Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 27, 1899, Sonntags-Blatt., Image 11

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    H
Bwnllles. l
stach ein Scheide-i ist sen u, E
III zu»lcheiden von Msgdchentageni
Welch ein Klagen ist still-lieben
Als m Mykthen uni Veilchen klagen?
Als Dein Schifflein im seen lag,
Meetwätts ost sich vie Wimpe regten,
Ob auch heimischet Wellenschlag,
Land und himmel es treulich hegten.
Nun die Anker gelichtet sind,
Q. wie köstlich die Fahrt in’s Weite!
Düfte schwimmen im Frühlingswind,
llnd Du lächelst an seiner Seite.
Manch ein segnendek Seufzer schwingt
Sich MS Segel, es lind zu schwellen.
Laß dies Lied. das die Liebe singt,
Sich als günstigen Hauch gesellen. -
P a u l h e y s e .
--··--—-0.0—-,·-.——
hochmasser
Nobellette von h. W a l d e m a r
(3ittau).
»Ossen gestanden, Dellm Ich bkgkklfs
Tich nicht —'« » » ,
Die Angekedete lächelte spvkktsch Mk
meinte, während sie einen eben erhalte
;.m Brief ruht zuismmmleatet
»Ich weiß s n, Armes, wag Du
sagen willst. In meinem Alter, wenn
nan die dreißig längst überschritten,
bat man kein Recht, ioählerisch zu sein.
ch stimme Dir ja Vollständia zu siir
ene, die überhaupt heirathen wollen.
ch aber « -
»Unsinn, Heila, es eignet sich Nie
rnand besser zur Ehe als Du!« rief
Vrau von illle lebhaft.
»Du hast eine gute Meinuna von«
mir, ngnes, denn meine Fehler. die
Du mir oft vorgehalten, als da sind
liizensinm Ziihigteit, zu große Selbtts
ständigteit, machen für mich eine Ehe
unmöglich!'«
»Aber Landrath Karstens wäre
folch’ prächtiger Mann. Er hätte ver
dient -———"
»Gem! Armes-, es thut mir leid,
ihm eine nttäuschung zu bereiten; ich
tun nicht die « rau sur ihn, ich heirathe
iberhaupt ni t."
»Jawohl, Keiner ist gut genug in
Deinen Angen, weil Du an den leen
teurer denkst, der (——"
Sie verstummte vor dem stolzen, tro
heittsvollen Blick, der sie aus- Heil-Ists
grauen Augen traf nnd machte sich mit
ihrer Handarbeit zckschassem um ihre
Verlegenhe» zu verbernen
Hella war an’5 Fenster getreten. Ein
tief schmerzucoer Augdruet lag auf il
rern feinen Genau und rin Seufzer
entfloh ihren upven Sollte sie denn
nie Ruhe finden? Immer wieder gab
es unbarmherzige Menschen, die die
Wunde, die sich nie schloss, gewaltsam
wieder aufrmeni Abenteurer hatte sie
ihn genannt -—-- arb, wie daz- web that;
zugeben zu müssen, daß Aanes nicht
unrecht hatte, denn abenteuerlich war
ei ja, daß er alle Brücken hinter sich
abgebrochen und in die Welt hinausne
zsgety als Hellae Eltern ils-n die vand
der Tochter verweiaerten, abenteuerlich
war es, daß er aus das väterliche Gut;
verzichten, um nicht in ihre Nähe zu1
kommen, daß er verzo , sich selbst sei
nen Unterhalt zu verd en, tro des«
Vetmögene, das er sein nennen onnte.4
Ja, abenteuerlich war es —— für An
dere. Sie selbst tonnte ihm nur zu gut
mchsithlem was er empfunden hatte,
als et seine Wünsche und Hoffnungen
zu Grabe tragen mußte. Hatte sie!
nicht selbst daran gedacht, den sicherens
».Vafen zu verlassen, um unterzutaucheuI
rn- Meer des Lebens? Jbr jedoch wars
die Ausführung ihrer Pläne unnröa I
lich, denn man hätte ihr Verschwindet-I
in unliebsame Verbindung gebracht miri
dem seini en. So blieb sie und ais ne
lrorsame ochter fügte sie sich und er !
