Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 26, 1899, Sonntags-Blatt., Image 15

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Mtz neuem-no der gcåsixi konnt
—v-·
Etzsijlung von J. N. h n n s e n.
l. ·
ceit dem 38. Januar 1718 war
IIer von Mache-nd Polizei-Lieutenant
ort; Paris. Als Nachfolger des klu
gen und tüchtigen d’Argenson, der ho
hen Alters wegen kurz zuvor sich hatte
pensioniren lqssecu oerivaitete auch der
neuer-rannte höchste Polizeigewaltige
deIStoatei dieses wichtige uno schwie
rige Amt mit Eiser und Geschick. Von
den Zeitgenossen trieb er gerühmt we
gen seiner strengen Rechtlichkeit. Spä
ter wurde er Präsident des höchsten
Gerichtshoses.
Herrn v. Machauds Tochter Blanche
vermählte sich im Juli 1719 mit dem
jungen Grafen Philipp v. Lavnl, der
einen Palast in Paris und in der Vre
tagne einige große Landgiitet besaß.
Er trar sehr reich. Seiner Gemahlin,
die er sehr liebte, hatte er zur Hoch
zeitcgabe einen kostbaren Schmuck ge
schenkt, ein prachtvolles Halgbnnd mit
grosien Perlen, dessen Wenn neunzig
tausend Livres betrug.
Am t5. Oktober 1719 sollte bei der
Prinzessin von Conti ein Ballsest statt
sinden«zu welchem auch der Graf und
die Grösin Lavaltkiuladunqen onus-Jn
gen hatten. Letztere beschäftigte sich
angelegentlich schon im voraus mit ih
rem Balllostiim Auch das mächtige
Hals-band wollte sie anle en.
Als sie das neue, oon er Schneide
rin gebrachte Balltleio einige Tage vor
her anvrobirte. wünschte sie im Spie
get zu sehen, rrie das Halöband dazu
sich ausnehme. Sie schloß also ein
Schränlchen auf, nahm ihr Schmuck
kiisichen heraus, öffnete es — und fand
ei leer. Nicht nur das lostbare Hals
band, auch die anderen S mucksachen
von allerdings geringerem ertbe wa
« ren verschwunden
Es gab eine große Aufregung im
Palaste. Die Polizei wurde schleunigst
benachrichtigt und kam herbei, um zu
sorschen und zu untersuchen. Machaud
eilte selbst zu feiner Tochter, Verhöre
wurden angestellt, aber nichts ermittelt.
»Das nützt nickt-S,« sagte endlich die
Gräfin. »Ich halte meine Dienerschaft
siir unschirldig.«
»Auch deine Zofe Louise?« fragte itzt
Vater
»'Die ganz besonders.«
»Sie ist aber die einzige, welche je
derzeit Zutritt zu dem Zimmer hatte,
in welchem die Schmualachen verwahrt
wurden.«
»Das ist wohl wahr, aber sie hat
doch niemals die Schliissel zu dein
Schranke und zu dem Kästchen in Hän
den gehabt.«
»hast du die Schlüssel vielleicht ein
mal unachtsam herumliegen lassen?"
»Nein; meines Wissens nicht; ich
hatte sie stets in guter Verwahrung.«
»Nun, so sind also wahrscheinlich
Nachschliifsel benlltzt worden«
»Das könnte sein. Aber meine Zo
fe Luise ist sicherlich unschuldig. Treu,
ergeben und demüthig ist sie, wie bisher
leine.«
»Demiithig sa; sie sieht mir bei
nahe so aus wie eine Schleicherin.«
»Aber Vater, dein Verdacht ist sicher
grundlos.«
«Mag sein. Diese Liiise Pellet wird
dich bald verlassen, du hast bereits eine
ondere Zofe engagirt?«
»Ja, zum ersten November. Sznise,
der ich eine kleine Aussteuer schenten
will, wird sich verheirathen.«
.Mit wem?"
»Mit einem jungen Friseurgehilsen
Namens Bouchu. Er will sich nächstens
selbständig machen.«
»Du rennst inn personirche"
»O sa, Bouchu tommt im Austrage
seines Prinzipal-s häutig zu uns ist«-z
haus, um meinen Mann zu srisiren.«
»Hm, hm!« brummte Herr v. Ma
chaud. Und nach einigem Sinnen suhr
er sort: »Nun, ich werde Lenoir mit
dieser Sache betrauen.«
»Wer ist dar-T«
»Der gewandteste Gebeimagent mei
ner Atiminal —- Polizei.«
»Es sollte mir wirtlich sebr lieb sein«
wenn er mir meine Schmucksachen, be
sonders das kostbare Yertenbanb, wie
der berschassen könnte bis übermorgen
Abend.« l
»Dann ist der Ball bei der Prinzess
M- -—«. - . s
. « ap« « -«c«« . « « . —»..« :H
«,,·.i-ian wird alles ausbieten, um dei
nen Wunsch zu ersijllen, liebe Blanche.
