Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 29, 1900, Sonntags-Blatt, Image 16

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    W.
lesndiwman m Urthut
A ch l e i i n e t.
W
WortfesnnU
»Den Teufel verzeichne ich! Jahren
Sie zum Teufel! Abfadtt!« schrie Ler
chenthaler und drehte dem Zugspetsonal
entrüstet den Rücken.
Das Signalhvrn ertönte, ein Pfiff,
und langsam rollte der Zug 104 aus
dem Bahnhof.
Wüthend über sich, den Peitneuek und
die ganze Welt begab sich Lerchenihaler
zur Ruhe; fein Dienst hat nun dasEnde
erreicht.
Jm Schlafgemach wollte die Gattin
Näheres über die Ankunft oder Durch
fahrt des Pane Ujec wifiem doch Let
chentkaler war nicht willens, den Spaß
auf seine Kosten auch noch der böhmi- »
schen Gemahlin preiszugeben Schim-;
pfend legt-e er sich aufs Ohr und schlief »
als richtiger Eifenbahner alsbald denj
Schlaf der Eifenbahner.
Linn amtirte in der Postexpedition zu
FUer wo der Postwirth in die Haut
hinein froh war, im Dienst abgelöft zu
sein. Das Amislokal ist ein Loch, kein
menschenwiirdiger Raum, finster, feucht,
kalt. Der Ofen raucht, das winzige u d
einzige Fenster trägt Tag und Neigt
Eises-sen- Zum Amtiren ist nur ein stei
ner Tisch vorhanden, und das Amtsgeld
muß in einer hölzernen Lade dieses
wackeligen Tisches verwahrt werden.
Kommen mehr als zwei Personen in
diese Kanzlei, so muß schon die dritte
Partei außen warten, weil der Raum
nicht mehr als zwei Personen nebst der
Expeditorin fassen kann.
j
Da war es in Seedors noch fürst- "
lich schön im Vergleich zu diesem Filir
scher Postamt. Dafür g ebt es aber mehr
Arbeit, denn die Fabrik hat starken po
ftalifchen Einlan mit bedeutendenGeld
fummen, liefert viel aus, und außerdem
spielt fast täglich mehrmals der Draht.
Lan muß sich abhetzen, um Rückstiinde
zu vermeiden und insbesondere Tele
gramme rasch hinaus-bringen zu tön
nen. Jn Seedorf fehlte der Draht, da
her Lina etwas außer Uebung gekom
men ifi und jetzt manchmal ,,schwimmt«
im »Geben« und »Abnebrnen«. Das
führt zu telegraphischen Rüsseleien des
Jnnsbrucker Amtes, auch Bregenz er
theilte dem Postfräulein »Nasen«, und
alles drang aus verlässigeres, besseres
Telegraphiren. Lan opferte die freie
Zeit und strengte ch mit Ausgedot aller
Kräfte an, der schweren und verant
wortungsvollen Ausgabe zu genügen·
Eine gewisse Erleichterung im Gemüthe
brachte auch ein Dienstschreiben der
Direktion, welches das Delret für
Flirsch begleitete und in welchem die
Oberbehörde erklärte, die Verfehlungen
Lina’s in Seedors nur mit einer Rüge
zu ahnden und von der Anzeige an den
Staatsanwalt absehen zu wollen, so
fern bezüglich der mit Doktor Ober
hurnmer begrabenen Briefe leine Re
klamationen und sonstige Konsequenzen
erfolgen würden. Es gelte daher die üb
liche Frist von sechs Monaten, während
welcher die Direltion sich freie Hand
vorbehalten wolle.
Am nächsten Tage nach jenem Nacht
ull des Pettneuer Kollegen überlegte
Lerchenthaler, ob er die neu-e »Alquisi
tion", wie er insgeheim das neue Post
srüulein nannte, besichtigen oder den
« Frübschoppen im Gasthause beim Bahn
hof einnehmen solle. Zur »Was « geht
er eigentlich ungern von wegen gewisser
Zechriickstände, die er am liebsten ver
jähren lassen möchte. Bloß Briefmarlen
laufen und dann ohne Trunk wieder zu
gehen, das würde den Postwirth erst
recht beleidigen und cher zu Mahnungen
reizen. Da Lerchenthaler aber auch im
Bahnwirthshause »hiingt«, ist es
schließlich gleichgültig wo er ch über die
Achsel ansehen läßt. Jn solchen Augen
blicken ist dem Vorstand dieses Beam
tenleben fürchterlich verhaßt. Fünfzig
Gulden Monatsgehalt, du lieber Him
mel! Da kann einer ja keine Sprünge
machen Schneider, Schuster, Wirths
haus, Zigarren, Wäsche ——— Lerchentha
ler mag nicht ausdenlen. Wozu auch;
es wiederholt sich an jedem vierund
zwanzigsten des Monats ja doch die alte
Geschichte des deficiente veru. desirit
omne nia. Seufzend verläßt der dienst
Lrtetie Vorstand die Station und trollt
ch den Schnee in’j Dorf. So be
kannt Lerchenthaler mit den Räumlich
keiten des Postwirthshauses in Zlitsch
if, in der Posttanzlei war er« hrslan
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e na: , u en argen.
