Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 25, 1899, Sonntags-Blatt., Image 15

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    Spiegelichetben
Eine Skizzr.
Doktor Geokge Frischlin war ein 1
philologischer Junggeselle unter dem
— vZeichen des Schwabenalterzjet im
aufe seines glücklich verheerattzeten
Midematischen Bruders. des Unwet
iikätsprosessors Hubett Fttsckzxim
wohnte und für vieKindee einen prach
tk en Onkel abgab, met der Frau Pro
) fefsorin aber und mit deren Schwester
Agnes nicht ganz nach Wunsch zurecht
, kommen tonnte.
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· Onkel Georg litt nämlich an der
fkrcn Idee, daß Mutter Natur in ihm
einen wahren Ausbund von Häszlichleit
geschaffen habe, dessen bloßer Anblick
schon jedes weibliche Auge deletdigen
und jedes weibliche Herz im entfrem
den tniisse. Daraus war auch sein hart
näckiges Verbarren im Cölibat betäu
leiten, denn einWeiberfeind nach Scho
penhauer’schem System war er dickfl
lonnte er nicht sein« denn er war ein
begeisterter, um nicht zu sagen sanatt
" scher Verehrer des Schönen. »
So faßte er auch die schilt-loging
seutlich als einen Kultus des Schauen
aus« des Schönen in der Stil-Ochs 111
der Literatur. in der Kunst und tm Les
en· -
Er war also teinstvegs der trockene
Wortllauber undSilbenstecher, der im
mer nur in vergilqu alten Schwar
teu und verstaubten Schartelen ster
um « ,. dern ian war der beste
Geist der ntile in Fleisch und Blut
übergegangen und war ihm lein we
ser Schatten. sondern eine let-en
dtg waltende Macht, deren Fortwirlen
er bis in die Gegenwart verfolgte und
nachzuweisen suchte, wozu itzn eine
griindliche und liebevelle Beschäftigung
auch mit der modernen Literatur und
Kunst ausgezeichnet befähigte.
Er lebte, durch sehr günstige Vermö
ensrerbältnisse dazu in Stand gefest,
feinen Studien als unabhängiger Pri
vatle rer, der sich durch aediegene klei
nere Urbeiten in Fachgeitschristen selbst
in den Kreisen gestiengster Ataoetn:ler
einen Namen gemacht hatte. Nur einige
anz alteHolzoapiertäfer fanden seinen
til viel zu fließend und elegant und
erhoben, da fte ihm sachlich nichts an
haben lonnten, die schwere Anllage ge
gen ihn, er sei seuilletonistisch entartet
und lönne daher aus forntalen Grun
den als Fachmann eigentlich doch nicht
ernst genommen werden.
Georg Frischlin liess sich aber durch
solche Untenrufe nicht irre machen, ob
gleich ihm seine Art zu schreiben lei
neswegs so leicht von der Hand git.g,
wie die meisten seiner Leser glauben
mochten. Viermal oder noch öfter
schrieb er seine Abhandlungen um «t«.d
wenn er endlich das Manuskript ab
schirlte, wimmelte dieses noch wicoer
von Ae-nderungen, Einschiebseln und
Nachträgen zwischen den Zeilen und
auf den Rändern, so daß Herausgehen
Schriftsetzer und Korreltoren ihre
schwere Plage damit hatten
Und derselbe Mann, der so tramps
hafte Anstrengungen machte, jede Zeile,
die er veröffentlichen wollte, sein säu
erlich rauszttarbeitem bielt auf die
äußere z rm seiner seidfteigenen Per
son so wenig, daß ea nur der wachsa
men Sorge seiner beiden Sehn-again
nen zu danken war. wenn er wenig
e- ftens öffentlich zwar recht altmodtsch,
aber doch sonst tadellos gekleidet
erschien. Dabeim lam er aus den ane
getretenen Pantoffeln und dem bedenk
lich mit allerlei Tinten getränkten
Schlaer lau-n beraus.
Ja, wie lonnte solche Nachlögigäeit
neben jenem lobenswertlsen "n
bettöftnn bestehenl Die einzige Ernä
rung dafür istaus jener sier Idee
dort feinerhählichleit herzuleiten, die
ihn bis zum .f"ormlichen hast gegen sein
körperlich-s Ich trieb. ;
War sdamit aber wirllich so !
schlimm liestellti Er war weder mit ei
knent .Klumpsusf, noch mit einem Buckel
behaftet, -.tt schielte nicht. der Mund
aus-r ihm .nicht nicht schief in’s Gesicht
sschnitten und die mäßige Röthe sei
ner narmalgebauten Nase lonnte tei
uerlei allohalsschen Verdacht erregen.
