Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 22, 1900, Sonntags-Blatt, Image 14

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    ————-c——
Frau Bankiec Hactwig.
Ctiminal-Roman von Friedrich Chieme.
W
Go. Firttetunqq
Leid-: »Im-te ihr vie ewige Geld-Ist
tegeuheit ihn- Mttverschwvxmeu DOM
lc Rade. Ver edle Ritter wollte
a die Ernte der so herrlich aufst
gangenen Saat genießen. Schon Tisch
einigen Wochen folgte er ihr nach Ber
lin, und da die Summen, die sie non
ihrem Sitten erhielt, dem Wirstlrng
nicht genügten, so verleitete er sie dazu,
ihren Mann in der aesehilderten Weise
zu bestehlen. Um für den Fall der
Entdeckun gesichert zu fein, erheuchels
te Michae a in der Abendgesellichaft
den hypnotischen Zustand; zur Mate
rie des hypnotiörnus sollte sie, falls
ihr Saite auf ihre Spur lam, ihre Zu
lueht nehmen. Die Frau Commis
Irätdin bezeigte wenig Lust, ihre
Stecun an der sie Geschmack fand,
so poreifi zu gefährden, sie erschöpfte
sich bei legenheit ihrer Zusammen
Dünste mit Francini-Gembalsin in der
Norddentichen Weißbiserhalle in Vor
stellungen und Vorn-ödem doch er
brauchte Geld und wieder Geld-, und
sie war ia nur ein Spielball in seiner
Hand. n der Regel höndiate sie ihm
die gestoylenen Summen in der Nord
dentichen Weißbierhalle ein; am Abend -
der Entdeckung aber wollte ihr Corn
pliee mit dem Morgenfchnellzug nach
Hanxbnr fahren und bestand daher T
darauf, AEvas Geld an Ort und Stelle
persönlich in Empfang zu nehmen.
Urspriinglich lag ez nur in dem
Plan der beiden, aus dem Vanqnier so
viel herauszupressen, als sich mögliche
weise heranspressen ließ. Eine dauern
de Trennung entsprach in keiner Weise
ihren gegenseiiiaen Wünschen nnd Lici
sichten. Jm Falle einer Entdeckung
rechnete man auf eine bedeutende Ab
iiandssummr. Wie aber das Resultat
alle Erwartunan übertraf, fteigerien
sich die Ansprüche des Betriiqerg und
seiner Helfershelferin Michaela, kal
tulirte er nun, war die reebmilißiae
Gattin des Millionärcs, als Edemann
würde er nicht säumen, ihre Zukunft in
seinem Testament sicherzuitellen Der
dritte Theil seinez Vermögens mußte
gerechterweise ihr zufallen Sobald
diese Sicherung erfolgt war, rechneten
die Jntriaanten darauf, der Commis
sionsrath werde ihnen den kleinen Ge
fallen erweisen, baldigst eine bessere
Welt mit seiner Geaentrart zi: beglij
cken. »Der Mann ist al: gesiua,« sagte
cynifch Genibalsiy, »e: hat sein Leben
genossen. Man kann ihm ja zu den
Freuden des Himmels irerixelfem wenn
« er nicht so Viel Verstand besitzt, vor
selbst abzusckneben." Anfangs weigerte
sich Frau Haritria. ihre Hand zu einem
solchen Verbrean zu bieten, doch ihr
böser Dämon wußte alle ihre Bedenken,
die ohnehin mehr in der Furcht vor der
Entdeckung alS in moralischen Grund:
iötzen wurzelten. zu beseitigen »Mot
phium hast du ja immer zur Hund« nnd
so ein kleiner Jertlynm ist entschuldbar
ungleich«
- Js—tk—«.« ..- »F i I L « -
Die Lsntlarvuna er sc lpie dant der
blinden Habsucht Francinii weit elier
alL Michaela gefürchtet Nun aakt es:—
zu handeln. Wenn eg- ihr aelana, ib
ren Gatten, dessen Vertrauende Liebe
noch immer nicht an die Verderbtbeit
des Herzens seiner Gemahlin glauben
mcchte, mit sich nach Russland zu lo
cken, so war die Ausführung des-Schur
tcnstreichs in der Ferne niii Leichtigkeit
zu bewirken. Wer kannte dort den
deutschen Kaufmann, wer hatte ein
Interesse daran, ilirn zu helfen? Nie
mand, während er hier von Freunden
und Wächtern umgeben war. Viel
leicht konnte man ihn auch, wenn er so
ausschließlich dem Einfluß Michaelas
preisgegeben, dazu bewegen, seineFrau
zur Universalerbin zu ernennen und
seine Kinder mit dem Pslichttheil abzu
finden So viel bestätigte Sopbia
Wassiloff ohne weiteres, daß Banquier
hartwig Deutschland nicht wiedergese
en hätte. Ihr eigenes Erscheinen in
erlin und die darauffolgende Krank
zeit Fortwigs durchkreuzten die edeln
bsi ten des schuriischen Paares.
