Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 25, 1900, Sonntags-Blatt, Image 14

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    Frau Bankier antwig.
Lümmel-Roman von Friedrich Thieme.
(16. Fortsetzung.)
»Ich bedaure, in wesentlichen Punk
ten einer abweichendenMeiuung Worte
leihen zu miifsen,« begann !-er Prcses
sor mit einer verbindlichen Verdru
gun gegen seinen Kollegen Bittmanm
»« n was die Frage der Sag-Jesu
bilitiit anbelangt, komme ich In ter
and meiner Experimente zuwider
pre nden Resultaten. Herr Profes
or ittmann bezeichnet als Vorbe
dingun des Gelingens eines hin-noti
chen Zersuchs eine anhaltende An
pannung der Aufmerksamkeit, er häit
asür, daß ein Mensch überhaupt nur
mit seiner Bewilligung, wenn ich so
nennen dars, hypnotisirt werden lann.
Nach meinen Erfahrungen ist indes
treder letzteres »der Fall, noch ist die
behauptete Anspannung der Aufmerk
samkeit erforderlich Außer den somet
tischen (torperlichen) Mitteln zur Er
zeugung der Hypnose, dem Fixiren
länzender Punkte, dem Streichen der
gnetiseure und so weiter vermögen
wir auch psychische mit vollkommenem
Erfolg anzuwenden. Mir ist es nicht
blos einmal gelungen, Personen, von
denen ich noch gar nicht wußte, ob sie
überhaupt empfänglich waren, durch
bloßes Zureden oder die Erweckmg
der Vorfall-.an daß sie bereits schlie
en, in hypnotischen Zustand zu per
etzen. Zweisellos begünstigt tuå will
iihrige Entgegenkommt-. des-Versuchs
objeltes das Gelingen eines Versuche-T
aber als eme unerläßliche Bedingung
möchte ich dasselbe nicht hinstellen.
Leb afte Gefliister unter den An
wesenden. Doktor Böhring tauschte
mit seiner Klienten einen beziehungs
vollen Blick aus.
Der berühmte Hopnotjseur sunr
fort: »Die Suggestibilität des Men
schen ist überhaupt größer, als man
gemeiniglich annimmt Allerdings-,
Kinder, besonders kleinere, und Gei
steåtranke sind so qut wie gar nicht file
die Suggestion zugänglich, auch habe
ich die oft behauptete besondere Ern
pfänglichteit neroöser und kmsterisctier
Personen nicht bestätigt gefunden. Wie
groß die Zahl der bhonotisirbarenPer:
siknen ist, läßt sich wohl in Procenten,
wie man versucht hat, überhaupt nicht
gut fixiren, die Hälfte der Menschen ist
aber wenigstens in bhonotischen Schlaf
zu versetzen, wenn man die Versuche
nur mehrmals wiederholt.«
»Zwischen den Hobnotisirten besteht
aber doch ein Unterschied in Bezug auf
die Tiefe der eingetretenen Bewußt
seins- und Willensstörung?«
Allerdings-. Ein Theil davon ver
sallt nur in tiefen Schlaf, bei andern
gelingt es dagegen. nicht allein Kata
lepsie, sondern auch Autoinatie oder
gar- völlige Aufhebung des Urtheils
bermöaens und Willens zu erzeugen«
»Seht wohl; aber gehört nun Frau
Hartwig auch zu den letzteren —- die
Frage ist es, deren Beantwortung wir
in erster Linie wünschen müssen«
forschte der Vorsitzende gespannt.
»Nach dem bloßen äußeren Eindruck
kann ich das nicht sagen. Ich bin aern
bereit, mit der Dame einen Versuch
vorzunehmen; da sie, wenn ihre Erzäh
lung der Wahrheit entspricht, schon des
öfteren hypnotisirt worden ist, müßte
das Experiment ja irohl von Erfolg
begleitet sein«
»Wir werden ·nachb,er darüber Zu
befinden haben, ob wir Ihr Anerbie
ten acceptiren, Herr Professor. Zuvor
derst noch eine Frage: Glauben Sie,
daß der Vorgang in der von der Be
klagten geschildertenWeise an sich mög
lich ist?«
Tiefe Stille. Ungeheure Spannung
in allen Blicken· Der Professor erwi
derte: «
»Jawohl, er ist möglich«
Die Richter wechseltenBlicke des Er
staunens. Unruhig erhob ich mich von
meinem Platz. Jch wollte dem Spre
cher näher sein, um keinen seiner Aug
spräche zu verlieren.