Sie Jsiinzchenk
ess,es fein S’ nur nicht so kalt
Fräulein! Es ist draußen frostig genug!
der müssen Sie in einem misernblen
Loch amtireni Das ist ja für ein Roß
zu ichs-Mk
.Sie wünschet-W
.,Ja, kennen S’ rnich denn nimmer,
Frituleinispk
d' nicht die Ehr-i«
» ie haben nicht die ANY Ra, hören
Sie, das ist aber gespåßigt Ich bin doch
der Stationsvorstand von Fittich! Je
des Kind kennt mich! Der Vorstand bin
ich, der erste und einzige Beamte in
Flirsch. aufzuwarten!«
WPardon derr Vorstand! Jn Civil
hab’ ich Sie nicht erkannt. Es war ja so
finster gestern Abend bei meiner An
kunft. Jch danke nochmals ixir gütige
Unterstützung. Womit tann ich dienen «
»Ich wollte mich nur ertundigen, wie
es gnä’ Fräulein ergeht.«
»Besten Dani, Herr Vorstand! Aber
bitte, ein Poftfräulein ischt nicht »gnä
dig«. Lassen Sie gefälligst die über-»
flüssige Titulatur und die Wiener Höf- .
lichteit beiseite.«
»Ich bin Wiener, Gott sei Dani, Und
jeder Wiener ist höflich von Geburt an.
Der Wiener geht auch nicht unter, wie
Figura zeigt WJW
»Wer-tät tann ich dienen?«
..Sein. Sie aber kurz angebunden
Fräulein!«
Entschuldigen Sie ich bin km Dienst
und habe viel zu thun. Wünschen Sie
vielleicht Briefmarten ?«
»Na, wenn Sie durchaus ein Ge
schäft machen wollen. dann geben Sie
rnir halt zehn tinfermarten!« lachte
Bär Vorstand u. rich sich den Schnauz
ri.
WW
»Bitte, hier! Zehn Zitnslreuzermar
ten macht eine Krone!· Lina legte die
Briefmarten auf die Gitterrampe, wel
che den Dienstranm abschlag.
Lerchentbaler mußte nun nach dem
Poetemonnaie greifen, und im selben
Augenblick ward er sich bewußt, daß die
ser Briefmarlenlauf doch eine heillos
leichtsinnige und überflüssige Ausgabe
ist, die sich in schreiendem Gegensatz zu
seinem Bat-bestand befindet. Am Mor
se-Apparat lnattert es. Jn Lerchentba
ler ward der Telegrapbist lebendig.
»Fränlein. Sie werden gerufen!« Und
schon nach dem Gehör vermochte der
lundige Beamte zu sagen, daß Jung
brnel »gebe« nnd zwar eine Depesche an
Maxl nnd Söhne, die Lodenfabril.
Ueberrascht sagte Lina: »Das kann
ja sein, aber wie wollen Sie denn das
wissen? Jch bab’ ja noch gar nicht abge
nommen!« »
Lachend erwiderte Lerchenthalerx
»Na. nichts fiir ungut, Fräulein, aber
eine ferme Telegrapbislin sind Sie noch
nicht! Sie mässen schon nach dem·Ge
hör abnehmen können. Hören Sie doch,
schon zweimal nach Anruf giebt der
Mann Jnnsbruckl Erlauben S’, ich
will Ihnen belfenl« Und flink öffnete
der Vorstand denGitterderschluß, durch
schritt den kleinen Amtsraum und dreh
te die Knebel, indem er gleichzeitig den
Taster am Muse-Apparat spielen ließ,
Flirsch bereit zur Abnahme erklärend.
Lina empfand wohl den dienstlichen
Versiosz im Eindringen des Vorstandes,
doch war dieser gleich ihr Beamter und
zweifellos ein gewandter Telegraphist;
es konnte ibr also nur angenehm sein,
wenn der Vorstand statt ihrer die De
pesche abnahtn
Flint geschah dies, so rasch und ge
wandt, daß Jnnsbrucl sich eine telegra
pbische Bemerkung gestattete des Jn
»l)alts, warum denn diesmal sog ut und
schnell abgenommen würde.