Hier unterbrach Doktor Böhring die
Sprecherin mit einer sehr berechtigten
Frage:
«Woher,« inquiririe er fie, »wissen
Sie denn alle diese Einzelheiten, da
Sie doch in Nußland und nicht hier
waren, während das alles geschah?«
Sophia Franrini war jedoch ihrer
Sache sicher
«Woher? Aus dem Munde meines
Mannes, mit dein ich mich, wie ich
gleich erzählen werde, scheinbar wieder
auisöhnte und der sich nachher desVors
falls als eines Meisterstreichs gegen
mich rühme. Weil ich beabsichtigte,
indes ich mich fromm stellte. ihn zu ver
derben, reiste ich ihn durch allertei
Zwischeniragen und Eir.wiirse, mir al
lei- u enthüllen Wenn ich aber noch
TM gehegt« Je wurden fee durch
tat Briefe beseitigt. wie Sie
III-C MHYM u de i v
r re e ever r,« enge er
USE-M W MWZ
eine
ei IMMrdiger
Acht-M , mit-costs
erfiillte unsere Herzen, nur der arme
hartng saß» bleich und gebeugt, er er
kannte den tiefen Abgrund. an dem er
gestanden. Obwohl auf Schlimmeres
gefaßt, ubertras die Wahrheit seine
grcßlrchften Befürchtungen- Von An
fsxlg an hatte man ein schales Possen
sprel mit ihm getrieben, sein Leben war
schon verwirtt, als er noch überglücklich
m den Armen des schönen Weibes
schwelgte. Jch bangte um ihn, denn
noch wußte ich ihn nicht wieder im dol
len Besitz seiner früheren Rüstigkeit,
aber zu meiner Freude hielt et sich
tapfer; die Verachtung half ihm den
Schiner überwinden
Sop 'a fuhr fort: :
»Was mich bewog, nach Berlin zu ;
reisen, wünschen Sie zu wissen: ganz H
einfach die fortdauernde Abwesenheit .
meines Mannes. Angel-lich, um ihr
bei der Durchfii rung des gemeinsa
men Planes «l e zu leisten, folgte er
ihr nach Deut chland. Jch blieb in Pe
tersburg und erhielt kaum enug Geld
von dem Verschwender, an tändtg zu z
leben. Brief auf Brief schrieb ich an -
ihn, er möge entweder zuriicklomnien.
oder mich zu sich bescheiden oder mir ;
wenigstens eine größere Summe zur «
Verfügung stellen. Nichts von alle- :
dem geschah. Jch wußte wohl, weshalb .
er in Berlin blieb, er konnte sich von J
Michaela nicht trennen. Nun wohl’,
dachte ich, ,so will ich ihnen ihr Spiel
versalzen. Sie lebt als vornehme Da
me herrlich und in s reuden, ich weiß
taum, wie eine arm elige Existenz fri
sten.’ Jm stillen hegte ich auch denj
Wunsch, durch mein Eingreifen zwi
schen beiden Zwist zu entfachen und »
die Nebenbuhlerin womöglich zu besei- ’
tigen. So borgte ich mir eine tleine
Summe nd reiste heimlich nach Ber
lin, wo iu in einer Pension abstieg und
sofort an Herrn Hartwig schrieb. Lei
der zeigte der Herr mein Schreiben sei
ner Fran, welche natürlich nichts Eili
geres zu thun hatte, als meinen Mann
vtzn meiner Ankunft und Adresse zu
benachrichtigen.«
»Warum«« fragte ich die Zeugin.
»hatten Sie Herrn Hartwig erst auf
drei Uhr Nachmittag bestellt? Welche
Ertundigungen wollten Sie am Vor
mittag einziehen?«
»Ich beabsichtigte, mich über die Le
- bensweise meines Gatten zu unterrich
ten. Damals hegte ich überhaupt nicht
die Absicht, ihn mit zu denunziren, ich
; gedachte Michaela als die allein Schul
dige hinznftellen. Mein Unternehmen
scheiterte, ich wurde auf Betreiben mei
nes Mannes verhaftet und auf den
Schuh gevracht.«
»K·-5nnen Sie uns sagen, durch wel
che Angaben es Francini gelungen ist,
Jbre Sistirung zu beivertfielligm’5«
fragte der Vorsitzende.
