Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Feb. 10, 1899)
Wer Endke Von Honan ; Island Vom-m DIE-fis Iden. z mäffj As- II A- jr jv (16. Fortseying »Nein, Sir, Dinge von Wichtigkeit oerhanhelt Newport mit seinen Ver trauten immer nur in seinem Eahinet bei verschlossenen Thüren· Das Tele gramrn sing ich zufällig auf, weil ich heute schon um sieben Uhr früh im Bu reau war und mich ganz allein besann als der Bote es brachte. Ich öffnete es ibet heißen Wasserbämpsen, schrieb eg mir ab und schloß es wieder vorsichtig. - « Doch jetzt lassen Sie uns eintreten, Me. Davis. Unser Mann, der Schan« spielen wird schon ungeduldig gewor den sein« und überdies stehen wir schon so lange vor diesen Speisen, baß man glauben könnte, wir wollten uns am bloßen Anblick sättigen« »Well, laß uns eintreten. Doch wohlgemerlt, siir den da drin heiße ich Mar Gilseh und bin Theateragent·'« »Gut. also Ebgar Gilseh. Aber wissen möcht' ich doch. Mr. Davis, der wievielte Name dass ist, unter welchem Sie segeln« »Ich seiere na« stens das Jubilöum , des sweihunbert ten,« entge nete der Detectiv lachend und ösfneie ie Thiir Ie- Restaurants. Sie steuerten auf einen Tisch zu, der ziemlich isolirt in einer Ecke des iiber beiztem qualmersiillten Zimmers stand. Das Speisehaus war keines ersten nnd such nicht zweiten Reinqu Kleine Leute, deren Einkommen ein geringer war. Arbeiter, ärmere Kaufleute he suchten es und nahmen siir billige-« Geld hier ihre Mahlzeiten ein. Daer bereits sieben Uhr war, so hatte sich der Hauptstrom der ihr Adendessen einney menden Gäste schon verlaufen, und nur eine geringere Anzahl labte sich noch an Speise und Trank. An dem Tisch in der Eele saß nur ein herr· Er trug einen verdächtig glänzenden Prinee Albert -,Rock eine große helle Krabatte und einen arg mitgenommenen Cy!inderhut. Sein Gesicht war glatt rasirt, nnd als er sich seht erhob, um Bod Jngersoll mit Handschlag zu begrüßen, zeigte es sich, daß er eine ungewöhnlich nahe, schlinte Gestalt besaß. »Sie sehen, Mr. Bonetti,« wandte sich Bol) an denKiinstler, »daß ich mein Versprechen halte· Hier ist der herr, von dein ich Ihnen erzählte, daß er ein rielvermiigender Theateragent - —- mein Freund Bonetti, ein Stern der Varie tätenbiihne.« Die herren nahmen Plas, nnd der angebliche Theateragent bestellte Essen und Porter mit Ale. Das Gespräch Ionrde sehr bald lebhaft; der Künstler welcher übrigens seine Jugendbliithe längst hinter sich gelassen. wurde im mer gespriichiger und gab sich Muhe, dem Theateraaenten die beste Meinung iiber sich beizubringen? »Diese: Herr," sagte er, aus Bob - weisend, »den ich gelegentlich einiger Geschäftsbesuche bei der Firma New-. port u. Co. lennen zu lernen das Ver gnügen hatte, nannte mich vorhin in liebenswürdiger Weise einen Stern der Vnraietätendiihnr. Nun, ich war es in der That, ich wäre es noch —- wenn deckt das hat seine eigene Bewandtnis; s- « sprechen wir nicht davon. Es giebt Menschen, welche ein Uebermaß von Gliick nicht vertragen können zu diesen gehöre ich.« ! i ! i i Der Künstler steckte wie zur Bestati l gung seiner Behauptung die Hälfte von . einein saftigen Lammsteat in den i Mund ,,Was arbeiten Sie denn ans der Bübnei« forschte Davis-Gilsen. »Ich bin Jmpersonator Als Fisch uxann wissen Sie, wag das ist. Ich trete vor das Publikum, nnd nachdem ich eine tleine Ansprache gehalten, ver wandle ieb mich lediglich durch Be nudu von Perücken und Bärten in spann-, andere Menschen« natürlich iiibmie Zeitgenossen, welche Jeder mann kennt. Jest bin ich noch here Bomtti. nicht wabri Doch jeßt — Sie müssen natürlich Perücke und Bart bin-erdenken —- jeht sehen Sie Glads stone vor sich.