Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 01, 1899, Sonntags-Blatt., Image 15

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    W
« närrische generis
Vpn habest Matten
Nach bekannter Melodie.
Semnonenherzo Enterich
Saß etnit auf feinem T ron .
Und sprach znnr HauptmannMulfertche
Acad ratbeft Du, mein Sohns
Jch schaue Elend nur und Graus,
Wo ich auch geb nnd steh —
srienRodam ich dalks nicht mehr aus
Arn grttnen Strand der Spreet«
Derhauptrnann sprach gedankenvoll:
«Vab’ hin und her gespäht
Und weiß nicht, was ich rathen fall
Zur Rettung scheint’s zu spät.
Sarmatenhorden ziehn herauf
Born Osten, dicht wie Schnee —
Jch schlage Vor, wir brechen auf
Am grünen Strand der Spree!«
Da rief der Herzogirobgesinnh
»Mach allsogleich bekannt, .
Ein jeder Mann mit Weib und Kind
Verlasse dieses Landt«
Laut jubelnd folgten sie dem Wort
Und teiner sagte »nee,"
Und alle, alle zogen fort
Vom grünen Strand der Zprer.
Sie brachen ein ins röm’fche Reich
Und trieben es dort bunt:
Sie färbten manchen Römer bleich
Und scharlachroth den Grund.
Der traiser selber ließ im Stich
Sein großes Portemonnaie ——
Daö nabmen die Semnonen sich
Vorn grünen Strand der Sprec!
»Karthago ist ein reicher Nest!
—- Hub an der herzog da —
Mich deucht, es ist das allerbest’,
Wir ziebn nach Afrika!"
Vandalentönig Gänserich
Fuhr gerade über See -——
Und mit ihm zog der Enterich
Vorn grünen Strand der Spree.
Als man das Mobrenland erreicht,
Da rief der Herzog: »An!
Beim Donnr, diese Jejend jleicht
Der Heimath janz jenan!«
Die Mannen standen wie verdutzt
Und stöhnten: »Ach und weh!
Mk hat Uns nu die Fahrt jenutzi
Born jrienen Strand der Spree!«
Zwar pries man jetzt die Heimatl)
gern;
Doch tonnte man nicht nenn:
Sie saßen in Kartbago fern
Wie Fliegen auf dem Leim;
Sie wurden schwarz im Sonnenlicht
Vom Scheitel bis zur Iris —
Warum blieb man bei Muttern nicht
Am grünen Strand der Spree!
Und die Moral von der Geschicht’
Beachte wohl, mein Kind:
Zieh niemals aus der Heimath nicht
Aus blauen Dunst und Wind!
Dein Loos ertrag geduldiglich,
Was immer auch gescheh —
Sonst geht’s Dir wie dem Enterich
Born grünen Strand der Sprec!
Diesllraui. (
Von Tonn Schumacher. i
Eine Braut im Haus, eine Braut im
Haue-,
Das klingt wie ein Lied in dem Maien
Das treidet all’ Sorgen und Miß
mnth hinaus,
Läßt zurück nur Freuen, nur FreuenZ
Das habe ich vor langer Zeit einmal
irgendwo gelesen, und es machte mir
einen Eindruck! « Wenn es möglich
ist, —- «Nur freuen, nur sreuen,« und
»Sieh sreuen lassen,« ganz, vollaufs
ungeschmälert, auch wo wir Alten viel
leicht sorglich an dies und jenes den
ten. und das Zutunstagliict unsecm
Lieblingö uns vielleicht anders vorge:
stellt haben! Wenn wir einmal Ja ge
sagt, so soll tein Mißton mehr ttrngen
tein Schatten mehr fallen, tein Zweifel
mehr den Frühlings-rauher des Ver
lohtseins stören, soweit es in unserer
Kraft liegt! — Es ist solch kurze, solch
heilige Zeit — wie im Lenz, wenn die
Blüthen sich entfalten und ihren Wun
derdust ausströmen, wenn die Blumen
ihre Kelche össnen und wenn die Vög
lein ihr Lied schmettern aus übrrvoller
Brust, und in Werdelust sich die Stätt(
ihres Restes suchen! « Seid verständ
nißvolle hütet solcher Wundertage —
ihr, die ihr dazu berufen, und lasset
von allen Seiten Wärme und Sonnen
schein herein, daß all dies Frühlingsle
den wohlig erstarle und tiesgriindig
werde sür später!-s—
Eine Braut werden, -«— eine Braut
sein! Wie steett dieser Gedanke schon
ini tleinsten Mädchen! Es bindet det
Puppe eine weiße Schlepio um unt
läßt sie mit deje Brüderchens hansels
mann Hochzeit halten. Oder es stellt
selber die Braut var, mit einem
Ränzlein von Wiesenblumen imHaar
sein sittsam neben dein oft recht stötri
schen Spielgesittirten zum improvTier
ten Traualtar schreitend. -- Von r
uralten Abzählliedchen, mit den wun
derlichen, im Laufe der Jahrzehnt
-ganz unklar gewordenen, aber deshalb
um so lieberen Reimen. wie:
Drehet aus der Kette,
Bis es llinatl
Welches ist die schönste Jungfer
. Unter diesem Reihen?
