Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 15, 1900, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Sonntags-— Matt
bWiIgCI Wiesng mierclls 0«I(l
HWJ P. Windolph, Herausgehen
Grund Island, Nebr» den 15. Juni 1900.
Jahrgang 20. No. 41.
—
»OWIIZDW
Kunst, Wissenschaft nnd
Gewerbe.
Wiesen«-MEDwa
Was wiegt die Erde?
Von Tr. B. Borchardt.
Gewaltige, furchtbare Massen sind
ess, mit denen unsere Techniter buntf
ren. Was wollen die ungeheuren, in
den majestätischen Pyramiden auf
einander gethürmten Steinmassen be
frgen g eniiber den enormen, gerade
zu unfa baten Eisenmassen, die in den
modernen Riefenbauten zusammenge
fügt werden. Zu dem großen Riesen
fernrobr, das im Treptower Pakt steht,
sind etwa 2500 Centner Eisen verbaut
worden; zu dem Eisscltbnrm wurden
etwa 9000 Doppeltentner verbraucht.
Und nicht nur solche Ausnabmsbautem
srntern selbst die Werte, die fast täg
lich gebaut werden, und zu bunderten
und tausenden überall vorhanden sind,
wie z. B. die Lotomotiven und Eisen
btxbnziige oder gar die gewaltigen
Schiffslolosse. die dasWeltmeer durch
ziehen, zählen in ihrem Gewicht nach
tausenden und selbst zehntausenden von
Centnerm ·
Alle diese Eisenmassen werden dem
Leibe unserer Mutter Erde entnommen
und gehören fortdauernd zu ihr; selbst
die aufsteigenden Ballons mit Allem,
wag see in die Höhe führen, sind auch
nicht eine Setunde lang von der Erde.
wrnn man sie einbeitlich auffaßt, ge
trennt, sondern bilden einen dauernd
—-...-..-.. -.. —-q. «,.-— -..-...--— ....«. ——...—-—
Its I. Aste-kann sei sendetö durch
die stam- eineo V rned--setsuo am
chcysllten m Impuls-IT
zu ihr gehörigen Bestandtheil. Was
mag also wohl die gefammte Erde wie
gen? Geht das nicht in die Millionen
und Milliarden oder aar in die Pisto
nen von Centnern, oder lommt man
selbst zu noch größeren «,ahlenc7 Ja,
ist man denn überhaupt im Stande.
eine Rechnung hierüber anzustellen?
Und wenn dies der Fall ist. auf wel
chen Grundlagen beruht sie, welche
Sicherheit kommt ihnen und mithin
ihren Resultaten zu-!
Its. V- trennt-ne von case-stil- sue
Demut-name pes- Erst-mer«
Wir wollen versuchen, auf diese
Fragen eine Antwort zu geben.
r’unii(k)st müssen wir jedoch betonen,
das die Frage in der gestellten Form
nicht ganz korrekt ist. Gewicht ist keine
Eigenschaft, die einem Körper als eine
unveränderliche zukommt, unabhängig
von seiner Umgebung und von jeder
Beziehung auf andere Körper. Der
Druck, den ein Körper auf seine Unter
lage ausübt, oder der Zug, mit dem er
an seiner Aushiingung wirkt, ist sein
Gewicht, und man kann sich leicht über
ze1:gen, daß dieses Gewicht veränderlich
ist« Nehmen wir 3.B. eine Küchen
w:ge, bei der das Gewicht durch dir
Zusammenpressung einer Feder anqes
zeigt wird, und begleiten wir Nansen
aus seiner Nordvolsahrt, so wiirdru
wir merken, falls die Feder empfindlich
- enun ist, das; sie von demselbenZuckep
ui oder derselben Konservenbiichse et
was mehr zusammen gedrückt wird.
als ei in Berlin der Fall war. Reisen
Mk Ist-Ich Fisch Süden, nach Aegypten
z. B» so wurde dieselbe Wage uns siir
jedes Kilo ein um 2bts 3 Gramm ge
ringeres»Gewicht. anzei en. Enthält
denn die Konservenbii se oder der
Zuckerhut in Kairo weniger Einge
machtes und weniger Zucker als in Ber- «
lin? Keineswegs, denn wir haben ja
alles mitgenommen und während der
Reise unversehrt gelassen. Es befindet
steh in Kairo nur unter anderen Ver
hältnissen, als in Berlin, und wiegt »
deshalb dort weniger als hier. Auf .
dem Monde würde jedes Ktlo sogar
nur den 5.Theil, auf der Sonne da
gegen NQ rnal so viel wiegen, als bei
uns.