»Jaroobl. Er hat sich ja später sei
ner Macht und feiner List ge en mich
gerühmt Er hatte dem ruffi chrn Ge
sandten vorgefpiegelt, ich sei Mit
wifferin wichtiger politischer Geheim
nisse, und es liege dringender Verdacht
vor, ich werde dieselben ausplaudern
odezwverlauffenf »
-«- c- c
»Was geschah bei Ihrer Ankunft in
Rußland mit Jhnen.«
»Ich durfte meine Wohnung in Pr
tershurg wieder beziehen, wurde setz-er
unter scharfe Polizei-aussieht gestellt."
»Hm denn Ihr Mann auch von dem
mißlungenen Morvversuch und seinen
Folgen gesprochen?«
»Nicht viel ich errieth aber das Fels
lende aus ein paar Zeilen be: Ban
quiersfrau an Mario. Nachdean mein
Demut-, wie sie es nannten, nur durch
einen glücklichen Zufall verhindert
worden, fühlten sich die Verhündeten
nicht mehr sicher. Jn wenig Tagen
lonnte alles heraus, MichaelaS Ver
gangenheit enthüllt sein, denn daß
der betrogene Ehe-naan nunmehr cille
gebel in Bewegung setzen würde, dir
ache aus den Grund zu kommen,
ließ sich denken. Noch mehr fürchtete
man feinen Freund« herrn Doktor
Kains. Wenn noch etwas aus dem
Schiffbruch gerettet werden sollte,
mußte auf her Stelle ein Entschluß ge
saßt werden. Die Krankheit bes
Herrn Hartwig zeigte von selbst den
einzuschlagenhen Weg Wenn der
Unglückliche starb, so blieb Michaelu
die Erhin des dritten Theiles seines
Vermögens-, einer vollen Million! Eine
Verwechslung her Medilennenie war
ja leicht möglich, nnd da sie sich als
Morphinistin vor aller lt bloßstell
te, was machte das einer Person a s,
hie an das Auftreten vor eineni grasen
Publikum so gewöhnt war?
Alles ssFol ende, meine Herren, ist
säumt he ekannt als mic. Der
ordversueh mlsgtilckte Michel-la
lengnete standhaft Iehe Ssinlh Sie
mußte es thun wollte sie nicht alles
verloren eben. Ynfnngi waren beide
keneighch chrnit einer halb-we II erheh
ichs- Absanvifninme zu egnilg g.en
Die Mernng. eins die Scheidnngii
vorschlsge des Herrn etwiä einzu
gehen war nur eins anövek
Inn ein-e Mgröätrecntschcdignng heraus
Mewess en ltjetschdiesym ihlen
Mdee ver
Wiss-Indien beilt her
danten u sammeln. Der Borsisende
J beeilte Ich, ihr wieder ein Stichwort
lich.«
Wlt die Untersucht
heiItlvlseu out- W
ndeten, es auf den Proces ankom
men zu la en. Blieb ihnen »der Sieg.
so wurde, alkulirte mein Mann, Herr
rttoig»« lieber einen beträchtlichen
heil seinesttterinsgens o fee-, als
der iwuäge wungenen rau ihre
lkU wieder einräumen.
» weiß, ob diese Annahme nicht
bestaiigt hätte, der Prozeß don
Michaela gen-on worden ware. Und
beinahe. so hörte ich, wöre dies der
Fall gewesen«
Die jun e Frau schwieg, nicht so
wohl aus rsiidung als urn ihre Ge
zu eben.
« st Jhnen bekannt, ob Jhr Mann
während des Prozesses in Berlin
wart«
»Nein.« -
.Oder in London?'
»Nein, doch ist beides wohl msgs
»Eine Zeu in will ihn denselben
Tag, an wel ern sein Brief aus Lon
J don eintraf, hier im Gerichtssaal be
« merkt haben."
»Wenn möglich. den Brief lann ia
jemand anders in seinem Austrag ab
gesandt haben.«
»Wann haben Sie ihn zuleht ge
scheut«
»Vor vierzehn Ta en.«
»F Yeteröburgi
., ie sind uns noch die näheren Um
stände der Rettung des rrn Doktor
Kainz schuldig. Fühlen ie sich frisch
genug, uns hierüber noch Auskunft zu
erthetlen?« -
Die Dame bejahte eifrig. »Ich bin
nicht im geringsten angegriffen, mein
Here.« Der Vorsitzende ließ ihr
nichlsdestoweni er einen Stuhl brin
en, auf dem sie Platz nahm« woraus
te von Neuem begann:
»Zwischen meinem Mann und Mi
i aela war es ausgemacht, dasz sie ihn
als Zeuge vorzuschlagen habe. Ebenso
ausgemacht war es, daß er der Vor
ladung unter teinen Umständen Folge
leisten diirfe und könne« Daher verließ
er Berlin und kam nach Pelersburg.
