Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 19, 1899, Sonntags-Blatt., Image 16

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    Elrkugblukttttt —
X Heinrich Ere.
I.
Die Nochmittagsdrobe war beendet.
Das ganze rieftae Getos-Innere
bot schon ohnehin, wie es jetzt vom
grauen Tagiicht übergossen dalag, ein
nüchternes und sröstelnbrs Bild.
Ueber die rothen Sammetsitze waren
große Stücke Sackleinwand gebreitet,
oben aus der Galerie scheiterten die
Frauen, mit Schrubber und Eimer
bewaffnet, die weistbetaliten Wände
und hinter dein auseinander gezogenen
Vorhang, der sonst die Manege und
- den Stallgang trennte, aingen Leute
in gewöhnlicher Arbeitertracht umher.
Nun die Probe vorbei war und die
Künstler sich zu entfernen begannen,
wurde es noch einsamer. Nur am
ManegewEingang saß und stand noch
eine kleine Gruppe· zusammen. Jbre
heitere Unterhaitnng aalt eine-n kleinen
weißen Seidenbiindchen. das eine der
Damen, eine Reiterjn. auf ihrem
Schoße hatte und das id: erst an die
sem Tage geschenkt worden war. End
lich ing man auseinander. Vor dem
Vor ange rechts und links an die bei
den Logenwiinde gedrückt standen ei
nige Jungen, kleinere und größere.
Niemand flimmerte sich urn sie. Am
Vormittage, wo nicht die Mitglieder,
sondern der Direktor selbst probirte,
dee sofort iedenUnbesuaten. welcher im
im Gebäude herumschtich. hinaus-wei
sen ließ, hätten sie sich das nicht erlau
ben dürfen, ganz abgesehen davon, daß
sie um diese Zeit auch in der Schule
steckten. Von den Artisten setber hat
ten sie nichts zu befürchtet-. An jenem
Nachmittage fand sich das Häuschen
ein nnd sah, in den Gänan nnd Win
keln versteckt, dem Treiben der Künst
ker, der Reiter, der Springen der
Dresieure, von denen es ieden Einzel
nen genau beim Namen kannte, voll
Anspannunq zu, bis es sich arn Schtnsz
der Probe jedesmai zwischen den bei
den Logenwänden vor dem Vor ange
wieder zusammen sand. Dieses« lös- J
v---.
chen hatte eine besondere 7:i1.3.coun·ns:s s
kraft. Hier üblen die Artisten inre
Elepen ein. Die Eleoen standen ir.
dein gleichen Alter wie das Häuschcn
selbst. Bewundernna uno das dien
nende Verlangen, diesen ·)ll:engenot
sen das nachmachen zu distiem malte
sich in jedem Gesicht. Selbst die leise
ausgestoßenen Scheltworte und die ge
legentlichen verstohlenen Wiss-Handlun
gen, mit denen die Künstler ihre Ele
ven behandelten,änderten daran nichts-.
Aus jedem Gesicht sprach die Bereit- .
schast, alles das gern über sich ergehen !
lassen zu wollen, wenn die Eltern esI
nur erlauben würden, gleichfalls so ei
ner, so ein Artist zu werden«
Seltsam stach von Den übrigenJuni
gen. deren Kleidunasstiine schon ver- :
riethen, daß sie Volksschüler oder, was T
einige ältere betraf, Handwertslehr-«
linge waren, die im Anftrage ihrer l
Meister, Schlosser, Tischler und S:ell- «
machet, hier im Cirlus etwas auszu- «
richten hatten, ein etwa rwölsiäheiger
Knabe ab, der oberhalb oer Holz-vand,
in den Paelettreihen, cbqeiondert vcsn
den andern, fast als scheue er sich, hin
ter einer der aoldbemalten eisernen
Säulen stand und von dort mit heißen
Blicken den Produktionen aesolgt war.
Das seingeschnittene, blasse zarte Ge
sicht mit den großen schwarzen Augen
und den schwarzen Locken. die schmach
tige, aber zierliche und in ihrer ganzen
Haltung aussallend anmuthige Gestalt,
sowie der peinlich saubere Anzug deu
teten daraus, daß et auch in seiner
Hertnnst sich von den anderen Jungen
unterschied Unter dem Arme hatte er
eine dünne Schule-tappe, und die grüne
Mitte, die er in der band hielt, ver
tietl7, dza er ein Schüler des slädtischen
Grnnna ins war
Was nun geschah, geschah an jedem
Nachmittage, sobald die Probe aus
MI.
Fast lautlos-, jeden Aus-rus, jedes
Wort leise abgedämpft, sprang unten
die Schaut in die Manege hinein.