»So« glauben Sie an eine suageftive
Fernwirkung?« nahm Doctor Böhring
mit einem vielsagenden Lächeln das
Wort.
»Nein· Ich zweier ebenso wie mein
Herr College so lange an der Existenz
einer so unheimlicher-. Kraft, als es
keine andere Gewähr dafür giebt als
die Wnothese einiger leicht entzünd
licher Magnetiseure, oon denen sich
- manche wohl. nur zu betrügerischen
« « Isan eine so erstaunliche Fähigteit
, anmaßen.«
»Damit fällt indessen der ganzeAus
sen der Beklagten in nichts zusam
M.« hielt ich dein Professor aufgeregt
"» »Du-Esaus nicht-here Rechtsanwalt.
Der Vorgang ist recht wohl denkbar,
M often die Annahme der suggestiden
W —- es genügt schon allein
I
ziehe-»in posthyensttscher
« M« um ihn zu ertlären.«
M die mangelnden spinnt-inhalt
K Dfer Sachverständige schüttelte den
op .
»Ich zweifle an dieser Fähigkeit
durchaus nicht,« entschied er mit ein
drucksvoller Miene. »Wenn jemand
un·-herwandelt, so ist er eben somnanp
bulistisch —- wer will beweisen, daß
er vorher schon mit diesem Uebel be
haftet gewesen sein muß2«
Der Vorsitzende forderte daraus den
Professor auf, den Oersanex, wie er sich
ihn darstelle, zu beschreiben.
»Das will ich."
Professor Olbrich hefteie feine fas
cinirenden Atmen auf Michaelat
»Gnädige Frau, in den Zeitungsbe
richten über den Ptoeeß wird’mitge
theilt, Sie feien bereits einmal in
Ruszland von jenem Wardoff oder
Gembalkly hypnotisirt worden«-P
»So ift es, Herr Professor.«
»Wie lange ist das her?"
»Nicht ganz ein Jahr.«
»Wußte dieser Menfch damals-, daß
dSie?sich in Berlin niederlassen wür
fll «
»Nein —- wußte ich es doch selbst
noch nicht«
»Wann sahen Sie ihn dann in Ber
lin zum erstenmal wieders«
»Im Ap:il.'«
»Ganz recht —- bei jener zufälligen
Braegnung im Thiergarten.«
»Ja, Herr Professor.«
»Und Sie glauben, daß Sie auch
damals bypnctisirt worden sind?
Täuscht Sie nicht etwa ein gewöhnli
ckes Unwalslseim das vielleicht die
Wirlung Jbres Schrecks über das
plötzåiche Auftauchen Jhres Verfolgers
wer-«
W..s.—-l— «-—--!—A
-Uslu-succu Uctllclstsk«
k »Tann.« wandte sich der Professor
» wieder aeaen den Gerichtshof, »unter
F liegt es- teinem Zweifel, daß die Sita
! gestion — die Wahrheit der Erzählung
ruausacsetzt —- an jenem Tage statt
sand. Tretet Gembaletn, die Gele
aenheit geschickt benutzend, hypnotissrte
sie und besabl ihr, in einer bestimmten
Nacht und zu einer bestimmen Stunde
aufs neue in Hnonofe zu verfallen und
; in diesem Zustand den Diebstahl zu
beaehen Die Dame führte, wie eH
rsielsach geschieht, die erhaltenen Wei
: stingen glücklich aus --— wer weiß, viel
leicht suggerirte er ihr auch« um nicht
entdeckt zu werden, die größte Vorsicht
ran Schlauheit, oder die Absicht, inn
selbst aufzusuchen, wag Frau Hartwig
ja nachher gethan hat. Wie ich hinzu:
fügen muß, zu ihrem Verderben —
denn bei jedem dieser Rendezvous sug
gerirte er ihr die nächste Hypnose mit
dem nächsten Diebstahl."
Landgerichtsdirector oon Schreiber
sah mich mit einem Blick an. als wisse
Frllnichh was er von der Sache denken
r- e.
I »Mir erscheint das sehr unwa r
fcheinlich,« erwiderte ich als Antwort
daraus.
Der Vorsitzende nickte.
»Ossen gestanden, auch ich vermag
neinen Zweifel nicht ohne weiteres zu
unterdrücken, Herr Professor — eine
so wirkende straft ginge doch zu weit.