trug es, daß man iiber ihn den Stahl
brach und ihn gleichsam aus den Ge-»
danken ausstieß, weil er längere ZeitJ
in den Banden einer Tänzerin qelegen
nnd ihr Unsumnien geopfert hatte. Das
durch war er in den Augen von Hellao·
stren denkendem Vater ein fiir alleMal
geri iet. Es nähte auch nichts. daß er
reute und durch ein tadelloseg Lebens
ut zu machen suchte s- das Vertrauens
rhlte, und deshalb konnte er trotz aller
Liebe sein Glück nicht erlangen . . . s
Und hella Wartenftein lebte in den
engen Kreisen weiter; doch ihr Geist
begleitete den Geliebten in unbetanntel
Fernen, ihr Herz tonnte sich nicht los
liisen von ihm, den eg mit allen Fa-;
fern der Liebe umfaßt hielt! « Ihre
Schweftern heiratheten, die Eltern
starben, re selbst blieb einsam zurück,
dem Ver prechen nachtommend, das sie
den Eltern gegeben, das heimathliche
Gut zu verwalten und nie zu veräu
fzern. l
Zwölf Jahre waren vergangen, seit
sie mit dem Glücke abgeschlossen. Wie’
eine fremde Blume bob sie sich mit ihs«
rem blossen, durchgeistigtenGesicht, des- «
en Blick in fremden Welten zu weile-V
chien, ab von ihrer Umgebung. Man
ehe begehrliche nd streckte sich nach
ihr und ihrem I eichthum aus, man b
Der« entbrannte in heißer Liebe zu ihr
und hoffte, in dem so ialt scheinenben
Mädchen Gegenliebe zu erwecken —
aber umsonst. hella Wartenstein blieb
allein, es re te st in ihr Nichts« wars
a Eheql a ver angie. Und Co ge
toö nie man sich daran, dies to e zum
El Ieschassene Mädchen ihre eigenen
We ge ern sehen, man suchte ihre
Nil er reu sich an ihrem Geist und
Poe froh. ihrer Freund chast gewiß zu
ein.
Um o mehr erregte es sie, das Land
rsth arsienb die W IMM
Ptendielieuntiittjg o n. Sie v
te ihn in hoch, alsdaer ihr Mex
gilttg wesen wäre, i als «reund
äu ver men, und doch konnte sie ihm
eine andere Antwort geben auf feine
Werbung alt ein »Nein« . . .. .
s Re ungzlos stand die Outsherrxn
Dund chaun durch dar Fenstern den
nnau ötlich niedeesttönienden RegenJ
. seh die qrauichtvargeln Wolken so dro-;
"hend am Himmel ,"ngen, horte deni
. Sturm, der die alten Bäume des Par
tes nei te und schüttelte, daß die wel
ken Blattet flogenz der den Regen ge
.gen die Fen ter pertschte und sie un
durchsichtt machte!
Sich ausraffend meinte sie: »Wenn
der Regen doch endlich nachlassen woll
te, ich furchte sehr, daß der Damm,
der den Fluß nach unserer Seite ab
Zenffh der gewaltigen Strömung des
I a ersntcht Stand halten wird.«
»Du flehst Gespenster, Helln,« erwis
derte Erim von Ulle aufsiedend und zn
der Schwester tretend. »Allerdinqg
Leht es trostlog ans draußen, aber so
liange ich zuruadenten kann, hat der
Tom noch immer gehalten«
i »Und könnte doch einmal nachgeben,
E ngnes. Jch werde die Angst nicht los,
« seit ich heute friih die heranstiirzenden
Wo ermassen esehen. lind Duwei t,
der k luf; ma i gerade oberhalb unfe
reL Dorfes eine so scharfe Biegun ,
daß die Gefahr um so größer i .
Bricht der Damm an jener Stelle, so
ist das ganze Dorf verloren-«
»Wie magst Du Dir nur so vielSor
gen machen, hella —·—" !
»Das verstehst Du nicht, Agnes, mir»
sind die armen Leute dort unten, die fo.
Itcdlich ihre Felder bearbeiten und das»
Möglichste daraus zu gewinnen suchen,
wie meine Familie, meine Kinder. SieJ
»vor Schaden u bewahren, erachte ich«
;als meine größte Pflicht.«
i »Gewiß, aber dasiik ist Dein Inska
tor da meinte die junge Frau
leichtherzig und kehrte zu ihrer Arbeit
zurück. »Recht ärgerlich, dieser Regen,
ich hatte die Absicht, zur Stadt zu fah
ren.
»Um Dich zu amiisiren, während
l;«ier vielleicht Mancher um seine Exi
stenz, um sein Leben ringt," rief Hella
l-itter. »Ich halte es nicht aus hier in
dieser Ungewißheit Verzeihe, wenn
: ich Dich allein lasse, aber ich muß hin
iunter ins Dorf, nachsehen. -—«
i »Du bist von Sinnen, Heila, in die
isem Wetter -— Du holst Dir den Tod!«
Hella lachte bitter auf.
»Der Tod? Er tommt nicht dann,
wenn man ihn herbeiwünscht!« l
» Jm nächsten Augenblick war sie ver
schwanden.