Wenn sie Lärm machte, so hörte das
der im Bueeau atbeiiende Jnspettcr
nnd dann jagte er alle miteinander
heraus-. Die Jungen versuchten, das.
was sie den Eleven abgesehen hatien,
nun auf dem Sande nachzumachen
Sie versuchten, wag den iseiibteien
unter ihnen auch gelang, auf den hän
den zu stehen, von diesem Stand aus
durch einen Sprung nach vorwärts
oder rückwärts wieder auf die Fuße zu
Don-men, eitn großer cZunge versuchte
es agae nn einem ri eigen rückwär
I M Vlies-M des heiße dem Sprung«
. vom Haut-stand durch die Drehung des —
Körper-s um seine Achse nach rückwärts
wieder auf den Handstand Die ande
ren Jungen hielten ihm dabei, wie sie
es bei dem Unterkichte der Eleverc
, sahen, die ausgestreckten Arme unter
" S Mütze-at- Alles stellte sich um
« Gruppe herum. Der große Junge
Mspt m ein-et kräftigen musiuköfen
Wt und die ganze Schaut sah ihn
Hoff-lebetle den- Bedeutendseen unter
»He-s
imkst We Its-May tin a W
» : , l An große
" MU- I M
»Noch einmal!« ries er angehalten,
ais hätte nicht er selber, sondern die
Andern die Schuld.
Das Kunststück mißlang wiederum.
»Gebt mir bloß voni Leibes Ich
wird's alleine machen!« tommandirte
er nun.
Alles wich ehrfurchtsvoll zurück.
s Der große Junge stellte sich wieder
Z aus die Hände. Jn dem Kreise
herrschte ein gespanntes Schweigen
Jetzt reckte der Künstler auf der get-id
stiitzh wie um auszuholem die ine.
, Dann tippte er wie ein Meblsact aber
I mals in den Sand. s
» »Heute geht’s nicht« sagte er ärger- «
« lich. als er mit getötbetern Gesicht wies s
der aus seinen Füßen stand.
Der Knabe oben an der Säule hatte
sich bisher nicht von derStelle gerührt.
Nun les-Te er seine Rappe und seine
grüne use aus die von Sacktein
wand bedeckte Bank neben sich und
stieg hinüber-.
»Laszt mich es einmal probiren.«
sagte er, mit einem Satze leicht iiber
die Barriere springend, zu der Schaar.
Er war unter dieser nicht ganz un
bekannt.
Die Jungen hatten ihn schon inebr
als einmal hier irn Cirius gesehen, wie
er gleich ihnen in den Winkeln and
tGängen herumstand Ja die Manege
tarn er sonst nicht« aber hinter dem
Vorgange im Stallgang, wo auch
manchmal Mister Relling nnt ihm
sprach, sah rnan ihn nm diese Zeit oft
etcicbfalls üben. Die Jungen glaub
ten deshalb von inni, daß er aus ir
gend eine Weise hier im Cirtus sinit
dazu gehörte. Bei seinem Erscheinen
wurden si-. still.
»Wer bist Du denn?« sragie der
Große.
»Jet- heiße Barnstorsi.« erwiderte
der Knabe frisch und einfach und ita
ren Auges blickte er den Frager an.
»Was machst Du denn hier?·'
»Was ibr machet« .
,Weiier nichte?'·
«Nein!« «
In das Gesicht des Greises trat ein T
liämischer Zug.
»Du bist doch viel schwächer als ich.
sagte er —- was ich nicht l-:nn, das
lannsi du doch erst recht nichi!«
»Ich wsll es aber versuchen.«
Furchtlosiqleii und Kecklsseit blihlen
ietzt in der Miene des feinen Jungen
auf, was seiner bisherigen scheuen
Zuriickhaltung eigenartiig widersproch.
»Wollen mir Zweie von euch Hel
fcn Z« want-te er sich an die andern.
Seit die Schaut wußte, daß der
Junge auch nichts anderes und besie
res war, als sie selbst, halte sie auch
ihre - Unbefcngendeit wieder gewonnen
Obwohl er so dornehm aussah, gefiel
er ihr doch, fchon weil er es mit dem
Großen to ohne Zagen aufnahm.
Svfort erllärten sich die beiden. die
eben dem Großen behilflich gewesen, zu
dem Dienste bereit.
»Als-) lrå!« rief der Junge
Wieder flqunten seine Augen in
dem Feuer aus wie vorhin. .