Fragt man also nach dem Gewicht
der Erde, so kann das nur den Sinn
haben, daß man unbewußt voraussetzt,
die gesammte Masse der Erde wäre
wiegbar, sie wäre, wie alles andere,
was uns umgiebt, der Einwirkung der
Erde unterworfen und iibte daher einen
Druck auf ihre Unterlage und einen
Zug an der Aushiingung des Wage
balkens aus. Das ist natürlich nicht
der Fall. Jm Grunde interessirt uns
dieses Gewicht auch gar nicht, ebenso
nsenig wie bei anderen Körpern. Wenn
trir Butter-, Zucker oder andere Dinge
laufen, so wollen wir wissen, tvie viel
Masse darin ist; weil wir die Massen
auf der Erde am bequemsten durch ihr
Gewicht vergleichen, haben wir uns
vielfach daran gewöhnt, zwischen Masse
nnd Gewicht eines Körpers keinen Un
terschied zu machen, und denken bei der
Angabe eines Kilo weit mehr an seine
Schwere als an seinen materiellen Jn
lxalt Bei der Erde alsJ Ganzes hat
dasj- Erstere keinen Sinn, und wir ba
ben im Grunde also zu fragen: Wie
viel Kilogramm enthält die gesammte
Masse der Erde?
Fast zur Hälfte besteht unsere All
mutter Erde aus Sauerstoff, ein Vier
tel ist das tieselbildende Silicium, und
das letzte Viertel wird von zahlreichen
Metallen gebildet, wobei das silber
glänzende Aluminium und das nütz
liche Eisen in erster Linie stehen. Nun
tennt man doch die Dichteund Masse
all’ dieser Stoffe, weiter lcnnt man
auch lziemlich genau die Form und den
Yiauminhalt der Erde; mithin sollte
man doch leicht berechnen können, trie
riel Masse auf jeden dieser Stoffe »und
mithin aus die ganze Erde entfällt.
Aber so einfach und leicht ist dieAufi
gabe nicht. Diese Bestandtheile beziehen
scch nur auf die unZ bekannte « harte
iltinde der Erde, während die des
gliihenden Inneren sich völlig unserer
Fienntniß entziehen. Nach einem an
deren Wege mus-, also geforscht werden,
wenn une- die Beantwortung der Frage »
gelingen soll. s
Die Bewegungen der Himmelstorper i
haben uns gelehrt, daß alle Körper ini
Weltenraum sich gegenseitig an, ieben,
ja, die Schwere der irdischen örper
ist nur ein besonderer Fall dieser all
gemeinen Anziehung, die um so größer
ist, je größer die in Betracht kommen
den Massen sind, und in verstärkter-n
Maße geringer, je weiter sie von einan
der entfernt sind. Bei doppelter Ent
fernung wirken die Massen nur noch
mit dem 4· Theil der Straft aus einan
der, bei dreifacher Entfernung ist di:
Anzielzung auf den Z mal It oder it
Theil gesunterr, bei zeimfacher Entfer
nung auf den 10 mal Woher Wu.
Theil u· s.f. Nun wissen wir dort-.
irie schwer irgend eine Masse, z.B. 1
stilo oder i Gramm, an der Oberfläche
der Erde ist; die Erde können wir uns
dabei alg eine Kugel vorstellen, die ge
nau so wirtt, alo ob ihre ganze Masse
in: Mittelpunkt vereinigt wäre, und die
Wirkung dieser ungeheuren Masse auf
ihrer Oberfläche, also in der Entfer
uung ihres Radius von 6878 Kilo
metern ist noch so groß, daß ein von
rbr angezogencs Stilo eine Feder mit
einer bestimmten Kraft zufammen
drückt. Am einfachsten mißt man diese
Kraft durch das Produtt aus der an
gezogenen Masse und die Geschwindig
keit, die sie beim Fallen gegen die Erde
in jeder Sekunde bekommt, in mittle
ren Breiten etwa 9,81 Meter in jeder
Setnnde.