Qn Adams war er allerdings auch
tschi, aber wenn seine Gesichtsbildung
, wittlich zu wünschen übrig lassen
« such-. io wurde das durch den stattli
chen Vulldart bedeutend gemildert; die
blaues Augen unter den buschigen
staue- buchteten von Geist und
strahlte-, wenn man näher zusah, eine
her rtvättnende Gutmütliigteit aus«
tva end ein sarkastischer Zug um den
Mund freilich auch vertieid, daß mit
dem Manne nicht zu spaßen sei.
Gewiß. er hatte allerhand kleine
Matten usdiible Latinen und konnte
über atringsugige Dinge so leicht in
bitterböse --tiinmuna gerathen, dass er
in dem kleinen Freundeskreise, an des
sen Unterhaltungen er zuweilen theil
nahn1, mit dem Spitznanien errie
Brummeleleanten belegt wurde.
Mit den tleinen Nichten und Neser
ina er wohl aus jeden Scherz und ge
zs Spiel ein, sonst aber durste bei e
« wölitem Himmel eigentlich nur a- ;
’"· gerin Agnez dem Brummelephanten H
ohne Gefahr in die Nähe tommen xund ;
mit einiger Aussicht aus Erfolg Be
schwichiigungs- und Vezölyniungsvers 4
uche wagen. ;
k. Er stand mit ihr aus einem harmlo- l
sen Neckfuß und nannte sie nie anders
als seine Juni-, ein Name, der dem
vollerblühten, bildschönen, ernsten
Märchen mitautem Grunde gegeben
werden durfte. » « « «
« una, war es, die GepraFrischkins
ro esArbeitOziinmey das zugleich als
13 iothet diente, in Ordnung hielt,
Minen Kleidern und nachgkimk
« sah, ihm bei feierlich-a gläs
lsen vie einem arm-m ruu s, qu
Imä W »Ist
besorgte — kurz und gut, das gro e
Kind ein wenig bemutterir.
Die herzes dieser beiden gutenPiens
schen schienen einander aber tmcht
näher zu kommen, wiewohl das Inno
nische Freundschastsverhirltniß nun
schon seit drei Jahren bestand.
Wohl waete deFrau Prosessorin
ihrem Manne gegenüber einmal eine
schüchterne Andeutung ob sich nicht ein
engeres Bündniß zwischen Georg und
Agnes anbahnen ließe.
- »Um des Himmelswillen!« rief der
Mathematikus »iein Wort mehr da-·
vonl Wenn org das Allermindeste
von solchem Plane merkt, giebt’s Blut
der essen, wenn nicht gar Mord und
To tschiag.«
Da kam Georgs Geburtstag. Der
einundvierzigste. Juno wollte In bei
diesem Anlaß mit einem großeni and
sptegel beschatten
Wieder gerieth der Mathematikus
außer sich und erhob laut seine war
nende Stimme.
»Nu: das nicht! Es giebt ein Un
glück! Jhr kennt roch Georgs heillose
Marotte und seinen wahnwi i en Haß
gegen Alleg, was Spiegel, Fig-to ra
phie, Poetrait heißt. so weit Reine
Person in’s Gesichtsield kommt. Seit
mehr ulg zwanzi Jahren hat er in sei
nen Zimmern teuren Spiegel eduldet.
s Er laßt sich Bart und haare ets auf
I seiner Bude stutzem nur um in der
Barbierstnbe sein Bild nicht im Glase
sehen zu müssen» Jch weiß. Agnes. der
Kerl wir-d verrückt. wenn Du es
« .men.«
Aber Fräulein Juno, wie nun
Frauen einmal sind, heharrte aus ih
rem Willen. Sie meinte, den Brutma
-elephanten im Laufe der Jahre so weit
Flezähmt zu haben, um nqu auch das
eußerste wagen zu dürfen.