« Augen«-reif eiesen die beiden Amerieaner. obwobl sie sich zusammen nebmen mußten, um über die komischen Gesichtsoerzerrun en des «Jmpersona ice-« nicht zu la n. «tind ieht Bismant. He, was sagen Sie -——- roszartigk ,,Grogarti«q!' bestätigte der Theater agent. »Und Napoleon --—« was sage ich Na polepa s-- die beiden Napoleaniden, sehen Sie ber: das ist der erste« — er strecte das Kinn beraus und tniiss die Augen zusammen »und bier eben Sie den drittens« Dieornal zo er das " Kinn ein und riß die Augen an . »Se ben Sie, das ist Kuns !« »Das will ich meinen.·' bestätigte Dadit »Wie ist es möglich, daß ein iolcher Künstler ohne Engageinent da sibt nnd schon so lange?'« »Ja, schon viele Jahre,'« seuszte Bo nrttr, »denn die elenden Spelunten, in des-neu ich ietzt- ab und zu einmal ani torte, beriietsichtige ieb natürlich nicht. Wenn nicht herr Newport wäre, der ich bin und wieder unterstützt — bei ti, ich tönnte nicht mein Leben ski n, von den paar Schillingen, welche """ mir meine Kunst noch eintriigt, gewis-, nicht. Und doch, meine Herren, gab es eine Zeit, da Jacopo Bonetti an den besten Specialitiitenbiihnen willkom inen war, wo er die bedeutende Gagen NOT. »wi) man sich um seine Gesell schaft riß -—-— vornehme Leute thaten es s-— Leute, welche —" Der Künstler zog ein sadenscheini cito Taschentuch l«ervor und wischte sich die Thranen von den Wangen, die hei szen Thraiien, welche er deni vergange ULN Rubin nachweinte. Die Flüqu seiner leichtgeiiitheten Nase zitterten dabei und auch die Adern des mageren Halse5»vibrirten· Der Arme konnte die thronenieiigc Weichheit, vie ihn Libertommein gar nicht mehr los wer en. »Der Mann ist ein Trinter,« sagte sich Davich dessen viel eitige Menschen lenntnisz«ihn zu schne en und gewöhn lich richtigen Urtheilen befähigte. Und nachdem der Detectiv zu dieser Einsicht gelangt war, bestellte er noch mehr trintbaren .,Stoss" und veranlaßte Bonetti. wacker zu zechein »Lieber Freund," sagte er theilneh nFend, ,,es wäre vielleicht nicht unmög lich, da ich Ihnen einen ·roszenDienft leisten önnte. —- leer it,te, sassen Sie sich — sährSchmerz erregt hier all gemeine Au merksamkeit.« »O. ich könnte wahnsinnig werden bei dem Gedanken, was aus mir ges worden ist!« »Und was ioiirden Sie sa« en. wenn ich Jhnen ein utes ehrenvo es Enga gement verschaßste?« »Ein Engageinent ein gutes noch dazu? Ach, lieber Herr, ich bitte Sie, scherzen Sie nicht mit mir —- ich kann gar nicht niehr daran glauben, daß die »nu» seit usiedertoniinen solite.« »Ich biii damit beauftragt, sür einen uniericaniscken Jmpresario eine Spe iialitiiten -- Gesells ast zusammen u-« stellen. Die Gagen ind gut und si» er. Ich dente, ich konnte Sie bei dieser Ge sellschaft anbringen, wenn —« »Wenn?« wiederholte der Künstler ioehiniithig Er kannte dieses »Wenn« 4iur Genüge, dieses ,,Wenn'«, welches in einem Augenblick alle Hoffnungen des Bordersatzes zu vernichten pflegte. »Sagen Sie mir ausrichti , lieberOerr, welche Hindernisse Sie befürchten« »Nun, ossen gestanden: ich weiß nicht, wie ich dem Jnipresario ;hre lange Enagenientslosigkeit erklareii soll. Sie selbst wollen nicht recht mit der Sprache heraus, und ich fürchte, daran scheitert mein Vorhaben.