Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 02, 1900, Sonntags-Blatt, Image 12

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    cin permis-ter
Stizze vonAnnie Latt - Fels
berg.
.Aber, Junge, bist Du noch immer
ficht fertig «
»Ach Mamy, es ist auch so piet! Das «
n große und kleine Einmaleins!«
»Ist bist Du bei der Vierundzwanzig,
was früher auf und machst den« Rest."
Es schlug eben acht Uhr.
Miit-e war der kleine Kerl, zum Um
sinien. Drei Stunden hatte er gerechnet,
mehrere Seiten seines Hestes waren mit
Zahlen gefüllt. Traurig blickte er dar
auf. Ob alles stimmte? Er glaubte es
selbst kaum. Zuletzt hatten ihm bie Zah
len nur so im buntenDurcheinander durch
den Kopf geschwirrt.
Ach und das mit der »Bierundzwan
Fig« war noch so schwer.
»Komm, trink Deine Milch und iß
Dein Butterbrot.« mahnte die Mutter.
«Gleich tommt Papa, wenn er Dich noch
auf findet, wird er böse —-«.
Seufzend saß der tleine Mann bei sei
ner Milch. Das Butterbrot wollte gar
nicht hinunter, er war zu müde.
Die kleinen Geschwister schliefen schon
Sie baten es gut, sie konnten noch spie
len. Wie wunderschön hatten sie Kauf
laden gespielt! Es hatte ihn sehr gestört
bei der Arbeit, mit halbem Ohr horchte
er zu ihnen hinüber, deshalb dachte er
mit Angst, ob feine Arbeit auch gut war.
»Die Kleinen haben mich auch immer
gestört« — sprach er halblaut vor sich
in.
»Ist müssen aber doch in der Stube
sein-, Ist lann sie doch nicht allein lassen
nnd bei Dir muß ich doch auch manchmal
nassehem Schön sind bie letzten Ziffern
ni t.'«
seh zu Bett. Morgen früh stehst Du et
»Ich bin auch so müde!«
»Aber Du weißt doch, wenn Du Ostern
nicht versetzt wirst dann mußt Du aus
der Schule "
Er wußte es, der kleine Kerl.
Wie ein Schreckgespenst stand es ihm
immer vor Augen:
»Wenn er Ostern nicht versetzt wird,
muss er die Anstalt verlassen." So stand
es aus dem Zeugniß.
Nun saß er das zweite Jahr in der
Masse.
»Man Jahre alt und noch in der Oc
tava« — das mußte er so ost hören. Wie
et sich schämte deshalb! Er gab sich alle
erdenkliche Mühe. aber das Rechnen wur
de ihm gar zu schwer.
Jetzt lag er im Bett, aber schlafen
sonnte er nicht. Er rechnete noch immer
am Einmaleins mit der Vierundzwan
ikgs
Er sei-site ganz leise herzbrechend
Wie schwer ihm das Leben erschien, so
schwer, so schwer, und es fing doch erst
MMiide und schwer war der kleine Kopf,
als er geweckt wurde.
Rasch steh auf, Dein Einmaleins mit
der Vierundzwanzig muß Du noch ma
Da war es schon wieder das gräßliche
Einmaleins!
Gestern Abend hatte er es schließlich
gekannt, aber jetzt war es wieder ganz
veg.
Die Mutter half ihm dabei.
.Du bist ja ganz —- ganz lopslos
heute — trinle doch Deine Milch. iß Dein
Brötchen!«
sp- s ---«
ngaz rann nur-JE
Nun steckte sie ihm einen großen Apfel
in seine Frühstiicksbüchsr. küßte ihn und
schob ihn zur Thür hinaus.
»Geh nur, geh, mein Junge!«
Er drehte sich noch einmal um nach der
Mutter·
Der Himmel war lichtblau, sonnen
durchwoben. Er sah immer hinan in
die wundervolle Klarheit. Frische Win
terluft umwehte seine blassen Wangen.
Wie schön das Alles war, viel schöner
als das schwere. schwere Leben.
Jn Geoanten verloren ging er jeht
über den Fahrdamnr
Klingling——Klingling——Kling!
»Willst Du wohl, oerdammter Bengel,
rennst einem direkt unter die Pferde!
Paß auf, Schafglopr tönt es an sein
Ohr. Das galt ihm. das anhaltende
Läuten und das Geschimpse.
Er schrak zusammen. Sonst war er
immer so vorsichtig, aber eben hatte er
gar nichts gesehen und gehört.
»Aus der Anstalt entlassen!«
Stärker wie je hatte das Schwelge
spenst ihn gepackt und beinah unter die
Pferdebahn geworfen.
Wie weh das thun mußte. so überfah
ren zu werden!