We bliebe da alle Sicherheit und Ver
antwortung?«
»Herr Director,« antwortete der
Professor, »ich verhielt mich so skeptisch
nie Sie, bis ich mich an der band der
Thatsachen überzeugte. Auch ich easi
tulirte, nur zaudernd und Stück siir
Stück. Jch weiß recht gut, unser Jn
mregz sträubt sich gegen die Anerken
nung einer Kraft,der gegenüber unsere
qitriiumteWillenssreiheit in nichts Zet
slieszt. Heute tann ich Ihnen sagen:
Ereignisse, wie die hier in Frage ste
henden, gehören noch gar nicht zu den
absonderlichen Jch versichere Jhneu,
der annotiseur hätte Frau Harttoig
zwingen können, die Diebstahle in wa
chendem Zustand bei vollem Bewußt
sein zu begehen, wenn er nicht vielleicht
in diesem Fall diesversriihteEntdeckung
gescheut hätte.«
Das Staunen im Saal nahm über
hc.nd. Professor Olbrich, ohne sich be
irren zu lassen. snhr fort:
»Das Wesen der posthhpnotischen
Suggestion bringt es mit sich, daß,
wenn auch die Erinnerung an den er
haltenen Auftrag fehlt. derselbe trotz
dem pünktlich ausgeführt wird. Nicht
bloß, wie es hier geschehen, nach Tagen
oder Wochen, nein, sogar nach-Mona
ten, nach einem Jahr. Bernheim giebt
in seinem bekannten Wert eine Anzahl
erstaunlicher Beweise hiersiir. Einem
alten Sergeanten—— um nur einen Fall
anzuführen — wurde im August 1883
suggerirt, er solle an einem bestimmten
Mittwoch im October zu Doktor Lie
beault gehen, dort würde er den Präsi
denten der Republit finden, der ihm
eine Medaille und eine Pension verlei
hen werde. Der alte Seraeaot erschien
in der That und sprach im Zimmer
Doctor Liebeaulti mit dem Präsiden-·
ten, obgleich in Wirklichkeit gar Rie
mand vor ihm stand-«
Aus Wunsch des Anwalt« meiner
Gegnerin erst-il Tät-sähest Olbrich
noch mehrere nl hielt aus
seiner nnd der Praxis anderer « "
ask-« n www-e- er
u- , . » .
·’ klthkj : ! , .
s ,
. I
«
Mit unbeschreiblicher Spannung
lauschten wir den räthselhasten That
fachen.
Dann ergriff ich das Wort: »Nach
Ihrem Referat, Herr Professor. läßt
sich wohl die Möglichkeit derartiger
Phänomene kaum mehr in Zweifel zie
heu, nur erscheint mir der Umstand der
Erörterung werth, ob in der That die
Zeitdauer einer kurzen Begegnung aus
der Straße zur Erlangung eines Re
sultats, wie das in unserem Fall zur
Würdigung stehende, hinreichend ist?
Wie lange dauert es im Durchschnitt,
ehe ein Mensch in Hypnose verfällt?«
»Das ist sehr verschieden, Herr Ju
stizrath. Bei großer Uebung oder
wenn man schon wiederholt hypnoti:
sirte oder besonders empfängliche Per
sonen vor sich sieht. gelingt das Expe
riment oft schon in drei bis vier Mi
nuten. Bei hochgradiaer SuggestibisI
lität erweist sich ost schon die Vorstel
lang: »Ich werde hypnotisirt werden«
cålslintensiv genug zur Erreichung des
Je s.'«
Doctor Böhring stellte hier in aller
Form den Antrag, an Ort und Stelle
die Suggestibilität der Beilagten durch
ein von Professor Olbrich vorzuneh
mendes Experiment festzustellen. Der
Gerichtshof zog sich, da ich nicht wider
spruch, zur Berathung zurück und ver
liindete nach längerer Abwesenheit den
Beschluß, dem Antrag zwar stattzuge
ben, die Oeffentlichteit aber siir die
Dauer des Experimentes auszuschlie
ßen. Höchst mißvergniigt und wider
willig räumte das Publicum seine
Plätze, getäuschte Erwartung spiegelte
sich in allen Zügen
Jch befragte mein Chronometer, es
war sieben Uhr Abends. Eine schwüle
sengende, mit Kohlensäure überladene
Atmosphäre, in welcher das Licht der
Lampe merklich trüber brannte. Alle
Betheiligten blaß, überreizt, nervös,
infolge der anstrengenden und ausre
genden Verhandlungen Jeder von
rns in einem außerordentlich impres
siblen Zustand, der uns-?- geneigt machte,
das anzustaunen, was uns sonst viel-«
leicht absurd erschienen wäre. Der
Herr Professor hätte sich tein empfäng
licheres Auditorium stir sein Experi
ment wünschen können.
nDer Gerichtsdiener schlcß alle Zu
gange zu dem Gerichtszimmcr von in
nen ab, um jede zudringliche Störung
zu verhindern.