Am Geburtstagsmorgeu wird nun
Georg zuerst bei Professors beschenlt
und beglückwünscht. Etwas erstaunti
vermißt er ein Angebinde von Juno, «
die ihm diesmal nur eine förmliche, wie
iinn scheinen will, talte Gratulation i
gönnt. I
wagst, ihm mit einen-. Spiegel zu inm
Ein wenig verstimmt geht er In sein l
Zimmer zurück Juno aeht ihm leise ;
iscch Er tritt in die Thür; ein Blick; s
ersteht einen Moment wie erftarrt;.
dann aber stürzt er init erhabenen Ar- s
iiirn wie ein Rasender vorwärts auf i
den Spiegel los und zertrümmert mit
geballten Fausten das verhaßte Glas-; ;
das in tausend Splittern und Scher- ’
ben.zu Boden fällt, gleichzeitig aber i
auch dein Bilderstiirmer beide Hände
grausam zerschneidet und das Blut in
Strömen fließen macht.
Noch zittert er vor wüthender Auf-- «
regung, als er hinter sich ein unter- I
driidtes Schluchzen hört und, sich Ioene .
dend, seine arme Juno erblickt, die
einer Ohnmacht nahe ist.
Er erblaßt vor Reue und Scham;
unsagbar ilein kommt er sich in diesem
Augenblicke vor, unsaabar dumm, wie
ein ungezogener, trosiger Junge.
Langsam geht er aus Aanes u. Zö
gernd kommt es von seinen «ippen:
»Juno, willst du mir verzeihen?«
Sie nickt nur und faßt ihn bei bei
den blutenden händen und siihrt ihn
zuni Waschtisch, ihren Berwundetenzu
« untersuchen und zu verbinden.
Ohne u zucken, ohne ein Wort zu
sagen, lä t er sich ihre Pflege gefallen.
Wie weich und warm diese chöne,
! schlanke Mädchonhand ist und wie un
ter ihrer bloßen Berührung aller
Schmerz Zu verschwinden scheint,
Sollte die tehre der »Christlichen Exi
ler« von den Wunderwirtungen es
Handaufle eng vielleicht doch nieht
gan ohne seiri
der Jana ist ja eine heidnischeGötsi
tin.
Und was für göttliche Au en sie
hat! reilich sinds doch eigent ickf nur
zwei f-piegel — aber, aber je tie er er
hiiveinschaut, desto fester wird seinBlick
ebennt, er kann sich gar nicht satt
sehen darin, der alte böse Spiegelhaf
ser.
Daß ihnen Schwester und Schwa er
nachgekonunen waren, haben die ei
den ar. nicht gemerkt, und die Pan
Professor hat ihrem Mann einen int
geqåbem sie nicht zu stören.
llein kehren Aanes und Georg zur
Stätte der Verwüstung zurück. Und in
all den Scherben aus dein Teppich spie
ln sich ihre Bilder wieder, viele, viele
undert Mal.
Sie müssen Beide lächeln, von her
sen lächeln.
Und wie sich da vollends ein anderes
Spiegelbild ausnehmen würde?
Sie nehmen einander uin den Hals-.
O. es macht sich ganz reizend —- und
nicht nur im Spiegel.
So wurde der Geburtstag zur Ver
lobungsseier.
Der Herr Professor aber meinte:
«Nun. die Mathematik ist doch eine
exakte Wissenschaft Habe ich's nicht
längst vorausbercdniet. liebe Braut
schtpester. daß es ohne Blatt-ergießen
nicht abgehen würdet
Aleph.
Wenn die Frau nett ist ist.
Von Paul A. Kiksteitr.
; »;2llsp, Mariechen, hör mal!«
« C «
Die junge Frau steckte den zierlichen
Kopf mit dem breitkandigen Reifehui
noch einmal lächelnd aus dem Coupw
finster-.
»Was ist denn, Männchens«
»Als-I vergiß nicht —- in Dikschau
umstelan ! l-«
»Ja doch, Männchen, ich wegka«
«Und verliert das Billet ni Am
i
Ger Industrieanlage in Mitten.
Die na dem Bellatni-Ptincipe ge
kündete ustingemeinde etwarb tm
-ahre 1893 nahe bei Tennessee City
1000 Ackes Land, um ihre socialifti
stehen Jdeen Jtattifch durchzuführen
uf diesem ebiete befinden ich zahl
reiche Höhlen, welche die lonisten
als Fabritsräume und-Waarenhäuser
verwertheten. Unser Bild zet d"e
größte derselben Hier wirdf Eäig
ricirt Sellerie zogen, und Conser
ven, welche die gauxjtindustrie bilden,
werden in Blechbüchsen verpackt und
» zum Verfand aufbewahrt.