seculein Anna tehr’ sich um,
. Sie leiegt ein’ schönenBiitgersjung’:
Wohl um wohl umweht um wol-l Fu
»Morgen wollen wir hochzelt han!
und:
»Glas, zwei, drei kommt her unt
schaut.
Jungfer Miuchen ist die Braut!«
bis zu den Märchen und-Märchenbil
dern, wo der Prinz dre Prenzessin
-heimhon, se t sich der Beguss m, dem
« jungen Köp chen Tell, daß Brautsem et
was unendlich Schorns, Festlrches und
Bevorzugksk lei- ·
Und so ist es auch in Wirllichkett
und das letztere stimmt immer mehr
in einer Zeit, wo »sich verloben« unt
»einen Herd stünden können« — sr
viel seltener geworden ist wie früher
Brautseindijkfen ist wohl das Aller—
schönste, was es giebt, wenn
«Zweie sich lieben aus ganzer Seelen
Und gläubig vertrauend zum Ehbund
sich wählen!«
s In wie vielerlei Formen kleidet sich
dies Glitckl
Am seltensten wohl ist die junge
gänzlich sorgenlose Braut, der alleWegi
geebnet sind, bei der Kennenlernen, Lie
ben und Betommen eins ist! -— Wie
’beneidet wird diese in den meisten Fäl
len! Die erste sein unter den Freun
dinnen, die sich verlobte, im ersten Win
ter aus den Bällen schon gleich ausge
zeichnet. geliebt und begehrt zu werden,
wo andere oft so schüchtern, ängstlich
und unbeachtet sind, —- ihn, —-—- den
»Herrlichsten von allen« — gleich zu
Enden und lieben zu dürfen, und das
« inglein an den Finger zu bekommen,
wo man laum erst diese ,,entziickenden«
.Gedichte von Frauenliebe und Leben
hatte kennen lernen, -- das muß doch
T»himmlisch schön« sein! Und dann —s
s die Brautoisiten an der Seite des statt
Ilichen Bräutigam-« und das schöne neue
JKleid. und der duftige Hut dazu, und
das Eintaufendiirfen, und die neue
Wohnung mit den englischen Möbeln
und dem Nototosalon, und vorher
die Hochzeit mit sämmtlichenFreundini
nen in Rosa, und dann die Reise nach
Italien, und Papa und Mama, die lä
chelnd fiir alles forgen, bis das junge
Paar wieder nach Hause toinmri . . ..
Ja, das sind giildeue Träume, die
wohl durch jedes ganz junge Mädchen
hetz ziehen, und wo sie sich verwirkli
chen, den sehnsüchtigen Wunsch bei den
anderen erwecken: »Ach, wenn eg mir
doch auch so gut ginge!«
Aber wie manchmal vermag solch
ganz junges, vom Glück in dieser Weise
bevorzugteg Gemüth dag· wag ihm ge
worden, noch gar nicht, oder vollends
auf die Länge zu schätzen! Die höchsten
der Giiter fielen ihm mühelos in den
Schooß, ehe sie nur eigentlich begehrt
wurden, und es fällt mir da so oft der
Ausspruch eines alten Herrn ein« der
bei einem ähnlichen Fall sagte:
,,Alle5 im Leben muß erst ersehnt
und zum Wunsch geworden fein, ehe es
wirklich beglückt! Gebt dem unverstän
digen tleinen Kinde, das mit ganz un
efiigem, einfachem Spielzeug noch zu
frieden ist, schon Schautelpferd und
Puppenstube, oder dem Schulmädchen
schon Uhr und Kette, und ihr bringt
eure Kinder um die größte Freude —
um die endliche Erfüllung von etwas
sehnlich Begehrtem!«
Und ähnlich taun es manchmal mit
zu frühen, zu glatt verlaufenen Ver
lobungen gehen, wobei ich dem Spru
che: »Jung gefreit hat niemand gereut«
--— gewiß nicht entgegen sein will, denn
wo in einer in Liebe jung geschlossenen
Ehe zu allem andern hin auch noch
das Bewußtsein des seltenen Glücks
aufgeht, da ist es wohl oag Naturge
mäszeste, Herzerquictlichste, wag man
sich denken kann!