Aber wo ist dein Herr Gemahl? Er
läßt sich ja heute gar nickst sel»en.«
»Er ist in der Frühe aus die Jagd!
gegan en.«
«W nn kommt er zurüai" (
»Ich erwarte ihn jeden Augenblick.«
»Bitte, grüße ibn von mir!"
Danach verliess der Polizei Lieus
tenant Bitte Tochter, begab sich nach
seinem ureau und liess den Vlgenten
Lenoir zu sich bescheiden.
Tieg trat ein kleiner, ältlicherMann
mit einer sehr intelligenten Miene. Herr
v. Machaud unterrichtete ihn über die
Ungelegenheit und gab ibm eine schrift
Itce Beschreibung der gestohlenen
mucksachem ,
enotr entfernte sich sofort und ohne
ein Wort zu sagen. Schon nach zwei
Stunden kamer trieben
»Gnitdigerserr,« sagte er, »das-Per
lenband der riisin habe ich entdeckt.«
»We- dennW ries außerordentlich zu
srieden sein « her Chef
»Jn der Maße-St. Berti-, bei dem
» Juweliee henault. Er war der dritte,
l
l
I
(
-
svm ie- befkagee, and richtig, bei ihm·
fand ich das Halsband, die anderen
Schmucksachen aber nicht«
»Ich hätte henaultntcht für einen
Diedshe ler gehalten-« «
»Ein lkolcher ist er auch nicht. Er ist
salc höchst achtbarer Geschäftsmann be-«
« lannt und hat das Halsband in unan-«
ifeehtbarer Weise durch Kauf erwor-«
ben.'· —
»Bcn einem Diebe!«
»Nein, gnädiger Herr, so einfach ists
die Sache nicht« entgegnete mit einem
seltsamen Lächeln der Geheimagent. ---——«
»Wenn Sie etft wissen, mer das Hals
« band an Henault verkauft hat, werden
Sie ganz anders darüber denken.«
j »Nun, wer hat es denn an ihn ver
lauft?«
»Der Herr Graf Philipp v. Laval,
LaoaL Jhr HekrSehwiegerfohn selbst.«i
»Alle Teufel!« rief höchlichit über-.
rascht der Polizei - Licutenant. »Aber
das ist doch gar nicht zu glauben! Wie
sollte das möglich sein?« ·
« ·,Meines Erachtens lsann die Rich
tigkeit der Aussage Henaults nicht an
gezweifelt werden« I
- ,,Haken Sie ermittelt, wann der
Verlan erfolgt ist?«
»Ve: vier Tagen erst, am Freitag
Nachmittag gegen 5 Uhr.
Fiinfzigtausend LivreH in Buntbil
leto sind dafür bezahlt worden« i
»Wie tann man wohl vernünftiger
weise annehmen, daß mein Schwieger
,sohn io billig einen Schmuck verkauft
« haben sollte, für den er selbst vor tur
zem erst neunzigtausend Livres bezahlt
hat«-« -- s
»An Dem-nur« (
»Nein, an einen anderen Jurvelier;
so viel ich weiß, an Domangef s
«DieSache scheint ja recht aufsallend
zu sein läßt sich aber doch vielleicht er
tliiren. Herr Henault sagte mir, daß
ihm in jeßiger Zeit häufig tostbareJu
s welen angeboten werden, und zwar lehr
billig, von vornehmen Herren und
men, welche nothwendig Geld brauchen
weil sie der tollsten Spelulationswuth
erarben sind in der Straße Quincami
poix.«
Der von John Law in Frankreich
in’s Wert geseßte Mississippi : Aktien
Schnsindel stand gerade damals in iip
pigster Blüthe, und die tollste Agiotage
wurde von hoch und niedrig Tag fiir
j Tag betrieben. Jn der Straße Quin- (
lcampoix versammelten sich die Speku- ,
lanten Vormittags zu Tausenden —---7
Unter freiem Himmel war dort die
Schwindelbörse
Herr v. Machaud wußte das auch
sehr genau. Er sagte aber lopsschiit:«
telnd: »Mein Schwiegersohn ist fo
reich. daß er gewiß nicht Veranlassung
haben konnte, den Schmuck seiner Ge
mahlin heimlich zu verlaufen. Er spe
lulirt auch nicht« denn er mißiraut den
Lan-schen Altien, betbeiligt sich nicht
daran, weil er einen großen Rrach vor
anssieht. Mein lieber Lenoir, diese Ani
gelegenheit muß einen ganz anderen
Zusammenhang haben. Sie ist höchst
rätbselhaft, doch werden wir dem Ge
heimniß hoffentlich auf die Spur lom
men. Jch muß dieserwegen gleich wie
der zu meiner Tochter; Sie werden
mich begleitenk I
Er ließ seinen Wagen vorfahren i
Tie beiden stiegen ein und fuhren nach!
dein gräflichen Palast·
Gras Philipp Ivar zurückgekehrt- sp
Seine Frau hatte ihm von dem Ver-«
schwinden der Schmuckiachen Kenntnißi
gegeben Darüber befand auch er sich«
nun in einiger Aufregung .