—
—
besten steckst Du es gleich, nachdem es J
durchgesehen ist, ins Portemonnaie.»
Darauf giebt man doch am meisten
Acht. Weißt Du — neben dem Ge
päckschein. Das ist am sichersten.« .
Die junge Frau reichte ihrem Gatten
noch einmal die Hand. »Du bist doch
wirklich ein lieber Kerl. Läßt mich so
ganz allein reisen und bleibst hier so
allein in der häßlichen, dumpfenStadL
Sei nur nicht so fleißig, hörst Dui
Gehe lieber viel spazieren und amiisire
Dich recht gut. Das ist viel besser.«
Jetzt lachte der Mann aus dem
Bahnsteig. »Aber Mariechen, Du
Machst Dir doch nicht etwa Sorgen?!
— Ich sage Dir, ich werde mich so
amiisiren —- — na, Du sollst Dein
Wunder erleben."
Frau Watte klatschie in die Hände.
»Das ist Recht! Das ist eine gute
Idee! Und weißt Du« —- sie beugte
sich tief zu ihm herab und sagte ganz
leise —- »Du steckst den Trauring weg
und sagst gar nicht, das-, Du verheira
thet bist. nicht? Paß mal bloß aus,
was Du dann für eine Menge Erobe
rungen machst!«
Sie lachte glückselig über das ganze
Gesicht, doch ihr Gotte drohte mit dem
Finger: »Na, Mariechen, Du weist . . .
das ist ’iie sonderbare Sache. Jch
kenne so tleine Frauen, die in solchem
Falle sehr -—— sehr . .
»Ach Männchen, nein, nein! Sei Du
nur recht vergnügt, das ist immer noch
das Beste, was Du mir antbun
tannst.«
Sie reichten sich noch einmal herz
lichst die Hand und gaben sich über das
Trittbrett hinweg einen langen Ab
schiedsiusv,· dann rief der Staiionsvor
stehet sein lautes »Abfahren«, und
langsam unter Aechzen und Keuchen
setzt sich der Zug in Bewegung
Viel weiße Tücher wehten durch die
Halle die Hände flogen und die hüte
der herre- schwentten in der Luft —
dann bog der Zug um eine scharfe Ecke,
und nur ein seiner Streifen grauen
Rauchs bezeichnete seine Bahn.
Langsam wandten sich die Zurückge
bliebenen zum Fortgang. Auch der
junge Ehemann stieg in tiefen Gedan
ken die große Freitreppe hinab.
Zum ersten Mal nun also allein,
zum ersten Mal in vierjähriger Ehe!
Jhm übertani ein eigenartiges Ge
siihi. Oft, wenn seine Bekannten und
Freunde, jung und lebenslustig wie er,
von der Zeit gesprochen hatten, »wenn
die Frau verreist« und sie alleine, bei
nahe wieder Junggesellen waren . . .
dann hatte er in seinem Innern mit
unter auch so eine Sehnsucht danach
verspürt. Dann hatte er sich ge-.
wünscht, auch mal wieder frei, auch
mal wieder ungebunden zu sein, wie .
in jener Zeit wo das Mittagessen über
flüssig erschien und der Tag erst be
gann wenn auf die anderen Menschen
sich die Nacht herniedersentte.
Jetzt war er also wieder so weit,
jetzt lag — oder tonnte das alte Leben
wieder vor ihm lie n, wenn —- ja
wenn er nicht seine Frau so eigentlich
von Herzen lieb hatte, wenn ihm aus
einmal nicht die ganze Welt leer und
einsam erschien und er sich nicht so un
glaublich überflüssig in ihr fühlte.
Ihm fehlte sein besseres Selbst. Die
Wohnung« in der sie sich trotz Kummer
und Sorgen doch so behaglich gefühlt
hatten, die ihm· besonders in den ersten
Jahren, nach all seinen Plagen wie eiii
kleines Paradies erschien, kam ihm auf
einmal mit den überhangten Möbelii
und umwickelten Kronen im höchsten
Grade unwohnlich und un astlich vor
—- und so groß, so übersliijisig groß!