Proiettor Ulbrich richtete hieriiui die
Fiaae an Michaela ab sie bereit sei.
»Ja« Trie schöne Frau verließ ohne
Lrsaern ihrenZiuhl und trai neben dcii
Giberiincntaton Nachdem dieser sie
eine Sekunde lang mit prüfendetnBlict
betradiiet, erariff er ihre Hand und
hielt sie eiiiiae Augenblicke schweigend
in der seinen.
»Hei-rei- Llnaabe nackt, anadige Frau,
lxat sich jener Gembalgln ausnahmslos
pshcixifcher Mittel bedient, um denLiiw
tritt der dhnpnose bei Ihnen zu bewir
ken —- ich werde daher mit Ihrer tFri
lcubniß dieselbe Methode zur Anwen
dung bringen«
Michaela niikte nur leicht. Allkr
Augen waren aus sie geheftet. sie schien
äußerlich gefaßt, ja ergeben wie in ein
unerbittliches Schicksal,aber ihr Gesicht
widersprach sich selbst durch seine Mai
mrrblössr. Wieder blickte der Profes
sor sie an, diesmal seit und anhaltend.
»Bitte, sehen Sie mich an.«
Sie begegnete seinem Blick mit der
ganzen Energie ihrer großen, tlareii
Augen. und wohl eine Minute lang
tam es mir fast vor, als gelte es einem
Kampf zwischen diesen beiden importi
renden Augenpaaren, als strebten sie,
einander gegenseitig zu überwinden.
Tiakjenige Michaelas leuchtete, blitzte
sorrnlich, dasjenige des Prosessorås
blieb fest und kalt, aber es spiegelte
sich die Gewißheit des Siegeå darin.
Jn den-Augen der jungen Frau glühte
das Feuer eines entschlossenen Cho
racters, in den seinigen die straft und
Allgewalt eine-Z eisernen Willens.
Ich hatte mich so gestellt, daß ic:
beide zu beobachten vermochte —-—, ich
nsuß gestehen, ich sand es selbit schwer,
lange Zeit dein faseinirenden Einilissz
der Augen dieses Mannes zu widerste
hen, obgleich ihre Strahlen nicht die
Richtung nach den meinen nahmen.
Ich fühlte mich überzeugt« es hinae
nur von seinem Willen ab, mich selvit,
den trockenen alten Attenwurm. und
nicht allein mich, sondern auch meinen
.Geaner, den Staatsanwalt, die Rich
ter, uns alle zu hypnotisirenl
Keiner von uns allen sprach ein
Wert, kein Flüstern, kein Geräusch,
selbst teine Beweguna störte den Ber
treter der Wissenschaft
Der Präsident hielt seine Uhr in der
hand, um die bis Zur Wirkung verge
henten Minuten zu zahlen.
Fast feierlich einem-« des Prof-note H
Stimme durch das Schweigen:
»Sie sind sehr müde, gnädige Frau
—- ich weiß es, Sie sind müde ——schl-J
sen Sie, schlasen Sie aus der Stelle!"
Noch immer verharrte sie mit erho- «
denen Brauen, die Lider weit von ein
ander entsernt. So wie 'er vor ihm
stand, die hohe Gestalt regungslos die
Hände aus dem Rücken ineinander ge
legt nnd den linken Fuß etwas vor
den rechten geschoben, hätt-e sie von
Stein sein können und doch nicht we
niger Leben in sieh haben, nur tie
Brust hob sich in rascherer-i Rhythmus
als gewöhnlich- das Spiel der in ihr
wo enden, treisenden Empfindungen
ver Redend- .
.Wu S» die Augen —- Sie
nd wilde —- s ten Stel« wieder
lte er mit elben beseblenden, ru
Sttmne vie v » .
hielt seist den s been an, Es
war eins der Wer-steilen Schan
s Mai-ine- Lebens, dem tchhiet dei
« .
wohnte, die hohe Spannung des Mo
ments durchzitterte förmlich meine
Glieder.
Fast zweifelte ich, daß es ihm gelin
gen würde, über dieses starle Weib u
triumphiren —- und doch, dieses We b
hatte ein Jnteresse daran, sich besiegen
zu lassen; wenn je «-in Versuchöobject,
: brachte wohl die Gattin meines Ellen
ter. die gute Absicht mit, dem Willen
; des Hyvnotiseurs teinen Widerstand
« entgegen zu set-en. Eber durfte man
befürchten, wenn alles wahr war, was
die Klage von ihr behauptete, Michaela
Ri-toinsta würde uns eine Comödie
vcrspielen.
