der Heinrich die beiden
Quernlanten mit überlegener Gitte,
«morgen lriegen Sie fo eines wie vor
zehn Jahren, ganz dasselbe.«
»Möscht« ich mir ansbitten«, war die
brummi Antwort, »das ihiit' schön
miiachte n.«
Lachend ging der Obertellnee vom
Its weg und folgte dem Zeichen Herrn
Da mann’i, der das ga e Gespräch be
lauscht und daraus den lusz gezogen
f
W
hart-, daß sich such fiik ihn vier-icon
durch ungerechtfertigez Schimpfen ein
; noch besseres Stück indslriksh ergattern
j ließe, obgleich es taani denkbar war, wie
das schon Genossene übertroffen werden
; tiinnte. «
s »Herr Obertellner«, begann er it sei
- nem norddeutschen Dialett, »ich wa vor
l zehn Jahren Mal hier, und da mundete
mir das Pindfleisch Wer als heute.
f Sagen Sie Mal, ist da nich ein Rück
. gang zu verzeichnen Z«
! Der Dbertellner Heinrich wars einen
f ftrasenden Blick hinüber auf die beiden
) etammgäste, deren Reden er die Schuld
, dermaß, daß sie ihm diesen unverständi
gen» Fremdling ausgehetzt hatten. Er
erhielt aber, noch ehe er selbst antworten
konnte, unerwarteten Beistand von ih
nen, indem Herr L.... ganz laut zu
feinem Gefährten sagte : .
»Sie haben mich doch vorhin recht ver- «
standen, Herr von M·..; ich meine,
uns Wienern, die wir vom Rindfleisch
etwas verstehen und denen das Beste
grad’ gut genug erscheint, tann es vor
kommen, als ob es nicht mehr gan so
wunderbar gut wär wie früher. z iir
andere ist es aber n immer ein herr
liches Essen, und wenn zum Beispiel ein
Preuß’ in meiner Gegenwart was daran
auszusetzen hätt’, so thät’ ich ihm in
aller Freundschaft unlink Mein lieber
Preuß’, ge-h’n S nach Preußen z’ Haus
und lassen S’ Jhnen dort ein’ Storch
abbraten, denn oom Wiener Rindfleisch
derstelfn S’ aber schon gar nix!«
Diese lolalpatriotische Wendung der
Din e verseyte den Hamburger in so
unbändige Heiterkeit, daß es ihn am
ganzen Körper schüttelte.
«Was lacht er denn so, der Preuß’?«
fragte rimmig der Sprecher am Tisch
seinen achbar.
Jn seiner guten Laune nahm es Herr
Dallmann den beiden eingefleischten
Wienern nicht nur nicht krumm, daß sie
ihn fiid einen Preußen gehalten hatten, ;
sondern es gefiel ihm ihr tampfbereiteå
Vorgehen gegen den Fremden, der es
gewagt hatte-, das Rindfleisch anzutastem «
fo sehr, daß er die Herren über seinen «
vorgehabten frommen Betrug aufklärte. I
Daran gab ein gutes Wort das andere, .
und zum Schluß schieden die beiden
Wiener von ihm mit dem vertraulich-n z
Zugeständniß:
»Was-n S-, liebes Hm, mit Ihnen 7
lann man ja vernünftig reden, es is
wirklich nicht mehr ganz so gut, »Es-ass
Nindsleisch, wie vor zehn Jahren. Vie
können das freilich nicht so sviir·n, aber
wir tennen hatt jede Niianc’. Und wenn ’
das so fortgeht, wird man bald sagen
»Wien war eine Rindflrifchstadil . . .«
»Dami; Lunens-« Zingkndtiedr.