Uns älteren, denkenden Menschen
wird für gewöhnlich das Brautgliick
eines etwas reiseren Mädchens-, das
vielleicht urn glückliche Erfüllung sei
nes Schicksale in irgend einer Weise
gelömpst undgernngen oder gebangt
hat, noch mehr zu Herzen gehen.
Da sind zwei, die sich lieb haben,
aber sie wagen es nicht, den Eltern
zu sagen, ob des bestehenden Standes
unterichieds. Das Einvernehmen zwi
schen den beiden wird bemerkt, derVer
lehr möglichst beschränkt. Gegengründe
werden eindringlichst geltend gemacht,
die Betreffenden scheinen sich zu fügen«
aber sie Können nicht von einander las
sen. — Große Ausdauer, Tüchtigkeit
und Arbeitskraft schlagen mit der Zeit
vielleicht eine Brücke, und die Verlo
bung ist schließlich der Loan —
Zwei andere, die passen geistig zu
sammen, und sie verstehen sich hlitzar
tig in den höchsten Fragen, Seele neigt
sich zu Seele, und es diintt ihnen dai
glückseligste Loosl, in vollständigster
Uebereinstinimung ihre Lebenswexz zu
vereinigen. Aber es bedarf jahrelangen
Warteiis, Studirenö. Exarneninachens
und Bestehen eines solchen, bis der
Augenblick da ift, den sie ersehnteni
Dasselbe gilt von solchen, bei denen
es nach dein alten schwavischen Liede
heißt: »Dann soll i sie net triaga,
weil sie tein’ Kreuzer hat.« ——-- Die
Vernunft ist noch mächtig genug gewe
sen, sich nicht zu binden. Beide arbei
ten aber nun und erwerben und spa
ren, und was giebt es wohl Rührendes
reS und Beglückenderes, als wenn es
solchem Paar dann endlich durch eigene
Kraft gelungen, doch noch ein Braut
paar zu werden. —— Welchen Werth
hat da jedes Stückchen im Hausrath
und die mühsam selbstgenähte Wäsge
einer solchen Braut enthält vtellei t
viel tausendmal idealere Zulunsisge
danten als der große, vollgefiillte Wö
s chranl einer reichen. —
der welches Brautgliick gleicht dein
eines jungen Mädchens, das vielleicht
jahrelang sich nicht gestattete, feinen
Gefühlen nachzugehen, weil es eine
trante Mutter, einen alten Vater zu
verpflegen hatte oder eine Dienstzeit
aushalten mußte, oder eine tief verbor
gene Liebe im herzen trug, die endlich
bemerkt wurde, oder die nach Aufgeben
einer ersten Liebe wähnte, nun ist alles
aus, und die langsam, in glücklichem
Staunen erkannt, daß der »Richtige«
jeyt erst gekommen!
Jn all diefen Fällen wird die end
liche Erreichung des längere Zeit ange
strebten Zieles ein ungleich größeres
Gefühl von seligem Brautgliick hervor-·
rufen, als wenn dieses mühelos in den
Schooß fiel.
»Hindernisfe steigern die Empfin
dungsfähigteit!« — Jch gedenke auch
hier der Mädchen, die schwere Erfah
russgen gemacht, die durch Zweifel,
Mißverständnisse, scheinbares Ver
schniiihtsein hindurchge« angen, und wo
sich schließlich all die eengenden, so
furchtbar lastenden Nebel lichten und
die Liebe, die so lange in dem zucken
den Herzen unterdrückte, siegreich her
vorbricht und zur Einigung mit dem
in der Stille Geliebten führt.