Hellan lachte Lerchenthaler ob dieser
Bemerkung im Streifen und lag selbe
dem Posifräulein dor·
Lina erröthete nnd entschuldigte sich
dahin, daß sie eben in den lesten Jahren
ohne Telegrapb amtiren mußte und
deshalb die Uebung verloren habe.
Lerchenthaler telegrapbirte etwas zu
rück, wobei et schmunzeltr. f
Der Ansgeher der Leidenscer trat
ein und riß nicht wenig die Augen auf,
als er den Stationsvorftand am Tele
graphenapparai des Fiirfcher Pioinin
ies stehen und telegraphiren fah.
Linn empfand nun die Ungehörigieii
start, doch wagte fie nicht, den höchsten
Beamten des Dorfes aus dem Amts
ramn zu weisen
Der Fabriidiener brachte viele Post
fiiiete und erhielt die Morgenppft. Lin-a
gab ihm auch ein Retipiffe mit der Be
merkung, baß ein reiomtnandirter Brief
da fei, welcher nach Unierzeichnnng des
Abgabefcheini ausgehiinDigt werden
würde.
Der Vorstand trat vom Apparat zu
rück nnd winelte tiber retominandirie
Briefe, die getthnlich nur Unangenely
nie- zu enthalten pflegen
Der Diener entfernte sich Lan bat
nun den Vorstand fich gütigfi in den
fin· das Publikum bestimmten Raum zu
begeben
,,,Aber Schuhe-eh fein S’ doch nicht fo
herb!« fagie Lerchenthater nnd versuchte-,
Linn tun die Düfte In faffen und an sich
ZIUU sit-M
»Mein bin im Dienst und
ver-bitte nur fol Behandlung!« rief
Linn und drängte den Ungestümen von
»Wer, Verzug wer wird denn fo
sper fein! Dei-« ja Niemand; ein
TM fe ein statische-, können S’
SWTMM den-Kopf
sie M M
, ’««s:: »
leises ans die Wange des Betstunde-.
der noch vieles Ost-fuhr Wes-W ds
Postlolal verließ.
Kurze Zeit daraus Ernste der Tele
raphenaparat abermal-, den nun Lina
selber bedienen mußte. Wesentlich lan -
samer nahm sie ab, eine telegkapbis
Bestellung von Loden an die Fabrik.
Dann llopste der Apparat aber-weiten
und staunend las Lina den Streifen:
«hetzallerliebste, vielen Dank sitt dein
Kompliment Jch rufe dich nach Post
schluß heute Abend um sieben Uhr. Dein
watmher iger Amtsbruder Franle
Entrii et gab Lina »Schluß«. Zu
isolchen Aposttophirungen hat sie doch
wahrhaftig leinen Anlaß gegeben. Aber
wer weiß, was der impertinente Vor
stand nach Jnnsbrucl telegraphikte. Li
na beschloß, solchem Unfug radikal ein
z Ende zu machen und schnitt den dies
s bezüglichen Streifen ab, den sie wohl .
s verwahrir.
l Das targe Mittaxtsmabl ward mit
Zdem Postgesinde eingenommen Lan
Istieß sich nicht mka vmn mit den
- Dienstboten am gemeinsamen Tisch zu
! essen, ebensowenig refiisitte sie die derbe
sGebirgslost. Aus die dienstfreie Zeit
F verzichtend, begab sich die Expeditorin
: wieder in die lianzlei nnd amtirte wei
ter. Kurz daraus erschien det Post
wirth Und theilte mit. daß sük die näch
sten zwei Wochen das Poststäulein die
Post selber aus die Station bringen und
von dort abholen müsse, weil der Knecht,
der das bisher besorgte, ins Paznaun
mußte.
»Das-n bin ich nicht verpflichtet!« er
widerte Lina.
»Das werden wir schon sehen! Du
geahst,Posterin, oder sonst fliegst außi!«
Mit dieser ebenso bestimmten als deut
lichen Erklärung entfernte sich der Post
inhaber. 4 » - "
Was wru Lina machen: Jn dieser
Angstzeit muß e Alles vermeiden, was
zu einer neuen Klage oder Beschwerde
führen könnte.