« »Mein Gott, ich möchte Jhnen ja gern alles sagen, aber ich kann nicht-— ich kann nicht, mein Wort bindet mich, und dann, wenn Mr. Newport es er siihre —— ich wäre verloren, denn er wiirde mir nicht mehr einen einzigen Schilling zahlen« Davis und Jngersoll wechselteri ei nen schnellen, aber bedeutunggoollen Blick. »Mi-· Bonetti,« nahm dann der ver meintliche Theateragent das Wort, »Sie kennen mich noch nicht, aber· ich kann Ihnen unvergleichlich mehr nutzen als dieser Mr. Newport, von welchem Sie da so viel sprechen, den zu tennen ich jedoch nicht die Ehre habe. Dieser Mr. Newport zahlt Ihnen vielleicht hin und wieder eine Kleinigkeit, aber die Engageiiients, welche ich Ihnen be sorgen werde, diirsten Sie in einigen Jahren wohlhabend machen. Und sallg Sie eines Borschusses bedürfen« —-— Davis zog eine wohlgesiillte Briestasche und ließ den armen Künstler einen flüchtigen Blick in das Innere thun — .,aus zwanzig, dreißig Pfund toinmt es mir nicht an. -— Jch werde ja auch durch Sie Geld verdienen, wenn ich Siäeerst ins Engagement gebracht ba .« Auf dem vorher lo blossen Gesicht des Jmperäonalvts glühten zwei rathe Flecke der ne ung auf. Scheu blickte er sich in dem staatan um, dann long ek: »Sie sollen alles erfahren! Lange genug habe ich geschwiegen und mich von Newpon an der Nase herum führen lassen —— der unbarmherzige Mensch lä l mich beinahe verhunge:n. Sie, Me. « ngetfoll, ben wohl be merkt, wie un er enl im Votzimnxek abzuweisen pflegt, wenn lch bei ihm verspreche, und wie er dann mit ein Paar Schillinge verächtlich hinwitlt, wenn et merkt« daß er mich nicht an ders los wird.« »Ja, das ist rnir sehr usmngenehni" ausgesallen,« bestätigte Bot-; »dieser Mk. Newport behandelt Sie nicht wie einen Gentleman, und hinter Ihrem Mitten erst. sobald Sie die Time e schlossen haben —- aber ich will « ie nicht gegen ihn aufbringen trinken wir lieber.« »Nein, ich will wissen, war- Newport egen mich sag ,« ries Bonetti. dem ver orter schon iixig eingeheizt hatte. »Nun, wenn ie es zu hdresi mitn schen —— er meinte, Sie seien ein Trun tenbold und ein Erpresser dazu, dem er von Rechts wegen nicht einen Vennn geben sollte.«' »Wie-IF stieß der Künstler hervor und schlug mit der Faust aus oen Tisch, daß die Gläser tlitrten. »Aus tragt er zu behaupten, dieser Manu, der mich ins Unglück gestürzt hat, dem ich meinen Rain, mein versehlies Leben verdanke? Ohn, meine Herren, Sie sollen selbst entscheiden, ob dieser New port mir verpflichtet ist, ob er nicht siir mich sorgen muß ——-- muß, habe ich ge sagt, nnd ich werde ihn der-klagen ich werde ihn dertlagen vertie;-;en!«' «Erziihlen Sie uns ruhig und sachs gemäß die ganze Geschichte,« beruhigte Davig den Aufgeregtenx »dur» zuvor, Boh, laß tin-J ein paar Flaschen guten Portioein enitorten ———— ich mag nicht länger Porter trinken-« Nachdem der Wein gebracht war und Bonetti mehrere Gläser hastig geleert hatte, suhr er sich mit der Hand iiber die Augen, als müsse er seine Gedan ten sammeln, und wandte sich an den ,,Theateragenten«: »Me. Gilsey, Sie haben achört: Newport behauptet, ich sei ein Fristen Ich leugne es nicht —-- es ist wahr-. Ja, es gibt Augenblicke in meinem Ort-en. in denen ich mich diesem Laster Dinge ke; aber weshalb geschieht es —- » weg halb? Weil ich mein Gewissen betäuan will, weil ich gewisse Dinge ver gessen muß, iiber eine Erinnerung hin weglommen möchte — doch hbten Sie. Sie sollen erfahren, wi: es dieser Schust Newport-dieser Schust New-« port, habe ich gesagt. und ich nehme das Wort nicht zurück, Mr. JngersolL auch wenn Sie es ian wiedersagen —--, wie der Schutt Newport es angefangen bat, aus einem ehrlichen Kerl einen Halnnlem aus einem glücklichen Künst ler einen mittellosen Tagedieb zu 1·-a Anr Davis lehnte sich in den Sessel zu rück; er schloß die Auaen und schien der. Mittheilunaen des Künstlers nur ober sliichliches Jnterelse zu schenken, in der That aber war ieder Nerv und jede Faser in ian gespannt. Der Betei tive ahnte, daß er jetzt die Waise in die - band bekommen werde. mit welcher er nach mehrjiihrigem Kampf den ent- s scheidenden Streich gegen daß Haupt » seines Gegners führen