».s)ella!« schrie Frau vonUlle. »Dekla,
geh’ wenigstens nicht allein sie hört
icatiirlich nicht. Was die sich in den
Kopf gesetzt hat --— Unsinn, Gefahr«
der Damm ist wie von Eisen, Vater
i,at’s immer gesagt Sie trat wie
der ans Fenster. ,,««’freilich, seit Tagen
regnet’5 schon, und gestern war der
Fluß bedenklich angeschwollen, aber
deshalb gleich Gespenster sehen —
wahrhafti , da ist sie draußen --— Hel
la!« rief re noch einmal, das Fenster
öffnend. Der Sturm trieb ihr den
Regen ins Gesicht und riß ihr denFeni
sterfliigel aus der Hand, als freue er
sich, heulend und fauchend in das Zim
mer drin en zu tönnen.
hella artenftein drehte sich nicht
um« es war überhaupt zweifelhaft, ob
sie den Ruf der Schwester gehört. Ge
gen den Wind antiimpfend, in ihrem
wasserdichten Mantel, tam sie nur mit
Mühe vorwärts. Der Regen fiel so
dicht, dass sie taeun zwei Schritte weit
sehen lonntez Als sie die schützenden
Baume des Bartes erkennt nane, dueb
sie, Athem schöpfend stehen. Jn dem
selben Augenblick bog ein Mann um
die Ecke, halb laufend, halb vom-Sturm
vorwärts aeschoben. . -- Auch er wollte
rasten. Die Gutsberrin erblickend,
stieß er einen Schrei auc-:
»Gnäbigeg Fräulein, der Tsaintn
ander Ecke -— !«
»Was ist"s mit ihme«« fragte Heller
mit aussetzendem Herzschlag
»Er zeigt Risse, er röctelt —«
»Herr des Himmels, Schöller, to
beiszt«g arbeiten, stopfen. - s- Wer ist
fortk«
»Das halbe Dorf · -«
»So eilen Sie aus den Hof und bo
ten Sie Hilfe und alle Körbe und Sä«
de. die verfügbar sind — - Sand gieth
genug draußen ----- Eilen Sie, Schönen
ich werde dort sein!«
»Gniidiges Fräulein, die Gefahr ist
zu groß siir Sie -"
Hella tvebrte ab
Reine unnützen Worte, die Zeit
drängt!«
Weiter-eilend hörte sie bald dureb
das heulen des Sturmes das tosende
Geräusch des vortvärtsstiirmenden
Wassers. Sie lies so ra ch, als es
Wind und Regen nur gestat elen, und
dennoch schien der Weg kein Ende zu
nehmen- Endlich lichtete sich zu ihrer
Linken der Port —-—- nun wußte sie, daß
sie die Flußeeke bald erreichen mußte. . .
Der Reaen ließ etwas nach, selbst der
Sturm setzte aus« als wolle es ihr die
Möglichkeit verschassen, da- Bild der
kommenden Verwüstung voll in sich
auszunehmen ..... Sie kam näher. —
Ein Men chentnöuel versperrte ihr den
Weg, wi aber nach und nach zurück,
aki man re ertannte. . Und dann er
blickten i re Augen das sast unabseh
bare Wae ,daz zischend, sich li er
stürzend, rKerne und Steine mit sich
eihrend sich heranwälzte und so un
barmherzig gegen die gesäbrdete Stelle
unprallte alt wolle es sich dort um je
den Preis einen Ausweg aus der Enge
»Daqu Muts-L r nicht, die M -
s- II Rest-I armes-so
»als sie die Unthätigtett der Leute
wa mahnt.
it einer an Stumpssmn grenzen
den Gleichgiltigteit zuckten die Männer
die Achse n.
»Wozu? Wir sind ja doch verloren,
Alles hin, es nützt nichts, sich abzu
schinben ——-«
Hellcks Auge blitzte zornig.
»So gebt her, ich will Euch zeigen
was man vermag! Die Flinte in’s
Korn werfen, ehe Ursache dazu vor
handen, ist Feigheit! Jhr wollt Mön
ner fein und schreckt vor der Mühe zu
rück, Euer Eigenthum Euch zu erhal
ten? Her mit der Schaufel,« gebot sie
dem Zunächftftehenden, »weicht zurück,
Ihr Männer, Euer Fuß könnte naß
Jrserdem Euer Leben gefährdet sein«-t«
Mit wenigen Schritten erreichte sie
den Damm und kletterte die Böschung
hinan, der Wind zerrte ihre Kleider»
hin und her, und der erneut niederfal
lende Regen peitschte ihr das unbedeckte
Gesicht· Sie beachtete es nicht« Jn ihr
loderte heller Zorn und Verachtung vor
oresen Menschen vie ergeben zuschan
ten, wie das Wasser sein Bernichtunss
wert sortsetzte und teine Hand rührten,
um es aufzuhalten. — Nun stand sie
oben
Aber auch ihr sank der Muth, als sie
die tlassenden Risse bemerkte, als sie
sah, wie jeder Anprall der Wogen ein
Theil Erde mitriß Es war ihr,
als wanle bereits der Boden unter ihr
..... Den Dörslern den Rücken leh
rend, richtete sie ihren nun auch der
zweiselnden Blick nach oben und dann
aus das jenseitige Ufer des Flusses.