Jch empfing ihn. wie man sich denten
kann, trotzig und verächtlich. Er spar
te leine Ueberredung, mich zu beruhi
gen, denn er stirchtete mich. Treuherzig
legte er mir eine förmliche Beichte ab,
er verbarg mir nichts, so dasz ich jetzt
in der glücklichen Lage din, mancherlei
zu bekunden, was ich sonst nicht ersah
ren hätte. Der Elendes Er hatte aum
nicht nöthig, mir etwas zu verbergen,
denn seine Absicht ging darauf aus,
mich zu beseitigen. Meine Reise nach
Berlin hatte ihm ge eigt, wessen ich
fähig war. Eines - ages brachte er
mir im Kassee Gift bei oder, vielmehr
er wollte is thun --— sein zärtliche-We
gn slöszte mir aber schon seit einigen
« agen Verdacht ein, ich war auf mei
. ner Hut, klagte, als ich taum an den
Gebrau genippt und dessen abscheuli:
3 chen Geschmack verspürt, über plötzli
. sonst-.
ches Unwohlsein und irant den Kaiser
nicht. Nachher sah ich, daß er das
Getränt sorgfältig weggoß. «etzt war
es vorbei mit dem letzten Net meiner
Neigung für ihn. Der Schurte sollte
mir büßen! Ich wußte, wo er sein l
Taschenbuch verbarg, obgleich ich mich ?
stellte, alg hätte ich reine Ahnung da- ]
von. Jn der nächsten Nacht nahm ich
es ihm fort und entfloh damit· Schon
der nächste Morgen sah mich in der
Privatwodnung des Polizeipriisiden-"
ten, dem ich an der Hand der mir durch
das Buch und seinen Inhalt geliefer- ;
ten Beweise die ganze Nichtgiviirdig-J
teil deg Elenden offenbarte." s
»Und wag geschah aus Jhre Denun- »
ziation?«
»Der Herr Polizeipriisident, ' der
mich erst gar nicht hatte empfangen
wollen« versitgte die sofortige Verhaf
tung des Verräther-L Jch füge gleich
hinzu: umsonst, denn er hatte sich,
aus dem Verlust feines Taschenbucheo
nnd meinem Berschwinden aus meine
Absicht schließend, bereits aus dem
Staube gemacht.«
,,Entbielt denn das Taschenbuch die
Beweise siir alle seine Verbrechen?
Dann wäre es thöricht genug von ihm
gewesen, dieselben aufzubewahren«t.«
»Nicht doch, Herr Richter. Nur ei
nige Briefe, von denen er sieh aus e
wissen Gründen nicht trennen mostg
weil er sich derselben zu neuen r
pressungeversuchen bedienen zu können
glaubte. Da sich aber zwei seiner Ver
räthereien dadurckf belegen ließen,
schenlte der Prä ident auch meinen
übrigen Angaben Glauben. Dabei
hatte ich noch von den wenigsten Vor
kommnissen Kenntniß-«
»Und auch ein paar Brief-e der Frau
Hartwig befanden sich in der Brief
h-— m—-..L-.2I- L
,,Deei Miete ver Inawmgia, ka,
mein Herr. Drei Beiese äußerst gea
vieenden Inhalt-, die et wahrscheinlich
aufgehoben um ein Mittel zu haben,
seinen Einfluß über sie zu -behaupten,
wenn sie atg reiche Ervin vielleicht ver
suchen sollte, sich Diesem zu entziehen.
Einer der Briefe, nur aus weni eit
Zeilen bestehend, enthielt die Miit ei
lung von vee Hand der Frau Hart
wig, wie sie soeben in Erfahrung gez
bracht, sei Doktor Kainz, der hart
näckige Spiishund, eigene zu dem
Zweck nach Peteesbur und Rußlaetd
gereist, um Sophia 5 assitosf —- also
meine Wenigkeit ——- aufzufinden. Ek.