-.-..»»» .......» .. «
Jarame Bonaparte, der König »Mot- i
gen wieder lusiiasx dessen kurze wesentli- ’
sche Scheinherrschast sich in dem gewalti
en NapoleonsDrama sast wie eine dur
este Episode im Stile Jacqueo Offen
bachs ausnimmt, war von den Brüdern
des großen Kaisers sicherlich der geistig
unbedeutendste, der leichtsinnigste — und
der liebenswürdigste. Dieser Fürst, des
sen Kasseler Hof während seiner sieben
1iihrigen Regierung ein sebr wenig er
baulicheö Schauspiel bot, gehörte zu den
fertigen Charakteren. die ohne Frauen
unst nicht leben sonnen und denen
zrauengunst sich auch in reichem Maße
zuwendet. Während seines langen Le- j
bena, das ihm noch gestattete, sich in dem ;
Glanze des neu erstandenen zweiten Kai- s
serreiches als laiserlicher Prinz nnd ;
Marschall von Frantreich zu sonnen, hat
er drei Mal das »Joch der Ehe« auf sich z
genommen, aber jedesmal verstanden, es I
sich so leicht und bequem als möglich an
upassen, -—— das erste Mal sogar-, es
schließlich ganz abzuschiitteln ;
i-,
Napoleon Bonaparte hatte schon als«
erster, Tauf Lebenszeit erwählter Konsul
die thatsächliche Gewalt über Frankreich
in Händen, der Augenblick, da er sich die
Krone aufs Haupt seyen würde, stand
nahe bevor, als Jamme, der in der Ma
rine diente und von den lingliindern ge
zwungen morden war. mit seinem Schiffe
an der Küste Amerika-H eine Zuflucht zu
suchen, die ehrgeizigen Ztitunstgpläne
seines Bruders dadurch durchtreuzte, dasz
er sich am 2·t. Dezember 1803 in New
York mit Miß Elisabelb Patterson, der ;
Tochter eines krick-en H.1iidelgl3erren und :
Pslan,sers in Baltimore, vermählte. Der T
neunzehnjiihrige Gatte hatte weder dies
Einivilligung seiner Mutter nnd seines f
Bruders, noch die achtzehnjähriae Gattin
die Zustimmung ihres Vaters gesucht.
Trotzdem sade die Heirath in aller Form
statt, cioiliter dar dem französischen-ton
sul. kirchlich durch den Abbe- Caroll, den
obersten katholischen Bischof Ameritas.
Die Eise war demnach aesetzlich durchaus
unanfechtbar-. Ader Napoleon fragte
auch in diesem Falle, da er sich in seinem
Vorhaben, seine Familie mit den alten;
eurodiiischen Ttmiastiecn zu verbinden, Z
gestört sah, ebensowenig nach dein Ge
setze, als er eiz bei der lsischieszung des
herzogs von lingtxiem bei«seiner Schei
dung von Josepliine und bei noch so
manchet andeien Gelegenheit that. Jn
dem er die mangelnde titioszjiihriglrit
Jammers um Vorwande natur» ertlarie
er dessen -l9e durch ein taiserlictyers Be
tret siir null und nichtig. Jan-me wur
de mit einem Geschwadei nach Algier ge
sandt, seine junge Frau, als sie in Am
sterdam landen wollte, am Llusschissen
verhindert und gezwungen, sich nachLoni
don zu wenden. wo sie am 7. Juli 1805
einem Knaben das Leben gab. Ein Vier
teljahrhundort hindurch sast hat Ma
dame Elisabetb Pattetson —- auch der
Name Bonaparte wurde ihr a brachen
—- einen dartuiictiFn Kamd um br
Recht geführt, un die Sympathieen
-
f
W
alle-r Feinde der Bonapartes, namentlich
des englischen Publikums, standen dabei
natürlich auf ihrer Seite. Man feierte
He als eine arme, verfolgte Dulderim
bsr aus diese Bezeichnung hatte sie
wahrlich leinen Anspruch, 4 das bewer
sen ihre an ihren Vater gerichteten Brie
fe, von denen soeben eine deutsche Aus
gabe im Buchhaan erschienen ist.
(Briefe der Madame Jeröme Bona
parte. sElisabeth Patterson.s Deutsch
von Henrh Perl. Leipzig. Schmin di
Günther.)