Könnten wir nun auf irgend eine
Weise die Kraft ermitteln, mit der ir
gend eine bekannte Masse, etwa ein
schwerer Bleitloß von 1000 Kilo, einen
Körper anzieht, so wäre leicht zu be
rechnen, wieviel von dieser Kraft noch
in einer Entfernun von 65378 Kilo
metern (dem Halbme er der Erde) vor
banden wäre. So viel mal, als die
bekannte Wirkung der Erde die Wir
kung jenes Bleitloßes in dieser Entfer
nun iiberträfe, so oft würde auch die
Ma e derErde die desBleikloßes über
treffen miiffen. Die ganze Aufgabe
kommt also lediglich darauf hinaus,
die Anziehnna einer bekannten Masse
aus irgend eine kleine bekannte Masse
zu ermitteln.
Das ist nun freilich nicht so leicht ge
tlicn, als gesagt. Die gegenseitige Ein
wirkung der Massen kommt auf der
Erde nicht recht zur Geltung, weil die
Einwirkung der Erde, die Schwere
clles andere überwiegt und alle Körper
gleichmäßig herniederzieht
Der erste, der sich an die Bewälti
Fig. :I. Wage zur Bestimmung ver Etvfchrveke —Mifn noch ein Onndkrtnhlliontrl
der Belastung mit Sich-them "
sung der Aufgabe heranwagte, war der
englische Astronom Maskelhne, der
JUI als Direktor der Grecnwirber
Sternwarte starb. Fast 40 Jahre
friäher, 1774, wurden die hier zu er
wähnenden Messungen von ihm ausge
führt. Er sagte sich, daß ein gewalti
ger Berg wohl im Stande sein müßte,f
eine Einwirkung auf ein frei herab
hangendeå Pendel auszuüben und Die
ser-s von seiner gewöhnlichen, nach dem
Ijiittelpunlt der Erde gewendeten Nich
tung abzulenlem Unsere Figur 1
zeigt, allerdings nur schematisch, den
Berg Shehallien in Schottland, lsei
welchem Maskelyne arbeitete. Die Li
nien a und i) deuten die Richtung an,
die man gewöhnlich als Lotlinie bei
zeichnet, und die am einfachsten durch
die Richtung eines frei herabhängenden
Lenz-gefunden wird. Mastelhne be
stimmte sie in umständlicherer Weise
durch astronomische Messungen. Ein
freiv heralsbängendes Pendel zeigte von
dieser Richtung, wie unsere Figur an
deutet, auf jeder Seite des Berges eine
geringe Abweichung, die nur der Ein
lrirlung des Berges zugeschrieben wer
den kann. Aus der Größe dieser Abs
weichung ergiebt sich die Anziehunxpzi
traft des Berges; feine Masse kann be
rechnet werden, wenn man seine Form
isnd Dimensionen sowie das Material
kennt, aus dem er besteht. Die hierzu
nöthigen Messungen ergaben für eine
leiasse einen einigermaßen genauen
Werth, worauf die gesuchte Masse der
Erde in der vorher angedeuteten Weise
ermittelt wurde. Die ungeheure Zahl
die sich für sie ergiebt, wird gewöhnlich
nicht angeführt; inan dividirt sie viel
mehr durch den Rauminhalt der Erde,
1083 Trillionen Kubilmeter, und er
hiilt so die Masse, die im Durchschnitt
auf jeden Liter in der Erde kommt.
Für diese mittlere Dichtigkeit der Erde
fand Maslelhne das überrascheude Res
snltat 4,71« d. h. jeder Liter enthält
durchschnittlich fast fünfmal so viel
Masse als ein Liter Wasser, also 4, 71
Fiilogramm.
Dies Resultat war um so über
raschender, alJ die festen Theile der
Erdrinde imDurchschnitt kaum halb so
dicht sind; .e- ist daher nicht zu ver-— .
wundern, daß Messungen der Erd
dichte nach anderen Methoden versucht
wurden,zurn-1l ja der erhaltene Werth
nicht als sehr genau angesehen werden
konnte: denn die Masse des Berges
war doch immerhin in mancher Hin
sicht nur schätzungsweise bekannt. Von
den verschiedenen Methoden, die n:«og
lich waren und auch eingeschlagen wur
den, versprach eine direkte Wägung,
; wenn sie möglich wäre, den besten Er
» folg Wie aber sollte eine Wage ein
J gerichtet werden, um dein gewünschten
i
i
Zweck zu geniiaen?