Mario. mii e Schritte thun, die dro
hende Geist r , abzuwenden Dieser
Brief war icheelich vie Ursache seiner
eascheniAbteise aus Berlin. Jch wußte
nichts von dem Schreiben, daher war
ich höchst überrascht-als der Präsi
dent, nachdem ee et gelesen, ausrief
M
»Nein Zwei el. er bat ibn ermordet —
Doitvr Kein wird seit einingan
vermißt, er i biet in etertburg ver
schwunden. Wissen ie nichts von
ibmi" Betroffen verneinte ich. »Wenn
wirklich ein Schurkenstreich an dein
Mann verübt worden ist,’ sagte ich,
ge ist sicherlich die Schenie des alten
regorowitsch der Plas, wo et ausge
hecit und vollbracht worden ist.’ So
sort ordnete der Präsident, nachdem ich
die Adresse des Lokals angegeben, eine
Haujsuchung an, bei welcher Doktor
Kainz zum Gliick noch lebend vorge
funden und befreit wurde. Der Herr
versprach mir eine ansehnliche Ent
schädigung sür meine Begleitung —
ich wäre ihm auch ohne das gesolgi,
denn es alt ja, meiner Feindin den
sicheren Sieg zu entreißen.« Das ist
alles, mein Herr, was ich zu ·sagen
habes«
stach den Borfauen der geiirigen
Tages hätte ich eine weitere Stei erung
der dramatischen Handlun nl t sur
möglich gehalten, und d trat sie
mit der eriiblung lder Russin heute
ein. Alle Anwesenden waren in fie
berhafter Aufregung Als die Zeugin
geendet. versammelten wir uns alle
am Richtertisch. um die Beweise u be
trachten. Der Vorsijende ent altete
die Briefe, sie waren weifellos von
der hand Michaelas. icht allein der
Kommissionöratb bestätigte es, fon
dern auch der Gerichtsdirektor selbst,
der die Schrift mit einer Eingabe von
ihrer Hand beiden Akten verglich.
Das erste reiben, in rusfischer
Sprache a efa t, schilderte das Ge
lingen des r ettes, indem es ihre
Verlobung und bevorste nde Heiratb
meldete. Der Dolmet cher überseyte
den Text —- mindefteni ergäib sich da
raus tlar und deutlich das orbanden-«
sein einer Verbindung zwischen Geni-l
balsln und Michaela, ja sogar, wenn
man zwischen den Zeilen las, die An-»
deutung einer gemeinsamen Aktion.
Nummer zwei, ebenfalls in rufsischer
Sprache. enthielt die Meldung von der
Reise des Doktor Kains. As werth
vollften erschien indessen der dritte
Brief, obwohl er kürzer war als die
anderen und in Chiffren abgefaßt war,
deren Entriitiifelung uns wobl nie
mals gelungen wäre, wenn nicht die
Rusfin den Schlüssel dazu geliefert
hätte.
Auf dein Zettel standen nämlich
nichts als Zahlen in unterbrochener
Reihe.
»Diese Zahlen,'« erlliirte Frau
Francini. »weisen aus bestimmte Buch
staben in dein ersten Band von Tot
ftojs »Krieg und Frieden« hin. Die
erfte»3ahl giebt die Seite, die zweite
"ie Zeile, die dritte den betreffenden
Buchstaben an. Wenn die dritte Zahl
unterstrichen ist« fo tomrnt ein ganzes
Wort des Buches in Fra e. Jn der
Regel neben aber drei Zahlen einen
Buchstaben an, das Ende eines Wortes
bezeichnet stets eine Null, die, wie Sie
sehen, sich des öfteren wiederbolt.«
,.Aber wie lautet der Brief?" fragte
der Vorsitzende.
Dotter Kainz legte ein Exemplar
des bezeichneten Werkes auf den THE-.
Das Schriftftiict wurde in wenigen
Minuten dechiffrirt. Der Vorsitzende
verlas mit lauter Stimme den Wort
laut: »Er lebt nochl Alles verloren,
wenn er mich durchscheut.« Jn der
Ecte stand noch, von Michaelas band
geschrieben, der Vermut: »Wer Robe
poft.« Lestere zwei Worte lieferten
den unwiderlegbaren Beweis der Au
torfchaft des verbrecherischen Weibe-.
Der Banauier brach in Schluchzen
aug, als das Schreiben verlesen wurde
— der Arme mußte sich in ein Neben
zimnier zurückziehen, der Gram über
wältigte ihn· -
Doktor Böbring betbeiligte sich mit
leiner Silbe mehr an der Verhand
lung. Stuinin hockte er an seinem-«
Tisch, wie geisiesabwesend in 'feinen
Alten blätternd. Für diese Sache gal
es teine Hoffnung mehr
»Nur noch einige Fragen,« sprach
der Vorsitzende, »und der uns so un
entwirrbar scheinende Knäuel ist e
löst. Frau Francini, vermögen "ie
uns die s ntentionen zu erklären, von
welchen br Mann bei den Beziehun
gen eleitet sein mag, die er hier zu
zegisiedenen Dornen unterhalten
»Der Elende! Er hat mich immer
betrogen!« grollte das jtznge Weib nnd
kamt-sie mit dem Fuß auf den Bo
en.