Es ist tein sehr anziehendes Frauen
bild, das uns aus diesen Briefen entge
gentritt. Wir lönnen es sogar dem jun
gen Jena«-me ohne seine feige Schwäche
seinem Bruder gegenüber zu entschuldi
en, bis zu einem gewissen Grade nach
iiihlem daß er seiner echt anteritancsch
rücksichtslos und rein geschästsmiiisig
ihre Ansprüche verfolgenden Ex-Geinak,
lin auf das behutsamste aus dem Wege
ging und sich am wohlsten fühlte, wenn
die Fluthen des Ozeans zwischen ihrn
und ihr lage-n. Eine ehrgeizige Dame,
—- das ist in der That Elisabeth Watte-r
Lon; und wenn sie in dem hochmüthige:r
« one eines Emporlömmlings von ihren
Erfolgen an den tleinen Höer Italiens
erzählt und immer wieder erlliiri, sie
würde sich, seitdem sie die Frau des Bru
ders eines Kaisers gewesen, nie wieder
unter den »Krämern« von Baltimore
wohl fühlen tönnen, so erscheint sie als
die Vorläuferin jener Spezies von jun
gen Yantee-Damen, die ihre Mitgift ge
gen einen hohe-n europiiischen Adelstitel
eintauschen und dann gar lein Gedächt
niß mehr siir den« oft nicht einmal im
mer sauberen Ursprung dieser Mitgift
haben. Elisabeth selbst nennt den Ehr
geiz und die Liebe zum Gelde ihre
Hauptleidenschastem die letztere bildete
sie später geradezu zur Virtuosität aus,
an die Stelle des Wortes ..Ehrgeiz«
möchten wir aber ,,Eitelteit« setzen.
Denn was sie anstrebt, ist nur möglichst
vornehmer Unigana, ein Titel für sich
und ihren Sohn. Die Zumuthung des
Kaisers, gegen eine Rente von 12,000
Dollars freiwillig aus ihre- Rechte zu ver
zichten, lehnte sie ab und lehrte, als Jes
chmes Heirath mit der Prinzesfin Ka
tharina von Würtiemberg ihr gezeigt
hatte, das; auf eine Hilfe von seiner
Seite nicht mehr zu rechnen sei, wiecer
nach der ihr so derhaßten Krämerstadt
Baltimore, zu ihrem Vater, einem täti
len und verständigen Geschäftsmanne,
zurück. Nachdem aber auf dem Schlacht-«
felde von Weiterloo das napoleonische
Reich in Trümmer gegangen war» hielt
eg ne nicht langer oruoen. wert ihrem
zehnjährigen Sohne Jssrtkmtz der eine
ausfallende Aehnlichkeit mit seinem On
lel, dem entthronten Kaiser, hat, erscheint
sie zum zweiten Male in Europa, und
jetzt öffnen sich der »armenDulderin, dem
Opfer der Willtiir des gestürzten Tyran
nen«,die außerdem auch eine sehr hübsche,
junge Frau war, alle Thüre-n. Jhr 'To
mantisches Schicksal erweckt überall Jn
teresse und auch die Geschwister ihre-s
Er-Gemahls sind voll Neugierde, dessen
erste rechtmäßige Gattin und seinen
Sohn zu sehen. Offenbar leitet sie nur
der Wunsch, bei dem allgemeinenZusatm
menbruche der Napoleons wenigstens et
was für sich und ihr Kind zu retten.
Dabei empfindet sie es aber sehr ange
nehm, in den vornehmsten Häusern Zu
tritt zu haben, und sie koird nicht miide
ihrem Vater die Fürstinnen und Gräsirsp
nen aufzuzählen, die sie mit ihrer
Freundschaft beehren, und sehr naiv und
sehr weiblich schreibt sie, es bliebe ihr
nur zu wünschen übrig, daß ihre ameri
taniscken Freunde Zeugen ihrer Trium
phe sein konnten. Während der15 Jah
re, die sie nun, von einer vorübergehen
den Unterbrechung abgesehen, in Europa
zubrachte hat sie dem armen ,,.l’iönig
Lusticl« durch ihre Prätensionen gewiß
mehr als einen Seufzer abaerungen. Sie
versichert zwar, daß sie leinen Pfennig
von ihm erhalte, dann aber entschlüpft
ihr das Geständriifr, daß er ihr jährlich
fiir »Bo« -—— das ist ihr Sohn —- 1200
Dollars zahle. Und da Freund Jisrdme
damals nicht nur lein Geld, sondern
auch ungeheure Schulden hatte, ist das
eine ganz ansehnliche Summe-. Als »Bo«
siebzebn Jahre alt wird, ist ihr sehnlich
ster Wunsch? seine Zulunft durch eine
,,standesgemäsie« Heirathzu sichern. Der
hiibselxe wohlerzogene Junge, dem seine
vornehme Geburt nicht im Mindesten
den Kopf verdreht, bat sich dag Herz sei
ner väterlichen Großmutter, der alten
Madame Lätitia, erobert, auch sein Va
ter nimmt ihn eine Zeit lang in seinem
Hause auf»und die Familie Bsnkivarte
ist ernsthaft bemüht, ihn gut zu versor
gen. Er soll seine Cousine, Charlotte
Bonaparte, heirathen, die Tochter Jo
seph-Z, des ehemaligen Königs von Spa
nien, der als »Gras von Suevilliers« in
Amerila le t und der einzige reich Ge
bliebene de Geschwister Napoleons ist.