Was sollte er auch nun mit den fünf
Zimmer-is Was sollte das zweite
Bett. das ihn eigentlich immer nur an
einen Verluskerinnerte? Jhm schienen
die Freuden des Alleinseins doch nicht
so groß. —
Mißmuthig ging er seinen Geschäf
ten nach. Nur, als er die ersten Briese
von seiner tFrau erhielt, da änderte sich
das alles ein wenig. Da merkte er,
daß er doch nicht allein war, iind ganz
heimlich, ganz wie zur Probe, zog er in
neu erwachter Lebensluft den Trau
ring vomFinger und besah sich lächelnd
die Hand, die er sich eigentlich ohne
den goldenen Reisen gar nicht mehr«
denken konnte.
Natürlich hatte er den bekannten
Einschnitt unten am Finger . . . aber
nach mehrfachem Waschen —- stehe, da
verschwand auch der.
Und eigentlich war ja der Ring auch
recht unbequem, besonders jetzt iui
Sommer, wo die Hand immer leicht
feucht wurde und empfindlich war ge
gen jeden Druck, auch wenn er nur so
ganz, ganz minimal war — wie hier.
,,Halt,« dachte er sich, »nur zum
Speis-, steckst Du den Ring nicht mehr
an.«
Da hatte er ihn auch schon in der
Tasche —- und nun, den Hut ein wenig
schief, die helle Krabatte leicht und
slattrig gebunden, hinaus in die schöne
Welt! Seine kleine Frau hatte ja
extra gesagt: Er soll viel spazieren
gehen und sich sehr viel amiisirenl
Schon am ersten Abend, als er hin
aus in die Umgebung gefahren war,
hatte er nette und liebe Leute getroffen.
Mr. Brown mit Frau und einer hüb
schen, siebzehnjährigen Tochter Edith. !
Eigentlich hieß er ja schlechtwegBraun, T
wie ein echter Deutscher-. Bis er aber T
vor Jahr und Tag aus der Suche nach
einer neuen Heimath in die ,,andere
Welt« gekommen war, da hatte er sich
amerikanisirt und hieß nun Browu,
was dem Gleichtlange nach nun zwar
auf ganz dasselbe hinaus kommt.
Dieser Mr. Brown hatte sich an die
sem Abend also an Weltners Tisch ge
setzt, da er sonst keinen anderen Platz
fand, und hatte sogleich mit ihm ein
Gespräch begonnen.
,,!Uierkwiirdig,« sagte er, »die Stadt
hat sich sehr verändert. Jch erkenne sie
gar nicht wiedert«
Weltner war in der Lage, ihn dar
über aufzuklären. Dies gefiel dem
Amerikaner so, daß er sich weitgehend
in eine langere Auseinanderseßung mit
ihm einließ und ihn endlich einlud.
mit ihm verschiedene Etadlissementz
der Stadt, die neu und sehenswerth
waren, zu besuchen.
»Nicht wahr,« sagte er, »Sie haben
« ja Zeit.« Er sah auf seine rechte Hand.
»Junggesellen haben ja immer Zeit —
haha —«
und dieses Lachen schmeichelte dem ’
Strohwittwer so, daß er gar nicht da
ran dachte, diesen Jrrthum aufzuklä
ren. Ruhig erklärte er sein Einver
ständniß, dann kamen Frau und Toch
ter des Mr. Brown, und er hatte auf
einmal einen gan neuen Kreis, in dem
er als Junggese e ausgenommen war
und ebenso verkehren sollte.
Im Jnneen war ihm das nicht ganz
recht. Es kam ihm wie ein Treuhruch
vor gegen seine kleine Frau; aber
dann dachte er sich wieder, es ist ja doch
nur ein Scherz, er kann ja jeden Mo
ment aufgeklärt werden, und ruhig,
mit dem Gleichmuth der Jugend und
des guten Herzens, ließ er das alles
über sich ergehen·
Aber es kam doch anders, wie «er
dachte. Durch tausend Zufälligkeiten
hatte sich die Mär von seinem Jungge
sellenthum immer mehr und mehr be
festigt, er bemerkte bald, daß man ihm
deshalb ganz besonders um den Bart
ging, daß man ihn einlud, wo es nur
irgend ging, ja geradezu, daß man
seine Gesellschaft suchte —- und auch
das wieder war für ihn so komisch, daß
er mit Lachen immer nur daran denken
konnte und sich schon darauf freute,
wie er das seiner kleinen Frau, wenn
sie von der Reise zurückkam, erzählen
wollte· umsomehr, da ja die Amerika
ner mit Ablauf des Sommers wieder
hinüber wollten.