Als der Polizei .— Lieutenant ein
trat, riefen beide: »Nun, wag bringst
du fiir Nachrichten?"
»Hochst iettsanie," versetzte Herr d.
Machaud. »Das Halgtiand ist gesun-l
den; es befindet sich jetzt ini Besitz deg
Jutoelierg Henault, der es redlich er
worben haben will. Rathet, von wem Z«
»Das ist schwer zu errathen.«
»Von dirL Philipp.«
Der junge Gras brach in ein lautes
Gelächter aus. »Der Mensch muß·
wahnsinnig sein! Wie dars er zu be
haupten wagen, dass ich die Schmuck
sachen meiner Frau stehle Z« j
»Das hat er nicht behauptet,« mein-«
te Machaud. s
»E3egle:ubt elf aber vielleicht. Es ist
zu lii rl . ndd ,es it auch ge
gen meine ghrei DaoiQallt misr ein Um-««
stand ern: ich kenne diesen henault nurI
benig, habe vor langer Zeit einmal
einige tleine Sachen in seinem Laden
geiausn Vorgestern aber begegnete ich«
ihm in der Straße ·St. Denisz er grüß-s
te mit mit einergeevigen ehkerbietigen
Vertraun-seen so de« es mir aussieLI
Lieber Schwiegervater, begeben wir
uns doch sogleich zu Heitault, um diese
Angelegenheit auszutliirenl« s
,,Gcrade das tvollte ich dir eben vor-.
schlagen, Philipp.« i
Die beiden suhren, begleitet von dem«
Geheimagenten nach der Straße St.I
Denis. Vor dem Hause des Jutveliers
ließen sie halten. Sie traten in denl
Laden ein, wo Henalt sie rnit großers
Ehrerbietung, aber auch mit einiger
sUeberraschung eiiipsing.
! »Sie behaupten, mein Herr,« sagtes
iPhilipty »daß ich am Freitag ein Ver-l
lenhalsband an Sie fiir fünfzigtausend
Livees vertaust habes«
»Jawohl, Herr Gras.« versetzte der
Juwelier.
»gut« Sie haben gelogen!«
s » ein, grr Gras!« rief Henault
s bleich vor rn. »Ich bin ein ehrlicher
sGeschiistsmann und pslege nicht zu lit
.gsn· .....
l »Mein Schwiegervater hier, der here
V
Polizei - Lieutenant, wird es Jhnen
schon tlar zu machen wissen, wag Sie
sind-: ein gemeiner Diebshehlen Ich
habe es wahrlich nicht nöthig, die«
Schmuiifachen meiner Frau zu verlau
fen.«
»Und ich lann beschwören daß Sie
selbst das Halsband an mich veriauft
haben.«
»Sie sind verrückt, Herrs«
»Nein, ich bin vollständig bei Sin
nen, Herr Graf. Dafiir habe ich glück-!
licherweife Zeugenk
»Wirilich? Die möchte ich sehen!
Welche Zeugen denn?«
»Meine Frau, mein Sohn und mei »
nen Buchhalter. Alle drei waren zuge-«
gen, als wir das Geschäft machten. s
Meine Ehre ist rnir theuer; die lasse ich
nicht antasten; von Niemand Und
wenn Sie auch der Schwiegersohni
des Herrn Polizei : Lieutenantsi
sind, an dessen wohlbelannte strenge
Gerechtialeitsliebe ich appelliere, so
dürfen Sie doch nicht glauben, Herr
Graf, daß Sie mein llareg Recht
schnöd- verckwaltiaen ldnnen.'
Er lief zu einer Hinterthiir, öffnetek
sie und rief seine Frau und seinen acht- i
zehnjährigen Sohn herein, dann auch
aus dem Comptoir seinen BuchhalteH
»Seht diesen Herrn an, « sprach er
,,Erkennt ihr ihn?« «
»Es ist der Herr Gras v Laval«,
jagte der Buchhalter i
»Ji, der ist’ S«, bestätigen des Juwe-?
liers Frau und auch dessen Sohn. s
»Ihr wart zugegen hier, alg amFrei
tag Nachmittag geqen fünf Uhr der»
Herr Graf v. Laval an mich ein Per
lenhaisband siir fünfzigtausend Livres
vertaufte?« 1
»Jawohl « l
»Das lönnt ihr mit gutem Gewissen
vvefchxrviirenW
a.«
»Alle diese Leute müssen wahnsinnig
sein!" schrie Philipp wüthend
»Nein, Herr Gras«, sagte spöttisch
der Juwelier, »wir sind gottlob alle
hier bei gutem Verstande« !