Bo fährt nati, Ame.rita, um sich vorzu
stellen, und seine Mutter ist, Ioie man sich
denten kann, Feuer und Flamme fiir das
Projekt. Woran es scheiterte? Das
verrathen die Briese nicht direkt. Es
könnte :vof,«l aber sein, daß die in der ihr
eigenen energischen Weise von Madame
Elisabeth vorgebrachten Forderungen in
Bezug auf die Sicherstelluna der Mii
«iit daran Schuld getragen hätten. Sie
Faßt eben alles vorn rein geschäftlichen
Standpuulte aus und sieht auch in der
Ehe nur ein Geschäft. Man muß ihr
zugestehen, daß sie aus diesen Ansichten
wenigstens lein Hehl macht, —- irn Ge
gentheil: sie belennt sich zu ihnen mit er
ner an Cunismus grenzenden Offenheit.
»Ich thue alles aus Berechnung,« so
schreibt sie einmal und charakterisirt sich
amtt vollständig richtig. Wenn sie sich
dann »aber wieder etwas raus zu Gute
ist, inmitten der lebens usttgen und ge
W
nußstichtigen Kreise, die sie ausgenom
men haben, tugendhaft zu bleiben, so
möchten wir ihr diesen Ausspruch auch
bei dieser Gelegenheit ins Gedächtniß zu
rückte-sen
Während »Bo« in Amerika blieb, tro
es dem verständigen Jünglinge viel besser
gefiel als en Europa, fuhr Madame Eli
sabeth fort, von Rom, Graf und Florenz
aus die Familie Bonaparte an ihre Exi
stenz und ihre Ansprüche zu erinnern
Jhre hauptsächlichste Hoffnung setzte six
auf den Tod der Mutter J(thmes, aber
als Madame Lätitia endlich starb, stellte
sich heraus, daß sie ihren Enkel nicht. mit
, einem Franken bedacht hatte. Die herb
- ste Enttäufchung sollte ihr Ehrgeiz aber
von dem erfahren, dem dieser Ehrgeiz in
- erster Linie galt, —- von ihrem Sohne.
Jm Jahre 1829 vermählte sich dieser
Ismit einem sehr reichen amerikanischen
; Mädchen, Miß Suzan Marh Williams
« Elisabeths Zorn kannte, als sie dies er
fuhr, leine Grenzen und kommt in ihren
Briesen in einer so unglaublich rohen und
lächerlichen Form zum Ausdruck, daß
man manchmal glauben möchte, dieThat
I fache, daß sie einst den Bruder eines Kai
.sers zum Mann gehabt, habe ernstlichen
Größenwahn in ihr erzeugt. Nun war
: ihre Mission in Europa allerdings been
j det und sie sah sich genöthigt, nach Bal
- timore zurückzukehren Da ihr Ehrgeiz
; unbefriedigt geblieben war, gewann ihre
F andere Hauptleidenschaft die Oberhand:
Eide Liebe zum Gelde, die allmählich in
Iregulären Geiz ausartetr. Die ,,arme,
gebrochene Dulderin« überlebie ihren
IGatten und ihren Sohn-. sie starb erst
187 9, 94 Jahre alt Das zweite Kai
. serreich, dessen Anfang und Ende sie sah,
; brachte ihr wenigstens den Trost. daß
3 Napoleon Ill. ihr und ihren Nachkom
; men das Recht zur Führung des Namens
I Bonaparte anerkannte Einer ihrer En
- tel, z( rume Napoleon, trat sogar in das
jfranzöfische Heer ein, wurde im Krim
EKrieg mit dem Orden der Ehrenlegion
ausgezeichnet und stieg bis zum Obersten
Er hinterließ, als er 1893 starb, einen
Sohn und eine Tochter, welche seit 1.896
an den Grafen Adam Gottlob von
MoltteiHaitfeldt in Däncmart vermählt
ist. Eine Verbindung zwischen den Fa
- milien Bonaparte und Moltte «— für
wahr das Schicksal hat manchmal sonder
« bare Launenl
s »Mus- g Lustick« hatte schon 1".«3.3 seine
zweite Frau, die württembergische Prin
Z zessin Katharina, verloren, welche in
Glück und Ungliick treu zu ihm gehalten
( hatte. Später,1853, schloß er eine drit
te, niorganatische Ehe mit einer Italie
I nerin, der Wittwe des Marchese Louis
Z Bartolini. Erst 1860 setzte der Tod sei
I nern lustigen Leben ein Ende. Davon,
: daß er sich in den fünfundfiinfzig Jah
· ren, die er getrennt von ihr zubrachte,
i nach feiner Jugendliebe Elisabeth Pat
iterion zurückgefehnt habe vermeldet die
I Geschichte nichts
. —-—.- — -..