Jch habe vor nicht gar langer Zeit
ein sehr jugendliches, vom Glück ver
lvöhntes, von übermüthigster Freude
fersiillteg Bräutchen in meiner näheren
Bekanntschaft gehabt, und als Pathin
und aus Liebe zu dem herzigen Ding
habe ich manchen Aussteuergang mit
ihr gemacht. Bei einem von diesen er
gab sich ein solcher Kontrast, wie ich
ihn oben geschildert. —
Ein Ladenmädchen in einem Klei
dergeschäst, das- uns schon oft bediente,
probirte meiner kleinen Beqleiterin ei
nen Morgenrock an. Mit ihren geschick
ten Fingern ordnete sie da eine Falte,
tniipste dort eine Schleise anders-, und
ich sprach ihr wiederholt meine Aner
tennung über ihre Geschicklichkeit aus«
Sie’dantte mir mit einem herzlichcn
Blick und sagte dann:
»Es ist wohl das letzte Mal, daß ich
gnädige Frau bedienen dars, ——— nächste
Woche habe ich nämlich Hochzeitt« Ich
mochie wohi ein bischen erstaunt aus
sehen, als ich ihr Glück wünschte, denn
das Fräulein war gewiß schon Ende
der dreißiq und gar nicht hübs ch und
mein Pathenlind fliisterte mir zu:
»Ist es möalich daß die noch einen
Bräutigam bekommen -s—, eg- ist gewiß
ein Wittwer mit vielen Kindern!«
Sei-S, daß das Fräulein dasv letz
tere verstanden, oder daß sie Vertrauen
zu mir hatte, sie erzählte mir, daß
sie wirtlichs einen Wittwer mit süns
Kindern heirathe.
»Da gehört aber Muth dazu!« sag
t: ich freundlich
»Ja schon, aber ich habe Kinder so
gerne, " erwiderte sie fröhlich. »Ich habe
mir immer gewünscht, bei Kindern sein
zu dürfen, aber durch Nähen verdient
man mehr, sagte Mutter· Und sie hatte
wohl recht. Jn siebzehn Jahren, wo ich
hier bin, hab’ ich mir was Hiibsches
erworben. Aber leicht wars gerade
nicht, - so immerfort nur an Mode
und Staat und Kleider zu denken und
an dag, was den Leuten steht. Des
Abends, in der einsamen Wohnung,
besonders seit Mutter gestorben, da ist
inir’s manchmal schwer uin’s Herz
geworden, und ich habe fast mit Neid
·zugesehen, wie die Trilotnäherin ne
benan unter die Arbeit hinein ihr Kind
lieb hatte und versorgte. Und jetzt
belomine ich fünf Kinderlein auf ein
. mal und noch den braven Mann dazu,
der sein Auskommen hat und der —
Jhnen, gnädige Frau, tann ichs ja
ysagen mich schon früher gern ge
habt hätte und ich ihn. —- Du lieber
Gott« wir waren eben beide arm, und
da wurde nichts daraus. Aber jetzt —
nicht wahrs- noch so ein Gliict, — wo
ich geglaubt habe, ich miisse mein Leb
tag vollends allein hleiben..."
Das Mädchen richtete sich einen Au
genblict wie iiberwältigt bon dem Ue
bermafz ihrer Gefühle aus ihrer ge
biickten Stellung auf, und aus dem al
ternden, etwas hageren Gesicht leuchte
ten ein Paar so glückselige Augen und
eine so tiefinnerliche Befriedigung, daß
mir diese Braut im Augenblick nicht
nur glücklicher, sondern sogar auch
fast schöner erschien als mein kleines,
rosiges BräutchenH das doch wirklich
so reizend in dem duftiaen Gewande
dastand, aber etwas verständnißlog
der Erzählung gefolgt war.
Brautstand, —- Lsrfiillung unsd Er
wartung zugleich, Haben und Hos
!seri, Träumen und Handeln, Geben
s und Nehmen, — goldener Spalt an
s der Pforte der Zutunsti
Ihr Bräute alle sammt und son
ders, ob alt« ob jung, ob vermögend,
ob arm, ob noch unbewußt oder be
wußt glücklich, — mit welch« berechtig
tem Stolz sagt und schreibt ihr die
drei Worte:
»Ich bin Braut!«
Ein anderer Mensch, und merkwür
diger Weise immer gerade der ,,aller
liebste« auf der ganzen Welt, hat dich,
gerade dich gewählt, mit ihm zu leben,
und hat dir gesagt, und sagt dir noch
stündlich mit Worten, wie du sie vor
her noch gar nicht-gehört, daß auch du
das Schönste und Begehrenswertheste
aus Erden seiest.
»Das macht mich neben aller Selig
leit so klein und demiithig,« sagte mir
neulich eine tief angelegte, denkende
Braut, und ihr Ausspruch that wohl,
ge eniider so manchen anderen ver
lo ten Mädchen, die das stolze Gefühl
Braut zu sein, mit Dstentation nun
’ vor den Freundinnen zur Schau tra
"i gen und nicht bedenken, wie weh man-—
. chem umflorten Auge der unvermittelte
lict in zu grellses Sonnenlicht oft
f thut. —- Es liegt überhaupt eine Ge- «
fahr darin, so plötzlich, wie mit einem
Schlage, für eine Zeitlang der Mittel-i
puntt der Familie und der Freunde Zu
werden, besonders für nicht ganz fe n
und rücksichtsvoll angelegte Naturen-—
Eine Braut, wie sie sein soll, erfüllt von
Liebe und Freude, sollte auch immer
durchleuchtet und getrieben ein von
verdoppelter Liebe für die sie Umge
benden. Zweifache Liebe brauchen jetzt:
vor allem die Eltern. die mit dem Zu
stimmungswort ihr Liebstes ja nun
verschentt haben, und die, wenn mag-f
lich, sich ja so innig mitsreuen, die abers
doch im Grunde genommen, in diesent
Zeiten wahre Märtyrer sind. Aeußere!