»Es steht also hier Behauptung ge
gen Behauptung« , sprach bedächtig
Herr v. Machaud. »Ich meinerseits be
zweifle nicht, Herr Henault, daß Sie
das Opfer eines schlauen Gauners ge-Z
worden sind, der hier geschickt den Dop
pelgänger meines Schwiegersohnes ge
spielt hat « j
Der Juwelier lächelte ungläubig
»Ich theile die Ansicht meines
Chef-IT sagte Lenoir, »und werde ver
suchen den Pseudograsen zu ermitteln I
Ich hege bereitzz einen bestimmten Ver
dacht. «
»Seht gut!« rief der Polizerlieute
nant. »Sie aber, Herr Henault, sollen
nicht vergebens an meinen Gerechtig
keitssinn appellirt haben. Bleiben Sie
einstweilen ruhig im Besitz deH Schmu
des. Nur möchte ich Sie bitten, daz
Perlenhalsband meiner Tochter vor
läusig nicht zum Verkause augzubie-:
ten, bis diese dunkle Angelegenheit ent
wirrt ist, was möglichst rasch zu be
wirken wir uns leine Mühe verdrießen
lassen wollen«
Der Juwelier rerneigte sich zum Zei
chen der Zustimmung
Daan verließen Herr v. Machaud,
der Gras v. Laval und der Geheim
agent den Laden He taults.
l) )
Lenoir’5 Verdacht richtete sich gegen
den Friseur - Gehülfen Boncht, den
Bräutigam der Lonise Pellei.
Diese konnte alg Zofe der
jungen Gräsin den Diebstahl der
Schmucksachen auf irgend eine Art aus
geführt, und dann ihr Geliebter alg
Doppelgänger des Grafen, den Verkauf
des kostbaren Halgbandeg besorgt hr »
ben.
Es war gegen drei Uhr Nachmittags,
als der Geheimagent sich nach der Gre
vinschen Friseurstube in der Straße
Nambuteau begab, wo Bouchu ange
stellt war. Er kannte persönlich weder
Grevin noch Bonchu; ebensowenig
lannten ste ihn.
Als er ins Haus eintrat, lam ein
stisrrter und pomadisirter Stich-r,
eine Opernarie trällernd, heraus, und
ein kleiner verwachsene Herr wollte ge-I
rade hinein, dem Lenoir höflich den
Vortritt ließ. I
Drinnen in der Fritierstube befand.
sich nur« ein junger Mann, jedenfalls;
ei»n Gehilfe. Der Prinzipal selbst war
nicht anwesend.
»Ah, Herr Coquerel!« rief der Ge
yilfe vertraulich. «
,.Guten Tag, mein lieber Bouchu!«
versepte der Yucklr e.
Es ivar also richtig Luise Pellets
Bräutigam. I
Des Gesheimagenlen Verdacht zer-,
rann ins. selben Au endliri in Nicht-li
Unmöglich tonnte dieser kleine, unans
sehnliche Mensch der Dom-ergänan ch
stattlichen Grafen v. Lcival aeiveseni
sein. Weil Lenoir nun aber einmal da
war, beschloß er, sich frisiereu zu lassen.l
Er setzte s:ch c«lso, um zu warten und
nachzudenken, aus einen Stuhl und sah
zu, tvie der iippiae Haar-schon DegBuciJ
ligen lunswoll von Bonchu bearbeiiei
wurde.
Dabei hörte er ienn auch das- Ge
spräch der beiden, welches ihn freilich
zuerst gar wenig interessirte.
»War’s heute Vormittag auch so leb
haft in der Straße Quincaiiipoix?«
fragte der Gehilfe.
»Wie immer!« rief Coquerel entziikli.«
»Und ich hoffe, es wird noch lange so
bleiben.«
»Manche Leute meinen doch, dafz es
früher oder später einmal damit schief
gehen würde.«
»Unsinni«
«Freilich, ich verstehe ja nicht viel V
von, Sie aber sind ein großer Kenner.
Was Herr Law.im großen, das sind
Sie im tleinen.«
»Mein lieber Bouchu, solche Schmei
chelworte erfreuen mein Herz· O, ge
priesen sei der Tag, an welchem ich zu
erst mit nur zehn Lidres in der Tasche,
aber oen Frau Fortuna begünstigt, jen:
Straße besuchte! Man konnte mich —
oder vielmehr meinen Buckel —- sogleich
sehr gut brauchen."