Aber war das Comödie, ionnte das
trelche sein?
Daß sie auch im Falle der Simula:
tion nicht sofort nacligeben würde, war
vors einer so schlauen und zielbewußten
Person zu erwarten —, aber vermocht-.
sie diesen seltsamen Kampf zu erbeu
ckieln, von dem ich Zeuge war?
Wieder schaute ich sie an und er
tcnnte. daß sie nachzugeben beaann.
Ihre Augen hatten sich geschlossen.
Und als ob ietzt mit einem Schtaa alle
Kraft des eigenen Willens aus ibrem
Geist und Körper verschwunden sei.
sal, ich im selben Augenblick ihre bisher
gispannten Gesichtsmusteln erschlaf
sen; ihre Züge verloren den bewußten,
geistigen Ausdruck, der eben noch in
ilmen sich ausprägtez ihre Hände lösten
sicls auseinander und sielen wie rniide
an ihren Seiten herab.
,Sie sehen, meine Herren,« bedeu
tete Doktor Olbrich uns im Flüster
ton, »meine Ausgabe ist durch bloße
Verbalsuggestion vollkommen elösi.«
Er trat ietzt noch dichter an e ber
or, strich ibr mebrere Male mit der
Land über die sammetene Stirn, dann
legte er seine Hand aus ihr haar, die
selbe wiederholt bebend und wieder mit
leisem Druck zurückfallen lassend.
,.Schlaien Sie jetzt?«
Michaela schwieg.
,,Antworten Sie mir, ich will es ba
benXX Schlasen Sie jetzt?«
»,.,-..
Ich weiß nicht. ob ihre Stimme in
de: That nicht den Klang einer natur
licken Stimme besass, oder ob ich mir
ei— nur einbildete. Mir schien der Ton
wie aus einer gewissen Entfernung
herzutommen so sonderbar monoton,
fremd und unterdriiclt drang er in
meine Ohren.
»Es-eben Sie Ihren rechten Arm.«
Ihr rechter Arm bewegte sich nackt
elen, wie wenn eg der Arm eines Aus
trntaten aewesen wäre.
»Es ist gut, lassen Sie ihn wieder
sxllen.«
Der Arm fiel in derselben Weise zu
rück, hob sich aber gleich darauf now
malS, um sich nochmalk zu senten, und
dann ein drittes Mal.
»Ist das in Ordnung-Z« fragte der
Vorsitzende leise.
»Gewiß » e-:- ist eine bei Hypnoti
iirten häufig beobachtete Erscheinung,
welche der suggestiven oder willkürli
chen Unterbrechung oftmals Schwierig
keiten in den Weg stellt.«
Der Professor fuhr daraus fort:
»Betrachten Sie die Dame, ob sie
nicht völlig den Eindruck einer Schla
fenden hervorruft. Rein Zweifel, daß
wir es mit einer völlig echten Hypnose
zu thun haben. Possen Sie auf!«
Er wandte sich von neuem zu Frau
hartwig
,,Gniidige Frau, Sie sind auf einem
Balle — warum tanzen Sie nicht?
Sehen Sie nicht, daß alle übrigen wal
;,en? Warum wollen Sie allein nicht
tanzen? Sie sind eben engaairt wor
den — tanzen Sie, tanzen Stet«
Unverziiqlich begann die thnoti
sirte sich im Walzertact um sich selbst
zu bewegen, erst langsam, dann schnel
ler, wobei sie Arme und Hände in der
selben Weise ausspannte, als umfasse
sie damit eine sch mit ihr im Kreise
drehende Person, eine Täuschung wel
che die Haltung ihres graziös nach
vorn gewiegten Hauptes vollständig
machte.
»Sie hören doch die Musii?« fragte
der Professor mit einer Bestimmtheit,
die jeden Zweifel ausschloß.
»Ich böte sie-«
»Man spielt eben den Trauermarsch
aus ..Siegsried« -— ach, wie ergrei
fend, wie erhaben!" rief der Professor.
Sie hielt in ihrer Cirtelbewegung
inne und nahm eine lauschende Stel
lung an, indeß ihre Züge den Ausdruck
hoher Bewunderung darbieten
»Herrli l« flüsterte sie wie im An
sturen mächtiger Bewegung
Jeh muß hier einschalten, daß die
Experimente des Gelehrten sich nicht in
so unvermittelter Folge vor uns ab
spielten, wie sie hier dargestellt werden.