»So glauben Sie, daß nur die Mo
tive eines Don Juan nnd keine rein
materiellen Beweggrüns ihn geleitet
haben?«
»Herr Francini war eitel und nex
liebt wie ein Affe,« stieß sie halii her
vor. »Seine Eitelkeit und Genu sucht
wurde nur von seiner Habsucht über
troffen. Er pflegte gern das Ange
nehrne mit dem Nützlichen zu verbin
den. Wenn eins seiner Opfer etwa
beiaß, so wünschte er nicht leer auszu
gehen-«
»Ich verstehe —- er war auch in tie
fern Punkt wie in allen andern Betrü
ger.«
»Er beträgt die herzen wie die
Geldbeutel.«
»Sie wissen, daß er mit einer jun
»en und angelehenen Dame aus den
besten Kreisen Berlins ein durchaus
ers-dies Verhältnis angesponnen hat
te« « s
»Ach hörte es von Doltor Kainz «'«
» elche Ziele konnte er in diesem
Fall verfolgen ?'«
«Bielleichi dieselben, die er vor ei
ni en Jahren tnit einer andern vor
gbttnzn Dorne in Paris im Auge ge
«Uns weiss waren MU«
-Dc« MGM Geschöpf ließ sich
von ihm —- ent iihren. Sie nahm
eine bedeutende umme mit. Und mit
einer noch bedeutenderen ließ si herr
Francini seine Diskretion be ah en.«
.Wissen Sie, wo sieh Ihr ann ge
genwärtig aufhöltk« sra te der Ber
treter der Staatsanwalt chast.
»Nein, wie sollte ich?
Yie Zeugin zog sich zurück, Doktor
Keins trat nochmals an ihre Stelle.
»Ich habe nur noch wenige Worte
heanusngenf erklärte er ernst. »Mei
ne esreiung verdanke ich nächst der
Auslieserzzng der Dolurnente an den
Pole eiprasidenten von Petersburg
dur rau Francini der Energie des
Poliz leutnants Petowsktn Der wa
ckere Mann ruhte nicht, bis er alle
Winkel des verrufenen hauses durch
sorscht hatte. Die Helsershelter des
Abenteurers waren leider entflohen,
vermuthlich don diesem benachrichtigt.
Der Vorsitzende erhob sich: »Herr
Doktor, Sie haben wahrhaft Ueber-s
menschliches geleistet, sich arosze Vers s
dienste um die Enthüllung dieser röth- s
selhasten Begebenheit erworben. Jclz s
danke Jhnen im Namen des Gerichts s
und der Gerechtigkeit! Sie haben uns
i
davor bewahrt, einen traurigenNechtsi s
irrthum zu begehen. Wir freuen nis.
Sie gerettet und wohlbehalten vor uns «
u erblicken! Jrh schliegse nunmehr die s
etoeisausnahme von euem und er
theile dem Herrn Vertreter derStaats: «
anwgltschaft das Worts
anenor yorapner hor- rn wenigen»
Worten die in den wenigen Stunden ;
eingetretene totale Berwandlunk der
Sachlage hervor. «Vor ein paar tun
den waren wir alle von dem scheinba
ren Unglück dieser Frau geriihri, von
der Würde ihres Benehmens einge
nom«’«en, im Begriff-, einem unerhdr
ten Verbreaxn den Triumph zu ver-—
helfen! Jetzt ist alles in das Gegen
iherl vertehrt, Eis-It entrüstet, be
fehiirnt, möchte ich agen —- doeh wozu
bedarf es der nutzlosen Worte? An die-—
sen Beweifen ist nicht zu riitteln, die
Briefe bestätigen die Glaubwiirdigteit
der Frau Francini ebenso alo die Mit
theilungen des Dotter Kains, dessen
Glaubwiirdigteit außer jedem Zweier
steht. Das leitende Motiv der Zeugin
mag sein, welches es wolle: die That
fachen allein sind fiir uns maßgebend.
Sie, meine Herren Richter, haben
nichts weiter zu thun alsdie berechtig
ten Forderungen des Alagers zu erfül
len; mir als dem Wahrer des Staats:
interesses liegt es ob, unverzüglich
Maßreaeln zu ergreifen, das verdarbe
rifche Weib nebst ihrem Bundesgenos
ien der irdischen Sühne zu iiberlie—
fern.«
Auch ich beschränkte mich au weni
ge Sake. »Hier sprechen di hatsa
chen io laut, daß jede Bemerkung
überflüssig erscheint. Mir bliebe nicht-:
iibrig, als meinen Antrag zu wieder
holen, wenn mir die Entwicklung,
welche der allGeinLalsty genommen,
nicht die P licht auferlegte, noch über
den Rahmen unsrer ursprünglich-en
Forderung hinauszugehen Die Ge
rechtigkeit verlangi, dieser Nichts-dürs
digen jeden, auch den lrnten Ansprnhp
der sich an das heilige Boot-»der Ehe
lniipit, der selbst bei der Auflösung
dieses Bandes- nrsch zurückbleibt, zu
entziehen »s— ich beantraae nicht mehr
die einfache Scheidung der Ehe, fun
dern deren Unaiiltinteitgserti;i-.una,
neil Herr Hart-via durch einen tim
ten Betrug zur Eingebung der Ver
bindung bewogen worden iit und die
Tendenzder Ehe seitens der Betrü
gerin lediglich auf umnoralifche Zwe
cke erichtei war.«'
« ottor Währan erklärte, er toisse
nach rein Eegebniß der letzten Stun
den nichts mehr zu Gunsten seiner
Klieniin u sagen. Der Gerichtshof
rnö e eni cheicrn. wies er wolle und
mii e. ,
Der Gerichtshof zog sich zur Bera
ihung zurück. Sie währte nicht Las
ge, taum eine halbe Stunde. Während
der Frist ging »ich hinaus zu demBam
quier, den Doktor Kainz vergebens
auszurschten ind zu irr-ruhigen suchte
Das zu erwartende Urtheil bot ihm
leine Genugthuung für feine riesen
wundete Seele. Die Entscheidung
war so, wie wir alle erwarten darf-«
ten: Der Gerichtshof sprach die Un
qiiltigieii der Ehe des Commissons
raihs Arthur Darin-in mit Michaela
Rawinsta aus. Alle Kosten der-Ver
« fahrenz fielen ihr zur Last . . .