»Als Schreibpult.«
,,Jawobl. Gesegnet sei mein Buckel,
denn ihm verdanke ich mein Glück!«««)
,,«’friiher hatten Sie die Gelegenheit,
ihn zu verwünschen; dessen entsinne ich
mich gar wohl«, sagte der Gehilse la
chend.
Freilich, lieber Vouchu Kein Wun
der auch! Wie Sie wissen, schwärrne ich
fiir die theatralische Kunst, wäre früher
gar zu gern selbst Komödiant gewor
den. Aber daran war leider meines
Buckels wegen nicht zu denken; deshalb
habe ich ihn oft derwiinscht und ver
flucht. Doch nun ist das anders getuors
den; mein Buckel hat mir in der Straße
Quincampoir zu einem hübschen Ver
mögen verholsen.«
Noch immer aber schwärmen Sie
fürs Theater, Herr Coquerel.«
»Gewiß, leidenschaftlich; doch die
Jdee, selbst auf die Jveltbedeutenden
Bretter zu steigen, habe ich aufgegeben.
Aber ich bin Kenner, dass muß man mir
lassen. Besonders gefallen mir die Lei
stungen Jljres talentvollen Bruders,
lieber Bauchri; deshalb besuche ich mit
Vorliebe Nicolets Theater.«
»Er spielt jetzt große Rollen.«
»Und zwar vortrefflich. Auch scheint
seine Einnahme besser zu sein, als frü
her. Ich hatte ihm vor sechs Wochen
mit Vergnügen einige hundert Livres
geliehen, die er nothwendig brauchte,
um einig-e drückende Schulden zu be
zahlen; da ich ihn kenne, glaubte ich
natürlich, das Geld nie wieder zu er
halten. Doch darin täuschte ich mich,
denn gestern hat er mir die Summe
richtig zurückerstattet und mich außer
dem in einem Restaurant herrlich be
tvirthet.«
Der Gehilfe hustete etwas gezwun
gen. Lenoix war nun doch aufmerksam
geworden.
,,Gestern Abend habe ich ihn so recht
bewundert im Theater«, fuhr der Buck
lige entzückt zu rkden fort. »wanz mei
sterhast spielte er einen liederlichen
Chevalier.«
,,Jn den- neuen Lustspiel von Ma
rivaux?«
»Ja-naht Welche Schelmerei, welche
Grazics Dag Stück wird heute Abend
gespielt und voraussichtlich noch lange
aus des-—- Renertoire bleiben. Ihr Bru
der scheint siir diese Chevalierrolle ge
ooreu. u: Ioar im Aussehen, Manie
ren und Auftreten aanz einEdelmann.«
»Ich hab’s,« dachte im stillen der Ge
heimagi-nt. »Ganz ahnungglog hat die
ser harmlose Bucklige mich auf die rich
tige Spur gebracht. Also Bouchus Bru
der ist der talentvolle, aber auch lieder
liche und leichtsinnige, bei Nicolets
Truppe engagirte Schauspiel-er Mon
steurh. Nach Art solcher Leute hat er
seinen unschönen Namen mit einem
schöntlingenden und poetisch ange
hauchten vertauscht. Er sieht auch dem
Grasen v. Laoal ziemlich ähnlich, wenn
ich mich seiner Physiognomie recht ent
sinne. Dentt man sich die sel)auspieleri:
sche Gewandtheit, Keckheit und die
Sicherheit dek- Llustretens hinzu, so ge
lange ich zu der festen Ueberzeugung:
Monsleurh ist der Doppelgänger des
Grafen gewesen: er hat aus solche Art
unauffällig den Verlauf des tostbaren
Schmuckeg an Heitault besorgt. Wahr
haftig, die Schelme haben das recht
schlau ausgedacht und ins Wert gesetzt.
Coquerel und Bouchu schwatzten noch
weiter Von theatralischen Angelegenhei
ten. Als der tleine Bucklige fertig fri
siett war, entfernte er sich.
Nun kam Lenoir an die Reihe, der
sich schweigend dabei vrhielt, indem er
insgeheim dachte: »Dieser Bursche, der
ietzt meine Haare bearbeitet, lsai jeden
falls keine blasse Abnung davon, daß
ich ihn voraussichtlich noch heute Abend
verhaften lassen werde!«
Eine Stunde später trat ker Viel-eini
agent in den Laden des Juireliers
Henauli. « .
»Ich glaube, die dunkle Angelegen
heit je t austtiiren zu iönnen,« sagte
er. » ch bin dem Pseudografen ans
der Spur.«
»Sie glauben also wirttich, einen
vermeintlichen Doppelgänger des Gra
sen v. annl ermittelt zu haben?« frag
te der Juwelier mit zweifelnder Miene.
