Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, February 03, 1899, Sonntags-Blatt., Image 15

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    ..«—·-—..--.
So uaiketta
VencötineellesDouhlr.
-------
.lnt:« riskrte Uebersetzung von Louise
Beethold.
Preiisaetrönt von der Aca
deniie staneaise.
Während der Jaadsaison versam
melte dran ron Rosav stets aus ihrer
Bester na Belvedere in der Nin-e von
Haut-; lly einen Schwarm jungerMäd
'r. en und Frauen, Bewohnerinnen der
umliegenden Schlösser, Pensionsstatu
tinxen ihrer Tochter, um sich. Man
spielte am Tag-c LaivnsTennis, tanzte
rlne Ceremouie def- Abends, stellte
There-den oder führte tleine spanische
Lustspiele auf. Unter ihren Gästen
befand sich auch der Graf Michael Se
inenorry der- erst kürzlich nach Ironi
reich aelommen und der Mittelpunkt
dieses Kreises war. Ein wahrer Nim
bns, den ihm seine Tapferkeit, hohe
Geburt nnd Ersolae in der großen
Welt rerschaffi hatten. umhüllte den
Grafen. Nach bemerkenswerrheu Waf
senthaten in Aften wurde er zum Ad
- jutanten det- Generals Fürsten von
Schomrerg ernannt, eines der tapfer
sten Führer der russiscken Armee und
Gemahls der schönsten Frau Europas-.
Michael Ecmenow redräsentirte in
seiner Person den vollendeten Typus
der russischen Schönheit. Sehr qroß,
sehr blond tiefblaue Auaen in dem
schönen-, männlichen Gesicht vereiniate
er mit seinen körperlichen Vorzügen
vornehme höfifche Manieren, und
wenn er auch nicht die aefiilliae Aus
druckstreise und den leichten französi
schsn Esprit hatte, so war sein Ge
schmack doch genua aeläutert, um den
Geist Anderer beurtheilen zu können.
Nachdem nun eines Abends der vor
treffliche Herr von St. Gervais, der
alles wußte und alle Welt kannte, bei
Frau von Rosan anaedeutet, daß Se
menow nach Frankreich gekommen sei,
urn sich zu verheiratt.en· da entspann
sich ein wahrer Wettkampf unter den
anwesenden Damen um den jungen
Rassen. Eine wahre Fluth von Toilet:
ten begann ihn zu untrauschen.
thin sich seine Auan richteten,
traf ihn ein beiüctendeo Lächeln ein
isezaubernder Blick. Aber sonderbar,
leine dieser blendenden Erscheinungen
rernrrchte ihn zu fesseln! Er blieb
cuch der Schönsien gegenüber etwas
kalt. Vielleicht suchte er trotz seines
eigenen großen Vermöaens eine sehr
reiche Verbindet-la und alle diese Par
tien mit einian hunderttausend Free-.
Mitgift waren ihm tu unbedeutend.
Eine-;- Moraensxs aina MichaelSeine
noio im Bart von Beloedere spazieren.
Die Sonne soarf ihre alühendenStrah
ten aus die schon gelbliche-a Blätter Der
Baume und tauchte iie in ein Meer
von iöthlichem Licht. daß ihre Kronen
gleic« seuriuen Garben leuchtete:i. Tie
Lille-In glichen weiten Materien eines
ln Flammen stehenden aoldenen Pa
lais. Welch ein Rahmen für einen
Liebestraurui
Um dem erhabenen Eint-euch den
Michael empfand, noch einen besondern
Reiz binziiiusiigem nahm er einen
Brief nus seiner Tasche, um ilni, lang
sarn dalinschreitend, immer nnd im
mer wieder zu lesen. Plötzlich hörte
er ganz in der Nähe iwei frische Stim
nteki abwechselnd Verse sprechen Zit
erst die eines lleinen Knaben· eine Fa
bel von Lasontaine unsicher versagend;
dann eines jungen Mädcheng, das ihn
verbesserte.