Postschluß ist um 6 Ubr Abends zu
machen, und laut Fabrplan lreuzen 6
Uhr 36 die Gegenziige in Flirsch. Lina
richtete die zwei Poftbeutel zurecht und
trug sie persönlich zur Bahn. Jm
Bahnhos machte der Stationsdiener
Schwierigkeiten Er wollte das Fräu
lein ebne Perronlarte nicht aus den
Babnstieg treten lassen.
Lina betonte, daß sie im Postdienst
da sei und hinaus müsse. Dabei wies
sie die Postbeutel vor. Nun glaubte
der Diener an die dienstliche Eigenschaft
und gab den Eintritt frei.
Die Züge subren ein, und Lina stand
einen Augenblick ratblos, weil sie nicht
wußte, wie sie durch den Vorstebenden
Zug nach Btegenz zu dem nach Jnns
brucl bestimmten Postambulanzwagen
gelangen sollte. Den Postbeutel nach
Bregenz konnte sie ja rasch abliefern
und den fiir ibr Poftarnt bestimmten
Beutel entgegennebnren.
Wie nun aber zum zweiten Zug kom
men?
Schon giebt der heutige Jourbabende,
ein graågriiner Assistent, das Absabrtsi
zeichen.
»Um Gottes willen, die Posti« schreit
Lina.
Der junge Assistent zuckt die Achseln;
die Zugsübrer geben die Hornsignale,
und beide Züge verlassen in entgegenge
setzter Richtung den kleinen Babnbos.
Beim trüben Schein der zwei Later
nen sieht Lina, daß der nach Iang
bruck gehende Zug den Flirscher Post
beutel herausgeworfen hat. Die Post
nach Landeck—-——Jnnsbruck—Wien aber
bat Lina in Händen, die Post ist zu
riickgeblieben. Ausgeregt jammert das
Postfräulein über dieses Malheur, das
einen fürchterlichen Rüssel eintragen
wird. Der 9lssistent tiirnmert sich nicht »
weiter urn Post und Fräulein. Lina holt
den Flirscher Beutel Vorn Geleise und
will den Heimweg antreten, als derVor
stand herantarn Beim Anblick der Da
me raffte sich Lerchentbaler aus, bemüht
den schwanlenden Gang etwas strom
rner zu gestalten. Wie er aber das Post
sräulein ertannte, ward seine Haltung
wieder lässiger Wegen der spröde-r
Subalternbeanitin braucht sich der höch
ste Beamte keinen Zwang anzuthun
Jn Angst und Sorge iiber den nicht
erreichten Postanschluß überwindetLina
ihre Abneigung gegen den noch dazu an
getruntenen Vorstand und bittet ibn um
Ratt-, wie die Auslieferung der Post
beutel in die zwei Züge bei so inapper
Zeit bewertstelligt werden müsse.
Lerchentbaler fühlt sich; er ist seit
ganz der «biichste« Beamte.
»Dur! Böse Sache! Werden fürchter
liche Nase belouuneni DieIabriUeitung
versteht keinen Spaß und hat schon trieb- «
me Posttnenschen aus lirsch zum lie
gen gebracht, wen- die ost nicht l app
«Jch bitt’, herr Vorstand wie soll ich
in tauni einer Minute zu beiden Arn
bnlanzwa gelan« ent«
idzuidoch f r einfach! Sie lie
denBoegeuzer ein, schlupfen
deurchin den smbulanzwagem springen
drüben zum nnibrnelen nehmen und
eben und bl ben dann ischen beiden
äugen stehen bis zur Ab a.brt «
. »Ja, aber mit Damenlleidern ischt
dieses K tern und Springen doch eine
sehr mißl Sachet«
:Tragen Sie sich halt
weil Sie bitt tbn ,
will Mich Täters-an befkiklnslichw stei
gebt es ias
denn dereh bruck lässt rein
H schiert-I
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IV 9Musssw
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»Die meinen Sies« .
»Wa. jede Leistung will ihren W
halten. Ich helse Ihnen durch, und Sie
befn mir halt su« ein tirolisched Bus
erl.«
«Guten Abend!« Linn verließ hastig
den Bahnhps.