Aber todt sein, das war nicht schlimm,
das war besser als all« das Rechnenl La
tein-nd Griechiseh ist noch schwerer! O
Gott. wie sollte er damit sertig werdenA
Nun saß er aus seinem Plat, ganz
Unten in der Klasse.
Der Prirnui wußte eine Antwort nicht
tu Deutsch. Er streckte den Finger, er
wußte es diesmal ganz genau. aber ihn
eh der Lehrer nicht, er fragte einen An
en.
Dann nachher am Ende der Stunde —
er war so matt Von all dein Denken —
da rief der Lehrer ihn aus« und er wußte
nichts, er verstand die Frage kaum.
leisHirten Tadel wegen Unausmertsam
O weh! heute mußteer dem Vater
das Ordnung-such verlegen.
sit jeden Tadel gab es Diebe.
I wette mn den kleinen Mund.
Nenn die Pferdebahn ihn übersühre,
ol- dal seh-r that als die Diebes
M wäre er jeht todt —- iin hinr
stlbei altdensin enden En elnt
sie ndassgtn nebst- Ueber dem
M drohe-! Im Abend Ende
ten die Engel die Sterne an, all die lie
ben, slinnnernden Sterne. Wenn er auch
) mit helfen könnte, wie lustig das fein
l müßte. Jmmer ein neues Flämmchen.
I Er hatte oft dem Laternenanziinder zu- :
geschaut. «Aufgedreht, husch, ein Licht
mehrt«
»Hier, Dein Ordnungsbuch!« —
.,Drei Tadel!« stöhnte er und zuckte
nervös zusammen.
Das gab dreifache Hiebek
Wie bang ihm war!
»Nicht nach Haufe —- nicht nach
hat-sei" tönte es ihm im Ohr.
Jn der Frühstückstasche war noch der I
Apfel und ein Butterbron
Hunger hatte er nicht. Lie Luft wzr
(
(
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;
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it schön, ir, blau der Himmel. Jtn ;
Granewald mußte es heute herrlich sein« .
Er trottete immer weiter, hinaus Jus
T1r Stadt, dem Walde zu.
Der Weg wurde ihm gar nickt lan«
Tie lleinen Beine liefen wie aufgezogen
t:ipp, trapp, der Kopf hing vorn über, :
so schwer von all’ dem Rechnen undDenss i
ten und der Angst vor den szieben
Vielleicht iarn ein Hirsch Eint spießte ;
ihn, weher als die Diebe that das nush .
richt.
Dreimal soviel wie neulich siir den
einen Tadel. Das konnte er nicht aus- ;
halten, — lieber todt —- todt.
Jetzt saß er unter den Kiefern und aß
sein Frühstück Zu Haufe aßen si: sicher :
Mittag und warteten auf ihn, und Papa «—
wurde immer böser.
Wenn er jest nach Hause ging« dann .
gab es noch viel mehr.
Er blieb im Walde.
Jeht wurde es nehlig, trübe, ganz
Luntel und kalt.
Wie der Frost ihn schüttelte. Oder die
Angst!
Se- ganz allein, wie undeirnlickkl
Keine Sterne. nichts als Nebel. Weber
der til-r plöhlich lam?
Da raschelte es im Laub· Das mußte
ein Hirsch fein! Er rannte, rannte are
ieseiien den Berg hinab, in into- Nebel.
Luun wurde es weich unter feinen Füsse-n
weich, naß, schwer wie Blei
Es zog ihn hinab, immer tiefer ins
Moor.
Ein langer heller von Angst durchzit- ,
terter Kinderichrei. Dann Stille, kalte, «
schaurige Stille
Unter den Vermißten, von denen nie -
ein Mensch mehr hörte, war er, der arme
Kleine.
i
i
Iler- Teiifeig Kache.
Von Dr. Robert Dessen.
Jn einer mitteldeutschen Haupt- und
Residenzsiadt, am Ende ver Alsensiraße,
lag zurungebaut, in vornehmer Abge
schlossenhert hinter einem guszeisernen
Gitter urw mitsomrnt den Nebengebäus
den umlaubt von Linden und Austern,
das Alexandrinen - Krankenhaus-. Der
Neugierige sal; zuweilen an den Fenstern
vie Diskonikslnnen auftauchen in ihren
schmucken Häulxchen und weißen Schür
zen über dern blauen bauschigenGewanv;
wenn vie Sonne schien, pflegte wohl anch
ein Genesender den Arm aus die Fen
sterbriisiung zu stützen und nach dem
Straßengetriebe sehnsüchtig hinüjkerzm
schauen. Nur an Sonn- uns Feiertags
nbenven wandelten die jungen Schwe
stern untergesaßt in verstohlenern Ge
plauver durch die Laubengänge des Gar
lens.