lönnr. Das i ganze Material, welches er bisher un- ( ter außerordentlicher Anstrengung und i Mühe gegen die internationale ist-pres serbande gesammelt, erschien ihm ni t so werthvoll als jene Mittheilung, die er in diesem Augenblick aus dem Munde des hernntergetommenen Trin lers erwartete. Dieses Wertzeug welches Newport benutzt und dann offenbar thöricht ver rachliissigt hatte, tonnte die Lösung des Räthsels bringen« die Daviö so lange vergeblich gesucht hatte: welchen Betrug nämlich die verbündeien Gau ner von London, Paris. Berlin und New York seiner Zeit gegen den Grafen v. Fels und dessen Erben ausgeführt hatten! — »Obwohl ich in Deutschland geboren und erzogen wurde«, nahm Bonexti das Wort, »so habe ich doch seit sast zwanzig Jahren in Lvnoon gelebt. Alg ich hierhertani, arbeitete ich zuerst als Friseur in guten Geschäften dieses Facheg, später widmete ich mich ker Kunst. Jch gestel, verdiente Geld und war niemals um Engagements in Ver legenheit· Eines Tages — es mag vor etwa siinszehn Jahren gewesen sein, ich arbeitete damals in s.iner beliebten Singspielhalle im Westend—besuchte mich ein elegant getleideter Herr hin ter den Coulissen, überhäuste mich mit Schnceicheleien iiber meine Kunst er tigteit und die Fähigkeit. die Gesi ts ziige irgend einer Person nachzuahmen, und lud mich schließlich ein. mit ihm ein Mahl in einem seien Restaurant der Regentstreet einzunchm:n.« »War dieser herr Mr. Newport?« sragte Davig. »Er nannte sich damals Mr. Wooo aber später, als mich sein rschtiger Name interessirte, spürte ich ihm nach und ermittelte, daß er Mr. Newport sei. — Die Einladung des fremden Herrn hatte nichts Aussiilligeg, eg er eianete sich öfters, des-, wirKiinstler von Belounderern eingeladen wurden. Jch ging mit ihm, und wir aßen und tran— i ten gut, um uns in später Stunde erst von einander zu trennen. Zwei Tage später lam der Herr wieder. und ich war abermalh sein Gast. Das gin so noch einigemal, bis der angebliche Mr. tMond endlich mit der Sprache heraus am.« »Und was wollte er von Jhnen?s« : »Er fragte mich, ob ich Lust hätte, ; dreihundert Pfund zu verdienen. Ich könnte es mit leichter Milbe. Er wolle mir eini emal einen Herrn zeigen. des sen Ieu eres ich sorgsiiltig studiren müsse. um ej täuschend ähnlich-sachku ssachern Dann hätte ich nicht-J a deres mehr zu leisten, als mich in der TI- abte dieses rrn mit einer hiibscheu sunäen Dame n einer dem englischen Ge eh entsprechenden Weise trauen zu la en —- natiirlich auch aus den Namen die ses Herrn.« »Das war wohl die Vaupltnche," warf Davis ein. »Hä« ich mich niemals zu viel-ein Vudenftreich hergeaeben!« seufzte D o netti. »ich wäre jest gewiß noch ein glücklicher Manns Aber dreihundert Pfund —-- das reiste mich s-— ich wurde dafür zum Schum« Er traanete iich die großen Schweiß tropfen ab, die ihm auf der Stirn stan den und Zeichen feiner awßen Erre guna waren, dann fuhr er fort: »New rt iiihrte mich ins Royalhoteh wo rch drei Abende lang denjenigen im Speisefaal beobachtete. den ich copiren sollte. Es war ein vornehmer alter gn. ein deutscher Gras v. Fels. Seine gleiterin rvar ein schönes Weil-; man machte mich heimlich mit ihr bekannt-— Natalie v· Kralowsla war ihr Name. Natürlich durchschaute ich den Schwin del, zu dem man mich brauchte. In der Maske des Grafen. mit einer 5 e riicle, die fein gescheiteltes graues Haar wiedergab, mit einem langen, grauen Vollbart, wie er ihn trug, in einem Anzug, der ans das genaneste dem sei nen nachgebildet war, fuhr ich eines Tages mit der Dame und zwei mir fremden Herren --— Kreaturen des Herrn Newport natürlich —-- nach dein Biireau der obersten Kirchenbehörde Loiidon5. Dort erwirlten wir eine te sondere Heitatlsserlauhnisk, welche je den Geistlichen Londonz an:-oieg, uns aus unser Verlangen bis zwölf Uhr Mittags zu trauen. Wir wurden nicht nach Papieren gefragt —--- das englische Gesetz glaubt dem Schwur nnd ich schwur, dasz ich der Graf Hermann Adolf v. Fels und Wittwer. mithin frei zur Eingehung einer zweiten Ehe sei. Auch meine Gefährtin legte den Eid ab, daß keine anderweitige eheliche Ver pflichtung sie binde.