..-—.
Brutmentrreffr.
Novellette von Agnes Harder.
O
Eigentlich war doch die Anna Lise
geradeso aus England zurückgekehrt, wie
sie hingegangen war. Fünf Jahre war
sie nun drüben gewesen als Ersieherim
und zum Schluß hatte man sie fogar auf
einer Reise nach Südfranlreich mitge
nommen. Aber anzusehen war es der
Anna Lise nimmer. Als ihre Groß
eltern sie brauchten, weil das Alter mit
harter Hand an die sonnigen Fenster des
Pfarrhauses klopfte, war sie mit lachen
den Augen zurückgekehrt, um ihnen ihre
jungen Kräfte zur Stütze anzubieten, so
lange sie sie brauchen konnten. Selbst
ständig war sie freilich. Die Waise
hatte ihren Platz im Leben behauptet
»wir ein Man«, pflegte sie zu sagen und
den Kopf mit den blonden schweren
Zlechten zurückzuwerfem Wenn da
nun aber zwischen den Chrestomathien
und Fingeriibungen und gar oen latei
nifchen Votabeln fiir ein paar Jahre
eine so frische Oafe hingebender Liebe
liegen sollte, so wollte Anna Lise diese
Jahre ausniitzen »wie ein Weib«.
Der emerttirte Pfarrer und feine
Frau hatten ihre Freude an der Enkelin.
Das Auglano ist ja immer eine gute
Schule-. Eine wahre Hochschule, wenn«
es lehrt, Eigenes und Fremdes mit klu
gem Blick abzutnesfen Nur wenn eins
iiberftudirt und nur noch das Ferne se
lzen tann, weil dag- Heimische zu nahe
liegt, oann wird’5 traurig. Vielleicht
hatte die Frau Pfarrer gefürchtet, die
Anna Life wiirde fo eine Ueberstudirte
werden-, die sich die Straßennanten der
tleinen Stadt erst in’s Englische liber
fetzen müsse, um sich zurechtzufinden
Aber darüber beruhigte sie gleich die
erste Stunde. Das Mädchen Versprach
sich kein Mal, plauderte luftig auf gut
deutsch und hielt oie Abendandacht mit
den Großeltern, wie frühen als die
Zöpfe noch lang iiber den Rücken sielcn.
Da war auch der Großvater zufrieden.
Der hatte so seine Gedanken iiber das-.
Seltirerwesen jenseits des stanals ge
habt.
l Nur eine Schwäche hatte Anna Lise
i mit heimgebracht Ihre Vorliebe fiir
! alles Grüne, so weit er- ef111ar war.
s Zum Laminbraten iiberrafchte sie oie
lGroßmutter mit einer griinen Minzi
I saure, und als die Alten zu dieser Neu
’ erung bedenkliche Gesichter eogen, ver-—
· sicherte sie, es sei nur Feldminze, aber
noch seien dir Stiele ja weich. Wenn sie
erst eine Gartenbelanntfchaft angeknüpft
) hätte, so würde es sich fchon machen, daß
— man ihr erlaube, ein wenig Minze zwi
schen das Gemiise zu fiien. Dann wür
de die Sauee besser munden. Und seit
der Schnee geschmolzen war, suchte sie
! III-L , .