Kunstgerecht die weit ausgespreiz- «
» ten Finger mit dem Handbnllen fest in «
; den Sand gedrückt, ließ er leicht und -
F etastifch seinen Körper darauf nieder;
die Arme verfchränlend, schob-en ilnn
die Beiden diese unter das Kreuz;
langsam wie eine eschrneidige Gerte
bog sich der gestreck e Körper « t da
rüber hinweg. dltsartig schne te er
dann empor. drehte sich um sich selbst
and kam dann wieder; ehe im ganzen
nur eine Selunde verging, auf die
hände zu flehen. Es war ein richti
ger Flickflach wie ihn die Eleden nicht
helfe- machen konnten
«Bravo, brava,« ries die ganze
Schaar stürmisch und die Umgebung
vergessend. aus. »Bravo!" mit einer
eigenthiimlichen langen Dehnung des
»a« in diesem Wart riefen auch die
Artisten, wenn sie auf der Probe einer
neuen Nummer applaudirien
Mit einem Sake, der scharf wie ein
Messer durch die usi schnitt, stand der
Junge nun wieder aus den Füßen
Nur der Große stimmte in das
«Bravo, bravo« nicht ekn
»Bist du mir böse?« fragte der an
dere vermindert »Und treuherzig trat
er var ihn hin-.
Mit siiller Verbissenheit sah dieser
ihn erst an.
»Du gehörsi nicht zu uns, sagte er
dann —- pnes Dich dorthin, we Du
hingehörsr.«
Dem schwarzäugigen Jungen schoß
das Blut ins Gesicht
»Ich kann hier bieibenx ganz so gut
i wie Du!« rief er aus. :
s «Dnj wallen wir doch einmal
; schenk« höhnt-: der Große und nahm
I eine lampsbereite Stellung ein-«
»Dentst Du, ich fürchte mik- vor
Dir? BersuchKHFchF
Im Nu hatte das autaetige We
sen des anderen geändert
Er war sast um einen ganzen Kopf
kleine-e. Kühn erbe- bli ten seineBticke
den Gegner an. Er sl seht einem
Lungen-Fug Sp bereiten Leop-ir
en. M ganze S ae bildete mn
die Beide-M «
.-«» MI- Eis-MAY
Jterben und und anderersetts sie dem
neuen Geno en doch zuviel Gefallen,
um sich offen auf die Seite seines Geg
nerg zu schlagen.
»Fang ank« rief der Schmutze mit
lauer heller Stimme. «
Im selben Augenblicke übrte der
Große mit der vorgestte en Faust
gegen fein Gesicht einen Stoß. Ein
rother Vlutsftrabl spritzte auf. Jn
der nächsten Setunde aber hing der
Angegtissene mit einem einzigen
Sprunge. der wie der Sprung einer
Katze war, an feinem Halle -— eine
zweite Sekunde, der Große brach zu
sammen und der Kleine, dem immer
nseiter das Blut über das Gesicht tief.
lag, die Arme des Großen in den
Sand pressend. über ihm«
»Fecglina!« same er anner sich.
Der Große suchte sich szu niedrer-«
aber der andere hielt, obwohl seine fei
nen und weißen kleinen Kinderlzände
kaum eine solche Kraft verrathen bät
ten, die Handgelenle des Großen wie
in einein Schraubstock umllamnier:.
«Es kommt iemand,« ries eines aus
der Schanrg die nun furchtsam zurück
s gewichen war.
H An der Pifte vor dem Borlmnge.
hinter dem mit lachendenMienen einige
Stallbediente dem Streite bit-her iu
aeselren hatten, tauchte die Gestalt
eines großen Mannes in Hemde-är
megn und mit eine-n strengen Gesicht
au . ,
»Heillose Bengels ihr, ries er bin
iiber -—— weilt ibr machen, das-« il,r
srsettomrnt!«
Die Schaar stob auseinander und
flüchtete iiber die Barriere zum gegen
überliegenden Ausgang binauj, der
irre Freie siiltrtn
Der Kleine ließ sein Ouser los.
»Du bist mir viel zu feige, als daß ;
ich dit noch etwas thun möchte,« mur
melte er dem Uebertoundenen noch zu-.
Dann sprang er zu den Sinreiben (
hinaus, wo seine Tasche und feine
grüne Muse lag, schlüpste, als wußte
er mit den Näumlichleiten aanz·aenau
Bescheid, durch einen der oberen Sei
tenaänge ir: eine niedrige ossene Ihiir
und verschwand.