« Davis stellte das aufgehobene Wein glas auf den Tisch und zwar mit so starkem Druck. daß es zerbrach; er ver mochte kaum noch seiner Erregung Herr zu werden. Die Fäden der Jntrigue ietzt lagen sie entwirrt vor ihm! ,,Eine halbe Stunde soäter," sunr der Künstler fort, »wurden wir in St. Stephen’s Church ----» Sie kennen sie wohl, sie liegt in der City —- getraut. Die Dame erhielt, wie iiblich, den Trauscheim dessen genaue Copie im Kirchenbuch zurückblieb, und ich « — ich hatte dreihundert Pfund verdient nnd —-—- war elend geworden, denn ich schwöre es Ihnen, Herr, von dieser Minute ab wurde ich ein anderer Mensch. Das Judasgeld, welches New port inir zahlte, indem er teuflisch lä chelnd mir bewies, daß ich schweigen müsse, wenn ich mich nicht selbst un gliictlich machen wolle, benutzte ich da zu, die Regungen meines Gewissens in Wein, Bier und Brandy zu ertränten. Damals kam ich aus dem Rausch Mo nate hindurch kaum heraus —- die Lust zur Arbeit, zum regelmäßigen Erwerb Hat dahin, ich wurde das, was ich jetzt in.« »Hm Ihnen Newport denn nicht spä ter noch eine größere Summe bezahlt?« fragte David nach einer kleinen Pause, während welcher Bonetti wie geistrei c.bwesend vor sich hingestarrt hatte. ,,Nur dürftige Almosen lies; er mir zukommen ——- der Schurke. Aber ich rechne noch mit ihm ab —«- ich bin noch nicht fertig mit ihm!« ,,Haben Sie von der Ihnen so son derbar angetrauten Dame nichts wie der gehört? Was ist ans ihr gewir den?" »Jch habe sie nie wiedergesehen; wahrscheinlich ist sie jetzt eine reiche Frau, wenn Newport sie nicht auch nur benutzt und dann abgeschiittelt hat.« ,,Also hören Sie, Mr. Vonetti » ich werde etwas siir Sietl-11n; nehmen Sie indessen diese fünf Pfund als einen kleinen Vorschuß entgegen.« Der Künstler war von dieser Gron niixtls tief gerührt, während er die ihm von Dadig gereichtcn Banlnoten ein steckte. »Und nun geben Sie mir schnell Jhre Adresse — — Boh, notire fiel« Jngerscll that. wie ihm geheißen Daois berichtigte inzwischen die Rech nung. Dabei fiel sein Blick auf die iiber dem Biiffet angebrachte runde Uhr. Der Detertid prallte zurück und er bleichte. Zwanzig Minuten über acht! Und er bedurfte einer Stunde fiit die Fahrt nach dein Bietoriabahnhos. Und wenn er dort zu spät zum Empfange des deutschen Advocaten eintraf, konnten Newport und seine Spießgesellen Gal lus bereits in Empfang genommen und in eine Falle gelockt haben. Hier war t ne Zeit zu verlieren. Davig ergriff toct, Hut nnd Mantel und eilte nach lnrzem Abschied non seinen Tischgenossen davon ans die Straße. lfr wars sich in ein vorüber fahrendes Cab und versprach der-! Kutscher eine gute Belohnung, wenn er um nenn Uhr vor dem Viktoria bahnhofe halten wiirdr. Der Mann zuckte die Achseln, aber er schlug auf das Pferd ein und fuhr wie toll daraus los. Aber fiir Dank-« Ungeduld ging es noch zu langsam vorwärts. Er saß mit der Uhr in der Hand und ver folgte dag Fortschreiten der Zeit. Noch fünf Minuten bis neun, nnd der Weg war noch weit. Er verdoppelte tsie versprochene Belohnung. Glückli cherweise hatte sich der Nebel fast ganz verzogen, sonst wiire das mit fabelhaf ter Schnelligkeit vorwärtsrollende Tab eine .tauni zuverrneidende Gefahr für