Jeder Versuch nahm vielmehr eine ge
wisse Zeit in Anspruch,und jeder neuen
Probe ing mit nur ein oder zwei
Auena men eine Pause voraus. in
welcher wie von dem Eindruck des Ge
schehenen auszuruhen und unsernGeist
; sin det- nun folgende Schauspiel zu
s stimmen vermochten. »
; »Arb, Sie schreiben einen Brief?"« re
s dete derExperttnentator die von seinem
j Willen beherrschte Frau an« indem er
sich den Anschein gab, als sehe er ihr
bei der Thätigteit des Schreibens zu.
woraus sie unveKitglich den Stücken
beugte und den opf vorneigte,·- als«
stände sie an einem Pult, während ihre
Hund« eine nicht vorhandene Feder hal
tend. emsig iiber ein ebenfalls nich
vorhandenes Papier fuhr. »An wen
ist Her Ortes gerichtet? An Ihren Gat
M
« it ANYTHING sahn
« m m n- ver
«--"- eit äcsternk
IZehe ntlis drückte cliicseliskeit
c .
»Ich bin es —- Gott sei Dank —o,
wie wie freudig ich es empfinde-«
»Dort steht Herr hartwig —« Sie
sehen ihn wohl gar nich-ist«
Er zeigte auf den Vertreter der
Staatsanwattscheft, der vor seinem
Tisch stand und mit der Aufregung,
die uns alle mit fortriß, die Scene be
obcschtetr.
»Gewiß sehe ich ihn —- Arthur, lie
ber Arthur —« Sie eilte aus den ver
meintlichen Banauier u und ergriff
in leidenschaftlicher Aufregung seine
Hand.
Da rief der Professor plöhlich im
Jene des Erstaunens:
»Aber wie kommen Sie in die Wüste,
Frau Hartwig? Nichts als Sand und
? Oede um Sie her —- lein Mensch, tem
E Dcrf, fein Haus in der Runde —
» fiihlen Sie sich nicht recht einsam2«
Sie war von dem Assessor zuriictge
treten, stand aufrecht da und ließ ihre
Blicke verwundert umherschweifen.
»Mein Gott, welche Einöde!«
»Dort stehen einige Palmen, da
muß eine Oase sein —«
»Ach ja —- welch schöne, prächtige
Bäume!«
»Aber von dorther — was ist das
—- gnädige Frau, verbergen Sie sich,
wenn Sie tönnen, ein Tiger —- um
Gottes willen!«
Michaela schaute starr nach der be
zeichneten Richtung. Jhre Wangen
entfärbten sich, sie begann zu zittern,
stief; einen Schrei des Entsetzens aus-.
»Hilfe, Hilfe!« schrie sie mit der
Stimme der Angst und des Schreckens.
Ihr Zustand erschien so gualvoll,
; daß wir förmlich Mitleid mit ihr em
3 pfanden. Landgerichtsdirector von
Schreiber verlieh der allgemeinen Em
pfindung denn auch Worte, indem er
dem Professor erklärte, daß es wohl
genug sei des grausamen Spielz.
»Was wir gesehen, hat einen unaus
Wichlschen Eindruck aus uns gemacht,
Herr Professor —- wecken Sie oie
Dame auf.«
Der Professor verbeugte sich mit
dem Lächeln befriedigten Stolzes.
»Gestatten Sie noch einen Versuch.
Herr Director«, nahm er das Won.
»Was ich Ihnen gezeigt, waren aus
schließlich positive Sinnestiiuschungezy
das sind solche, bei denen der annous
sirte nicht vorhandene Objekte als vor
Landen annnimmt. Lassen Sie mich
Ihnen noch eine negative Sinneekaw
schung vorsiihren, bei welcher ein vor
handen-s Objett unsichtbar gemacht
wird. Vielleicht trägt dies dazu bei
das Bild, das ich Ihnen von der Ma
terie zu geben bemüht war, polttomi
men zu machen.« ·
Der Direktor nickte seine Eintritt-«
guna.
Darauf stellte der Professor dieFra
ge cn Michaelc1, oh sie den Herrn Vor
sitzenden sehe.
.. ?
»Dort. « Sie bezeichnete qenau inii
dein Finger den Ort.