und auch oft innere Unruhe, Sorgenj
um’s Seelische und Leibliche, von de-l
nen das Kind oft keine Ahnung hat,
Verwandtenpslichten, Aussteuerlisten,·
mühsame Berechnungen, peiuniiirel
Opfer und so fort, Ordnen der neuenI
Verhältnisse, HochzeittrubeL und dann-.
bei allem noch der auiilende, drohende
Abschiedsschmerz und der oft ganz ver
zweifelt im tiefsten Herzen gesührteEi
fersuchtstampf —- den um Gottes wil
len niemand ahnen darf —-—- gegen den
Eindringling und Räuber in der Fa
milie, den man ja doch »gewiß liebt,«
aber dabei fast haßt, —- was man sich.
ja nie nur annähernd eingestehen
würde. Habe ich nicht recht, ihr Mütter
und besonders ihr Väter?
Die glückliche Braut hat meist von?
dem allen keinen rechten Begriff, dennf
sie ihrerseits hat so unendlich viel zu«
denken! Erstens an ihn und nochmal
an ihn, und ob der Brieftriiger, der
auf einmal die wichtigste Person ge
worden, auch gewiß einen Brief bringt.
Und dann das Lesen von diesem drin
in ihrem Stäbchen, und das immer
wieder Lesen, mit den entzückenden Be
theuerungen, wie ,,unsagbar« lieb man
sich habend-Es ist ja auch schon eineEwia
teit seit gestern, wo man sich gesehen.
Viele Küsse werden auf die Stelle ge
druckt, wo die liebe Hand geruht· Und
nun muß doch schnell geantwortet wer
den.
Liebe Mutter dort drüben mit dei
ner Liste und all deinen Fragen ini
Herzen, habe Geduld, wenn der Bräu
tigam auswürts ist, die Liebesbriese
von Mädchenhand aus brautlich er
fülltein Herzen, die brauchen Zeit. Und
nochmals und verdoppelt wappne dich
wieder mit Geduld, wenn der Bräuti
gam am selben Orte wohnt und immer
gerade kommt, wo du so nothwendig
mit dem Töchterlein sprechen und ihre
Hilfe haben solltest, oder nicht fort
geht, wenn du und Vater des Abends
todtmüde schlafen gehen möchten Du
tannst ja ein Machtwort sprechen und
hast gewiß das Recht dazu, aber wenn
möglich, thue es lieber nicht. Gönne
den beiden das Beisaminensein und
auch das Vllleinsein! Zeige Vertrauen,
wo du für’s Leben anvertrauft, und
lasse sich tennen lernen nnd aus-spre
chen und immer wieder aussprechen,
so viel es sein kann, wag sich nachher
für immer verstehen soll. Wie manche
Uebereinstimmung hat sich da noch bes
festigt, wie manche Verschiedenheit sich
ertannt und abgetlärt, ehe das Band
festgetnijpft wurde, und das Alltaggij
leben begann! s
Mütterlein, sei selbstlog nnd bleibe
möglichst ruhig und gelassen, und
wenn dann die Stunden zum Einkau-l
sen und Besorgen kommen, so gestaltet
auch diese zu keinem seufzenden Gehetze,l
sondern sreuet euch zusammen, wennv
es euch auch ein bischen müde macht,l
s— der fröhlichen Augwähl und Ein-I
kaufezeit, wie sie meist nur einmal im
Leben kommt. I
Jhr werdet wohl manchmal zweier-leis
Ansicht sein, denn dein Kind ist jusng
und du siehst mehr mit den Augen der«l
Erfahrung Gieb nach, loo du vernünf
tigerweise nachgeben kannst, denn ein
Mädchen, das heirathen will, muß auch
schon seinen festen Geschmack und be-»
stimmte Ansichten haben, gerade so»
wie du sie vor eilich und zwanzig JalH
ren hattest und wohl auch geltend
machtest. s
»Ich habe aber gerade später manch-z
mach gedacht, hätte ich nur dem Rath?