»Jawohl. Es ist ein Schauspieler,
ein Bruder des Friseuraelnlfeu Bau
chu, welch’ letzterer mit der Zofe der
Gtäfin v. Laval rertobt ist. Diese Zofe
hat jedenfalls Das Halgbanb geitohleii.«
Der Juwelier schüttelte den Kopf.
»Wenn Sie sich nur nicht aus einer fal
schen Spur besinden.«
»Sie meinen immer noch, daf; Sie
es mit dem echten Grasen zu thun ge
habt haben«s«
»Ausrichtig qestandem in.«
»Um Sie zu überzeugen, daß Sie sich
täuschen, möchte ich Sie bitten, heute
Abend mit mir dass Theater zu besu
chen.«
»Die Comedie franeaisei«
»Nein, bei unserer ersten Bühne ist
dieser Mensch nicht angestellt Er ge
hört zu Nicoleis Truppe, die nur Lust
spiele, Possen und Singspiele giebt.«
»Getne erfülle ich Jhren Wunsch.
’) Thurmble In eilten Schildeennnen ver wiloekz
Isiotese in ver Strafe Qiittieanipoik Fuss-it des
Mitv· chen Ftsisnzsimuikioelv wird die » Butsu-« km
sie yet-staates als amtmlantee eesbpult kenns
Ien« ers-tim- Ee soll dadurch tot-te pure- etqene Spe
fiiletionen reich seine-den fein.
s
TBin doch wirklich selbst neugierig. Jch
werde bereit sein.« -
i »Um halb sieben Uhr. Jch hole Sie
ao.«
,,Sehr wohl«
; Darauf begab Lenoir sich zu Herrn
v. Machaud. Dieser billigte die Absicht
deei klugen Agenten, der dann noch ri
snige weitere Vorbereitungen traf.
B.
Es war Abends nach sieben Uhr. Die
Vorstellung in Nicolets Theater hatte
begonnen. Man gab wieder dac- neue
lLustspiel vonMarivaux, in welchem der
ttcilentvolle junge Schauspieler Mon
sfleury die dankbare Rolle eines lieber
lichen, weltgewandten und heiteren Chr
valiers spielte. Reicher Beifall wurde
ibm gezollt von dem zahlreich versam
inelten Publikum
I Jm Hintergrunde einer Parlettloge
saßen der Geheimagent und der Juwe
slier HenaulL
I »Nun, haben Sie den Menschen ge
nau beobachtet?« fragte erstern-, nach
s.dcm der erste Akt beendet »Nicht wahr,
er besitzt eine auffallende Aehnlichkeit
,1nit dem Grasen v Laval, auch in Be
kzug aus Figur, Haltung und Sprache.
Ein leichtes, elegantes-, vornehmes We
sen weiß er vortrefflich zur Schau zu
tragen. Mit solchem schauspielerischem
.,Talent, natürlicher Begabung fiir täu
schende Nachahmung bestimmter Cha
rottere von seinem Bruder sorgsam
dazu ungeleitet und zweckentsprechend
srisirt und gekleidet, hate e,r davon bin
ich überzeugt, Jh nen gegenüber den
,Doppelgänger des Grafen gespielt und
es richtig verstanden, Sie zu täusche-n.«
I »Es könnte wohl fein, daß die Sache
Ysidi so verhält, « versetzte Henault. »Ich
bit äußerst überrascht von dieser Aehn
Ilichkeit Ja, wenn es denn wirklich
nicht der echte Graf war, so könnte al
ilerdingsz der Schauspieler da, der sich
Monfleurh nennt,der falsche Graf ge
lvesen sein«
; »Nach Allem kann nun iein Zweifel
sniehr darüber obwalten. Jch werde ihn
verhaften lassen.«
- »Sie tzt soalcichZ«
»Nein, nachher. Nach dem Schlusse
der Vorstellung Jch halte es nicht fiir
nothwendig, das Vergnügen des Pub
litums zu stören.«
Die Vorstellung nahm ihren Fort
«·aang. Nach dem Schlusse des letzten At
Itesp wurden die Hanptdarsleller hervor
gerufen, auch Monsieury.
Lächelnd und triumphiemd erschien
er, durch eine grazidse Verneignng dan
kend fiir den Adplaus Dann fiel der
vVorhang nieder.