auf den Feldern beim Spazierengehen
Feldsalat, die zierlichen Rapunzen, und
machte sie zum Abendbrot fo appetitlich
zurecht und redete so schön über die ver
jüngende Kraft des Grünzeugs, daß die
Alten ihr. glaubten. Die Theestiindchen
der Pastorin aber bekamen Berühmtheit
nn neben den felbstgebackenen Antis
kchen stand da jetzt immer ein Teller
mit dünnem dicht zusainmengetlapp
ten Butterbroten, die in zierliche Drei
ecke geschnitten waren, so daß es gar
nicht verlet,-.ite, noch abzubeißem und
. zwischen diesen Butterbroten lagen die
geheininißvollen Pflanzen «mnstard and
creß«. Dieser einzige Anglicismuå
»-Anna Lisens hatte sich in dem kleinen
Ort eingebürgert Senf und Kresse zog
s Ann: Lise in Blumentöpfen an dem
» Fenster ihres Stäbchen3. Zuerst den
« Senfsainen. Nach vier Tagen den
Kressesamen dazwischen gestreut". Und
· wenn beides gemeinsam ausging und sich
E die feinen Spieren des Senfeå mit den
szierlichen Rundblättern der Kresse in
froher Gemeinschaft entfalten wollten,
i
I
i
-
dann rasch die Scheere und den Ertrag
des Schnittes zwischen die Butterbrote
gelegt! ,,Mustard and co:ß« — nun,
daß Jemand, der fünf Jahre in Eng
land war, wenigstens einen kleinen
Spreen hat, das ist schiießtich nicht ver
wunderlich!
Am nachsichtigsten gegen diesen
Spleen war jedenfalls der Amtsnachfol
ger des alten Pfarrers, der Herr Pre
diger, wie man ihn allgemein nannte.
Er war viel bei seinem Amtsdruder,
denn er hatte sich noch nicht gans an die
Gemeinde gewöhnt, und hier fand er im
mer Rath und einen lebendigen Gedan
s tenaustausch Er mußte Anna Lisens
s Ansicht über die lebenerhaltende und ver
s jüngende Kraft aller salatartigen Pflan
s zen zustimmen, denn er aß Alles, was
L sie ihm rühmte, die Frühlingsbutter mit
Petersilie, Schnittlauch und Kerbel —
U. Kerbel, der hieher unbeachtet an allen
i Feldrainen seine zartgefiederten Blätt
i
f
chen entfaltet hatte, derschwendete sie ge
radezu —- den Butterblurnensalat und
s die Rapunzen. Die triftigen Augen des
I jungen Mädchens, in die doch leicht ein
s feuchter Schimmer trat, sahen oft mit
Rührung auf den Teller des ziemlich
schüchternen, jungen Geistlichen, und un
vermerkt rüclte sie ihm den Schinlen nä
her oder die Setzeier. Denn er sah so
s aus, als hätten ihn die Jahre seiner
Jugend nicht ganz freiwillig zum Bege
tarier gemacht. «
»Sie bettarten unser Tochterchen zu
sehr, lieber Amtsbruoen Sie will die
Zeiten des Paradieses wie er bringen«
glaube ich. Aber wenn J auch sonst
dem alten Adam mißtraue, sein Magen
war sicher besser als der unsere.«
Der Prediger antwortete nicht viel
daraus. Aber als Anna Lise bei einer
Kerbelsuppe bedauerte, daß das Klima
die Zucht von Kerbelrübchen verböte ———
da bedauerte er es auch, obgleich er sich
von Kerbelrübchen leine Vorstellung ma
chen konnte.
Eines Tages ging Prediger Norma
gel vor der Stadt einen Feldweg entlang
und überdachte die Predigt des folgen
den Sonntages. Es war Spätherbst.
Der Acker lag brach und über die Reste
des Kartoffelkrautes zogen sich weiße
Fäden. An den Zweigen der Birken
hingen noch einige blaßgoldene Blättchen
und an den schwanken Aesten turnte
schon das lustige Wintervolt der Meisen.
Eine müde Sonne goß ihre milde Klar
heit über das Ganze, und dies gemahnte
den jungen Prediger unwillkürlich an
die alten Psarrersleute — und an ihre
Enkelin.