Das Krantenhaus war durch Zweiu
lei berühmt: durch die Frömmigkeit sei
ner Oberin Elisa Freiin oon Epohr und
durch die schlechten Erfolge seiner Chi
rurgie. Wenn der SanitiitsrathSchnreck
säbel, die eine Hand in die andere rei
bend, mit einem ergebungsoollen Augen
aufschlag begann: »Es hat dem Herrn
schon wieder einmal gefallen« . .. so
wußte Elifa ganz genau, daß irgend eine
Amputation übel verlaufen war. Doch
obwohl sie es lange nicht verwinden
konnte, dasz bei einem Zusamrnenftoß
auf dem Bahnhof viele Verungliiekte noch
mit dem letzten Aufgebot ihres Athems
geschrieen hatten: «Nein . . . nicht nach
dem Alexandrinenhaus!«, so waren doch
zwei Gründe fiir sie ausschlaggebend,
keinen Wechsel in der Leitung eintreten
zu lassen: daß nämlich Schmecksäbel alle
Scnntagsandachten mitmachte und daß
er bei seinen Operationen die hemdän
mel nicht herausstreifte wie die rohen
Chirurgen der Unioersitätsklinik. Frei
lich: die jungen Assrstenten hatten bis
sige Bemerkungen dafür, daß ihr verehr
licher Chef sich an die moderne Idee der
Reinlichleit in der Cbirurgie nicht ge
wöhnen konnte, und pflegten ihm nach
zuahmen, wie er am Operationstisch mit
einem graziösen, gewiß noch aus der
Gymnasialzeit herftammendenhandgrifs
einmal durch seine lange geölte Mäbne
und unmittelbar danach durch die Wunde
des Kranken fuhr. Viele der Operirten
bekamen Maul-sieben die hälste danon
starb, »durch Gottes Fügung«, wie inr
Jahresbericht zu lesen war; und so ge
schah es, daß eines Tages die chirurgische
Abtheilung verwaist dastand, weil der
Assistenzar t Knall und Fall gekündigt
hatte und mecksiibel selbst an seinem
üblichen Gichtanfall darniederlag der
sechs Wochen enthielt. «
Was thun? Nicht jeder Jünger Nes
kulaps war geeignet fiir den Dienst im
Alexandrinenhaus. Stets waren vier
zig schwesterliche Pantoffelpaare gezückt,
um den ungesiigigen Neuling unterzu
kriegen. und auf .Sittlichkeit« mußte
ganz besonders gesehen werden, seit vor
wenigen Jahren ein Wolf im Lämmer
siall einen kichernden, weltlichen Ton
eingeführt hatt-, o daß nicht nur sämmt
liche Rodåpm andern auch wicke
sriiste « orridorsckppeskrrk nach u
WM—»
ßen · Stationen versth werden mußten. !
Jn der ersten Noth versuchte der, wie
gewöhnlich, messerscheue Chef der inne
ren Abtheilung, in die Vrekche zu sprin
gen. und führte im Schwei e seines An
gesichts einen Bruchschnitt aus, der
volle zwei Stunden dauerte und die
chlorosormirende Ober-in sast zur Ver
zweiflung trieb. Dann aber hausten sich
Arbeit und Verantwortung so sehr, daß
nach dreitägigern ver ebiichern Umher
sahren, Schreiben und « elephonires Al
les erleichtert ausathmete. als es hieß
«Ein Chirurg ist da.«
Niemand wußt-, woher er kam; Rie
mand hatte itzn empfohlen. Wie aus dem
Boden gewachsen, stand er plötzlich im
Borzimmer und bat um die vatante .
Stelle. Der verwirrte Jnnere sragte ;
nach Zeugnissen. Die seien unterwegs. t
Wie er denn heißes · s
t
. - -—-..-..-·.«.«sp» —
»Dr. Teufel«, sagte der Fremdling
»Das ist aber at kein Name sür un-« -
sere Anstalt«, rief der entsetzte Tugend- s
möchten Er eilte zur Oberin. Sie hörte "
dir verhängniszvollen Laute, treischte ;
aus, eilte dem Geheimrath voran ins
Wartezimnier, hob ihr Augenglas und
starrte entsetzt und neugierig dem Teu
sel in’ö Gesicht.
Dieser stand verlegen da und lächelte.