« Gleich daraus kourde sn seiner Gar
dirobe der Schanspieler Lseuchu ge
«nannt Monfleurn, verhaften In seinem
Vesitze fand man eine gross-s- Zumnr
Geldes in Bankbillets. «le selben
Abend wurden auch sein Bruder, der
Friseurgehilfe, nnd dessen Braut Luife
Pellet gefänglich eingezogen. In einem
Koffer des ersteren entdeckte nsan di-:
anderen gestohlenen Schmucksachen Da
Leugnen nichts nützen tonii-e, bequem
ten sich die drei zu Geständn.sken. Bou
ant-Monsleurn hatte in der That als
Toppelgänger des Grafen das Hals-·
Eis-nd an Henault verkauft. .
Der Jutdelier, welcher mit Aug-nah
in-: einiger tausend Liores sein Geil
nsieder erhielt, lieferte ·1n71 das ".’eileis
txalsdand aus, so das-, He Grifan Isnt
demselben gesrlnsiiickt auf den-« Balle ·o.-r
Prinzessin von Conti erscheinen konn
te und dort natürlich gross-! Ernsation
erregte. «
Die diebische Zofe, ihr srizzbiiinsitsei
Bräutigam nnd dessen Bruch wurden
nach der Strenge des Geselij lieffrafx
l
Warum ? .
US grübeli mit miidem Forschergesieht
lind wallenden stauen Haaren .
EmAlter noch spät bei der LainpeLicht,·
Bis ein neuer Morgen dämmernd an
bricht,
Um des Lebens Zweck zu erfahren.
So hat er’s getrieben von Jugend an;
Er rannte kein andr’es Beginnen.
Nie hat er sich dessen genug gethan.
Er setzte all’ seine Kräfte daran,
Tes Lebens ,,Warum« zu ersinnen.
Es wurde der Rücken des Forschers
krumm —
Kaurn konnte er sich noch erheben.
Sei sitzt er und bohrt und griibelt’
stumm.
Ueber’m Fragen nach des Lebens
,,Wc-rum«
Vergaß der Aermste, zu leben.
G. A. MullersCsrssala
Auch ein Irnlptingslied. l
—— i
Von Sonne, Wonne-, Gliict und Lust
Du dickten, tvitt jetzt Brauch; ,
Es rauscht in deutscher Jiitmlin,»,«5- »
brust s
Und itn —- Papicskorb auch. l
»H-O————— l
—-»Wie fange ich es an, sagte ein
jSchauspieler zu einem anderen, »das-,
t ich bei meinem Benesiz ein recht volles
Haus habe?« - Mich werde meine
Gläubiger einluden « war die Antwort
’ —- Der schlechte Gärtner. Junge,
eben vom liensionat weq geheirathete
grau zu ihrem Mann, einem Gutsbe
sitzer: »Du FredyL Den Gärtner mußt
Du aber bald wieder entlassen. Der
thensch ist ja gar nicht zu gebrauchen!
Sieh’ Dir nur mal das No genfeld an,
wie geschmacklos et da die Vsgornblumen
hingepslanzt hat. Es steht rein nach gar
nichts aus. . .«
Ahnung-vermögen bei Thier-ein«
Der Storch macht mit ebenso großer
Vorliebe wie- Frechheit auf junge Kat
zen Jagd, als wüßte er von der Gefahr«
die seinen eigenen Jungen vom Katzen
geschlecht droht. Die mündigen Kasse-.
wieder stellen mit Vorliebe der Stor
chenbrut nach, die ihnen örtlich so be- «
quem gelegen ist. Dieser gegenseitige
Vertilgungstrieg ist mehr als die Be
friedigung eines Gelüstesz vielmehr das
Bemühen, ein seindlichesGeschlecht aus-·
zurotten, noch ehe es dem eigenen Nach
wuchs gefährlich wird. Aus diesem all
mächtigen Trieb der Selbsterhaltung
und der Sorge um die kommende Ge
neration frißt der Storch die Kätzchen
und die alte Katze die Storchju.ngen.
Dieser selbe Trieb aber führt in man
chen Fällen wieder zur Schonung an
derer Thiere. Das Krokodil verschlingt
z. B. alle kleineren Thiere, die in sei
nen Bereich kommen; selbst die Vögel
die ihm sorglos zuflattem Und doch
scheut es einen Vogel, etwa von der.
Größe einer DrosseL den »Sicsac«, das
Ungeheuer weiß aber genau, warum.