-
Schluß der Erzählung des
Doktor Kninz.
Das ausführlich Manustript des
Hzrrn Justizraths Dotiog Weber
überhebt mich der Mühe, die einzelnen
darin niedergeiegten Beqebenneiten
noch weiter zu ergänzen. Jch habe mir
noch nöthia, die Folgen des Genia
tioneproceftes zu schildern, dessen Ent
wicklung wir in diesen Blättern den
Lesern vorsijhrtem
Pf Urtheil wurde noch am selben
Aben von den Zeitungen durch Ex
itablötter bekannt gegeben. Die Be
richte-steiler hatten zwar den Vet
handlungen der entscheidenden Perso
de nicht beigewohnt, sie nnilogerten
aber, von ahlieicyen Neugierigen um
geben, mä send des ganzen Abends
das Justiz·edäude, nnt Ungeduld M
Ende des Es rocesseg und die bei der
Urtheilsvcrtiintignng zu erwartende
Wiederherstellung der Oeffentlichteit
betbeifehnentn Was sie vernahmen,
war nichts als die einfache Entschei
dnn , die Urtheilsgrilnde drängte der
Ver ttzende in wenigen, den Thatbes
fand kaum beeiihkenden Worten zu
anmen. O» so —
Mein Freund til-erlebte den Proceß
als ein geistig und leiblich gebroche
ner Mann. Bergen Auftegun ,
Schar-h Mitleid, Krankheit hatten sei
W
ne Krtisie nahe-e sein Ies st
ausgebend got-eß Iris ein- In
dern in d e nsamtett etser cilla
yriich immer dan der IIM der
"ngntßdose skoichiire ds· Disti
rings neu merkten urcht sesngsti ,
Michaela sei doch d etletcht nur e n
Opfer Amsel-tot Stundenlang saß
ich bei ihm, um ilnn der tdiirichte Jdee
auszureden: unter dem Gewicht mei
ner Gritnde deschrdichiigte er sich u
sehends, sobald ich idn aber derla en,
lam die s e Idee don neuem iider ihn,
den Rest eines gedrechenen Lebens
wie ein spenst beschauend Jun
gards aufapsernde Pflege rerniochte
nichts über den bösen Geist dieser da
monilchen Fran, der ihn seldlt nach
ihrem Verschwinden dradmd um
schwebte.
Was mich selbst betrifft,» a war
noch ein gesahrliches Nervenrtr.er die
Folge meiner Leiden in dem Keller
M Hasenschenlr. Meine gute Natur
trug den Sieg davon, und die aus
Petcråbur eintreffende Nachricht vsn
der Verha tung nnd Verbannung je
ner beiden Spicbubem des sämtli
schen Wirths und seines rohen
Knechts, trug nicht wenig u meiner
Wiederherstellung bei. ie dir
Schurlen estanden, war es schon vor
her beschl ene Sache, mich in die
E Schenie zu locken. und der liellerranm
war eigens siir meine Aufnahme in
den Stand geseßt worden. Man trug
" sich erst mit der Absicht, mich aus dem
Wege zu schaffen, der seiqe Adenleurer
reraosz jedoch nicht gern Blut, wenn
er sein Ziel ani andere Weise zu er
reichen im Stande war.
· I
.- »t- ----As.... --
MU
. .---«L--J -
Lucia-une- qauk II Ists gen-equ- k
kolteey noch am lelben Abend Wan
zu verlassen; nie die polizeitichen Re
cherchen ergeben, in Begleitung eines
Mannes in Asbeitertleivuna, der nach
: der Beschreibung niemand als Gem
. balsty sein konnte. Die Berbrecherin
» durfte ja nichts mehr von ihrem be
trogenen Gatten verlangen· das Ur
» theil sprach ihn jeder Verpflichtung
los und ledig, fte behielt nicht einmal
feinen Namen.