Er hatte im Augenblick nichts Dämoni
sches an sich, gar nichts: Das mußte
auch die Oberin zugeben. Rothblondes
trauses hast umgab seine nicht allzu
hohe Stirn, das Gesicht war über und
über sammersprossig, die Nase lang und
schmal, der Mund sein und schamer
tig. Man hätte, trat einigen «Schmis
sen«, den Ausdruck dieses Gesichies gut
müthig nennen tönnen, wenn nicht ein
eigenthürnliches, vorn rechten Auge quer
zum linken Mundwintel hinüber spielen
des Licht einen suchöartigen Zug hinein
gebracht hätte. i
Was half ess- Qd ihm zu trauen war
oder nicht: die Oberin mußte Ja sagen,
— und durch die Reihen der Nooizen
ging ein verholtslenes Flüstern: «Wißt
Jhr schont Ter Teufel ist im Var-II
Es währte nicht lange, so zeigte er sei
ne Krallen. Zwar die Vormittagsvisite
und auch die Politlinit, in der unt-entit
telte Kranle der Stadt unentgeitlich be
handelt wurden, ging ohne Stärung vor- «
über. Dr. Teufel arbeitete mit der siche
ren Hand eines Vielgeiibten. an’s Be
fehlen Gewöhnlen und hatte doch fiir je- ’
den Patienten ein freundliches Wort.
Aber um ein Uhr, während Alles sich zu
Tisch setzen wollte« erscholl plötzlich die
Noth-gloria ein Schwerverleßter war ein
aeliefert worden und in wenigen Minu
ien füllte sich der Operationsiaal Schwe
ster Christine, breitschulterig und Unn
baelig wie Dr. Martin Luther, hantirte
mit — nstruinenten und Schwämmen, goß
oie töfungen in die richtigen Behälter
und übern-achte den ganzen Betrieb mit
chiturgischem Feuereifer. Der Kranke
wurde zurechtgelegt die Chloroformtoppe
bereit gehalten. Als die Oberin eintrat,
stand der Teufel mit einer reinen Schätze
und aufgeträtnpelten hemdiirmeln da
und erklärte, daß sofort amputirt werden
müsse. Elisa von Spohr maß ihn mit
einein Dulderblick und ilötete in langge
zogenen Tönen: »Gedenten Sie denn . . .
in diesem Kostiim . . . zu arbeiten?«
«Gerviß.«
.Wozu denn aber ohne Aetniel?·
«Aerrnel sind Stauhfänger.«
»Die Arme doch auch.'
»Freilich. Aber meine Arme brauche
ich nur in die Suhlitnatlösung zu tau
hen, so sind sie wieder desinfizirt. Mit
Färineln kann man so nicht here-mont
s sen.«
l
»Der Kranke blutet. Fertig!"
Vor der Logik dieser Thatsachen ver
stummte der Widerstand. Die Oberin,
innerlich empört, bezwungen durch einen
kräftigeren Willen, griff nach dern Chlo
rosorni, um die Naetose zu leiten, und
präsidirte zu Häupten des Daliegenden
mit der allerseierlichsten antlagenden
Miene, deren sie fähig war. Die Am
putation ging glatt vor sich. Selbst die
beiden jungen Schwestern« die Schwam
cne zuzureichen oder kleinere Hilsen zu
leisten hatten und sonst gern ein wenig
zerstreut waren, verwandten heute kein
kluge von der Arbeit. Der Teufel, ober
halb der aufgerollten HemdärmeL strasj
te einen mächtigen «bieep’s« und vollends
am Unterarin zeichneten sich bei jeder Be
wegung die einzelnen Mustelstränge ab,
als wären sie aus dicken Seiten zusam- .
mengedreht. Den Operirten nahm er wie
ein Wickellind aus und trug ihn die
Treppe hinauf in sein Bett.
Die Oberin, ohne nur ein Wort an ihn
zu richten, einer Vertrauten zunickend,
strebte zuriick in ihre Gemächer, um das
nun Wichtigste, die Ausarbeitung eines
Kriegsplanes, ohne Säumen zu begin
nen. Aber schon zählte der Feind auch
Anhängen Das chirurgische herz der
Schwester Christine hatte iapitulirt und
sämmtliche Novizen liesen sich siir ihn die
hatten ab. Athamas mit leuchtenden
Blicken. brachten sie, was er gewünscht
hatte. Die ganzen mittleren Semester«
trugen am nächsten Morgen ihre weißen
Dauben totett nalä hinten-geth. und
wenn sie wie zusii ig iiber den hos an
den Fenstern des Doktors vorüber schrit
ten, bemerkte der Assistent des Inneren,
ein sehr frommer junger Mann, der je
doch den vollen Gebrauch seines Augen
lichtes hatte, wie Einzelne sich plönlich in
den hiiften wiegten und vor der großen
Regenlache das Röckchen reichlich einen
Zoll hsher schür ten als am Tage vorher.
Es sollte a noch viel schlimmer
kommen.