Nun hatten sie ihn also eines Sonn
tags zu Tisch geladen und er war, mit
Blumen bewaffnet, auch pünktlich an
aetreten. Sie hatten ihm zu essen ge
geben, sehr gut und sehr viel, auch zu
trinken — gute und das Herz erhe
bende Sachen, und als das vorüber
war, da waren die Eltern — »zur tur
zen Ruhe«, wie sie sagten, in das Ne
benzimmer gegangen, und er saß nun
da, mit der jungen liebreizenden Toch
ter »s« er in-einem großen, behaglichen
Stuhle, sie — ihni fast zu Füßen 7
auf einer Erkerstufe.
Und sie sprachen viel und schöne Sa
chen, immer in dem angenehmen Flü
sterton, den junge Mädchen so lieben
und der die Eltern in ihrer —- »Ruhe«
nicht stören sollte. Und da war es auf
einmal über ihn gekommen —- er wußte
selbst nicht wie. . . war’s in Gedan-«
ten. oder in der Freiheit« die ein junger
Ehemann mit unter sich schon heraus
nehmen kann —- —- er ah ihre hellen,
glänzenden Augen vor ch, i re zarten,
sammetweichen und fo uns uldig ge
rötheten Wangen, und er strich le se
und zärtlich über diese einladenden
Wangen und slüsterte dabei —- —— er
wußte selbst nicht was!
Sie aber nahm das alles für baare
Münze, und noch ehe er sich’s versah,
fiel sie ihm um den Hals und slüsterte
ganz erregt:
»Ich will Dich glücklich machen, so
glücklich, wie ich nur lann!«
Dann lief sie über und über roth
ins Nebenziinmer.
Auf einmal waren sie da alle um
ihn versammelt, und gratulirten ihxn
zu der Verlobung und drückten ihn ans
Herz und küßten ihn, und er, er —- —
Er hatte nicht den Muth, auf der
Stelle Klarheit zu schaffen. Er ließ
das alles über sich ergehen, wider
ftandslos, hoffnungslos, ein bußbcrei
ter Sünder. Nur Abends, als er nach
all den Feierlichteiten mit schwerem
Kopf nach Hause kam, da faßte er sich
noch Muth und schrieb. . .
Am nächsten Morgen ganz früh war
Mr. Brown schon bei·ihm. ,.Herr,«
schrie er, »zum Teufel, Herr — —«
Das Andere verlor sich theils in deut
schen, theils in amerikanischen Flächen;
aber wenn Weltner auch nicht alles
verstand, die Wirkung verlor es den
noch nicht. Der Trauring prangt-:
wieder an seiner Hand, und sein Herz
war erfüllt voll Dankbarkeit, daß es
hier —- die Entschädigungstlage, mit
der der Hmeritaner drohte, noch nicht
aab. A r seine erwachten Junggesel
lengelüste —- — nein, die hatten nun
doch ihren Reiz verloren.
Nach drei Wochen lam seine kleine
Marie von der Reise zurüeh, gesuno
und braun gebrannt, wie die Lebens
lust in eigener Person. Als er ihr aber
in der ersten Freude gleich sein Aben
teuer berichtete, da wurden ihre Augen
zwar feucht, doch dann strich sie ihm s
lieblosend und verzeihend über da-« s
bittende Gesicht. »
»Ja, ia,« sagte sie mit einem leichten
Seufzer, »wenn die Frau verreist
ist. . .
- » - , »
Eine versehlte Spekulation
Von Schau Schand ;««;intfade, Grorerie- und
Salnlmliepcr
Misier Editor.