Auch dort war man zur Abwehr be
reit, wie es schien, ja, dort arbeitete
man kräftig, sie hiirte die Schläge und
das Knirschen des Sandes bis herüber
trotz der- Rauschens, das die Wasser
verursachten Warum waren gerade
ihre Leute so seige?——— Ein Schrei, halb
Schreck, halb Triumph, risz sie aus ih
rem monotonen Sinnen ——- drüben —
.s,)err Gott, der Damm ihr gegen
über —-—— sie glaubte ihren Augen nicht
zu trauen -—-- ein mächtiges Loch, durch
das die entsesselten Wasser nun ihren
Ausweg suchten Gurgelnd, sich
i«bersliirzend. geschwätzig, im Eifer
rechts und lian große Lucken reißend,
so brachen die Wellen sich Bahn und
ergossen sich in müchtigem Strome über
las hinter dem Damm liegende breite
Wiesengelände ....
Hella Wartenstein stand wie erstarrt,
gestützt aus die Schaufel, die sich in die
Erde gebohrt. Sie stand und sah mit
schrecthast erweiterten Augen das Ver
l,ängniß —-- dort driiben --—s war ja sein,
reH Abenteiirerg, Eigenthum, —- es
war vernichtet, verwijstet, und ihr
Dars, ein Gesiihl der Erleichterung be
schlich sie doch, war gerettet .....
Nun konnte die Flußbiegung bese
stigt werden, nun --—
»Sie haben drüben den Damm
durchgebrochen um uns zu helsen -—-"
»Das war der tolle Bünthah der den
Befehl ge eebn, ich hab’g gesehen -—«
,,Dem fchadefs nicht, er ist reich ge
isua ——«
Wie aus weiter Ferne schlugen solche
Bemerlun en der vorher so stumpssin
nig dreinfchauenbem nun vor Freude
strahlenden Menge an Hella«s Ohr.
Es dauerte lange, ehe sie deren Sinn
vollständig saßte und noch einmal den
Blick hinüberrichtele.
Der Regen hatte sast zugleich ausge
biirt, auch der Sturm schien nachgelas
sen zu haben, nachdem dem Element
sein Recht geworden. Und so erblickte
re drüben. nahe an der DurchbruchH-·
stelle, eine Gestalt, die zu sehen sie am
wenigsten erwartet hätte. s
Man hatte sie erkannt. Schiventte
ier Mann da drüben nicht den Hut ihr
enteeaens Ihre Kniee zitterten. . . .
All das Leid der verganaenen zwölf
Jahre schwemmien die Wasser hinweg,
fort, weit sort, es fiel von ihr ab irie
ein verbrauchtes Kleid und es blieb
Nichts in ihr zuriicl, als die heiße Liebe
ihrer Jugend die Liebe, die einst hoff
te, mit ihni glücklich zu werden, die sich
eins mit ihm wußte.
Noch immer wintte er herüber, und
nun konnte auch Hella sich nicht ineltr
beherrschen, sie hob die Hand und müß
te wieder, während ihr Auqe hell er
strahlte und ihr Mund verheißungsvoll
lächelte . . . .
Als hatten die sie Umstehenden dar
aus gewartet, brachen sie alle in ein oh
renbeiäubendeH Hurrah ans, das dein
Manne galt, der unbedenklich sein zi
nen Land geopfert, um das Darf der
Geliebten zu retten . ..
Fünf Minuten später standen sich
die Beiden gegenüber am diesseitigen
Ausgangspunkt der kleinen Brücke, die
über den Zins-. führte
Keines sprach ein Wort, nur Hand
ruhte in Ind, Auge wurzelte in Ange.
Was der euet der Hände vereint, wag
der tiefe, heiße Blick verhieß, das ver
standen nur diese beiden, die sich jahre
lang nach einander geschah und die
nun endlich unter den tosenden Flu
then der Wasser den Weg zu einander
gesunden
W
Du bin Allein · a O O
Du bist allein und denkst der Zeit,
Da dir dein Lenz erblühte,
Da ungestillteö Sehnsu tsleid
Die Seele dein durchng te. —
Du bi allein und doch warst du
Zur L ebe nur geboren,
ar viele habn ihre Ruh’,
Ihr setz an dir verloren.