»Das ist nicht richtig, Jean!« sagte
es, »Du betonst schlecht und sprichst
i-:,-ne UesiinL Dente, ivenn ich Dich
verlassen müßte, dann ioiirde Dir doch
auch dag Herz schwer sein, iind Du
würdest ·ni:,t so gleichgiltig sagen:
Was nillst du thun? Verlassen Deinen
Bruder thun? Die Trennung ist dar
größte Leid: sür Dich nicht, Grausa
t..(!!«
Dieser- »Giai·.sainer« wurde so aller
liebst i--n dieser Stimme gesprochen.
daß Michael srappirt sieben blieb und
im» eiixige Mein-nen. bevor er sich ge
.eigt, wartete. Dei- Knabe hatte ins
siixiischen seine Reritaiion fortgesetzt.
Miasaex ging einige Schritt weiter nnd
bemerkte, gegen einen Baum gelehnt,
ein junges Mädchen, dessen Gesicht ihn
an das der von Goeviii inodernisirten
'- tamnnestalien Watteaus erinnerte:
«ie trug ein niarineblaues Kleid und ei
nen tief in den Nacken gerückten Ma
trosenhut Mit seinen seinen, unregel
mäkigen Zügen, dem kleinen Mund,
eins dein ein Lächeln zu basten schien,
und den glänzenden Auan war es
mehr ungewöhnlich all hübsch zu nen
nen.
« Michael übektcm bei ihrem Anblick
km eigenthiimliches Gefühl, welches er
slch ruht zu deuten lot-kle. Es war
ireder Liebe ner Bewunderung, auch
nickt Freundschattx doch tvar es sicher
lich eine ihm unertlärlich Zuneigung,
die ier zu dem iunaen Mädchen hin
zkzr Er trat näher und sagte grü
secndt
,,Geit-«ltten Sie, mein Fräulein, daß
ich Ihnen neine Bewrnderunq aug
sprechel Sie sprechen Verse zum Ent
zücken!'«
»Man sieht wohl, mein herr«, erwi
derte ste, »daß Sie noch nicht meine
Freundin Alir gehört haben! Bei un
seren Ausführungen ins Kloster spielte
sie immer die Prinzessmnen und ich die
Vertraun-«
«,Fräulein Am- mu. recht glücklich
sein, eine Freundin wie Sie zu ha
ben.««
»O, ich gehe bald sdrt und lehre wie
der in rnsee Kloster zurück.«
» lit lange Zeit« ?
« iir immer!«
»Sie wollen den Schleier nehmen,
rnd Jhre Eltern ividersetien sich dem
r;icht?« ries der Graf.
»Ich habe keine Gluten niehr und
von meinen Geschwistern nur hier noch
meinen kleinen Bruder. Eine meiner
Kusinen hat sich erboten, ihn zu erzie
hen, und ich stelle mich dem lieben Gott
zur Verfügung«
»Sie werden mich ein wenig seltsam
sinden«, sagte der Graf, nachdem er
einige Augenblicke das junae Mädchen
sinnend betrachtet hatte. »aber Sie
wissen, wir Russen sind noels ein wenig
unlultiviri nnd verstehen wenig, Uni
stände zu machen. Jch habe einen
Freund, welcher sich zu vermählen
wünscht; er befindet sich aber in einer
Situation, in der ei- nicht um die
Hand eines reichen jungen Mädchens
in hoher Lebensstelluna anhalten kann.
Er will eine Waise ohne Vermögen, die
ljiibsch nnd klug genug ist, ihren Platz
im Salrn auszufüllen, von adliger
Geburt, damit seine Heirath nicht das
Aussehen einer Mesallianee habe, set
ner die gutmiiihig genuq ist, um ihm
im Voraus zu verzeihen, daß er ihr
mit seinem Namen nicht auch sein Herz
aeben lann.
»Ich verstehe Sie nicht recht, Herr
Gras!« bemerlte Sulvaneitr.
»Sie werden mich sogleich verstehen,
wenn Sie mir segen, ob Sie aus in
nerer Neigung barmherzige Schwester
werden wollen«
»Der-hanc- nicht; aber ich ziehe das
Kloster dem trauriaen Leben, welches
ich als elternlose Waise in der Welt
siihren würde. vor.«
»Nun wohl, mein Fräulein, wollen
Sie von Ihrem Gatten einen Namen,
eine Stellt-na, ein Vermdgen, aber
nur das und nichts weiter als das
Mein Freund ist aus divlomatischen,
politischen Gründen gezwungen, sich
zu vermählen, und zwar zu vermäh
len, ohne der Gatte seiner Frau sein zu
L
ronnen."
. »Woh! weil er eine Andere liebt?«
fragte Sylvanetie
»O, iiber die Frauen» ries derGras.