Ich hen Jhne schon vor einige Zeit
zuriicl von mei Beu geschriewe, wo uff
die Jnhniwörsitie is änd da Lah schin
die sollt.WelI, er hat so viel geschtötied,
daß er jetzt en expert Vallvläher and
Bootsman seie thut and im FuttbahL
sei-viele, sagt er, könnt ihn keiner net
net biete.Wo ich en denn geäslt hawwe,
wie es mit sei Lah nör, so änßert er:
»Oh, ahl reiht, Pa, böt wir thue das
gar net Lah nenne, bist Jus, was des
lateinische Wort sor Lah sein thut.«
,,Well,« iinszere ich, ,,des mag ahl reiht
sein, es thut auch net viel Differenz
mache, wie man es nenne thut, böt ich
thu so viel davon verschtehe, daß Du
uss die Jnhniroörsitie lei Lah und auch
lei Jux getriewe hascht änd da derfor
will ich kei Mannie net mehr schpende,
bitohs Du thuscht doch Dei Lebtag nir
rechts lerne. Jn mei Büsineß lann ich
Dich net brauche, bist ich will Dir c
Schtajt gewe iind Dir e Salan tause,
.oo Du ennihau Dei Lewe mache
tannscht änd wenn Du genug geßähvt
hascht, um e Großerie dancbe zu
schtarte, so lannschte for mei Pakt auch
noch e Großetieschtohr anfange, wo
plentie Monnie drin sein thut, wenn e
Fellvh es richtig zu handle verschteht.«
Der Bengel wollt mir erseht noch
schwatze von intellettschuelle Sirt-erw
eitie, bist-ich hen ihm gleich e PieP of
mei Meind gegewe änd hen ern ge agi,
wenn mei Batter in mei junge Tag net
en Einsicht gehett hätte, so wäre ich
jetzt auch so en Ass wie er und könnt
ret e Mal mei Lewe mache. So fängt
der sreche Bengel an: »Na, Bah, Du
magst auch wohl e seine Vatier gehabt
hawwe,'· böt da bin ich suchtig ge
worde änd hen gehallert:»Was willscht
Du frecher Lümmel, mei Vatter war e
hnnnert Mal besser wie Deiner!« and
damit hen ich en hinausgeseueri. Well,
die Beus vomHönting-Klu«b wollte vor
Lache verplatze iind wo ich ihne gesagt
hawwe, ich sah tei Riesen net, was se
zu lache hätte, sagt der Ruschian Hon
ter: »Du bascht recht, Zintfadez es is
traurig, aber wahr,« and denn hen se
wieldter gelacht, als wenn se sich lugeln
Wo L
Well, ich hen die Fuhls net mehr ge
meindet, böt hen die Päpers genoinme
änd in dieAdvertisnieniS for e Saluhn
zu deriaufe geguckt. Do hen ich denn
eins gefunne, wo gefchtande hat: ,,E
gut gehende Wirtbschaft im Centrum
der Schiadt is wegen Alterthums des
bisherigen Eigenthümers billig zu ver
kaufe. Man adressire: Pomuchelstopp,
eare von diese Zeitung« So hen ich
denn e Leiter geschriewe, daß ich mei
Meind uffgemacht hätt, e Saluhn zu
kaufe. böt daß ich sehe gleicht, wie die
Biisines gehe ihäte. Mei Nähm hen ich
net unt-erschrier böt hen gesagt, er
sollt sei Aenßer unter S. S. Z» auch
care von die Zeitung sende. Nach zwei
Täg hen ich denn auch e Leiter gehäti,
wenn ich am Samfchtag einige Zeit
komme wollt, so könnt ich mich kon
vinße, was e feines Blifineß er thiit.
Well, ich bin so am SamschtagVor
mitiag so ebaut halb nach 10 Uhr hin
gegange änd ich muß sage, ich war ßor
preisd iiber den Aeinaunt von Büfine .
wo se in den kleine Loch thate. Die
Leit hen drei Mann hoch vor die Var
gefchtanne, änd feineDrinks hen se alle
geordeti änd das Monnie is man im
mer so iiber den Kaunter gefloge. Die
Slotmas tneö hen etassect da II
nem der Topp weh tgat Jud dess
luhnlieper hat mit mei sae» « U
geind sei Bat ges anne Mid· die
orinks gar net so schnell ri iire MI
ne, wie die Kerls sie ausgexos e kommt
Wo ich mich hinfsete toi , ho ert ei
ner: »Helloh, Zint adel« wie kommscht
denn Du in diese Gegend?« Aend wo
ich mich umsehe, is es einer von die
Beug, wo in die Fältorie nebe met
Schtohr schaffe thut änd immer ei
Lunch in mei Saluhn nehme thut.