Jn der nur von einer Unschltttlerjr
deleuchteten dumpfen Kanzlei nahm L -
na dte Entleetung und Behandlung des
Beegenzer Postdeutelg vor und studirte
dann den Positursanzeiger nedst Fahr
plan. Die Post nach Jnnsdruck muß
noch in heutiger Nacht sortgebracht wer
den, um die Verspätung nicht zu groß
werden zu lassen. Nach dem Fahrplan
verkehrt 3 Uhr 30 Nachts ein Zug mit
Bahnpvst nach Landeck, und dieser muß
den Unglücksbeutel mitnehmen. Da«
heißt’s frelich wachdleiden und pünktlich
durch Nacht und Kälte im Bahnhos er
sceinetn -
Inmitten dieser Beschäftigung wird
Flirsch am Apparat gerufen. Lina kann
. errathen, daß der Jnnsbrucker Tele
graphiit das angeliindigte Plauder
. stündchen abhalten will. Amtsschluß ist
aber fiir Post und Telearaph um sechs
Uhr, daher reagirt die Expeditorin über
haupt nicht aus den Anruf, und nach
vergeblichen Versuchen wird es ruhig
am Apparat
Lina dieidt in den Kleidern und legt
sich nur provisorisch zur Ruhe. um je
den Augenblick zum Gang bereit zu sein. !
Träge und langsam schleichen die Stun- ,
den dahin. Linaö Schlaf ist unruhig. s
Um Mitternacht schreckt sie aus in der I
Meinung, den g derpaszt zu haben. !
Nun wagt sie ii rhaupt nicht mehr ein 4
Weiterschlasen. Allmiihlich wird es zwei
Uhr. Im Stäbchen ist es bitter kalt und
kein Holz zum Feuern vorhanden. Licht
kann das srierende Fräulein auch nicht
machen, weil das Kerzenstiimpfchen oh
nehin schon sehr hetabgedrannt ist.
Zeitweilig überzeu t sich Lan durch
unten-en epi- Schwe erheische-: m ent
nen Blick auf ihre Taschenuhr, wie weit
die Zeit vor-geschritten ist.
Endlich drei Uhr. Nun begiebt sich die
Expeditorin rnit dem Postdeutel zum
Bahnhos und harrt im Wartesaal, der
natürlich in der Nacht nicht geheizt ist.
der Antunst des Zuges. Draußen
herrscht ein Nebel, daß man keine zehn
Schritte sehen kann.
Von Pettneu ist das Signal da.
Fünfzehn Minuten später fährt er Zug
ein. Lan läuft ilm ab, — es ist schwer,
in der Dunkelheit den Bahnpostwagen
zu finden. - i
Um diese Stunde erwartet derAmbw t«
lanzheamte teine Post in Flirfch daher «
schläft er den Schlaf des Gerechten so
fest, daß alles Pochen vergeblich ist. In
ihrer Angst, den Beutel abermals nicht
los zu werden, bittet Lin-a den Zugfiih
rer, die Post zu übernehmen und in
Landeck dem Ambulanzer zu übergeben.
Gottlob ist der alte Zugfiihrer ein ge
fölliger Mann, welcher den Beutel über
nimmt.
Lina kann, befreit von großer Sor
ge, nach Hause gehen. Wie wohl thöte
jetzt ein warmer Schluck Kaffee nach so
kalt verbrachten Nachtstunden und dem
Gang zur Bahn. Aber es giebt derglei
chen nicht. Also hinein in die Federn und
den Schlaf nachgeholt auf einige Stun
den. -
Um acht Uhr öffnet Lina die Post
ianzlei zum Dienst und giebt die Post
an die Partien ab, von denen der Fa
britbote, der Gendarm und ein Finan
zer bereits vor der Thür warten. Die
Ausfolgung geht rasch von statten. Der
Fabritbote aber liefert eine Anzahl re
tommandirter Briefe ein und will selbst
verständlich die postalischen Aufgabe
scheine empfangen. Lan blickt auf ihre
Taschenuhr und sagt dem Boten, daß
er die Scheine erst um zehn Uhr erhalten
könne, weil sie jetzt teine Zeit habe und
um 8 Uhr 40 zum Zug hinaus miisse.
Darauf läßt sich der ängstliche Die
ner nicht ein und verlangt die Einschrei
bebriefe wieder zurück.
Die Expeditorin entspricht dein Ver
langen, macht dann die Postbeutel fer
tig und läuft um.8 Uhr 30 zum Bahn
hof, wo der Vorstand im Dienst bereits
die Wechsel tontrollirt hat und nun am
Bohnsteig wie ein Psau auf und ab
schreitet. Beim Ansichtigwerden des
Postfräuleins wird Lerchenthaler so
fort Schmetterling und flattert auf Li
na zu, ihr seine Hilfe zusicheend. Die
Expeditorin lehnt jedoch jede Bestätig
teit ab, indem sie die eigenen Worte des
Vorstandes gebraucht: »Votmittags
geht es ja spielend leichtl« .
Der Zug von Pettnen rasselt ein.