meiner Mutter gefolgt und hätte dies’
und jenes praktischer gewählt!« wirstj
du mir einwenden, und das wird beiI
deiner Tochter genau sich auch wieder
hol«n. Aber solange es keine wirklichen
Exceavaganzen sind, die sie möchte,.
laß sie gewähren; laß ihr die Freude«
dem Geschmack ihrer eigenen Zeit sol
lgen zu dürfen, auf die Gefahr hin,
eine kleine Dummheit zu machen, —
du ersparst ihr und dir so manche Ber
stimmung dadurch· Verstimmungen
und Erregungen, sie sind so leicht der
ifitiåclkschlag in Zeiten hochgehender Ge
u e.
i
Frischen Sinn und unverstimmtes
I Gemüth habt ihr ja so ganz besondersl
nöthig in dieser Zeit den neuen Vers
wandten gegenüber die euch noch nicht
tennen und die ihr gewinnen miißt
Daß das in den meisten Fällen nicht
leicht ist, wissen wir alle
Der Braut des geliebien Sohnes-,
Bruders oder Entelg wird ia gewöhn
lich mit der allergrößten Herzlichteit
entgegengekommen, sofern die Wahl
nach Wunsch war, aber bei aller Zu:
vortonnnenheit und Freundlichkeit ist
im hintergrund der Herzen doch das
ängstliche Fragen und Beobachten: Wie
ist sie eigentlich, —— nicht mit verlieh-«
ten Augen angesehen, —- wird sie ihn«
greulich machen, — wird sie zu mai
passen? Es ist ost so eine ganz andere
Art, die neue Familie und Sippe, abex,’
giebst du dein Kind her, so thu es
gan und sei auch hier groß und weit!
Hil · der jungen Braut, daß sie sein
flihlig und warmherzig sich den neuen
Verwandten naht, —- sie haben ein
Recht an sie, —- und schweige ihr gegen-»
über, wo du etwa aussetzen tönntest,-—
die richtige Liebe einer Braut muß in
allen Fällen so start sein, daß auch ein
warmer Strahl und vertlärender
Schimmer aus alle die fällt, welche ih
rem Verlobten nahestehen. Kein Kriti
siren und tein Vergleichen soll da statt
finden, sondern ein vertrauensvolles,
ehrerbietiges Entgegenkommen. —
Tragt Sorge, daß in diesen Tagen
der Liebe ein redliches-Wollen für alles,
was in den neuen Verhältnissen liegt,
Wurzel fasse, aus dem später ein ge
deihliches, friedliche-E- Miteinanderaug
kommen erwächst:
Eine Braut im Haus, eine Braut im
Haus
Es ist ein Lieben und Laffen
Von Geben und Nehmen ein bunter
Strauß,
Ein Sondern und Allumfassenk
Das bräutliche Glück ist ein Ecklein
klein«
Durchwärmt und durchleuchtet non
« Sonne,
Ein stilles Wunder im Herzkämmer
lein —
Und dabei eine Welt voll Wonnel«
—-0.0-—-—
Ein merkte-strenges Cursum
—
König Franz der Erste von Frank
reich schloß im Jahre 1586 ein Bünd
niß mit dem mächtigen Großfultan
Soliman den Zweiten, welches großes
Aergerniß in ganz Europa erregte.
Der prachtlisebende Franz, welches
stets für Kunst und Wissenschaft reges
Jnteresse zeigte, kümmerte fich aber
darum gar nicht, sondern sandte dem
neuen Bundesgenossen schöne und kost
bare Geschenke verschiedener Art. Auch
wünschte er ihm einen vortheilhaften
Begriff von der französischen Instru
mentalmusik zu geben, welche damals
bereits zu hoher Vollkommenheit ge
langt war. Jn Frankreich wurden seit
einigen Jahrzehnten schon ganz vor-—
treffliche Geigen, Gamben, Lauten,
Theorben, Flötem Oboen, Chmbeln
und andere musikartige Instrumente
verfertigt für geübte und tüchtige Vir
tuosen. Also warb er eine Truppe der
geschicktesten Musiker an, um sie aus
seine Kosten zu Schiffe nach Konstan
tinopel zu senden, wo sie dann wäh
rend einiger Jahre zur angenehmen
Unterhaltung des Sultans und seines
Hofes ihre musikalische Kunst zu Ge
hör bringen sollten.