Durch den Stallgang scholl die
scheltende Stimme des Jnsuetto:3·
»Wenn die Jungen sich noch ein
mal im Gebäude sehen lassen würden,«
sn gebot er, »so sollten sie aus der
Stelle nicht binausaeiaat werden«
Immer dunkler breitete sich von eben
durch die Lichtötsnuna im Dache die
Dämmerung über das riesige. nur
ganz verlassene Innere aus. Es lam
die Stunde am Taae. die ein ine, in
welcher der Cirkns leine Siesta hielt.
2 E
Jn einer der ncuaebauten Straßen
der äußeren Stadt, wo sich zu beiden
Seiten, eines wie das andere ausse
hend, hohe vierstöckiae unfreundliche
Mietbzhiiuser binzoaerh klangen um
dieselbe späte Nachmittaaiitunde aus
einem hose vie Töne einer Dreaorgel
herauf-.
Der Hof selbst war ena, und kahl
ron einem hohen Queraebiiude abge
schlossen. Zu den Kücknntenster, iiberi
die ariinanaestrichenen Blumenbretter ;
hin-nea, aus denen noch die sont-nee- j
lichen Schnittlauchss und Vetersiliem
tönse standen, sahen die Dienstmädchen 3
herab und hie und da warf eine milde i
band dem schwarzbiirtiaen Manne mit s
dem großen Sammetbute unten ims
Papier eins-wickelt ein tleinej Geld-!
stücl zu· - r wackere Virtuose hatte H
mit der Ausübung seiner Kunst hier
soeben erst begonnen und das erstes
Stück, was er ietzt spieltn war ein«
Walzer. Einige kleine Mädchen drehten
ich unbeholfen bei der Musik bereits
rn Kreise herum und die Augen im
mer weiter hinaus aui die Fenster ge
« richtet, schwang der Mann im Sam
. metbute, als gingen ihn sonst die Töne «
I nicht viel an, seine Kurbel weiter.
Aus der engen, innerhalb offensic
bender Thüre, die in das Quergebiiude
führte, trat fett abermals ein kleines
Mädchen heraus. Es batte einen Lo
ckentaps, sah bitbsch nepuut aus und
trug um den halt eine bis zu den
Fenstern binausblinlende Kette.
»Ach Gott, sieh doch! das lleine
Pussel wieder!" Jetzt tonimt sie wie
der zum Tanzen hinan-P sa te im
dritten Stock eine sunae Se mars
stau zu ihrem Manne. der eben vorn
Dienst heimgekommen war.
Sogleich ließ, als das kleine Ding
erschien« eine der anderen lleinen Tän
zerinnen ihre Partnerin los. und eilte,
diese stehen lassend, auf den Lockenlops
·zu. Es war, als hätte der Lockenlops
aus diese Freundin, die unter den an
dern Dingern sichtbarlich am iierlichi
sten und gewandtesten tanzte, nur ge
wartet. Ohne ein Wort mit einander
zu wechseln, mit ernsten Mienen um
saßten see sich und schwebten, gleich
und ohne Besinnen in den Takt ein
setzend, nun dahin· Während tie an
dern kleinen Mädchen sich immer in
derselben, dicht um den Leier-wann ge
zogenen Bahn.beweaten. bei jeder Um
drehung die Augen von neuem aus ihn
gerichtet, als wäre er der here Kapell
meistee, der gleichsam ertt den rechten
Takt ansieht« sloa das neue Paar so
zierlich nnd geübt wie man es den Ex
ivachsenen nicht besser sehen konnte, in
weitem Bogen an der bang-name ent
lang. Um den Kopf der Kleinen flat
terten fett ausgelöst die blonden Ly
·cken. Sie trug ein hübsches rosa Hierd,
das ganz von einer weißen hänge
ghiirze mn iiklt war. Bei ieder Wen
tng, too · das Köpfchen aiment-is
nach linkkiend rechts lieb Ante, sog
die Kette zur Seite und nockj als der
LMasteniaans mit l . Wasser
nat nnd-die enden se er
,WnndW M
W
»so - .
ten und ans ihn jene zustiitmten lan -
ten die beiden wettet, als lümmeete d e
Musik sie gar nich-l, als lümmetle sie
überhaupt nichts anderes auf de:
Welt, als ihr Tänzchen
Jn der Fenster-Leibe des veiilen
Stock-s neben dem junan Ehepaar-e
wurde ein Flü el geöffnet.
»Dieer otchenl Nicht so wild
feins« klang eine Stimme hinunter.
Es war eine etwa in der Mille der
Dreißigek stehende, noch recht hübsche
Frau. die dicht hinter den Gattinen on
einem ausgelegten Plätidrctt stand,
das Biigeleiien jeyt auf den Rost hin-«
itellle und mit dem aufaeliodenenseiges
iinaet nun hinunlekdwhtr.
soechen und ihre Freundin hielten
einen Augenblick inne und beide innen
L hinauf.