Du bist allein —- allein und wetnsi
n manchen trüben Stunden,
i viel seelsot’ne yen ein ,
Und dennoch kenne ge unt-en . . .
Zins-Maue
M
" such-usw
Von Fred bot-d.
Eisenbahn und Dampfschisssahrt
haben in den legten Jahrzehnten den
internationalen Reisebertehr in dem
Maße gefördert, daß heute jede irgend
bemerkenswerthe Mittelstadt, jeder im
Kursbuch aenannte Bade- oder Lust
turort, überhaupt jeder Platz, an wel
chem dauernd oder zeitweilig etwas
los ist, sein lomsortables hotel auf
weisen kann.
Die Einrichtung eines derartigen
Hauses Darf ich als bekannt voraus
setzen. Aber von diesen tomsortablen
Hotels bis zu den mit allem erdenk
lichen Luxus ausgestatteten Hotelpa
lösten von New York Und Saratoga,
London und Liverpool, ist noch ein ge
waltiger Schritt, und nicht Jedem ist
es vergönnt, in die weichen Teppiche
der von Gold und Krustall erstrahlen
den Raume seinen Fuß zu setzen, an
den üppigen Tafeln zu speisen, in
schwellende Seidenvolster seinen Leib
zu betten und sich täglich 24 Stunden
dem Vergnüan der Verdauung hinzu
geben. Aber es verlohnte sich schon, sich
dieses Leben einmal anzuschauen, einen
Blick in solctf einen Palast zu thun
nnd geschähe es auch nur, um sich dann
um so wohler und behaglicher in dem
einenen schlichten Heim zu fühlen.
Den meisten Komfort findet man
in den New Yorter Hotels. Außer Te
lephon, Telegraph, Personen- undLast
aufziigein giebt es hier Rohrleitungen
zur vneumatischen Beförderung von
Briefen, Schlüsseln und sonstigen klei
nen Gegenständen innerhalb des Hau
ses, elektrische Uhren. die von einerEen
tratstelle aus regulirt werden, elek
trische Beleuchtungsanlagen, die das
ganze Haus mit einem Uebermaß von
Licht erfüllen, U.f.w. Der Maschinen
betrieb eines solchen Hotels ist natür
lich ein außerordentlich umfangreicher,
z. B. verfügt das Hotel Waldorf in
New York über 16 Dampfmaschinen
mit nahezu 3000 Pferdestärlen. Die
ses in allen Theilen seuersicher ausge
führte Hotel, das im Ganzen 553.
Stimmen darunter etwa 100 elegant
eingerichtete Saloncx enthält, soll etwa
fünf Millionen Dollar Baukosten er
fordert haben, und zwar verschlang die
Maschinenanlaae allein eine halbeMilsl
lion und das Mobiliar 700,000 Dol
lar.
Noch prächtiger als dieses Haus ist
vielleicht das Hotel New Netherland,
welches ebenso sehr wie das vorge
nannte eine Kapitalsanlage der wegen
ihres Reichthums berühmten Familie
Astor bildet.
Dieses Haus hat nicht weniger als
18 Geschosse und enthält ---- das Erd- i
geschoß und Souterrain noch nicht ein
mal miiaerechnet -—— 722 nummerirte.
Zimmer.
Einem anderen neuen Hotel am
Btoadwah in New York hat man den
schiinvflichsten Bankerott vorausge
sagt; es gäbe unmöglich so viel Rei
sende, daß sich das Haus jemals renti
ren könnte. Aber die reichen Amerika
net fanden Gefallen daran, mit ihrer
ganzen Familie in solch"" einem Palast- i
hotel zu wohnen; es hält ja so au-;
ßerordentlieh schwer, tüchtige Dienst-s
boten zu bekommen und einen großen
Haushalt zu leiten. Sie toollten abso
lut frei über sich und ihre Zeit verfü
gen oder diese unabhängig von den
Launen und Schwächen ihrer Diener
auf möglichst bequeme Weise todt
schlagen.
Aber in letzter Zeit hat man auch in
London ein Hotel erbaut, das Hotel
Cecil, das an Pracht und Komfort mit
den schimmernden Häusern der ameri
tanischen Milliardäre wetteifern kann.
Die weite Karawanserei imCentrum
der Stadt hat ihre eigene Musterfarm
in den Vororten. Dort züchtet sie selbst
das Geflügel, führt ihre eigene Milch
wirthschaft, zieht Blumen und Blatt
pflanzen für dekorative Zwecke, sowie
Gemiise und Obst für die Tafel· Für
Blumen und Grünkram verausgabt
das Etablissement jährlich nicht weni
ger als 840,000.DieseEr-reugnisse wer
den per Bahn oder Wagen nach der
Stadt befördert und in den weiten,
hallenartigen Gewölben im Sol-terram
des Hotels untergebracht.