Eine gewöhnliche Wage schien, auf
den ersten Blick wenigstens-, in keiner
Weise geeignet, den Einfluß einer grö
ßeren Masse aus eine kleine festzustel
len, da auf beide Waaeschalen stets in
qleicher Weise gewirkt wird. Es
I mußte deshalb ein ganz besonderer
Apparat ersonnen werden, die sog.
Drehwaae die in pziqur » dargestellt
ist. An einem horizontalen Arm K l
l hängt an einem feinen Seidensaden li
IT ein sehr leichter horizontalerStab is,
an dessen Enden die Stiicke l), kleine
Bleikugeln, befestigt sind; in der Fi
aur ist nur die rechts befindliche sicht
bar, während dir linke durch die davor
stehende große Kugel W verdeckt wird.
Um einen solchen Stab in der horizon
talen Ebene zu drehen, ist nur eine
äußerst aeringe Kraft nöthig; denn
hierbei ist in keiner Weise gegen die
Schwere zu arbeiten, sondern lediglich
der sehr geringe Widerstand des Sei
densatsens, der dabei eine Torsion oder
Drillunq erfährt, zu überwinden.
Werden nun auf der drehbaren Platte
T zwei möglichst große und schwere
Massen« die großen Bleikugeln W,
l
Its. 4 Isolieru- Döseraum pur Bestimmung dcr Erdwvenu
nahe an die kleinen Massen d gebracht,
jedoch an verschiedenen Seiten, die eine
vor, die andere hinter dieselben, so ge
nügt die geringe Anziehung zwischen
den Massen W und b doch, um die
Drehwage aus ihrer Gleichgewichts
lage zu bringen. Sie wird sich lang
sam gegen die großen Kugeln W hin
drehen, bis der Widerstand des ge
drillten Seidenfadens die Weiterbewe
gung hindert, dann wird sie sich lang
fam zurückdrehen und nach mehreren
Schwingungen, von denen jede meh
rere Minuten in Anspruch nimmt,
bleibt sie in einer von der anfänglichen
etwas verschiedenen Lage Ein Ruhe.
Aus der Abweichung von der ur
sprünglichen Lage läßt sich die wirken
de Kraft berechnen, und aus dieser
wiederum in der früher angedeuteten
Weise die Kraft, welche die bekannten
W in einer dem Erdradius gleichen
Entfernung ausüben, woraus sich
dann leicht die Masse und mittlere
Dichte der Erde bestimmen lassen.
Zum erstemnale wurde die Dreh
wage in der hier geschilderten Weise
im Jahre 1798 von Lord Cabendish
(17·'J!.s—1810) benutzt. Dieser Son
derlina, welcher jeden gesellschaftlichen
Verkehr scheu und ängstlich meidend in
qröfzter Zurückgezogenheit lebte, ist in z
der Geschichte der Chemie be- :
kanntlich durch eine Reihe bahnbre
wendet Arbeiter bekannt. Er war ei«
auch, der die 40 Jahre zuvor ton-:
ftruirte Dreht-sage zur Bestimmung
der Massenanziehung und der Dichte
der Erde anwandte. Für die letztere
fand er einen nicht unerheblich größe
ren Werth als Mastelhne, nämlich
5,45, und und eine Reihe zahlreicher
Bestimmungen, die später nach dersel
ben Methode ausgeführt wurden,
führten wesentlich zu demselben Re
sultat, so daß man als ziemlich sicher
annehmen kann, daß ein Liter Erd
masse im Durchschnitt 5z Kilo enthält.
Die verfeinerten Meßinstrumente
nnd Meßmethoden der neuesten Zeit
ließen es jedoch möglich und wün
schenswerth erscheinen, diese Größe
mit einer größeren Genauigkeit zu er
halten; speziell die Wage ist zu einem
so scharfen Präzisionsinstrument ge
worden, daß eine Anwendung dersel
ben ein autes Resultat versprach.»