entgegentotnmende Wagen oder für die Passanten der Straßenübergängc ge wesen. Fünf Minuten nach neun! Mit ei nem Fluch steckte der Detective seine Uhr in die Tasche. Jetzt hoffte er nur noch auf eine Verspätuna des Zuges. Aber als er ein Viertel nach nenn vor dem Riesenpoital des Bahnhofs pok fuht, erfuhr er, daß der Zug, mit dem Gallus gekommen sein mußte, vor zehn Minuten angekommen sei. Er war zu spät eingetroffen, um den deutschen Ju stizrath Vor den Nachstellungen der LondonetGannerbande zu warnen nnd zu schühm 20.Cavitel. Ich habe Sie nun zum lehten Male geweint Sie können JhteEntlcheidung treffen, wie Sie wollen, aber Sie haben mischen mir zu wählen und diesen läslutlaugetm die Sie als Mationette betrachten und Ihnen eine jährliche Rente in die Hand drücken, die ein Trinkgeld. ein Almosen ist im Bek qleich zu dem, wag Sie zu verlangen hätten.« Getfaut hatte sich, während er diese Worte zu der Gkäfin sprach, erhoben und ging jetzt mit erregten Schritten durch das Gemach. »Wie grausam Sie sind, Andre!« I jammerte Natalie, ohne sich jedoch aus l ihrer halbliegenden Stellung aus deml Ditvan aufzurichten »Sie benutzenl I Jhren Einfluß auf mich, um mich zul I einem Schritt zu überreden, der michl ; verderben muß « ,,Verderben? Bah, das ist es eben s Sie fürchten den Hofrath und seine Hintermiinner und wagen nicht« ihnen die Zähne zu zeigen « »Weil ich sie kenne und weiß, toie fürchterlich sie zu werden vermögen· Sie sind gefährliche Feinde!« »Nicht für uns, Natalie, wenn wir Zusammenstehen Wenn Sie mich nur in alle ihre Schliche und Jntriguen klar hineinschauen lassen wollten, so sollten Sie sehen, wie ich mit ihnen fertig würde. Dieser hochmiithige Hofrath Schaller, der —- ich fühle es instinktiv — mein Feind ist und sich auch eigentlich gar keine Mühe giebt, seine Gefühle mir gegenüber zu verber gen —- der sollte bald nach meiner Pfeife tanzen und merken, wer Andre Gerfaut ist.« »Er weiß, toer Sie sind,« fliisterte die Gräfin mit mahnendem Nach druck Gerfaut stutzte, dann trat er an den Ditvan heran, und die Arme über der Brust treuzend, fragte er: »Was mei nen Sie mit dieser Bemerkung. Natalie zog ihn sanft zu sich nieder und flüsterte ihm zu: »Andre, Sie schweben in Lebensgefahrz ein unbe sonnenes Wort, ein unbedachter Schritt« und Sie sind verloren. Sie haben ganz recht, Schaller ist Jhr Feind, er will Sie vernichten. Jhre ganze Vergangenheit ist ihm be kannt —« »Meine Vergangenheit? Was lann er mir beweisen?« »A,lles mein Freund, alles. Schal ler kann Jhnen genug beweisen, um --—— ja, es musz einmal ausgesprochen wer den —- uir Sie dem Henker zu überlie fern, und ich fürchte, mein guter Andre ich fürchte, daß alle Vorbereitungen schon getroffen sind, den Mörder der Lorrissou den Pariser Behörden aus zuliefern.« Die Wirkung dieser Worte auf Ger faut war eine furchtbare. Mit einem erstickten Schrei ltiefz er die Gräfin zu rück, als sie ihn halten wollte, und schnellte empor. Sein Gesicht war bleich und verstört, die kleinen Adern unter den Augen schmollen auf, und seine Lippen zitterten Er hob die geballten Fäuste drohend iiber sein Haupt empor; er wollte spre chen, aber nur unarticulirte Laute ent rangen sich seiner Brust, und nur die Blicke seiner blntunterlaufenen Augen redeten. Auch die Gräfin war aufgesprungen; bestürzt jetzt, ihn gewarnt zu haben. »Ich flehe Sie an, Andre, beherr schen Sie sich — ich meinte es gut.« »Steht es so?« stieß der Franzose schäumend Vor Wuth hervor. ,,Bildet man sich ein, mich beseitigen zu können, weil ich unbeguem geworden bin oder es leicht werden könnte? O, Andre Gerfaut ist kein Feind, den man spie-. lend besiegen kann, er wehrt Fich Komm her, Weil-, und höre, was ich Dir sagen werde — es ist wichtig ge nug für uns alle!