sag ich: »Well, Meik, thuscht denn heit
net schaffe?« »No,« sagt er, »hei; n
ich blau gemacht änd will mir e al
gehörig die Hucke voll sause, denn heit
thut’s nix koschte·« »So,« sag ich, ,,wie
kommt denn dcks?« »Oh, well,« sa i
er, »der Saluhntieper is e alter rein
von mir, wo sei alte Bude los chlage
will änd heit will derFelloh komme änd
ihm e Offer mache. So hat er mir ge
sagt, ich soll alle mei Freind bringe,
er thät e Jede zwei Thaler gewe, die se
bei ihm verschpende müsse änd die
Kerls saufe auch wie die Bürschtebins
der, ich muß nur Acht gewe, daß se das
Geld net wo anners verschvende.« Da
mit thut er sich zu mir setze änd ruft
den Proprietor: ,,Jim, hier is noch e
guter Freind von mir, wo uns helfe
will, Dei alte Bude zu verkaufe!« »Ahl
reiht,« hollert der, kommt von deheind
sei Var änd schält Händs mit mir,
denn giebt er mir e Zwei-Dollar-Bill
änd sagt: »Der Meik hat Jhne doch e
sagt, was Sc thun solle. Sie wi e,
heitzutag muß man smart sein.«
»Schuhr,« änßere ich, ,,je smarter man
is, desto besser thut man in Biisineß
sockßiede.«
Well, der Meit hat denn seine
Drints änd Cigars georderi änd e
Lunch hen se uffgefahre, wo mei Alte
net besser fixe konnt änd es swar e
Hellob in der Bude, als ob see Dosend
Börthdähs uff e Mal ßelebrate t "te.
Wo der Meik so e halb Dosend al
aetriete hat, hen ich die Drinks geordert
dem Waiter e Deim aewe änd denn en
ich gesagt, ich müßte gehe, böt icht cit
am Ajternuhn wiederkommen »Das
ist Recht, Zintsade,« iijijzert der Meik,
»vor heit Abend wird das alte Kamel,
mn hie But-e kaute will. auch Woh!
net hier sein, änd kann wolle wir ihn
sein einseife.« So bin ich denn los and
wo ich drauße war, hen Ich oon die
Zweidollar-Bill noch e Dollar and 80
Cents gehatt änd hen gedenkt:» »Mu
Saluhn haschte net gekgug, bot haskht
doch e feine Büsineß gema t.« Wo :;h
heim gekomme bin, hen ich dem Sa
luhntieper e Leiter geschriewe: »Wer
ther Herr, ich war heit morgen in Jhre
Saluhn änd muß sage, daß ich« o
nischt war, was e Geschäft Sie i ue.
Ihr Vier is fein änd ich ädweis J ne
zu die Brauerei zu schticke. Mache ie
auch keine Tschändsch in Ihren Cook,
denn Ihr Lunch kann gar net gebote
werde. Jhre Cigars sein exellent, ich
möcht Sie bitte, mir den Nahm von
Jhrem Fabrikante zu geben önd ich
muß sage, Alles bei Jhne war gut änd
wonderful tschiep. Bot kaufe kann ich
Jhren Pldß nei, biiohs das Büsineß is
größer-, als wo ich zu tende kann and
wie-Sie selbst gesagt how-we, heutzutag
» muß man smart seie, wenn man site-k
ßiede will änd se imarter man is« desto
l besser thut man söckßiedr.
Ihr »
SchanSchorchZrntsadr.
Siena Autori
Vor wenigen Wochen hat der Herzog
der Abruzzen seine Nordpolexpedition
angetreten. Bekanntlich hat sich der
kühne Forscher kein geringereö Ziel ge
steckt als den Nordpol selbst. Wir brin
gen eine Abbildung des Schiffes-, das
während vieler Monate die Expedition
tragen soll. Noch im vorigen Jahre
diente die norwegische Bart Jaso
ihrem Besitzer lediglich dazu, um im
Polarmeer Jagd aus Weile und ande
res thranbringendes Seegethier zu
machen. Der ,,Jason« war eines dee
bekanntesten Fangschisfe des Nordens.
und vermöge seiner guten Seeeigen
schaften lenkte er bereits die Aufmerk
samkeit anderer Forscher auf sich. Kein
geringerer als Nansen unternahm an
dessen Bord seine erste Grönlandfahri.
Nach längerem Ueberlegen entschloß
sich der Herzog Ludwig sür dieses
Schiff, das-, nachdem es von dem Cr
bauer des- Nansen’schen ,,·’5ram«, Coliu
Archet, umgebaut und renoviri worden
ist, sehr wohl im Stande sein dürfte,
dem Eis und den Stürmen des Not
dens zu trotzen. Zur Fortbeweguns
stehen dem Schiff außer seiner Tate
lage noch eine Maschine zur Versä
qung, deren neue Kesselanlagen dem
nunmehr in »Stella Polari« umge
tausten »Jason« eine Geschwinding
von 10 Seemeilen in der Stunde
sichern.