Ilink begiebt sich Lan zum Postwa
,gen. giebt nnd nimmt und bleibt dann
am Vobnstieg stehen« Um sich ds- Zus
abfertignng ansehen
n art des PossriiuMns
»sihlt« der Vorstand; ausgeblasen,
herrisch oedett er den Stundenpaß vorn
ngfühter nnd giebt die Unterschrift.
un reist er eine Wagenthiie auf nnd
prüft die Temperatur. »he, Kondui
teur, was ist das für eine Schlamperei2
Das Coupe i zu wenig wann. Der
Maschinist so ne Dampf in die Lei
tn gebeut Die senden haben ein
AKt auf tiche Temperatur!«
Der Scha er legt die band ans
Käppi und bemerkt dein gestrengen Vor
stand, da in dem betreffenden Tonne
sichtetne etsenden befinden. « -
»Das ist nz egalt Ueberhaupt habe
ich zu bef n, sticht Sie! Hist-Be
amte-e und Sie Hieb nor ienerl sb
treten!« « · «
Würdedoll « bt der Vorsond das
l sur etwa-Fund
Dee « bisw
pfeife ertönen, M --·anfi', wirst
den del herum, der " dampft aus
der tation . » » -
Nun tritt der Both-ins u Hina, um
sie einzuladen die kurze seit di- zur
Ankunft des Bregenzer Zuges doch ge
fälligft in seinem Bureau zu verbrin
gen.
Das Fräulein lehnt dies dankend ad.
»Es wird ja auch das Wartezimmer ge
heizt feint«
.Schon! Ader die Luft ift schlecht da
drinnen! Kommen Sie nur, gnä· Fräu
lein, es ist besser bei mir. Ort Sie
mir Sonnenschein in die Dien bude!«
Von den wartenden wenigen Passa
gieren tritt nun ein Bäuerlein an den
Beamten mit der Bitte, ihm zu sagen,
; ob es noch lange dauert, bis der Zug
s nach Bludenz ginge.
s Grimmig schnauzt Lerchenihaler den
Bauer an: ,,Wo ist Er denn hers Weiß
» Er nicht, wie Er sich vor einem Staats
z beamten zu benehmen hat«-! Hut her
s unter, verdammterBauetnrammel! Su!
! Und dort hängt der FahrplanZ Das
i fehlte noch, daß der höchste Beamte je
Z dein gescherten Bauerntuder Auskunft
i gäbe!«
s Der Vorstand will galant dem
I Fräulein seinen Arm anbieten. um es
s in die Kanzlei zu geleiten, doch Lina
s wendet sich an den betroffen stehenden
I Bauer und bedeutet ihm, daß der Zug
s nach Binden-z um 9 uhe 11 abgehe, das
s Warten also nicht mehr so arg lange
Fdauern werde. Das Bäuerlein dankt
f herzlich für die freundliche Auskunft.
’ Lerchenthaler laut an feinem schönen
; Schnurrbatt und gestattet sich die spöt
: tifche BemerlungJ »Gnii’ Fräulein wer
den noch Undanl ernten. wenn Sie so ;
höflich mit diesem Bauernpack verkeh- T
ren! Das thut iein gut! Wir Beamte
müssen auf unsern Stand, auf die
Würde halten! Diese Nammel nehmen
nehmen sich zu viel aus der Schüssel,
wenn man ihnen den Löffel giebt! Darf
ich gnä’ FröuPn wirklich nicht in mein
Bureau geleiten?«
»Ich danie, nein!«
»Das thut mir leid! Aber ich hoffe,
zu den Abendziigen darf ich Jhnen doch
behilflich sein. was?«
»Ich glaube, meine Post schon allein
abfertigen und entgegennehnien zu tön
nen. Uebrigens meinen Dank fiir Ihre
Bereitwilligieit!«
s
s
Inzwischen war auch der Bregenzer
Zug in die Station herausgeleucht, nnd
Lan erledigte das Dienstgeschäft. Mit
den zwei Postbeuteln sitr Fltrsch begab
sie sich durch die Station, dem Vorstand
zuniclend, als dieser zum Abschied
grüßte.
» »Spröde Hexe!« zischte Lerchenthaler
in seinen Schnurrbart und suchte dann
fein Bureau auf, wo er zunächst Zeitun
gen las, dann die unvermeidlichsten
schriftlichen Arbeiten erledigte und dann
überlegte, wie die spröde Kollegin et
was milrber gemacht werden könnte.