« Mit brutalem Griff hatte Gerfaut die Land Natalienz erfaßt und zog die Widerstrebende an sich heran. Die Gräfin stieß einen leichtenSchmcrzens schrei aus, aber sie wagte nicht, ihm einen Vorwurf zu machen —-- sie kannte den Mann und wußte, daß er in seiner Muth zu Allem fähig war. Und ein Blick auf sein oerzerrtes Gesicht weis sagte nichts Gutes »Hörft Du mich? Willst Du mich lsören und Dir dag, wag ich Dir jetzt tagen werde, genau einpräaen?-« »Ich höre -— sprechen Sic!« »Du magst dann ruhig hingehen und es Deinem Veroiindeten, dein Hofrath erzählen —— ich wünsche sogar, daß Du es thust ——- ich wünsche es-." »Ich werde eg nicht thun, wenn ich Ihnen damit fände Andre.« ,,.Heuchlerin! Denken Sie, ich hätte jemals Ihren Versprechungen Glauben geschenkt? Jch war Jhr Spielzeug, das Sie als artig-T folgsames feind sofort bei Seite werfen würden --« wenn Jhr Vormund Schaller es Ihnen ernstlich beföhle.« Natalie wars trotzig den Kon in den Reden. »Wifsen Sie so gewiß- pas-z ich Schaller auch in diesem Punkte» Folge leisten würde? Nun denn. er hat es mir befohlen, und —--- ich habe« es nicht gethan!« »Ich würde es Jhnen auch nicht ra then,« stieß Andre dumpf hervor. »Sie Yrachen vorhin von dem Mörder der A-.iinzerin Lorrisson. Wissen Sie auch, weshalb sie von dem, der sie einst ge liebt hatte, beseitigt wurde? Man hat es Ihnen nicht erzählt? Gut, ich kann es Jhnen sagen. Weil die Elende je nen Mann siir Geld an den Staats anwalt verkaufte, weil sie im Proreß gegen ihn als Belastungszeugin aus-« trat. Sie glaubte über ihren Verrath - ruhig sein zu lönnen und die Rachej des-von ihr Betrogenen nicht fürchten zu brauchen. denn ihr Freund, der Staatsanwalt hatte den Mann auf : viele Jahre hinaus im Kerker begra ben. Doch der Verrathene sann Tag nnd Nacht aus seine Flucht. Er wollte die Freiheit suchen und -——— die Rache. Und eines Tages war er frei, und bald daraus sand man die Leiche der ermor deten Lorrisson. — Und nun waan Sie, mit mir Jhr Spiel zu treiben!« Natalie schaute bebend aus den Tep pich nieder; sie empfand einen Schan-- ! der bei dem Gedanken, wie nahe ihr dieser Mann ---« der Mörder jener Tänzerin — getreten nnd was er ihr noch immer wars »Was jene Schuste betrifft,« fuhr Gersaut ein wenig ruhiger fort, »welche sich über mich erhaben dünten, die aber in der That dasselbe Handwerk betreiben und manchen Mord auf dem Gewissen haben, den sie freilich weder mit dem Messer, noch mit der Kugel. sondern auf salonmäszige Weise durch moralisches Erdrcsseln ihrer Opfer ausgeführt haben, so sollen sie in ntir ihren Meister kennen lernen. Den Hosrath Schallek beabsichtigt, mich ker französischen Blehiirdiv ans Messer zu liefern, und Sie-, Natalie, wußten am diese Vorbereitungen und schwiegen dazu —— nun, so will ich J neu eine iiberraschende Mittheilung machen. Auch ich habe meinerseits vorgearbe tet, und der Deckel von dem Pulver-saß, aus dem ihr Alle euch «besiudei, ist Les reits gelockert, die Lunte glinunr schon ·— ich habe nur nöthig, sie ein wenig tiefer zu senten, und ihr fliegt in die Luft —- die wahre Erbiu der Hinter lassenschaft des Grafen Fels, die ein zige, welche mit Recht die Hand nach dem ungeheuren Vermögen ausstreckeu durfte, sie wird vor euch hintreten und euch den Raub eutreiszeus Die wrasin entzog wersaur ihre Hand. Schneeweiß war ihr Antlitz, nnd ihre Augen blickten zornersiillt. »Jetzt also enthüllen Sie mir Ihren wahren Charakter,« rief sie leiden schaftlich erregt. »O. das ist elend! Geheimnisse, die Sievon mir erfahren, verwenden Sie gegen mich ---· aber Sie haben sich verrechnet, mein Bester; denn selbst wenn jene Erbin — Sie meinen die Geheimriitbin Busch —- irgend weiche Rechte geltend machen wollte, ich —ich bin die rechtmäßig angetraute Gemahlin des Grasen. und mir mußte nach dem Gesetz der Hauptantheil fei nes Nachlasses zufallen!