Das Juwel der ganzen Anstalt war
Schwester Marie. Als blutjunges, ver
waistes Pastoreniind in den Orden ein
getreten, hatte sie seit Jahren den Frist
nicht mehr in die Außenwelt see
l F
W
Siestrinjedem Dienst geschickt und
wegen- der schwärmtschen Liebe. mit
der die Kleinen an ihr hingen, der Kin
der-Abtheilung vorgesetzt worden. Als
Dr. Teufel am ersten Nachmittag ein
trat, saß sie wie Madonna della Sedia,
ein hilfloses Bübchen auf-dem Arm,
mitten im Zimmer und blickte mit den
dunklen« unschuldig fragenden Augen ei
nes Nehes den Kommenden an. , Der
Teufel stutztr. Noch niemals schienen
M weißen Bänder der Schwestern
hs ein fosliebliches Odal umrahmt
zu haben. Sein Blick klammerte sich an
ein rosiges Ohrliippchen, das unter der
Haube hervorlugte. »Was fehlt dem
Kleinen?« fragte er, um Etwas zu sa
gen.
»Ach.« erwiderte Marie, sich erhebend,
»er ist an den Beinchen gelähmt, vom
Zahnen her. Ein so gutes Kind!« Ta
mit reichte sie ihm das kleine Bündel
hin und der Teufel stand plötzlich als
Kinderfrau da, von fehr widerstreiten
den Gefühlen bewegt.
»Wir müssen an die Arbeit," rief er
und gab das Kind zurück. »Warum
briillt der Schwarztopf dort so fürchter
lich?«
»Der ist«arn"K"nie resezirt. Die La
niile muß heute herausgenommen ver
den. Er fürchtet sich vor der Korn
zange.«
»Das hat er doch nicht nöthig."
»Richti«
«Haben Sie ein Bigchen Seide?« .
»Wer-« Sie stellt mit flinler Hand
alles Nöthige bereit. Eine dicke Guin- J
milanüle ging mitten durch’s Knie. »
Der Teufel verband die beiden heraus
steelenden Enden mit einem Seidenfa
den unt-; zeigte, wie durch bloßes An- s
sieben des Fadens die Kanüle hervorge- (
holt, gefiiubert und wieder in«ihre«"alte:;
Lage hineingezogen werden lonnte, ohne
daß mit Instrumenten im Jnnern der
Wunde herumgeftochert zu werden
brauchte. Das Kind, das nisr vor der
Kornzange Angft gehabt hatte, beruhigte
sich und auf Mariens Gesicht lag es wie
Sonnenschein« weil man einem ihrer
Lieblinge Schmerz erspart hatte. Zu
traulich und eifrig schritt sie neben ·
chrem Meister von einem Bett zum an
deren, suchte allerlei Belehrung und
ftreette am Schluß der Visite mit tsm
bittenden Worten: »Vielleicht, here
Dottor, wissen Sie auch etwas iiir
nich?'« ihm ihre beiden Hände entgegen.
Er nahm« tief in Gedanten, ihre Rech
:e, die, schmal und mit fchlanten Fin
zern, einst gewiß zart und frisch gewe
en, fest geröthet und zerfprungen war,
Jetrachtete die tief einschneidenden Ris
"e und fragte ganz nebenbei :
»Wie alt waren Sie, als Sie Dia
’onisfin wurden?«
«Sechzehn." »
.Und wie lange sind Sie an der Ar
ieit?« i
»New Jahre.« f
»Und versehen die Abtheilung ganz
Meint-"
»Das ift doch felbstverftändlich.«
«Sch·enern, puyern waschen?'
»Die scharfen Eubollölungen sind
oohl das Schlimmste.«
Der Teufel sah ihr tief indie Au
fen und fagte kurz : .Jch will Etwas
tir Sie finden« und schritt hinaus.
»»Adieu· Dnlel Doltor!« riefen die
Kinder hinter ihm drein.
Als er am anderen Tage wiederlnm,
var an Marie die Reihe. zerstreut zu
ein« Sie erröthete, hatte den Jrriga
or nicht bei der hand, schämte sich ihrer
Bergeßlichteit, blickte unter langen sei
stneu Wimpern immer nur halb empor,
iolte tief Atherm bevor sie antwortete,
—- und so tam es, daß als im Neben
zimener ein ifolirt liegendes« frisch opr
rittes Kind zu verbinden war und sie
von der einen, der Dotter von der ande
ren Seite des Bettchens her iiber den
Batienten gebeugt standen, det viele Ka
iitmeter fassende Raum für zwei ver
hältnismäßig nur tleine Köpfe plötz
ich nicht mehr ausreichte. Sie ftießen
nit den Stirnen an einander, bogen ein
venig aus, dann, wie zwei Schiffe, die
einander entern, legte sich Wange an
mange, — und mit einer schnellen Be
ve nng küßte der Teufel ein rasiges
läppchetn dicht am weißen Dauben
med.
»Den Doktor?« rief Marie zurücksah
send.
»Sie verschieben die Binde!« sagte der
Teufel trocken.