Vom Assistenten weiß der-Vorstand daß
die Flirf r Post rnit dem Postzug
Nummer 4 gestrn tn Folge der Uner
fabrenheit des Posisriiuleins nicht »ge
geben« worden ist, also Verspätung bi
zurn ersten Friibzug erlitt. An sich
tönnte diese Burnrnelei, noch dazu bei ei
ner Dame, die neu irn Orte ist, entschul
digt werden. Aber bleibt das Versehen
ungeriigt, lebt sich die Spröde völlig ein«
so wird es zweifellos noch etliche Schläge
ins Gesicht absetzen; das Dämchen mit
«Grundsiitzen« könnte üppig, noch reso
luter werden, und da ist ein Däknpser
nicht ohne.
Jn solcher Erwägung setzt sich der
wackere Vorstand zum Schreibtisch und
fabriziri eine Anzeige inttusive Be
schwerde, in welcher die Bumrnelei be
schwerend zur Kenntniß der Poftdirets
tion gebracht wird. Natürlich ano
nym. Doch als Lerchenthaler das
Schreiben faltet, nimmt er gewohnheits
mäßig ein Diensttouvert, schreibt die
Adresse und drückt den Stationsstempel
daraus: Und ebenso gewohnheitsm
mäß wird dasugesetzk «Bal)ndienstsa
che.«
Der Brief wird in das Auslouffoch
gelegt. -
Lina war fo eilig« von der Station
zur Pofttanzlei gelaufen, daß sie schier
atheinios dort ankam. Sie gönnte sich
eine Schnoufpoufe als sie merkte, daß
Niemand auf die Wiederauffchiießung
des Pofiomtes warten mußte·
Um zehn tatn der Fodritbote nicht,
erft gegen Mittag. und diesmal brachte
er neben den vielen Einfchreibebriefen
and Waaren-ankern einen return-ran
dirten Brief an die Pofidirettion in
Jnnidruck. Linn ahnte sofort, daß das
eine Beschwerde fei, und beschloß, lieber
gleich einen Bericht überdie Situation
irn Fiirfcher Poftomt einzufchietenx Ges
wissenhaft erledigte fee die Dienstge
schäfte, fertigte den Boten od, dein sie
beim Adgehen noch zurief, ei folle doch
das Recepiffe fiir den iageknden Ein
fchreibedrief mitgebracht werden.
Der Bote fragte erstaunt, um welchen
Brief es sich handle.
Linn geil-Auskunft und bedeutete dem
Diener, don er ja den zu unterzeichnem
den Schein bereits mitbeiommen habe.
Kopftchiitielnd entfernte sich der Fa
britbotr.
Kaum war urn wei Uhr die Post
tanzlei wieder geöffnet, da begann ein
wahrhaftige-: Sturmlauf gegen diePoft.
Ei kam nicht nur der Bote wieder, auch
der Fobritdirettor erschien persönlich,
um die Erklärung abzugeben, daß man
im Comproir von einem Abgabefchein
fiir einen retonsmondirten Brief nichts
wisse.
Linn staunt-. '
Einen M MM beisti
erte Idee der Diener, den schein, -
irr-schrieben dont Prokuristen in der
- Petri-unstet abgegeben, den Brief aber ,
tro dem nicht erhalten zu haben. «
ina erkannte die WidersptÆ is- «
im und hier-i sie den Betheiligten wt
Au en.
roff weietie der Direktor iider :
solch unerhörte Bumntelei und kündig
te Beschwerde nn. Den Brief erhielt
er gegen Unierzeichnnng eines neuen
Abgabescheines, und sofort ris; der Dis :·»
rettor den Brief aus, ihn hastig durch-,
sliegend ;
»Fräut’n!« schrie er vor Aufregung,
»die Bummelei kostet Sie die Chor-geiz
Durch diese Verspätung versäumten wir
in einer Konturssache den Terntini Ich «
mache die Post haftbar für viertausend «
Gulden!«
Linn erschrak wohl, doch versicherte sie
kühl: »Wie’s beliebi! Ich habe meine
Pflicht gethan! Wenn Ihr Bote den
Schein verlor, ifcht es nicht meine
Schuld. Zeuge für meine Bemerkung
und die’lieberaabe des Recepsissekz tvor
übrigens der Stationsvorsiand."
Ue ertascht rief der Direktor-: »Wie
tomm denn der in die titosttnnzteiiW
Lin-a sprudelte heraus: »Der Vor
stand war in der liianzlei Marien tan
fen und bediente gefällig, weil Flirich
gerade gerufen wurde, den Telegraphem
apparat!«
»So, so! Das wird ja immer schö
ner! Und das nennen Sie Wahrung
des AmtögetkeimnissesR Sie werden
sich wohl nicht wundern, wenn wir ener
gisch auf Abhilfe dringen und dafür sor
gen, daß solch unerhörter Schlamperei
ein Ende gemacht wird! Pfehl' mich.«
»Pfiat Gott!« sagte als Echo der Die
ner, und hinaus stürinten in heller Ent
rüfiung beide.