Diefe Musiker lamen glücklich in der
türkischen Hauptstadt an. Man em
pfing sie ehrerwoll, bewirthete sie reich
lich und auartierte sie vortrefflich ein
auf Befehl des Sultans und auf dessen
Kosten, worauf dann im Palaste bald
das erste Conzert stattfand. Die Künst
ler gaben sich begreiflicherweise alle er-:
denkliche Mühe, und leisteten wirllich
sehr Gutes-, indem sie ihren Instru
menten die füßesten und schmelzendsten
Töne entlockten.
Durch diese seelenvolle Musik wurden
der Sultan und dessen hohe Würden
träger, die bei dem Conzert zugegen
waren, tief ergriffen, ja ihre rauhen
Geniiither geradezu bis-z zu Thränen ge
»Das ist ja ganz wunderbar,« sagt-e
darauf nachdenklich Soliman. »Wie
lieblich, wie schön! Einmal haben wir
diese sanfte Musik gehört — nie wie
der dar’s geschehen! Denn sie, die so
rührend, so einschmeichelnd, so ganz
anders ist als die rauhe Schlachten
musit unserer tapferen Krieger, sie
wiirde uns mit ihrem verlockenden
Wohllaute allmählich verweichlichen
und entnerven, wie es in ähnlicher
Weise einst den Persern erging und
später auch den Griechen. Darum
wird’s am besten sein, wir ersticken die
fiir die Macht und Wohlfahrt unseres-I
Reiches so gefährliche Vergnügen so
gleich im Keime.
Jn der That ließ er den Musitern
die Instrumente wegnehmen und letz
tere aus dem Steinpflaster des Palast:
hoses mittels Keulen und Beile lurz
und klein schlagen. Die Bruchstiiete
wurden auf einen Holzhaufen gewor
fen, die Notenhefte oben darauf, und
alles miteinander so gründlich ver
brannt, daß nur die Asche und einiges
geschmolzene Metall übrig blieb.
Mit größtem Entsetzen hatten die
französischen Musiler diese Prozedur
angesehen. Sie fielen auf die Kniee
und slehten inständig um ihr Leben,
denn nach dem Vorgesallenen befürch
teten sie, daß nunmehr auch sie selbst
gktöpft odcr gespießt oder aus Schei
terhaufen verbrannt werden sollten
Durch den Dolmetscher ließ Soli
man die Geängstigten jedoch giitig be
ruhigt-n Nicht mit ihren Personen
würde er so umgehen, wie er aus-Grün
den der Staatsklugheit mit ihren Jn:
sirumenten habe verfahren müssen, um
aus jeden Fall es zu verhindern, daß
in seinen Landen solche sauste Musik
gespielt werde. Nachdem er sie aber
mals köstlich mit Speise und Trank
hatte bewirthen lassen, schenkte er
groszmiithig jedem von ihnen einen
schweren Beutel voller Goldstücke, er- »
stens als Belohnung für das rührende
Conzert, zweitens als reiche Entschä
digung für die vernichteten musikali
schen Jnstrumentr. Danach sandte er
auf seine Kasten wieder z- Schiffe nach
Frankreich
Nach derAnlunfi in Paris berich
«teten sie dem König ihr sonderbar-es
«"Erlebniß in Konstantin-weh Franz
gerieth darüber in nicht geringes Er
staunen.
Die Musiker aber hatten allen
Grund zur Zufriedenheit Jhre Lei
stung war so hoch von Soliman au
ßerordentlich hoch bezahlt worden
sDas eine Conzert in Konstantinope
-«"hatte ihnen viel mehr Geld eingebracht
als sie in zehn Jahren mit tausend
Musikauffiihrungen in Frankreich hät
sten verdienen können. wo dazumal
solche Kunstleistungen nur geringe Au
erkennung fanden.
Kunst und Missenschkst
— Aetzstrahlen. Mansell Maulin,
der Vorsitzsende der Londoner Röntgeu
Gesellschaft, bezeichnet in seiner die-:
jährigen Ansprache als Aetzstrahlen
denjenigen Theil der Röntgen’scheu
zStrah-len, der eine zerstörende Wirkung
auf die menschliche Haut ausübt. Wenn
ssie nicht mit anderen Strahlen ver
lmischt sind, bewirken sie jedenfalls sehr
lftarle Veränderungen in den ihnen
ausgesetzten Geweben der Hautober
släche, und können daher nach genauer
lUntersuchung ihrer Eigenschaften viel
sleccht wesentliche Dienste in der Bes
shandlung verschiedener Hautleideth bes
sonders ansteckenden Ursprungs, lei
sten. Moullin glaubt schon jetzt, die
Aetzstrahlen von den eigentlichen Röm
gen - Strahlen ganz deutlich unter
scheiden und durch besondere Schirme.
die für letztere völlig durch-lässig sind
ablenken zu können. So würden sich
auch die Röntgen - Strahlen ganz rein
erhalten und bei ihrer Anwendungzur
Herstellung von Radiographieen von
Ijeder schädlichen Wirkung fiir den Pas
Itienten befreien lassen. Die Bestäti
lgung dieser Annahme tviirde für die
I iuedicinische Anwendung der Röntgen
Strahlen einen sehr bedeutenden Fort
schritt bezeichnen.