Bestiirzt machte sie sieh wieder an die
Urbeit. Ais der Verband fertig war, rich
tete sich der Böse hoch auf, nahm mit ei
nem festen· etwas schlauen, doch nichts
peniger als schalt-bewußten Blick von ihr
Abschied und war verschwunden.
Marie aber stand noch lange, die Linie
aufs Herz gepreßt, mit der Rechten die
Augen beschattend, itternd da und wußte
nicht, wie ihr ges ehen war.
Die Oberin ahnte wohl taum, daß
eins ihres-liebsten Lämmer bereits in den
WA.Wide-sachers ichrnachtete, als
ein educat, der die Dinge
sehne zur Krisis führte. Jin zweiten
Stock lag ein fünfzehnjähriges« liebens
würdiges Mädchen, das nach schwerem
Typhus eben fieberfrei geworden war,
hilflos. Die Korridorschwester, die es
gut meinte, nahm die Kleine eines Tages
auf den Arm, schleppte sie ins Bad. setzte
sie hinein, wusch sie und trug sie wieder
zurück. Auf dem heimweg zur Stube
ging der Kranken der Puls aus, und als
sie im Bett lag, galt sie der erschreckten l
Pslegerin site todt. Die Klingel ging, 1
alle Schwestern vom Korridor kamen her- s
bor, eine Novize wurde schnell zum Mars i
eer geschickt, die übrigen tnieten u das «
Bett herum und san n die Litane .
Da begegnete die ovize auf der Trep
pe dein SeufeL
«Wobini« rief er.
»Ach. denken Sie nur« Herr Doktor:
die Annie ist Festorben.«
i .Wie denn «
l »Im Bade«. Damit lief sie weiter.
, Der Doltor kannte die Kranke. Er
war gestern auf Wache gewesen und die
z Schwestern von der Jnneren die auch
gern mal mit dem Teufel zu thun haben «
.-.».·---.—--.,..«—sp-—
wollten« hatten ihn gerufen. Jetzt sprang »
, er die Treppe hinauf. trat ein und schmet
l terie nach einem Blick, nach einem Hin
. fühlen mitten in den Gesang hinein
Z »Die Füße WI«
Z Die Schwestern in voller Einpörunkn
; fuhren auf: da hatte er schon die Hacken
; der Scheintodten emporgehoben und sie
I der Nächsten am Fußende in die hand
s gedrückt Er selbst sprang ans Kopfende,
. riß die Kissen heraus so dafz der Kon »
s tief zu liegen tam und begann, »tiinst
liche Attnnting« einzuleiten.
f »Wir singen doch die Litanei!" prote
stirte die Korridorschwesten
» »Unsinn!« rief der Teufel, »das pas
firt immer, wenn man Typhuetrante zu i»
sriih aufrichtet. . . . Da wird das Hirn J
blutleer ·Da muß man das Blut wie
der hineinleiten und die Ohnmacht hört «
auf. « Damit bettelte er die Arme bald
nach dorn bald nach hinten, den Brust
tord wie in der Athmung ausdehnend
und leerend und während die Verdutzten
noch rathloz die hände zusammenschm
gen und einander topfschiittelnd andlicki
ten war schon pfeisend die erste Luftein
ziebung'"zu hören.
»Dekl« rief der Teufel. »Wir trie
gens!« Als die Oderinimit dem Pfarrer
hereintam, jadpte das Kind schon wieder;
bald war die Athmung, wenn auch
schwach doch regelmäßig; das Herz schlug
dem kommenden Leben entgegen. Dr
Teufel empfahl sich still und bescheiden.
—Die Oberin aber, ohne ein Wort des
Dankes zu äußern, begleitete seinen Ab
gang mit einem Blin, der deutlich sprach:
»Es tst unverzeihlich was Du gethan
haft. Unter dem guten Schmertsäbel
würde das nicht dassirt sein!«
Nun begannen d: e offenen Feindfelig- ;
leiten: die lieblofestiichenfchwester tränkte
den Teufel mit alter Butter und hartem
Nindfleisch; bald vor dieser, bald vor je
ner Thitr feiner Station sollte er war
ten, weil Andacht fei; beim Chlorofors
miren liesz die Oberin sich vertreten, wo
durch sie ihre höchste lliclqtactztung aus
zudrücken glaubte; der Geheimratts aber z
fragte schon am nachsten Mittag nach der
Visite turz und gut:
»Wie lange denten Sie noch bei uns
zu bleiben?«
l
Dr.:leufe1 trat einen Schritt zttruck
und erwiderte: »Ein ich im Weg?«
»O, durchaus nicht. Aber es hat sich
ganz zusällig Jemand gemeldet, dem wir
die Stelle, sobald er mit dem Examen
fertig wäre, schon früher zugesagt hatten
und der auch in jeder Hinsicht in den
Geist unserer Anstalt hineinpaßt .....