« Gersaut strich durch den glänzenden braunen turzgehasltenen »Vert. Ein höhnisches Lächeln umspielie seine Lip pell. ,,Rechtm«cißig angetrauie Gemah lin!« lachte er kurz auf, »das klingt ganz gut, leider —— « Die Gräsin stand plötzlich regungs los, mit weitgeössneten Augen starrte sie Gersaut an. Eine lange Pause trat ein. »Warum vollenden Sie nicht?« preßte Natalie heiser hervor. »Leider sind Sie ebensowenig die rechtmäßige Gemahlin des Verstorbenen Grasen, wie ich etwa Kaiser von China bin. Oder hatten Sie das Privilegium den zweiten Mann zu heirathen, wäh rend der erste sich noch recht munter des Lebens erfreute?« » Natalie sant aus den Diwan nieder; sie begrub das Gesicht in den Händen, und leises Stöhnen klang unter ihnen hervor. »Ich kann Jshnen sogar ganz frische Grüße von Ihrem ersten Gatten brin gen,« suhr der Franzose unbarmherzig fort, »ich lernte ihn auf einem meiner Spaziergänge durch das nächtliche Berlin kennen. Noch ahnt er nicht, wie nahe er sich seiner geliebten Frau befin det, aber er gedenkt ihrer noch mit « Wehmuth; sogar eine Oper hat er com ponirt, deren Hauptsignr Sie sind s Sie führt den Titel: »Das oerlaufte Weib»!« »Das ist gelogen!« ries die Gräsin, - ,,gelo·gen wie so vieles. was Sie mir erzählt haben.« »Dann besitze ich eine wunderbare Phantasie,« lachte Gersaut aus. »Sie tann sogar Namen erdichten, die ihr sonst ganz unbekannt waren, Namen wie -—— Cäsar Mandel zum Beispiel.« »Mensch, weißt Du denn Alles?« »Zum Mindesten genug, um euch Alle zu verderben,« fuhr der Franzose sie rauh an; »und nun hören Sie mein liltimatun1. Es ist jetzt elf iihr Mit taus. Ich gebe Ihnen vier Stande-L sich mit dem Hofraih zu berathen ind ihm meine Absichten miteurheilen Um drei Uhr werde ich mich hier in diesem Zimmer einfinden, um zu hören, wel: che Summe man mir fiir mein Ver schwinden in einen anderen Welttheil und fiir absolute Verschwiegenbeit bie tet. Sollten wir nicht einig werden ton nen, so erwartet mich schon Jemand, der mir meine Mittheilungen gut be zahlenwird Und nun fahren Sie schnell zu Herrn Hosrath Schauer und bringen Sie dem anbetungsmiirdiens Herrn meine besten Empfehlungenz E: selbst aber bitte ich, mir freundliches Wohlwollen zu bewahren. Madame Mandel!« Mit leisem Lachen schritt Gersant der Thin zu. »Andre!« schrie das Weib und rich tete ihr thräneniiberströmtes Antlitz aus Andre. «bleib!« »Was wünschen Sie, Madame t« Bleib, ich beschwöre Di ! -—s— Ich ; ließe Dich —--- ich wiu Dir ge zokchen ich will dem Hosrath trotzen, nur geh nicht von mir, Andre!« Mit gerungenen Händen stand sie ror ihm. »Im spat, Madame.« entgegnete «Gerfaut achfelzuclend, »ich habe meine Dispositionen bereits getroffen, und im Uebrigen bin ich zn za.ktfühlend. um die Stelle einzunehmen. welche einem Lebenden gehört, und Rechte u ver tttrzenxdie heute oder morgen eer Cä sar Mandel. der Hospianilt aus dem Cafe chantant der Vorstadt sehr ener gisch für sich verlangen wied. —-—- Auf Wieder-sehen, Madame!« Die Thür fiel zu; die Gräfin wankte zum than zurück. Hie-: lag sit-. schlnchzend lange Zeit· Als sie sey aufrichtete, zeigte ihr Gesicht die Spu ren der Verwüstung welche die Jahre darauf eingegraben hatten, die sie sonst mit vollendeter Kunst unter Schmintr. Puder nnd durch ein noch wirtsaineteg Mittel zu verstecken wußte. »Zum Hofratht«« flüsterte Natalie; »ich muß ihn warnen muß ihm al les fagent« Fortsetzung folgt.)