’ sauber-er qeinacht hätte er sent mit
Lan Ir .ey dow, Monta: rtes · «o-r
chen zurück. »
Gerade setzte der Leiermann wieder-i
h einem neuen Tanz ein Dorchensi
utter machte das Fenster zu und
beide Mädchen gaben sich v··n neuem
ihrem Vergnüen bin. —
Dte griine a·tee aus dein Kons, die
Tasche unter dein Arm trat vorn von
der Straße her seht ein Knabe ins
Haus. Die Kinder und Leute die ilm
aus der Straße bearanet waren, laben
ihn alle an. Er hatte ein blutiaes Ge
sicht» Nur sah es nicht mehr so
schlimm aus wie vorhin. Er war qleich
zu der nächsten Pumpe. die am Tiot
toirrand stand, getreten und hatte sich
dort gewaschen. Das Taschentnch
aber, das- unser Held bei iedern Mate,
wenn er noch einen Tropfen lonitnen
siihlte an di e verlegte Nase siitirte.
hatte ihm Kinn und Wanaen eben nicht
seinen Freunden Jndianer gespielt
wobei die Hauptsache das Gestatten
Tätatviren war so hätten sie ihn ver
mntblich zum häuptlina Conanchet er
nanni.
Er durchschritt den Hauåslur nnd
trat in den Hos.
Um Leierrniinner und tleine Mad
etzen litmnrerte er sich sonst nicht. Ta
sur sasz er schon in Tertia. Er wäre
arer ruhig seines Weges weiter
gen. wenn er nicht. schnell Mde rig,
wie sein Schritt war. in dem agen
bliit, als er durch das bintere Haus
tlzor herauetrat Dorchen und ihre
Freundin, die eben an dein Unrein
Sang voriibergesloaen in den Weg .;e
rathen wäre
Das Paar stob auseinander.
..liannst du, dich denn nicht in Acht
nehnien?« sagte Dorchen böie und er
zürnt, als sie den unaeichiclten Störer
gcwabrtr.
»Ich bade euch nicht erriet-ein« erwi
derte er.
«Was hast Du denn mit deinem Ge
sicht gemacht-sm sraate Dorchen
Es tlang weniger wie Theilnahme
aus ihr, als wie Abscheu vor dem nn
schönen Anblick, aeaen den ibre Rettig-»
leit und Sauberteit allerdinas in einen
starken Gegensatz trat.
»Ich bin binaefallen.« antwortete er.
»Dineiesallen!« saate Dorchen spöt
tisch »Nimm doch wenigstens ein
Tuch und wisch dich ab. Ein reines
st du wobl nicht met-ei Martia trat
chon gesagt, sie will siir euch, siir dei
nen Vater nicht mehr vliitten, weil er
ihr Geld schuldig ist und weil er nicht
bezahlt. So seid ibi."
Eine Blutwelle schoß wieder in das
Gesicht des Knaben. Dorchen hatte
diese Worte unbeliirninert vor ilirer
Freundin gesprochen und es schien ihr
ganz qleichaitttg zu sein ob sie jeman
en damit beleidiaie oder nicht«
»Papa ist trank. Er lann ietzt lein
Geld verdienen Wenn er qesund ist
dann wird er deiner Mutter wag er
ihr schuldi i,st bezahlen Das tannst
du deiner utter saaenl«
Gewaltsam, mit erregter zit ..ernder
aber dabei aediiinpster Stimme, dasz es
die andern Kinder bei der Musik nicht
hören tonnten, stieß er diese Antwort
hervor. Dorefen erwiderte nichts sie
trat nur« als fürchtete sie sich esn we
nig. vor ihrem jugendlichen has-tach
barn einen Schritt ruritet und legte
s wie um h suchend. um die Freun
i bin ihren
»Schäm’ du dich! du bist böse und
schier-du« sagte et wieder ebenso
Dann wandte er sich ab und ging durch
die kleine niedrige Tdür ins Haus.
Dotchen blickte ihm, rundes-nd an
ihrer Kette spielend, nach.
«Laß ihn doch,« saate ihre Freun
din —- »tonnn, wir wollen wieder tan
zen.'«
Ei sah fast aus, als tbiite Dorchen
etwas leid.
»Ich bin nicht schlechi,« saqte sie zür
nend, als stände der Vertchwundene
noch vor ihr.