Diese unterirdischen Reaionen ver
rathen nichts von der Pracht der oberen
Geschosse. Sie sind düster und äußerst
nüchtern: eg- ist ein endlose-H Labyrinth
von Kuchen und Sviiliammern, Vor
rath5: und Maschinenräunien, Wert
stiitten, Bäckereien. Schlöchtereien
u.s.tv. Aber es aiebt auch hier ein
fache nnd beaueme Wohn-, Speise-,
Rauchziunner u.s.iv. sijr die Diener
schaft. Diese Raume stehen jedoch nicht
allen Leuten gemeinsam zur Verfli«
gung; denn auch bier aiebt es Rang
unterschiede wie in der oberen Welt,
und wer etwa glaubt, daf; ein Bra
tenches sich mit einein simplen Koch in
ein oertrauliches Gespräch einlassen
könnte, ist auf falscher Fahne Nun
stelle man sich vor, daß in diesem Un
tergeschoß ständia 600 bis 700 Leute
beschäftigt sind. die alle verpflegt sein
wollen und zum Theil auch im Hause
ihre Wohnung haben! Man wird sich
leicht berechnen können« welch’ umfang
reicher Apparat allein erforderlich ist,
um das Hotelpersonal mit Lebensmit
teln zu versorgen.
Ja solch’ einem Palast ist der Kü
chenchef eine bochwichtige Persönlich
keit, und das mit gutem Recht, da er
W an achtzig Leute zu kommandi
ren bat, und von seiner FIbigteit vor
züglich das Renornrnee des hause
obs-nat
Laßt uns ein wenig Umschau halten
in seinem Ressortl Da sind zunächst die
Speiselammerm die Borrathsräume,
aus denen die kostbarsten Produkte zur
weiteren Verarbeitung in die Küche
wandern. Eine Thür wird ausgeris
sen, ein Hebel in Bewegung gefest
und wir sehen elektrisch getriebene, ro
tirende Kühlvorrichtungen zur Fabri
kation des Eiseremes. Dann wird eine
andere schwere, mit ifolirenden Stof
sen bekleidete Doppelthür zurückgew
szen, und wir treten in einen Raum,
der mit lanan Reihen von Fleischstii
cten an eisernen Hängevorrichtungen
erfüllt ist. Ein System von eisernen
Kühlröhren, die selbst im Hochsom
mer mit Reif und Eiszapsen bedeckt
sind, zieht sich schlangenförmig durch
den Raum. um dann in den Vorraths:
kammern für Fische, Geflügel, Gemüfe
u:s.w. seinen Lan fortzusetzen Dann
giebt es hier einen Eisbrunnem in
welchem die Riesenblöcke des künstlichen
Eises, von elektrischem Licht blendend
bestrahlt, wie Krystall schimmern und
blinken.
Im Hotel Cecil in London, dessen
Betrieb noch umfangreicher ist, giebt es
natürlich eine größere Zahl großer und
kleinerKockJnIaschinen die aber alle auf
demselben Prinzip beruhen. «
Die mit diesen Herden verbundeneni
Bratöfen genügen aber noch nicht den
mannigfachen Ansprüchen der Hotelq
läche, und so finden noch besonderes
sinnreich konstruirte Rostbrat- und
Spkeßbmtapparate Verwendung, leg-s
tere sogar mit Uhrtvert versehen, weh
ches so lange eine Glocke ertönen läßt«
bis die Bratzeit abgelaufen ist. Derz
Koch kann auf diese Weise den Appa-!
rat überwachen, auch wenn er in ei
nem entleaertn Theil der Küche bes
schiiftigt kst.
Wir setzen unsere Wanderung fort
und gelangen in einen Raum, welcher
vom Leuchten und Blitzen des Tafel
silbers erstrahlt. Dreißig Personen sind
täglich während voller vierzehn Ar
beits-stunden damit beschäftigt, es sau
ber und glänzend zu erhalten. Diese
mit großer Sorgfalt auszuführende
Arbeit kann natürlich nicht durch Ma
schinen erfolgen, dagegen sind zum
Putzen der Messer und Gabeln Nota
tionsmafchinen in Gebrauch.