»Dort also —- dort war er, Zie lya
ben ganz recht giiiidige Fraii.21ber
jetzt ist er nicht mehr da —-— er ist
hinausgegangen —- selien cie nur
hin. Nicht wahr, ich have :echi?«
« »Ganz recht Er ist soeben hinaus
» gegangen.
i »Duech welche Tdiir?'
i »Durch diese. «
! »Bitte, rufen Sie ihn zuriiiL ivir
) können ohne ihn nicht weiter teilzun
deln.«
, Die junge Frau ging ohne Zögern
hastig auf die Thitr zu, »in den er
? halte-neu Befehl zu vollziehen Dottor
! Olvrich beorderte sie zurück.
»Bleiven Zie, er ist schon zuriielsges
lehrt.«
»Bevor der Herr Professor zur Ma
i nipulatioii des Erweckens schreitet,«
i warf hier Doktor Bohrina bedeutsan
ein, »wirt) erst die Frage zu entscheiden
sein, ob der Gerichtshof sich von der
Thatsache der Suaaestidititiii meiner
Mandantin hinreichend überzeugt
fühlt.«
»Auch wird es sich empfehlen, « stig
te ich hinzu, »die andern Herren Ceay
verständigen über ihre Meinung von
dem Geschehenen zu betragen. Die
Herren haben selbst die uefadr einer
Täuschung betont, sie werden zu befin
den haben, ob in unserm Fall diese
Geist-r vorliegt «
rofessor Olbrich lächeite fast Ver
ächtlich
»Eine Siniulation ist in diesem-Fall
aus eschlossen,«— ertliirte er init der
« rheit eines til-erzeugten Gelehr
ten.
«Vielleicht wird eo aeiiiigen das
G achten des Herrn Professorö Bitt
tin zu hören
mDer Borsitzende war ei-e der uns
diesen Vorschlag unteroreiteie, ind
derselbe wurde von beiden Parteien
cngenommen.«
Professor Vittmann bestätigte die
Versicherung seines Colle-geti.
»Ich fiir meine Person heae so we
nig einen Zweifel, ioies Herr stosesfor
Olbrich Wenn auch nicht in silbrede
zu stellen ist, daß eine in norin ileni
Zustand befindliche Person alle die
Manipulationen, die wir gesehen ha
ben, ebenfalls und zwar riiihelos aus
zufsiihren vermochte so würde doch eine
er taunliche Gewandtheit und Charak
teteriergie dazu gehören, denselben so
Rang den Charakter des Willenlosen,
ranipfartigeii, Unnatürlichen zu ver
leihen. wie er den handlungen und
Erwiderungen der Frau hartioi seit
ihrer Versenung in den sugge tiven
Zustand eigen war Dein Laien mäch
teii dtelle in einein solchen all noch
weisel drin bleiben — n cht aber
ein erfo ene1 ypiiotiseur. Die lang
jährigeem Was init einer Sa
iidtibenden einen
F
amilien tundi en Blick, eine Art sach
miinnischen Jn tintt. der selten trit
wenn auch alle wissenschastlichen
unds Wider sich ais nicht stichhalttg er
wer en."
»Ganz :echt,« beträitigte Dotter
Otbrich.
»Trotzd·em, Derr i Professor,« sagte
ich nachdrüettich, »muß ich Ihnen die
Frage verlegen, ob die Wissenschaft
nicht bestimmte Anhaltspnntte be
si2t, um im egebenen Fall se zustel
len, ob es ich um eine that iichliche
oder eine vorgetiiuschte Hypnose han
delt.«
»Bestimmte Anhaltspunttei O, ge
wiß, deren giebt es eine Menge. Wir
unterscheiden sowohl durch den ins-no
tischen Zustand bedingte Veränderun
gen der Circulation als der Respira
tio, des Stoffwechsels, der Mobilitiit,
; Senfibilität und so weiter. Leider
J wohnt aber allen von ihnen teine aus
j schließlich iibersiihrende Wirkung bei.'«
, »Warum nicht?'«
»Weil die beobachteten Erscheinun
T aen fast alle auch durch die ich-Ani
regnng der Hypnotisirten bedtht sein
können. Nehmen Sie zum Beispiel
die erhöhte Vulsfrequenz —- nun, mei
ne Herren, ich frage Sie, ob einer
von Ihnen allen, nachdem er den auf
regenden Vorgängen der letzten Stun
de beigewohnt, nicht eine erhöhtePzilss
s:equenz an sich demertt.«
Jeh fühlte unwillkürlich nach met
nem Puls und iand die Behauptung
des Sachverständigen bestätigt.
,,Oder die Hypnotisirte kreist att
einer erhöhten eine verminderte s re
qrzenz des Putses aus — nun, auch
das tann die Hypnose rechtfertigen
Oder sie schwitzt am Kon — das ist
ein Moment unsrer Snniptomalalogie,
nenn eLJ aber fehlt, schadet eg auch
nichts. Es tann alles mögliche sein,
mnsi aber nicht« .