Dann, als sollte ibr der Austritt
weiter keine Kopfschmerzen bereiten,
umschlang sie die Freundin von neuen«
und während von dem enaen, schon
dunlel gewordenen Hof zu den Fen
stern mit den atönen Blumenbeeten
empor, hinter denen schon die Lichter
zu gliin en anfingen. die Töne deet
Leierta tens weiter llanaen. setzte sich!
das kleine Paar wieder in Bewegkmg.
Unter allen diesen Fensterretben
lslieb nur eine, die im Hochpartekre
ilaa, sinnen Auch in anderer Weise
unterschieden sich diese Fenster von den«
übrigen. Sie bestanden nämlich in
der unteren Hälfte aus Milchglag und
denteten also darauf hin, da neu ie
eige Augen hier seinen Dur blies a
ben sollten. Aus einem weißen Poe
zellanschild, das in der hausmaner
neben der Thitr ein elassea war, stand
mit echtvarzen Bu oben eine Aus
schoit: »von Barnstae f, Hauptmann
a. D» Wilelsree.« inter den Fen
stern lagen die Zimmer nnd die Unten
richte-Zum des Dauptenannn Wenn
- sonstin den Abends-enden die Ma
impe- iioek vie Mitchgiaisfewml
strahlten und die Kommandoru e und »
das Gellitr der Klingen tn den fos 4
schellen, so hatte das nun schon »ett ;
Wochen binter den Fenstern ansgedott. (
Hauptmann vonBaknstorss war trank, l
hieß es im Hause, er litt an detl
Lunge. Auch die fremden Herren und «
Studenten —- Hauptmann von Bam: s
Unterricht was vek und-kniste
; stvtss ertheilte auch im Stoßrappter ·
; Iechtmeifter nicht verstand -—- tamen
nicht mer zu ihm. Seit einig-u Ta- l
gen, seit dem verflossenen Ersten, ers !
zählte Bei-tha, das Dienstmädchen der l
Hauswirthjsamtlie, noch obendrein !
überall daß der Hauptmann seine
Miethe nicht bezahlt hatte. und die
Portiersstam die bei dem Hauptmann
die Answattedtenste verrichtete, er:
aänzte diese Mittheilung noch dahin.
daß et schon Blut zu husten anstnge
und daß es wohl überhaupt mit tlim
am längsten nun gedauert hätte. »Es
ist eine Seele von Mensch. Jch saa’c3
aber ja « die guten Menschen, die
werden nicht alt,« fügte sie dann jedes
mal hinzu.
Hauptmann von Barnstorss wohnte
in dein Hause " erst seit einem Jahr-.
Von seinen sonstigen Lebensverhäld
nissen wußte man im arise nnr so
viel, daß er verheirathe gewesen nnd
seine Frau gestorben war nnd dasz
sein Brune das Gyninasium besuchte.
an Unisarm hatten ihn die Hausbe
irseshner Bisher noch nie gesehen, auch
nicht an Kaisers Geburtstag obwohl
sie seine hohe, männliche Gestalt, die,
wenn er auch selber schon ganz grau
aussah, noch immer in ihrer altung
den gewesenen Dssizier verriet · wohl
ant gekleidet haben mochte. Wenn er
den Hausbewohnern begegnete, so
grüßte er ernst nnd nrit seiner Manier,
rhne sich aber jemals mit einem von
ihnen in ein Gespräch einzulassen
Manche hielten ihn deshalb siir stolzI
Daraus aber erwiderte die Parnas
srau, die ef- toissen mußte: »Der ist
nicht stolz« er griinit sich nur um was-I
Wenn es ietzt seststand, daß der haupt
rnann seine Mietlse nicht bezahlen
kennt-, sc- lag es auch nicht daran,
rasz er etwa eine tostspielige Lebens
weise tiihrtex denn wie ruhig nnd ein
gezogen diese war· das konnte das ge
sammte Haus bezeugen. Was ihn nur
viel Geld tostete. das war die Wah
nung selbst, die ungetheilt war nnd
einen ganzen Flügel einnahiii. Ein
Fechtlehrer braucht große weiteRäume
und der Quartalszins dastir dek
schlang wohl eine ganze preußisch
Haiiptmanngvensiom Was von dem
Hauptmann galt, galt auch von feinem
klingen Hostich zog Brutto var den
Etwachsenen die Mitge, mit den an
dirn gleichaltrigen Genossen im hause
aber, die allerdings nur die Clemen
tar- und Mittels-time besuchten, tam
er nicht zisanimem Nur ein ina
Fieiinde aus seiner eigenen Klasse
hatte er. Meistens steclte er in der
Wohnung, wo, nach den gelegentlichcii
Mittheilnngen der Portierssrau, der
Vater schon Fechtiibungen mit ihm
unternahm, oder er ging mit dein
Vater aus den entlegenen Hirschgrm
der und im Sommer zu den wenig be
suchten Diersern hinaus gemeinsam
spazieren. Das war alles. was man
im hause non dem Hauptmann von
Barnstorfs und seinem Sohne wußte.