Nachdem wir noch flüchtig in die
Näume der Zimmerleute und Dekora
teure des Hotels einen Blick gethan
und der Druckerei des Hauses einen
kurzen Besuch abgestattet, steigen wir
mittelst hydraulischen Auzzuges in die
oberen Regionen empor. v5s giebt hier
16 solcher Auf-rüge, die mit ungeheurer
Geschwindigkeit von der Kellersohle bis
zum Bodenraum steigen, mit den vor
züglichsten Sicherheitsvorrichtungen
versehen, luxuriös ausgestattet und
blendend mit elektrischem Licht be
leuchtet sind
Jede Bequemlichkeit, jeder Luxus
ist in diesem Hotel zu finden: mar
Inorne Treppen, schöne möblirte Kor
ridore, vrächtige Hallen und Salons,
Rauchzimmer und Billardsiile, Bade
stuben und Lesezimmen Bibliotheten,
Prioatarbeitszimmer, große Konzert
und Kondersationsräume ais-to. Fast
jeder Raum hat sein Telcvhonx ein
Telegrapheni und Postamt ist auch
vorhanden, und die Aaenturen des
Hauses bringen den Gästen die aus
allen Weltgegenden eingehenden Nach
richten siedendheifi. Die Berührung ei
nes Knopses genügt, um einen Boten.
l)erbeizurufen. der die Befehle für eine
Loge zur Ober oder den Auftrag zur
Beschaffung der feinsten Delitatessen
und der ausgesuchtesten Weine entge-;
gen nimmt. Es ist eine feenhafte Sze-;
nerie von Luxus und Reichthun1, voni
Licht und Glanz und Farbenvracht,»
von Palmen und Blumen, von Spie-?
geln, Gemölden und Statuen; und»
geht man durch das prächtige BestibülJ
so findet man eine große Schaar von
Herren und Damen der verschieden
sten Nationalitäten, die aus Polster
stühlen um kleine Tischchen müßig her
umsitzen oder sich ergeben, indem sie das
Kommen und Gehen der Hotelgäste be
obachten, Cigarren oder Cigaretten
tauchen und Thee oder Kasfee schlür
fen oder auch den herrlichen Weisen des»
Hotelorchesterg lauschen. Reichthuni,?
Kunst, Geschmack und Wissenschaft ha- i
ben sich vereint. um den Menschen ein
möglichst angenehmes Dasein zu schaf
sen. Und doch, wenn man ringsum die
Leute fragen würde, wie ihnen dieses
Leben behagt, so würden wohl die mei
sten unter ihnen eingestehen, daß sie ei
nem eigenen behaglichen Heim denVori
zug geben wurden, wenn sie es nur er
reichen könnten. Aber die großen ge
sellschaftlichen Verpflichtungen welche
ihnen die Welt auferlegt, und welchen
sie sich daheim fügen zu müssen glau
ben, veranlaßt sie schließlich, ihre
Zelte abzubrechen und eine weite
Rundreise durch die Hotelpaläste der
Welt anzutretem Dort erwarten sie da
sür alle die von uns geschilderten Bei
quemlichleiten. die leiner Steigerung
mehr fähig erscheinen.
—
.srauenthiitiglieil.
Bis aus den heutigen Tag hat das
alte Wort seine Geltung bewahrt, daß
in Li urien (Jtalien) die Frau Män
nerar it verrichte. Ja, die Männer
eben es zu oder betrachten es gar als
selbstverständlich, daß die Frau mle
und schwerer arbeite als sie selbst. o -
gleich man beim Anblick dez reich tulti
—
vierten Campagna und der Irrt-it en
mauern an den Bergen aus« dem iet
sze der Männer eine gut-: Nummer
ni t veran kann. Fraalod liegt die
r ßere alste der Arbeit aus den
zchultern oder richtiger ans den Mid
sen des R wachen« Geschlechts Von
rühesier ndbeit an werden die Mild
chen un Lasttragen geübt. Als ganz
kleine Kinder bringen sie in den Mo
naten der Olivenernte schon ihr- mit
blauschwarzen Steinbeeren gestilltes
Körbchen aus dem Kopfe heim; als
junge Mädchen kann man ske gleich den
Männern schwere Steine zum Bau
der Terrassen herbeischlevpen sehen,
welche die Oelbaum-, Wein-«- oder Nel
kenanpslanzungen tragen sollen. und
sür viele Frauen und Mädchen gehört
das Laub- und Holzholen aus dem
großen, 600—120() Meter über der
Stadt gelegenen Walde zum täglichen
Brot. Um ein oder zwei Uhr Nachts
treten sie den mehrstiindigem beschwer
lichen Aufstieg an, Um gegen zehn Uhr
Vormittags mit ihrer Last von ost 80
Pfund wieder daheim sein und die Mi
nestra kochen zu können. Der großen
Anstrengung und dem Mangel an
Schlaf, die diese kärglich gelolsnte Ar
beit erfordert, schreibt Rnsfini das ost
vorzeitige Altern zu.
Die Kraft der San Nernesin bewun
dert der Fremde besonders an einer
Specialität, den Lafttriigerinnen von
Beruf, die auf der Hauptstrafze, neben
dem stattlichen Palazzo Vorea sitzend,
Auftrage erwarten. Den-« Satze, oas
der Starke am mächtigsten allein, setzen
sie die beiden Sprichwörter entgegen,
daß getheilte Last halbe Last sei, und
daß vereinte Kräfte zum Ziel führen.