END —
— Eine neue Verwendung der-neug
1neten wurde kürzlich von Professor J.
»E. Woodland praktisch erprobt als es
Esich darum handelte, das abgebrochene,
in eineniVsohrloch stecken gebliebeneEw
s de eines eisernen Bohrgestänges wieder
lang Tageslicht zu fördern. Abgebro
chene Bohrgestänsge haben schon in vie
ilen Fällen zum gänzlichen Verlust der
zfiir die Bohrung bis dahin aufgewen
deten Arbeit geführt, weil die stecken
"gebliebenen Theile ein Vorwärtsdrin
gen in demselben Loch unmöglich ma
chen. Große Summen sind bei solchen
ausgegebenen Bohrungen schon verlo
ren gegangen. Professor Woodland
zließ nun fiir den vorliegenden Zweck
seinen Stab aus weichem Eisen von ]
sMeter Länge und 80 Millimeter
Stärke niit Draht bis auf 100 Milli
meter vierfach umwickeln, hing ihn an
das vorhandene zuTage tretende Bohr
aestänge und ließ dann durch den«-Draht
einen kräftigen elektrischen Strom
lreisen. Mit Hilfe des aus solche Weise
hergestellten Elektromagneten konnten
die abgebrochenen Stücke des Bohrers
aus dem Loch entfernt und die nur
auf kurze Zeit unterbrochene Arbeit
bald wieder aufgenolmen werden.
l ——— Zum internationalen Geogra
phen - Congreß. Ein offenbar bewansp
derter Fachmann giebt in einem Be
richte an die Londoner ,,Tiin-es« seine
Gesammteindriicke iiber den Berliner
onngreß nieder. Er betont den vorwie
lgend deutschen Charakter der Verband
xlungem sodaß es den Ausländern
smitunter schwer wurde, zu folgen.
sFreilich tönnte man den Berichterstats
Eter daran erinnern, daß die Auslöndeis,
»und nicht zum Wenigsten die Englän
der, sich beflissen, deutsch zu reden, eine
lHöslichleiL die von deutscher Seite gern
zanertannt wurde. Der Berichterstatter
geht dann der Sache ans den Grund
»und findet, daß die Mitglieder deut
Escher Zunge in Berlin zahlreicher was
Hren, als in London die Mitglieder eng
slischer Zunge. Jn Berlin betrug die
’Zal)l der Mitglieder und Theilnehmer
«1667, unter denen sich jedoch nur 205
Ausländer mit Einschlusz der Oester
reicher befanden. Jn London waren
etwa 100 Mitglieder weniger zu ver
tzeichnem aber die Zahl der Anstände-r
.betrug an 5()0. Das erklärt sich leicht
kund spricht nur zu Gunsten Deutsch
llands. Jn England, fährt der Be
irichterstatter fort, hätte man die wirt
lichen Geographen wohl an den Fin
gern abzählen können. Jn Berlin in
deß gab es Schaaren von Deutschen
die im wahren Sinne als Geographen
zu betrachten sind, nebst Hunderten von
Personen, die durch ihre Bildung in
der Lage sind, an der Erdkunde Jnte
ressc zu finden, selbst wenn die Abhand
lungen durch-aus wissenschaftlicher Art
sind. Eine solche Versammlung lehrt,
wie weit England im geographischen
Unierrichte noch zuriiek ist. Immerhin
waren die Briten mit 60 Mitgliedern
als Auslönder am stärksten vertreten.
Nach einem kurzen lleberbtiek iiber die
Arbeiten des Congresses, wobei der
Berichterstatter erklärt, das; die meisten
Vorträge gediegen waren, und alle Ab
theilungen der geographischen Wissen
schast beriihrt wurden, erklärt er, das
diese Wissenschaft neben anderen nicht
lZuriickzutreten brauche. Die englischen
und amerikanischen Geographen insbe
sondere könnten mit dein Entschliesse
heiinreisen, mehr denn je aus der Be
deutung ihrer Wissenschaft zu bestehen
sie asus dem Stande zu erhalten, den sie
in Deutschland einnimmt, und den
Werth der Erdkunde als Gegenstand
des Unterricht-Z zu betonen.