»Die Tltaivste findet cleich die Lösung
des Räthsels. Nun Sie ungefähr die
Webrleit matan trilliaen Sie ein,
meinen Freund zu heirathen?«
»Es wäre nöthig, ibn erst zu ten
t.en.«
,,Seben Sie mich an!«
»Sie, Herr Gras?«
»Leit-er, ich selbst.«
»Ich gestehe, daß ich aus einen sol
chen Antrag nicht vorbereitet ioar.«
»Wollen Sie ihn erwägen?«
»Wenn Sie ertauben!«
»Das ist Ihr Recht: ich erbilte mir
nichts als Schweigen."
Der Graf verdeugte sich tief und ließ
Snlvanette destiirtt nnd unentschlossen
zurück
Einige Tage später vernahmen die
Gäste der Frau von Rosan zu ihrem
größten Erstaunen die Nachricht von
der Verlobung der kleinen Klosterschii
lerin mit dem so viel nmtoorbenen
Grafen Michael Semenow. Die Ver-:
mählung wurde mit großer Pracht in
ier Kirche St. Madelaine geseiert.Der
russische Gesandte führte an Stelle des
Vaters die Waise zum Altar. Alle
Welt war erstaunt. Snldanette nicht
stolzer, glücklicher zu sehen. Sie schien
so bewegt und eingeschiichtert und zer
floß fast in Thriinen, als sie vor der
Abreise ihren kleinen Bruder umarmte
nnd tiisztr. »Die Trmnung ist das
größte Leid«, dachte Michael, und siir
ihn sollte dies Leid ietzt endigen· Er
sollte die Fürstin Schosssdercg die an
gebetete Frau, deren Ruhe diese un
tvahrscheinliche Heirath gefordert, wie
dersehen. Ehrerbietig ließ er die neue
Gräsin Semenow in ihren Sleeping,
getrennt von dem feinen, steigen und
wünschte ihr mit einem respektvollen
Handtuß eine gute Nacht.
Der Winter flog schnell dahin. Alles
schien inr Hause des Grasen Semenow
aufs Beste. Snlvanette behandelte ih
ren Gatten wie einen älteren Bruder.
Sie ging immer heiter mit ihm in Ge
sellschaft und umgab ihn mit stets
gleicher Sanstmuth im Hause.
Seit einer Woche weilten Beide als
Gäste aus dem Schlosse der Fürstin
Schon-berg. Der General. ihr Ge
mahl, über-sauste Soldanette mit Aus
mertsamtei en. Er lief für sie aus
Franlreich stets Früchte und Blumen,
besonders Nellen kommen. die diese
ollen anderen verzog. Glich sie dech
in ihrem mit ausgezacktenlliiischen gar-—
nirte resa PetingRleid einem Strauß
dieser lieblichen Blumen. O, dieser
Kopf mit den dunklen, glänzenden Au
gen und dem riithselhasten Lächeln!
Wie ost Michael wider Willen an ihn
dachtet Ja, der schöne Semenow, der
Sieger-, fühlte sich dieser kleinen Fran
zösin gegenüber zaghast und er wagte
nicht« zu sprechen. Endlich eines
Mor eng faßte er Mutd. Die kleine
Gräsin erschien im Part.
»Guten Morgen, Solvanette!« sagte
er. »Ich habe Dich etwas zu stagen.«
Sie sah ihn erstaunt an und setzte sich
zu ihm an den Rand des Teiche-L Der
Schatten großer Lärchenbiiume, die
das Ufer umsäutnten. bedeckte ihre
Köpfe. Dennoch behielt sie ihrenSon
nenschtrm, der ihr Gesicht wie ein lich
ter Kranz umzog, ausgespannt in der
hand. »Sage, Sylvanette. zürnst Du
mirs«
»K. zürnen? Warum?«
»O it Da nicht in der Ehe das
Glück gesunden hast, welches ein so
hübsches, liebenswürdiaes Geschöpf zu
finden verdient» hätte-«
»Du hast mich nicht getäuscht; Du
hast-mir nichts-als ein Geschäft-vorge
schlagen, und ich habe es angenom
men. Wir achten Beide unser Wort,
und Keiner bat demArtdern einen Vor
wurf zu machen-«
»Ich habe Dich nicht gebeten«, sagte
er zog-send, »mir treu zu sein. Jn
dessen weil Du meinen Namen trägst,
wäre es mir peinlich, lächerlich zu
werden«
»Das wirst Du niemals, Michael,
ich oersichere es Dir. Jst vielleicht
der Fürst von Schonrbera lächerlich?«
»Das ist etwa-Z anaderes!«
,,Eine gute Ausflucht, wenn mans
nichts Besseres zu antworten weiß!«!