Wie wichtig dasselbe für die Astro
nomie zum Beispiel ist, erhellt unter
anderm daraus, daß die Masse der
Erde die Einheit ist, nach welcher die
Massen der anderen Planeten und der
Sonne bestimmt werden. Auch ge
winnen diese Messungen dadurch noch
ein besonderes Interesse, daß sie die
Bestimmung der sog. Gravitationss
konstante gestatten, d. i. der Kraft, mit
welcher zwei Kilogrammstiicke in der
Entfernuna eines Centimeter aufein:
ander wirken. Diese Größe geht als
konstanter Faktor in das Newton’sd«-e
Gesetz der allgemeinen ’)Jtassenan«3iel«1-1
unq ein, und die getraue Kenntnis-,
ihre-:- Wertlsez gestattet erst eine ge
naue Angabe der timfltoirkuna zwi
schen den Gestirnein
Von den verschiedenen Versuchen,l
l
t
t
die in dieser Richtung angestellt sind,
wollen wir nur einen erwähnen, der in »
sjiingster Zeit zum Abschluß gekommen r
ist und sehr sichere Resultate geliefert
hat. Das Prinzip desselben ist von
verbliisfender Einfachheit. Man denke
sich eine sog. Doppelwage, d. i. eine
Wage, an deren Schalen noch je eine
Schale hängt, und zwar mittels einer
Stanae von etwas mehr als zwei Me
ter Länge. Legt man zwei genau
aleiche Massenstücke von je ein Kilo auf
die beiden oberen oder aus die beiden
unteren Schalen, so wird die Wage iin
Gleichgewicht bleiben. Belastet man
jedoch eine obere und die nicht entspre
chende untere Schale, so wird sich eine »
kleine Differenz ergeben, weil das oben .
befindliche Kilostiick weiter vom Mit- :
telpunkt der Erde entfernt und daher J
leichter ist, als das unten befindliche; :
doch ist dieDifferenz eine außerordent- H
lich kleine und nur mit einer sehr ein- I
pfindlichen Wage nachweisbar.
Bringt man nun zwischen die obe
ren und unteren Schalen eine schwere
Masse, so vermehrt sie durch ihre An
ziehung das Gewicht des iiber ihr be
findlichen Kilostückes, und vermindert
in gleicher Weise das des unt-er ihr be
findlichen Stückes. Wenn also das
eine auf einer oberen, das andere auf
einer unteren Schale liegt, so zeigen sie
jetzt eine andere Differenz als- vor!)er,
und diese, mit der früheren kombiniert,
erlaubt die Anziehunq der schweren
Masse auf die Kilostiicke zu berechnen.
Im Jahre 1884 wurde der Aufbau
zu Messungen dieser Art in Spandau
begonnen, und erst im Septemberlstts
konnte ein ausführlicher Bericht iiber
die Beobachtungen und Resultate von
der Kal. Alademie der Wissenschaften
in Berlin mitgetheilt werden. Daß
die Arbeiten mehr als 13 Jahre in
Anspruch nahmen, wird manchem
M
wunderbar erscheinen; wenn man je
s doch an die Feinheit der Messungen
und ihre Schwierigkeiten denkt, so
wird die Sache begreiflich. Fig. 3
zeigt die komplizierte Wage, die noch
ein Hundertmilliontel der Belastung
mit Sicherheit messen lassen mußte;
Aenderungen des Hebelarmes um etwa
ein milliontel Millirneter, welche leicht
entstehen, wenn die Pfanne des Ge
hänges sich auf der Schneide, die ja
keine mathematische Linie ist, wälzt,
mußten deshalb ausgeschlossen sein.
Fig. 4 ftellt den Wageraum dar, der
durch eine doppelte Zinkwand gegen die
Körperwärme des Beobachters geschützt
ist: außerdem ist sie noch in einem Ka
sten mit doppelten Zinkblechwänden
eingeschlossen, der auf dem cementier
ten mit Blech bedeckten Fußboden auf
steht und nuch den oberen T eil des
Fundaments für die schwere I affe so
wie den ganzen Raum, welchen diese
einnimmt, umschließt. Diese Masse be
stand aus einem Bleilloy von mehr
als 100,000 Kilogramm, durch wel
chen die Stangen, welche die unteren
Schalen trugen, in cylindrischen Ka
nälen frei hindurchgingen. Diese Blei
masse hatte das preußische Kriegsmini
fterium aus der Geschützgießerei zu
Spandau zur Verfügung gestellt; dies
war auch der Grund, warum die Mes
sungen in Spandau stattfanden. Denn
um einen weiten Transport dieser
schweren Masse zu sparen, wurde als
geeigneter Arbeitsraum eineKasematte
in der Citadelle von Spandau ge
wählt.