Da sah er eine weibliche Gestalt vor
sich hergehen, der er üch aber schnell nä
herte, denn immer wieder blieb sie stehen,
bückte sich, pflückte etwas, wie ihm schien,
mitten aus dem Graben, der hier nach
dem Herbstregen das Gefälle eines Ba
ches hatte, und ging dann weiter. Er
erkannte an den in der Sonne leuchten
den Haaren beim Näliertommen Anna
Lise. Aber in dem Graben entdeckten
seine lurzsichtigen Augen nur grüne
Wasserpslanzen
Gerade von denen aber trug si- einen
großen Strauß in der Hand, und als
er sie begrüßt hatte, sagte sie strahlend:
»Die erste Wasserlresse, die ich ir.
Deutschland findet Dai- giebt einen
guten Salat heute Abend!«
Sie gingen neben einander hin in der
Sonne. Die Meisen zwitscherien in
den Birken, und Anna Lise, einmal in’5
Plaudern gekommen, erzählte davon,
wie sie in England mit ibrcr Sciiiilerin
die Firesse zum Salat aus den Bächen
geholt hatte, denn man müsse sich auf
den verlassen können, von dem man
Brunnenlresse laufe. sDie in den sum
Psigen Niedernngen wiichse, wäre ge:
sährlich und könne- Tndhuis erzeugen.
»Jn welcher Gegend Von England
waren Zie. Fräulein Anna Lise?«
»Ja der Grafschaft Eurem Im
; grünen Samen Hügeligesz Land, der
s Red Hill und der Box HiIL wissen Sie.
» Und so wundervolle Spaziergänge. Al
i les-·- Wiese. Und Hecken von Weißdorn
s und wilden Rosen. Jn den Thalern im
Frühling lauter Primroscz und wenn
’ man ein wenig höher tomint, Ginster, so
gelb, als stünden die Berge in Flam
men. An den Wegübergiingen die Sti
les, kleine Holztritte an den Querbäu
men, über die man klettern muß, und
überall als Abschluß am Horizont diese
sanften Berglinien.«
Er hatte ihr zugehöri. Einmal, als
Student hatte er das Riesengebirge
durchwandert. Sonst kannte er nur die
nordische Ebene.
»Sie waren gern dort?«
Da wurdens ihre Augen« wieder ernst.
»Ja. Meine P ichten waren arti-s - .
lieb. Aber es war- das Brod-der "
Frem"de." ' « · ·
Ein Horzginek Tpceete ihren Weg-« ,
Anna Lise wollte noch weiter, um von.
hier den Fahrweg zu gewinnen-, da sie in
der Borstandt eine Bestellung zn mache
hatte. Er mußte nrnkehren.
»Dein Stile,« sagte sie lächelnd, auf
die Holzschranke deutend, »und wie die
«- Herren inSurrey werden Sie mir nun ’
die Hand reichen müssen, damit ich hin- -
überkomme, denn die bequemen Tritt
bretter fehlen.«
Aber als sie geschickt die andere Seite
gewonnen hatte, war sie heißer im Ge
sicht, als es die kleine Anstrengung ver- —
langte, und am Abend erklärte sie, deuts
sche Brunnenkresse tauge nichts-, sie sei
großblätterig und hart, und sie pfliicke
sicher keine mehr. Ganz nasse Füße
hätte sie sich am Graben geholt und
Kopfschmerzen dazu.
Dem Prediger fiel in den Tagen ein
Katalog einer Erfurter Samenhand
lung in die Hände. Und wie er darin
blätterte, sah er, daß man dort Brun
nenlresse haben könne. Sie schien sogar
sehr billig zu sein-. Er hatte freilich kri
» nen rechten Begriff von dem, was Deli
. katessen kosten. Jn seinen Augen wa
! ren Anna Lisens kleine Liebhabereien
i Delikatessen, schon weil sie ihm fremd
J waren, sund nach längerem Zögern be
s stellte er für fünf Mart Brunnenkresse.
s Sie sollte sehen» daß die in Deutschland
? ebenso gut wäre, wie drüben. Denn
seit Anna Life Surreh so gepriesen,
hatte er eine Abneigung gegen Hügel
landschaften, in denen jungeHerren jun
gen Damen über Trittbretter helfen
; müssen. Er war zu Thaten aufgesta
» chelt, und diese Sendung Brunnenkresfe
« entlud gewissermaßen nur stark ange
sammelte Elektrizität.
Anna Lise wog erstaunt den großen
Spankorb, den der Postbote eben fiir sie
abgegeben hatte. Er war ziemlich leicht.