Ueder der Entreethiir, an der setzt
Bruno tlingelte, brannte eine triibe
Gasslamn.e« die der Prirtier der Er
sparnis halber immer ganz niedrig
schraubte.
Bruno tlingelte, als es das erste
Mal erfolglos blieb. zum zweitenmal
Noch immer össnete ihm ksniemaiitn
Daraus den te er sich ans Schlüssel
loch und eie : «Papa, Paar-P
Endlich liest sich von innen ein
schwerer, schlurrender Schritt verneh
iiieii. Langsam that sich dann die
Thiir aus.-—Bruno haschle nach einer
mageren weilen Hand und preßte sie
an seine Lippen·
Hauptmonn von Barnstorss sob« i
obwohl er erst ein Vierziger war, wie s
ein alter siecher Mann aug. Seine l
obe, aber gedeugte Gestalt, die seine !
chiiler sonst nur in einem Zwillich-«
anzng kunnten, steckte letzt, als lröre s
ihn, in einem dicken al en Flauschroct. E
Auch sein Barthanr war schon grau·
»Ist es schon so spät?« fragte er
mit einer matten, aber noch immer
wohlllingenden und herzlichen Stim- -
me, während Bruno ihm in das sin
stere Entree folgte. »
»Du bist gen-iß wieder so müde ge
wesen und hast geschlafen, Papa.«
sagte Bruno mit einem Tone der Bei (
sorgniß, als gälte diese einem älteren ·
geliebte-I Bruder. l
»Komm, wir wollen Licht inachenl« !
Durch das Fenster der Küche, die In ;
das Entree führte, siel der le te Ta- s
gekschitnmer Aus dem K« ntische »
stand. von der Portieresrau am Vor- !
mittage tchon zurecht gemacht, die i
Lampe. « » (
. « ch mach, fschen selber Lichte Papae !
sie-Dame ya iig ric- — in des-nich
. istes kalt. nely in die Stube-, ich locnme
gleich. Du hoff gewiß auch noch lei- .
s nen Kassee geteunler..«
T Der qiiptnmnn legte im Dunkel
die Linn out seines Jungen Haupt.
»Wenn Du mich nicht vakat-; erin
nert hättest, dann hört« ist« wahr
scheinlich vergessen,« sagte er und in
seiner milden Stimme lag ein milder
humor. «
»Als in- die Stube Papa,« bat
Brnno eindringlich — »ich mach« Licht
und« zünd’ anchxpteich den Spiritu
an.
Mit seinen schweren Schritten lng
der uptmann in die dunkle Ssube
z nnd Bruno eilte on den Küchen
Meh. Dort steckte er die Lampe schnell
an, trat dann an den Wassethahn uno
teinigte sich mit dem ersten besten
»Handtuch, das an dem Halte-e hing,
noch einmal energisch das Gesicht, ent
iindete dann den Spitituö unter der
Kasching holte vom Schrank di -
blanke Kasseemiihle herab und wart-;
wobei et in allem eine gute Uebung ·
vertieth, daraus das abgefüllte Mag
Bohnen hinein.
»Bitte, mach’ auf, Papa!« rief e »
die Lampe in der einen, vie Kajiee- .
XII-le in der andern hand, vor der«;
ut.
Das fMinnen dara- oas nun ver
Wie Schein ve- Lampk grin, sah
einfach, aber doch freundlich ans.v .
Nichts jedoch erinnerte daran, dasz ds
Mann, der darin wohnte, Dingen
gewesen war. Nur ein alter, an ·e
Rändern schon vergilbtet Stahlstranp
ber iiber dem Sopha hing fund« In
schwarzem Rahmen das Brldnisz eines
Generals vorstellte, unter dem » auvtisäg
mann von Barnstorss im stanzosischen J
Kriege getrichten hatte. deutete etwas
Milrtiirisches an. Aus einem kleinen
Tische neben bemSchreibselretiir lagen T
schön gebunden einige Wägen es wes-s
ren llassische Werte der « chtltttera
tur. Ein anderes Bildnrsz. Jn Oel«
ausgeführt, hing über dem» Dchkkkbs -
tisch selbst. Es war ein Madchenlvps .
oder auch der Kopf einer jungen Fran.