Wär es Ihnen recht. .da Sie ja doch
nur prooisorisch angestellt wurdtn7«
Der Verstoszene derbeugte sich, ohne ein
Wort zu äußern, machte Kehrt und ging
aus sein Zimmer Aber die Augen blitz
ten ihm und seine schmalen Lippen lagen
fest auf einander.
Am dienstsreien Nachmittag fuhr er
in die Stadt und machte Einiäufe. Den
ersten in einem Juwelierladem den ande
ren in einer Apotheke. Er mußte sich
das Rezept selbst verschreiben; es war
Phosphor, reiner Phosphor, was er Ver
langte, und zwar ein derbes Stück. 1
Bei der Abendbisite auf der Kinder- «
abtheilung empfing ihn Marie blaß, mit f
leicht vermeinten Augen, sonst ruhig und
gefaßt; nur einmal masz sie den
Feind mit einem langen, stagenden
Blick. Sobald die Arbeit im Isolier
zimmer gethan war nahm er sie unver«
muthet beim Arm, schob sie in die nahe
Fensternische und sagte lächelnd:
WSchwester ich habe auch mitgebracht
um was Sie mich baten.«
Sie schien verwirrt und stammelte:
»Ich f. Sie gebeten ? .. . .«
«Jawoh«..i .Ettvas siir Jhre Hän
de. Die sollen mir wieder heil und
glatt werden. Sie müssen Etwas tra
gen. Wollen Stei«
»Was denn?«
Da nahm er ihre Linke; und ehe ne
sich dessen versah, steckte er einen Gold
reif an ihren Zeigefinger. Sie erschrak.
Purpurgliihend, schtver athmend, stand
sie da. Mit der Rechten zugreifend,
drehte sie und drehte, aber merlwür
dig ——: der Ring ging nicht mehr her
unter. Plöhlich fühlte sie sich von ei
nem fehnigen Menschenarm an der
Schulter umschlungen. Ein Stürm
scher preßte sie an sich, hob mit der Lin
ten ihr Kinn, titszte sie auf die Stirn
und flüsterte: -
.Solls gelten i«
Da sanken ihr die Arme herab. Wil
lenlos schmiegte sie den schlanten Leib
ihrem Liebsten entgegen, houchte selig
und selbstvergessem »Jet« Und er, un
verweilt, stempelte mit tröstigen Sie
geln den holden »Vertng auf Mund und.
Wangen. Dann tilszte er heftig und
feuchten Auges auch ihre beiden hände,
legte sie vor seine breite Brust und
rannte: »Ja einer Stunde bin ich wie
der da. Meines Bleibens ift hier nicht
länger. Liebchen, sei verschwie
geni«
s »Alleö, was Du willst!« erwiderte
re·
Jm ersten Stock war ein räudiges
Schäflein als »Nuchtschwester« thiitig,
die Tochter eines reichen Brauherrn,
von den Eltern zu Buße und Besserung
unter die Diatonissinnen gesteckt. Sie
und der Teufel hatten einander bald
verstanden. so daß er auf sie zählen
konnte, und im Vorbeigehen fragte er sie
tote sum Scherz r
—
i »Sschwester Berlholde. wollen
i heuteeinen Ball geben L«
I »Gern«, antwortete sie und i «
Schelmenaesicht leuchtete auf
Er trat mit ihr in die Stube eine
Privattranten, die, aus beiden Ohr»
taub, jüngst am Schlafenbein operr
war; von der-in einen größeren Raum
der, über den Gemächern der Oberf
liegend, nur im Nothsall belegt wurd
nnd mit einem Balton versehen war.
Von dem eine kleine Feuertreppe zui
Veranda vor der Kinderstation und voll
da in den Garten hinabsiibrte. Hiet
wurde lnrzer Kriegsrath gehalten. dann
trennten sich die beiden Verschworene
bis zum Litiederskbsw
Stemka zog die Nacht herauf. Als
Elisa Freiin von Epnbr gerade befchiiss
tigt war, it;re ninfanareiche Junger
lichleit in schneeweißeg Sinnen en hii
len, fuhr sie, aus der Vettl.1r:te·sitzeri
wie von einer Pudel gestochen, zusam
men. Was bedeutete das? ..... Ju
iider itir ein Etampsen, schliirsende
Tritte nnd tnaIrtnistig der lei
Klinaen war ja ...ein Wahn-! Si
schellte heftig Tie Vertraute kam und
mußte dag unmöglich Scheian best«
tiaen.
»Das ist auf No. 1.··z!" rief sie.