Und als sie die Schnüre löste und den
Deckel ablxob —- lachten ihr unzählige
grüne, fettglänzende Bunde Brunnen
kresfe entgegen. Sie griff nach dem
PostabfchnitL »Im Auftrag von Herrn
Prediger Nodnagel.« Ein warmes
Leuchten kam in ihre Augen, um dann
einer mit Rührung gemischten Verle
genheit zu weichen. Denn — der
Spantorb enthielt 180 Bund Kresse!
l Die alten Pfarrer-diente harren vis
J her von allen Gütern dieses Lebens nur
; ein recht bescheidenes Theil erhalten. Es
war ihnen daher eigentlich nicht zu ver
denlen, daß sie ganz erschüttert vor die
s sem Segen standen. Selbst Anna Liese
i erklärte, mit diesem Grünzeuge beim be
« sten Wissen nicht fertig zu werden. Mit
- diesem Krsessevorrath hätte das ganze.
j Städtchen seine Salatansprüche, die
« ohnehin nicht groß waren, reichlich be
- friedigt. Aber theilen ging nicht ein
I mal an. Damit hätte man die Unge
I schicklichleit des Spenders bekannt ge
k macht, und das wollte Niemand, dieEm
F pfängerin am wenigsten. ,
! »Lieber Amtsbruder, es nützt nichts,
! Sie müssen helfen, diesen Vorrath zu
L vertilgen,« sagte der alte Herr. »Ich
; hätte Sie nie für einen Verschwender
s gehalten, und vor dein Kresseberg kamen
s mir doch gewisseVorstellungen von Klu
f feldern und den Thieren, die auf ihnen
T zu weiden pflegen. Anna Lieschen ver
bringt jetzt einen Theil des Tages da
mit, den Segen zu begießen. Aber aus
Raummangel in unserer Speiselammer,
die auf solche Wunder nicht eingerichtet -
ist, müssen wir dieVerniehtung beschleu
nigen.« .
Als Nodnagel am Abend kam, sah er
erstaunt auf den Tisch. Eine dicke Guir
lande von Firesse umgab ihn. Ein fei
nes Kränzchen lag auch um jeden Tel
J ler. Die Eier, die Wurst, alles war in
; Grün gebettet. Am Henkel der Thee
I lanne hing ein grüner Strauß, und
! auch die Hängelampe hatte einige Ver
zierungen erhalten. Nein, so schlimm
hatte er sich die Sache nicht gedacht.
Das-, Kresse so billig sein könne, tvc.:
ibm gar nicht ein-gefallen. Da behaup
tetk man nun, ein Haushalt erfordere
heutzutage große Mittel! Als ab diese
Feresse nicht geradezu der Gegendeweis
sei! Acht Tage hätte man ja davon le
ben können. Und Anna Liese asz all
dies Griinzeug so gerne!
Heute zitterten ihre Hände freilich ein
wenig, ali- sie Essig und Oel in die Sa
latfchale goß, und mit dem Salz ging
sie auch nicht geschickt um. Einige Kör
ner fielen daneben. »Das giebt heut
noch Thränen,« sagte die Großmutter,
die im täglichen Leben abergliiubiseh
war. Und ihr Eheherr drohte mit dem
Finger.
Fiir das Tischaespräch sorgten die
Alten. Die Jungen sparen merkwürdig
still. Alles man aussiand und Ilnna Lieie
dem tstrdfzdater die lange Pfeife reichte-, «
sal- er, das-, sie an day klisalir ein griines
Etriiufzclzen gebunden hatte.
»Als ob ich ein HoltizeitisitterHlviire,«
faaie er ausaerämut. ,,’!lll dis Griin
erinnert an Myrten«.
» Ta fiel eg dem «!,irediger plötzlich ein,
« daß er mit seinem Amtslirnder noch
« eine Privatsache zu besprechen habe. Und
j dann gab es wirklich noch Thränen —
; die Thränen einer gliiellieljen Bräut.
Die junge Frau lfJJzediger nahm die
’ Töpfe mit »mustard and cres3«, und die
- Leidenschaft siir Salate nnd griineSaik
» cen mit in ihr neues Heim, vergaß aber
im Lauf der Zeit ganz, das-, sie sich die
sen kleinen Spleen im grünen Surreh
geholt hatte. »Mein Mann hat mir
das angewöhnt,« pflegte sie zu sagen.
»Ciuhundertundachtzthund Brunnen
tresse waren sein Brautgeschenl.«