Unter schwarzem lockigen Haar glanz
ten aus einem seinen, anmuthigm fast
elsenbeinsarbigen Gesicht, zwei lind
liche, heitere, ebenso schwarze Angen.
Es war rin Bruststiicb Ueber dein
aus«-geschnittenen weißen Kleide war
die zierliche. mit vielen Ringen le
siiete, rechte Hand sichtbar, die einen ·
im Gegensatz zu den kostbaren Ringen
einfachen Griff einer Reitgerte um
ttammert hielt. So hübsch das Bild
war, so nahm es sich in diesem Zim
mer doch absonderlich aus und wollte i
zu ieinern iibrigen Ernst nicht gut
passen.
»Papa!« sagte Brrmo stockend, in
dem er sich, die Kasseerniible zwischen
ten Beinen, auf einen Stuhl nieder
ließ, nnd in einem Tone, als drückte
ibrn etwas das Herz ab.
Der hauptmann hatte sich am naben
Ofen, welcher schon gehei t war, wie
der ermattet in den Rogrstubh der
dort stand, gestreckt und eine Decke
til-er seine Kniee gezogen. Sein aus
dir Brust sallender Kon sab jetzt«
nach .sc:l,ler, grauer aus« Art
seinem Gesicht mit den Libern. die
sich wieder schlossen. laa nnr noch der
Ausdruck einer starren Avatbir.
,·«ltapa!« wiederholte Brunn.
Er halte mit dein rDeben noch nicht
angefangen
»Was willst dir-t« tbnte es von den
Linken des stinkenden satt, als spräche
er ans dein Schlaf.
»Du bast doclHinen Brief geschrie
lsen und hast gesagt, daß wir daraus
Geld bekommen wiirden. »Hast Du
welches getriegt?'«
»Nein!"
tsg klang so gleichgiltig und a
thisch, als hätte Brutto gefragt, es
heute vielleicht geregnet hätte.
»Von-at Was werben wir denn
kann aber machen?« sraate Brit-Ia be
klommen.
»Ja- rvein es niwi:"
Bruna traten die Tliranen in di
Augen. J
»Papa,'« fuhr er fort W »denn doch
aber, was mit uns werden soll. Wird
sind den Leuten schon ioviel Geld
schuldig. Auch Dorchenc Mutter hats
noch nicht ihr Geld bekommen. Don-«
chen hat es mir eben erit im Hase vo."-F’
den anderen Kindern vorgeivorsmT
Wir müssen drch bezahlen. Papa!« «
»Wir wollen alles vertausen« wa«
wir haben, das wird geniiaen,« sag
in nnteränderter Weile der Haupt
mann.
»Das Fechtzeua auch, Papa?««
In furchtbarer Spannung bings
Brunoå Blicke ieyt an den blossen LU
pen-.
»Das Fechtzeug auchl«
»Para, dann kannst Du aber To
leinen Unterricht niebr arbent«
Brand stand auf. die Kasseemiibl
stellte er aus den Stirbt und dicht tre
er on seinen Vater heran.
»Ich werde auch teinen Unterrichkx
mehr geben!« ·
»Papa!·« schrie Brand aus nnd let
vsuichasicich das Haupt m nennt-)
umschlingend, wars er lich iiber sei-; i
Brust. «
»Du tvirst wieder aesund werdend
Papa,«rtes er —- »Du bulteli jeyt schi
ar nicht mehr. Du denkst· Du spir.
erben. Blosz weil die Menschen« a
die Du geschrieben hast« so lchlescht sinly
Du wirst wieder esund. Papa. Je
bin schon groß. los; nach ein pszoz
Jahre, dann kann ich selber-Untern
Erben. « a, wir wollen alles biet v
ausen, ann ziehen wir in eine gez-:
tleine Wahn-um« dann leben wie v
Deiner Pension. Bloß VII Esel
verlaus nicht« das beb’ aus. bis i ger- ,
bin. Wenn ich groß bin. dann wi« ’
Du auch lange wieder aesund se
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P Hauptmann von Barnltorssgi Au »
baten sich Heils net. Er streichet
der seines n »an; Kopf und sag »,,« Y
rWillst u mir versprechen, m- ·
net und vernünstiaer Junge
sei-ist« ; i
iBetten-)schmiegte sich nach Ist
an. .
»Ja- Papa-« : · ,
»So hiir’ mir seht zu. Ich will«
bietet heut erzähle-n- auch von den« s
Mutter «
- · Gent-im Wo
Hüte dich, daß du den Leuten in .
Mund Imka dan du kommst I
L daraus.