-.
Lina blieb in dem dumpfen Loch,
Kanzlei genannt, seufzend sißen und
schrieb den Bericht wahrheits etreu und
erwähnte auch den Vorstand r Bahn
station ais Zeugen. Dieser Bericht mit
der übrigen Jnnsdrucker Post mußte
benso wie die nach Bregenz Abends zu.
den beiden Zügen gebracht werden. Lina
bangte vor dieser Bewegung Schon
gegen drei Uhr rasseite die Fabriieauig
page die Reichsstraße hinab gegen den
; Pians-Landeet; der Direktor fuhr per
’ sönlich zur Beschwerde nach Landeck, um
Ivon dort den Eilzug nach Jnnsbruet,
s der ja von Laugen bis Landect nirgends
anhalt, zu benutzen und die tiroiische
« Hauptsiadtg noch vor Schluß der direk
toralen Amtsstunden zu erreichen.
Bei den Zügen 14 und 117 vollsiibrte
Linn das Seiltänzerlunststiick der Ab
gabe und Uebernaiime der Postbeutel,
wobei der zudringliche Vorstand that
iiiehlich sich abermals zur Verfügung
stellte und insbesondere Lan in den
Ambulanzivagen des einenZugeshelsen »
wollte. Erst aus energischen Protest s
ließ Lerchenthaler ab. Lina hastete .
durch den einen Wagen zum anderen
Gegenzug, die Post zu erledigen, die .
neuen Beutel zu übernehmen und die
eigene Post zu »geben« Ausatbmend
stand die Expediiorin zwischen beiden
qualmenden Zügen und harrte der Ad
sahrt in Kälste und Dunleiheit.
Fahrplanmiiszig hätte jeder Zug
kaum eine Minute Aufenthalt. er
Vorstand war aber so boshast seine
Macht zu zeigen, und erweiterte den
Ausenthali aus drei Minuten. Auch
gab er persönlich hinterher seinenDiensts
bries deni Ambulanzpostbeamten in den
Wagen und genehmigte erst dann die
Absahrt des Jnnsbrucker wie des Zuges
kergaus
Lina hätte blind sein müssen, wenn
sie nicht erkannt hätte, dasz der Vorstand
absichtlich den Aufenthalt der Züge ver
längerte, um ihr seine Macht zu zeigen.
Entrüstet sagte sie daher dem dünleihas
ten Menschen ihre Meinung. Doch
Lerchenthaler schmunzelte dazu und
dachtet »Morgen, spätestens übermor
gen wirst wohl weniger sper sein.«
So schnell reagirie nun die Postdirei
tion allerdings nicht. Immerhin er
schien am dritten Tage nach Bericht Be
schwerde und Denunziation ein Kom
missar, der von Landen per Wagen nach
Flirsch fuhr und nun eine gründlichte
Untersuchung im Flirscher Posiamt ein
leitete. Polternd zum Anfang. Doch
als der Kontrollbeamte hörte, daß ein
zartes Mädchen die Nachtruhe opferte,
um Drei-Uhr-Zug zur Station ing in
strengster Wintertiilte, u ein sle ent
schuldbares Versäumni siir welches
nicht das Postsriiuiein, sondern der
Postwirth haftbar war. gut zu machen.
da reichte der Kommissar Linn die Hand
und sagte: «Friiulein, Sie sind tapfer!
ch wollte, wir hätten mehr solche Post
riiuiein!« »
Nach diesem Sonnenbhck derstnsterte
sich das Iirrnarnent in dortigan al
lerdings, denn die Beschwerde der Ja- «.
brii war schlimm, der glaubhaft ange- -
gebene Schaden böse«
Lan saß da in einer Zioickntiihlee
Berschioieg sie die Anwesenheit des Bor
standes und die Bedienung des Tecegrm
phenapparatei durch diesen, so verlor sie
den Zeugen siir die Aussolgung des Re
eepissei an den abritboten Daran f
tarn es hauptsii lich an. und deihal
sag-see Lina allei.
atiirlich kommt zu aller-est der Mis
sel wegen der Ueberlassung des Marse
Apparatei an den Stationivorstand
»Herr Kommi ar, Sie haben keine
Izu-eng was das iir ein srecherMensch
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