So tragen sie zu zweien mindestens 200
Pfund. Am häufigsten sieht man ein
solches Lastträgerinnenpaar unter ei
nem großen Mehlsack. Sie halten sich
dabei fest umschlungen und gehen als
gute Kameradinnen in gleichemSchritt
und Tritt nebeneinander, durch die Be
wegungen des Körpers die Last verra
thend, die auf ihren Köpfen ruht. Auf
dieselbe Weise werden schwere Koffer
und andere Gegenstände befördert Zu
weilen begegnet uns auf vier, ja auf
drei Frauenköpfen ein Klavier, das an
die Kraft und Sicherheit seiner Träge
rinnen die höchsten Anforderungen
stellt.
Nicht wenig staunt der Fremde auch
über die öffentlichen Waschansialten,
die seit der Vollendung dcr großartigen
Wasserleitung über die ganze Stadt
ausgebreitet und stets von den Sakriste
mesinnen dicht besetzt sind. Treten wir
dort, wo die Via Palma aus der Alt
stadt hinausfijhrt, und der alte:sgraue
Thurm der Kathedrale zwischen den
Häuserreihen der engen Gasse erscheint,
an die Mauer heran, so haben wir eine
solche Waschanstalt unter uns. Jn
zwei aneinander stoßenden langen,
flach überdachten steinernen Behaltern
naschen etwa 60 Hände gleichzeitig in
dem kalten, beständig dur fließenden
LWafsen Der Plan des «cagistrats,
für jede Wäschcrin einen kleinen Raum
chzutrennen, damit sie nicht in dem
von ihren Nachbarinnen Verunreinigs
ten Wasser zu waschen braucht, ist noch«
; nicht verwirklicht Es herrscht ein ern
figes Treiben, ein unun«erbrochenes
Kommen und Gehen. Die Frauen
treten dichter zusammen, unt zwei An
tömmlingen Platz zu machen, und wie
der weiter auseinander, als ein großes,
schlankes Mädchen mit mandc örmis
gen schwarzen Augen ein weißes Tuch
auf das üppige blauschwarze Haar
legt, in kräftigem Schwunge den mit
Wäsche gefüllten kupfernen Eimer dar
auf setzt und einer vatikanischen Ka
ryatide ähnlich der finsteren Altstadt
zuschreitet Sie bildet nun scheinbar
fiir einen Augenblick den alleinigeiiGe
genstand der Unterhaltung Denn
nicht weniger eifrig und eilig als die
Hände sind auch die Zungen beschäf
tigt, und ein solcher Wasserkkatsch
scheint —s--— nach dem das Summen zu
weilen unterbrechenden hellen Lachen
zu urtheilen — viel Vergntrgen zu be;
reiten. Was würden die in ein so
schweres Joch Gespannten entbehren,
wenn es keine öffentlichen Waschan
stalten und keine --—— schmutzige Wäsche
gäbe! Plötzlich kracht es iiber den
schwarzen Köpfen. Einige schauen
empor nnd umher, dann lacht nnd
snmmt es von neuem· Auf das don
Eisenstangen getragene Blechdach wur
di ein Stein geschleudert. Dort liegen
schon viele, schwere und leicht-» großen
nnd kleinen Burschen vom Herzen ge
sallene.
Der Tom-mer Marsch.
Ein Lieblingsmarsch Kaiser Wil
lxelins des Ersten war der «Tor«qauer
E’Jtarsch,« als dessen Komponist lange
Zeit Friedrich der Große betrachtet
wurde. Nun war es kein Geringerer ach
Kaiser Wilhelm selbst. der die Autor
ichast des genannten Miisitstückeg rich
ni- stellte Als nämlich der Kapellme::
fier des Itönia Will)elni:Grenadier-Re—
giments No. 7, Musildirettor Gold
schmidt, im Jahre 1871 vor dem Kai—
ser tonzertirte, bemerkte letzterer beim
Durchlesen des Programms die lano
liinsige Bezeichnng »Toraauertj)iarsch,
Komposition Friedrichs des Großen«
Kaum war die Konzertnunimer been
diat, so schritt Kaiser Wilhelm aus ocn
Musitdirektor zu und sante,il)m freund
lich auf die Schulter llovsend: »Mein
lieber Goldschmidt, das ist einJrrthuni.
Feiedrich der Große ist nicht der Kom
prnist des Torgauer Marsches, sondern
ein Lehrer aus Toraau, der —— wenn
ich nicht irre —— Scholz geheißen hac.
Weiß das von meinem gottseliaean
ret. der einmal die Roten dieses Mat
sches von Toraau mitbrachte, weil te
ihm so gut gestel.«