Jst es an's Land gekrochen und liegt
dort, wenn auch nur zur Hälfte, so recht
wohlig, so läßt es den kleinen Vogel
ruhig in den geöffnet-en Rachen spazie
ren und wartet ruhig, bis der Vogel
den gefährlichen Raum verläßt. Der
aber pickt inzwischen emsig im Rachen
umher, bis er Gaumenwände, Zunge
und Zähne des großen Thieres von den «
Blutegeln gesäubert hat, die sich dort
im Wasser angesammelt haben. Diese
Wechselseitigkeit der Hülfeleistung ist
hrchinteressant. Grade dieser kleine Vo
gel wird von dem Unthier verschont und
befreit es dafür, sich selbst ernährend,
dir-n einer schweren Plage. Hamlet sagt:
,Es giebt mehr Dinge zwischen Him
mel und Erde, ils Eure Schulweisheit
sich träumen läßt« Das Vögelchen
weiß, daß just ihm, unter allen seinen
Genossen, das Recht beschieden ist, sich
i:s den Rachen des Unthiers wagen zu
dürfen, um seiner Nahrung nachzuge
hen. Das Krokodil weiß« daß just tie
ser Vogel ihm eine Erleichterung ge
während wird!
Die Heilung menschlicher Leiden
schuf-km
Dr. Gallcvardin, ein homiiopatbi
schcr Arzt zn Lyon, theilt durch die
Blätter eine von ihm gemachte Ent
deckung mit, die voraussichtlich eine
große Umwälzung in der menschlichen
Gesellschaft lxervorrufen wird. Dank
der Homiiopathie hat Dr. Gallavardin
mit glänzenden und andauernden Er
folacn die Oeilnna der menschlichen
s.«eikcnsd:saften unternommen Jm
Jahre Js;96 und in dem blühenden Al
ter von 71 Jahren kam Dr. Gallavar
vix-. auf ten Gedanken, eineSprechitnn
de sur die Heilung der menschlichen Lei
denschaften zn eröffnen. Jeden Diens
tag ertheilt er Eifersüchtigeth Neids
sct-cn, Lijanerin Kleptonianen, Spie
lein, Jätkzornigrn und anderen Exem
Plaren der Gattung »homo sapiens«
Rath und siclicre Hilfe, und zwar gan
umsonst. Und welcher Art ist die Kur
Er macht tein Gelieimniß daraus:
»Ein Eli-jähriger Ehemanm der wäh
rend seiner dreißigjährigen Ehe eiser
siiartia war, ist ron mir mittels einer
Manns-Lösung ldcss Gift der Rau
tenfclslangd instit worden, die in km
ersten drei Wochen eine Verschlimme
rung hervorbrachte dann aber ihn
vollständig heilte, so daß er bis zu sei
nem Tode von ter Eifersucht verschont
bljeb·« Tit-se Heil-rann ist allerdings
n-underl·»c-.r: nocli wunderbar-er aber ist
ein lslieinanrn der nacli dreisxigjiiliriger
Ehe vocf cisersuclilia ist. Eber-so be
merlengwertb ist folgender Fall: »Ein
anderer Chr-mann, dr-) seit 16 Jahren
eifersiicbtia war. wurde mittels ,,nux
vomira« (Vreifnus3) geheilt. Jn der
ersten Zeit liatle er allerdings noch
dann und wann einen Unfall, aber
nachdem ihm eine neue BrechnußsDosis
verabreicht trsar, verschwand jede Spur
des seelischen Leiteiis.
Eine merkwürdige Zeitung.
Ter Zasewisck Paul Petrovitsch, der
im Jahre 179(.« als Nachfolger Katha
rina Z. den rnssischen Thron bestieg,
empfing seinen ersten Unterricht im
Lesers und Schreiben im Alter von vier
Jahren, gab aber seinem Gouverneur
oft Anlasi zu lebhaften Klagen. Da
es nicht til-lich ist, Fürstlichleiten gegen
iilier den Robrstock in Anwendung zu
bringen, so ersann der Staatsrath
Besitxteiess der Erziehrr des Prinzen,
eine neue und originelle Methode, die
sen von feiner Faulheit zu luriren.
Er lxatte siir den Zarewitsch eine
Zeitung drucken lassen, Die unter den
Hofnachrichlen einen qenauen Bericht
der Unarten enthielt den-n sich der
Print ms demselben Tage schuldig ge
nsncht hatte. - Außerdem enthielt vie
originelle Zeitung, welche natürlich nur
in einem Exemplar gedruckt wurde, ei
ne Notiz niit der Franz ob der Prinz
euch seine Sclnilarbeiten fleißig ge
neckt Habe.
Dann erzählte der Gouverncur dem
kleinen Zarelvitscl), daß die Zeitung
täglich an alle Höfe ltsruropcks versandt
nsijrde, und daß er sich schämen sollte,
das; seine schlechten Munieren und feine
Faulheit zur Kenntniß aller Fütstlich
leiten gelangten. Die Zeitung hatte den
gewünschten Erfolg, denn der Peinz be
gann jetzt mit einem wahren Feuereifet
zu arbeiten, um sich nicht in den Au
gen von ganz Europa lächerlich zu ma
chen.
W
——- Unterdrückte Leidenschllften sind
leimende Tugenden.