Der Bleiklotz hatte horizontale Kan
ten von 210 Centimeter Länge, wäh
rend seine vertikalen Kanten 200 Cen
timeter lang —waren. Die einzelnen
Stücke dieses Klotzes, die die Form 10
bei 10 bei 80 Centimeter hatten, waren
in zerlegbaren gehobelten Eisenformen
gegossen, und die Schwundflächen wa
ren nach dem Erkalten besonders bear
beitet« so das-, sich die Stücke eng anein
ander schlossen. Jn der Mitte des
Klotzes mußten durchschnittene Stücke
mit halbchlindrifchen Aussparungen
verwendet werden, um die Verbin
dungsstangen der unteren und oberen
Wagschalen hindurch zu lassen. Nach
Vollendung aller Einzelheiten und
Durchführung aller Versuche ergab sich
sfür die mittlere Dichte der Erde mit
großer Genauigkeit der Werth 5,505,
der nunmehr als sehr gut bestimmt in
Anspruch genommen werden kann.
Wir wollen ganz kurz auch noch die
Masse der Erde ermitteln. Jhr Raum
inhalt wird zu .1,08.2 Brllionen Kubik
kilometern, das sind 1083 Trillionen
Kubikmeter angegeben. Da jeder Ku
bikmeter 1000 Liter enthält, und nach
obigem Werth durchschnittlich in jedem
Liter 5,5 Kilo an Masse stecken, so be-·
trägt dsie gesammte Masse 5,956,500
Trillionen, das find fast 6 Qual-til
lionen Kilo. Jn Ziffern wäre diese
Zahl geschrieben: 5,956,500,000,000,
000,000,000,000 Kilogramm. Auf
Centner umgerechnet ergiebt dies fast
120.000 Trillionen Centner.
EineVorftellung von dieser ungeheu
reu Größe können wir uns in keiner
Weise bilden. Wenn die Erde, wie
manche meinen, durch allmählichen Zu
sainmensturz von Meteoren entstanden
ist, und wenn wir annehmen, daß in
jeder Sekunde ein Meteor von einem
Eentner hinzugekommen sei, so wären
drch 4000 Billionen Jahre nöthig ge
wesen, ehe die Erde ihren gegenwärti
gen Gehalt an Masse gewonnen hätte.
Bei solchen schwindelerregenden Zahlen
lfsört jede Anschauung anf: umsomehr
miissen wir den menschlichen Geist be
wundern, der aus langsamen Schwin
gungen und kleinen Ausschlägen einer
Berge im sorgfältig abgeschlossenen
Raume Schlüsse über unfaßbare Grös
s-;en mit derselben Siisherheit zu ziehen
weis-» als handele es- sfich um alltägliche
und jedem vertraute Tinte
— .. .—-.--...-.
Die alte »Hohen1,ollern« lag vor
Tanzig und an Bord befanden sich les
ist schon lange her) der deutsche und
der russische Kaiser. Der damalige
Cotnmandant der »Holienzollern« war
ebenso diensteisrig wie zerstreut, näm
lich unglaublich zerstreut. Auf dem
Aqterdect standen die beiden Kaiser,
umgeben von einer Korona von Ade
ianten, Staatsmännern etc. Plötzlich
entstand unter diesen Herren ein Kö
psedrehen, als ob nach Jemandem ge
fragt würde. Diensteifrig eilte der
Commandant herber und vernahm, daß
man nach Giers verlange. In leb
haftem Schritte eilte der alte Seeoffi
cier nach vorn und rief mit seiner
durchdringenden Stimme: »Giers,
Giers! Wo steckt der Kerl!« Entsetzt
stürzte der erste Ossicier seinem Com
mandanten entgegen und flüsterte ihm
zur »Um Gottes willen, Herr Capitän,
das ist ja der rufsische Minister des
Ausioärtigen!« »So . . . . dann soll er
nicht kommen, ich dachte, es wäre ein
Lalai.«
Im Jahre 1843 hatte England nicht
ganz 2()l)0 Meilen Eisenbahn, die im
Ganzen 20 Millionen Passagiere beför
derten. Heute hat es iiver 22,000 Mei
len, die eine Milliarde Personen beför
dcrn. Von Mitternacht vis- Mitternacht
laufen in England ständig 15,000
Züge, jeden Tag werden zwei und eine
halbe Million Mart Fahraeld gezahlt
und drei Millionen Frachi fiir Handge
päcl; das Frachtgut bringt nur 600,
000 Mark täglich.
Der Gipfel der Grausamkeit ist,
seine Frau mit neuen Kleidern und
Hüten in ein Zimmer einzuschließen,
wo tein Spiegel hängt.