Sophia Wassiloss lehrte mit einem
cniehnltchen Geschenk nach Peter-barg
J zurück — weiter weiß ich über-ihre
feineren Schicksale nichts in sagen.
. Die rathe Kätixe verließ bald nachher
Berlin, um sich auswarts ihren Un
. terhalt zu verdienen. Als ich sie zum
leisten-nat sah, starrte ans ilxren Zü
I gen eine sinftere Entschlossenheii« die
nichts Gutes bedeutete · .. Berlin sei
ihr zuwider, gal) sie ais Grund ihres
. Viehabens an. ’T-er PolizeileUlnant
Peromåtv empfing ein in einer statt
Y lichen Hat-l von Goldsiichfcn bestehen
« des Ge chenh to daß er wahrlich nicht
Anlaß hatte, sich über die Freigebig
- leit seines Schützitngs zu« beklagen.
Meine liebe « rmgard -—— um anch sie
nicht zu verge en -——- isi seit Jahren
aliictttch an der Seite eines warteten
Mannes, eben jenes Assessorä Härch
. net, der als der Vertreter der Staats
anmltfchast in dem unheilvolle-r Pro
ceiz amtirle.
Was ist aus Michaela nnd Doktor
Gccnbalsty geworden? Vor wenigen
Tagen ührte mir der Zufall eine aus
Paris datirte Zeitungsnotiz vor Au
qen, Deren Inhalt an meiner Stelle
I sprechen mag:
-.
»Pari«3, 9· Juli 1898. In den
Räumen eines Case chantani in der
Ist-ne ver. . spielte sich gestern ein blu
tigesx Drania ab. Aus dein Poiziiim
natu- eine neii engaairte Sänger-ie
iiltictiast Platz genommen, bestehend
ans rein Direttor. einem Italiener,
icirir muthmaßtietienfkraa einer Per
son im isllter von etwa viezig » ahreii.
viren verlebtexz i ficht die ASpuren
früherer großer Ochsnheit nicht ver
tei.,c.iiei, nnd eini en Kiinitlerspezias
litäteii iectiith . anges, wie sie nur
noch an solchem Platze mit einiger
Aussicht ans Erfolg zu wirken vertan-«
gen. Eben war die ,",Frau Mieter-ein«
in einein Soleoorirag begriffen, mo
ii Ver «Diiettor" vie Begleitung
ipietie, als plötztich eine der Keltnei
rinnen des- Lotals, unter ihren Colle
gen unter dem Namen »der deutsche
Ratntopf« betriiint,s ein sonst stilles,
niir siir sich selbst unb mit sich selbst
lebenbes Mädchen, von der Seite auf
den Klavierspieler ziistiirzte nnd ans
einein verborgen gehaltenen Revotoer
mehrere Schiisse auf seine Brust ab
seuerte. Noch ehe man es verhindern
tonnte, richtete sie die Masse gegen
die eigene Brust iinv brachte sieh eine
lebensgesiihrliche Verletzung bei. Dei
Direttor der Söngergeseklschaft ver
schied nach wenigen Minuten. Die
Mörder-in, deren Name nach ihmle
gube Katharina Friedrich lautet, wnrs
be in das nächste Hast-ital gebracht·
An ihrer Rettung ist nicht zu akuten
Ueber ihre Vergangenheit und das
Mctiv der gräsiticben That vertoeiriert
sie hartnäckig jede Auztunit, mein
vermuthet eine weil inriietlie ende
Liebesasiaire, denn die zunächst-Wen
rkn Zuschauer wollten, ehe sie abbriicks
te. aus ihrem Mund den Ruf rek
noinnien aben: »Dort-or Gembaistg
i bin öthe Friedrich!« Von der
« rau Direttorin« ist leider auch tei
nerlei Aiisinnft zu erlangen, Iie
scheint lein reines Gewissen zu haben
und ist einer etwaigen Vernehmung
tr.ech die rasche Abreise aus Paris
ausgekoichein Jhre Geno innen s«
tannten sie nur unter dein s amen
Wally, sie behaupten indessen, das sei
nisr ein Kitiistlername gewesen, denn
eininal habe ihr »Mann« ihr, als sie
in eisersaelktiger Wirth ans ihn ringe
drmigen sei, drohend vie Worte zuge
rusem Michael-h du weißt-« Da set
sie erblaßt und hat-»sich still auf ihren
Stuhl e eßtf «
Das alles,«tpas ich weißt
LIMJ