»Schon ninaus!« lrähte die Oberi
machte sich eilends fertig und trat, ge
sdlgt von ihrer ganzen Adjutantur, den
Gang nach oben an. Vor der Thiir vo
No· Ist blieb die Gruppe stehen und
lauschte, mit langen, entsetzten Gesich
tern. Jnnen Gelichen die Klänge eine
Spieldose, dazu deutlich getanzt und ge
sungen :
»Siehste wohl, da limmt er.
Große Schritte nimmt er . . . ."
»Oefsnen!« ries die Qderin und rük
telte vergebens an der Thür. Aus! . ..
Sogleich ließ innen das Singen und
Tanzen nach. Man versuchte, dont
Zimmer der Ottrenlranten aus dorz
dringen, aber auch hier erwies sich -
Thiir alk- verichlosien. Während in sie
dernder Aufregung berathen ward;
»Was nun?« erloschen Plötzlich auf dem
Korrizsdr sämmtliche Glühlampen, es
jonrde stedfinstcr, nnd nur am Fußer
den flammte e-:- phogdhoregzirend von
hufartigen Spuren. Ein Auffchtei
folgte: »Der Teufet!!« Und mit man
iendstn Knien sturzte die ganze Schaut
der Mitteltrcdde zu, uni, Eine an der
Anderen sich liakrend, Die sicheren Räu
me- des tsrdaeschosseg wieder zu gewin
nen.
Das Abaretien Der Leitung war Dr.
Teufels letztes Wert. Ohne Störung
erreichten er und seine Braut das Gar
tengitter. an dessen Außenfeite eiai
Freund mit seiner jungen Gattin, d
vor Aufregung über die romantif
Ftucht bebte, Das Paar empfing und z
einem tleinen Verlobungsmahl nach sei
ner nahen Wohnung entführte.
Die Schreckens-nacht blieb noch lange
Jahre im Alexandrinenhause G
sprächkftofs für die Dämmerstunden
Die kleinen Novizen, wenn sie dava
hörten, dachten seufzend: »Ob solch ei
Teufel wohl jemals wiederkommt ? . .
Bertholoe ward, trotz kaltbliitige
Leugnen, nach Hause zurückgeschictt —
wag sie längst wünschte -——, Marie aber
nach Jahren von einer »Aufeen-Schwe
ster« im Thüringifchen als munter
Dottorsfrau angetroffen Sie war
überglücklich, mit ein paar traushaakii
gen Buben an der Hand. Nur die äl
teren Jahrgange schüttelten, wenn arr
sie die Rede war, ihre Dauben un,
brummten unversöhnt : »Sie hat sich
dem Teufel ergeben! ...... «
Einen Fischfchivarm vors
Millionen von Thieren beobachtete Dr.
Schnee, stellvertretenver Gouverneur in
Teutsch Neuguinea, als er sich auf ei
nein Krieg-kluge nach ven Salomonsim
feln besond. »Das Meer wimmelte stel
lenweise von Fischen « so heißt es in
dein Schreiben an seinen Bruder Dr
mev. Schnee in Norohausen —-- jedoch
habe ich nie so viele gesehen als damals,
wo ein gexvaltiger Fischschwarm unmit- ,
telbar an unser Segelschiss heranlnm.
Durcheinanbee springenb, versehien sie
vaS Wasser in sprudelnde Bewegung
und näherten sich uns mehr und sites-L ·
Die großen verschlangen die kleinem-;
und iiber der wogenden Masse schwebte
eine mächtige Wolke von Vögeln, aus
ver von Zeit zu Zeit ein beutegieriget
Räuber aus die Millionen sich drängen
der Fische herniederschosz. Jn der Mitte
des Zuges befanden sich drei gewaltige
Walfische, die, von Zeit zu Zeit ihr un
geheures Maul ausreißend, ungeahnte
Mengen ver Flossenträger hinunter
schluckten.- Es ioar ein Anblick, wie ihn ;
wenige Menschen genossen haben wer
ben; selbst unser Kapitiin und bei
Steuermann ertlärten einstimmig. der
artiges noch nie gesehen zu haben. Um
den eigenartigen Anblick ganz zu genie
ßen, ließen wir den Schwarm ruhis"
vorbeiziehen, wobei der eine Wal bis
auf etwa zehn Meter an unser Sch »
herantam.« -—— Leider geht aus di .,
Darstellung nicht hervor, um was« r
Fische es sich handelt, und welche Ut
sache dieser eigenthiimlichen Fischiyans
derung zu Grunde lag. heringe bilde
ja zur Laichzeit Züge von ähnlicher
Stätte, tote Beobachtungen in nordi
schen Meeren lehren; auch sie werden
dann von einer Unzahl ihrer Feinde
Vögeln wie Fischen) begleitet
Logischer Schluß.
Professor (ber vorn Pserdt in des »
Sttaßenschmukgesalleny Jch schein
ntcht mehr zu teiteni "