»Damit dotumentircn Sie aler die
Unfähigteit der Wissenschan «.:i
end einem dieser Fälle eine tii...;n.
Ziöszli e Gewißheit zu schaffen-« frag
te ich ast streng.
»Nicht eigentlich. Ich sagt-: schon,
daß der geübte Blick der Erfahrung
hier mehr gilt als zweiselhufte Symp
tome. Indessen ———«
»Jndessen?«
»Wir besitzen dies Machtq Experi
mente vorzunehmen, welche mir ziemli
cher Sicherheit den Beweis verwahr
heri zu siihren im Stande sind.«
,,Wollen Sie die Güte haben, tan
ein derartiges Experiment anzuge
beni«
. . Es .- -
«-’.-’c12scloc ockLyl Aus Ucl LWlsuszkc
I des-— häutigen Verbondenseins dertjsisip
l i.ose mit Anclgesie, das istllneitipf:«1d
I iichieit sur schmerzhafte Eint-kann
Voraiigaesetzt das-, bei unserer Ber
l suchsperson dieses Symptom Vorhin
deii ist« lönnen wir mit Hitfe einer
Stecknadel die Echtkeit ihres Zustan
deg leicht feststellen.«
»Wieso?«
»Ist Analgesie bei ihr oorhandeii,
so tonnen wir die Stectnadel tief in
ihr Fleisch einführen, ohne das-, die
Tame den geringsten Schmerz ion dem
Stich empfindet. Es ist dies eine
ebenso einfache als unaeföhrliche Ope
ration, deren Vornahme stät die Be
troffene keinerlei nachtheilige Folgen
haben wird."
Der Vorsitzende frua hier« inwiefern
dieses Experiment ein bestimmter- Re
sultat ergeben werde?
»Nun, wenn die Dame den Stich
nickt empfindet, so dürfen wir wrhl
scher voraussehen, daß don einer
Simulation nicht die Rede sein t.inn.«
»Und wenn sie ihn empfindet? Jst
dann der Betrua nachgewiesen-.m fuhr
Direktor Schreiber sort.
Der Professor zuckte die Achseln.
»Die Unempfindlichkeit gegen
Schmerz ist teine absolut nothioendige
Wirkung der thnose oder Sange
stion, ja, ich dars nicht verhehlen, daß
eine außerordentliche Feftigkeit leg
Willens selbst das durch diesen Eir
griff verursachte Wehaefiihl möglicher
weise zu unterdrücken im Stande ist«
»Ihr Versuch bietet also wohl eine
Möglichkeit aber keine Sicherheit?«
erwiderte der Vorsihende mit scharfer
Betonung der beiden. Substar.tioe.
»Ja Berücksichtigung dieser Sachlage
erachte ich es fiir angemessener, von
ihm Abstand zu nehmen. Jch halte es
mit dtr Würde des Gerichtshoses nicht
für vereinbar, das Experiment bis
zur Verletzung zu treiben, wie gering
und ungefährlich sie sich auch immer
darstellen mag. Die herren stimmen
wohl darin mit mir überein?«
Sie stimmten mit ihm iiberein.
Vollkommen. So blieb mir nur iioch
ein lehter Ausweg, und ich beschritt
ihn, indem ich sagte:
»Das Gedächtnisi soll während der
Hypnose oft außerordentlich geschä:st
sein, so daß der hdpnotisirte De
tailo, deren er sich selbst nicht bewußt
ist, mit minutiöset Genauiqkeit anzu
,eben oermaa. Mit Bezu iiahme
gieran erscheint es mir emp ehlens
weith, ioenn ivir die Bettagte veran
lassen, die von ihr in normalem Zu
stcsnd gegebene Schilderun ihrer
Hendlungsweise im hnpnotischen zu
nktierholen Jst sie wirtlich unschul
dig, so Miit sie dabei keinerlei Ge
fahr, da sie nur zu gewinnen, nichts
äu verlieren hat, dann sind wir in der
hat uber eugt von der Echtheit der
hpnose, o werden wir diir die
, iederholung der Erzählung aii itr
ihre sonstige Gaul-würdigtest vö ige
Sicherheit erlangen. Bestäti t sie je
d ihre früheren Angaben n , so
wt en wir, was wir von denselben u
halten haben. Benutzen wir diese e
Lenz-seien Zins Licht zu verschaffen, nach
r . -
Metsehung folgt)