erwiderte sie, ihren-. Bouauet einige
Blüthen entreißend. »Warum ist dass
etwas anderes-? Der Fürst liebt seines
Frau, das ist der einzige Unterschied.i
Sie ist also vier schuldiqu arg ich egs
sein würde, wenn —- ——-—« s
»Aber auch ich liebe meine Frau!«s
sagte Michael leise und erräthend. !
Sylbcnette brach in ein helles und
iibermiithiges Lachen aus. »Aber Mi
chael, am frühen Morgen schon so zu
liigen!«
»Du glaubst mir nicht?«
»Nein, Du redest mir das nur vor!
Du hast mich geheirathet, weil ich arm
nnd häßlich war; häßlich bin ich noch
immer, und wenn ich weniger arm bin,
so danke ich es Deiner Großmuth.«
»Ich finde Dich aber bubschl«
,,Wirtlich'-t Du schmeichelst!"
»Du bist unglaublich lolett!« rief
der schöne Russe zornig. »Du hast
lein Herz!«
,,Gliicllicherweise!« versetzte sie, über
seinen Zorn belustigt; »was sollte ich
wohl c.nsangen? HastDn mir nicht ver
boten, eins zu haben? Denke Dir ein
mal, wie unglücklich ich geworden wä
re, wenn ich Dich geliebt hättet«
»Nein, d1nn würde ich Deine Liebe
serwidert baben·«
« »Bist Du dessen sicher? Soll ich, ein
junges Mädchen, welches nichts vom
Leben weiß, Dich erst Dein Herz er
kennen lehren? Du liebst die Fürstin
Radika nnd liebst nur sie. und wenn
ich eisersiichtig und betrübt gewesen
ware, so hätte ich Dich schön gelang
weilt.«
»Du wirst mich also niemals lie
ben?«
»Ich habe nicht einmal dazu das
Recht; es wäre gegen unseren Ver
trag!« Sie hatte sich, ihren Sonnen
schirm in den Rücken haltend, erho
ben; ein rosiqer Schein siel von dem
selben aus ihr Gesicht und das Spitzen
sichii, welches ihre leicht llovsendeBrust
verhüllte. Durch die aesenlten Wim
pern sah sie, wie ihr Herr Gemahl mit
zusamn.engezogenen Auaenbrauen und
auseinandergepreßten Lippen mühsam
seinen Zorn zu unterdrücken suchte.
»Willst Du mir nicht wenigstens ei
nen Nellenstrauß aeben?« sagte er
endlich mit vor Ereqnnq bebender
Stimme.
»Er sieht so gut zu meinem slleid!'«
»Dann nur diese ans Deinem
Haar!«
.,’Jtimni in. wenn Du willitl« ant
ivortet ste, ihren Kopf neiaend. Ganz
dicht lsei den« kleinen Ohr in den gol
diaen Haaren war die Nelle besestiat.·
Michael näherte sich ihr, sie mit den
Lippen abpsliiekrnd. und drückte den
ersten Kusz asss den Hals seiner
Frau.
»Ah, da haben wie die Verliebten!«
ertönte in diesem Moment die Stim
me des Fürsten rson Schombera hinter
ihnen; ,,man hat schon seit lange das
Frühstück geläutet, und nichts haben
Sie aet«-ört!·'
Als Nadita die lleine Gräsin mit
dunkelirthen Wanaen und Michael mit
der Nelke im Knopfloch sah, errieth sie
sogleich einen geheimnißvollen Attord
zwischen den Beiden.
»Der Dust dieser Blume ist mir zu
stark", sagte sie zu Michael, der ihr
bei der Tafel zur Seite saß, »ich bitte
Sie, sie sortzuwerfen.«
Ein Diener nahte sich auf ihren
Wink mit einem kleinen Tablet, auf
welches Michael hastia die verurtheilte
Nelte warf·
O, das Dahinschwinden der Liebe,
das erst mit einem unerklärlicheu Ver
druß auf einander beginnt, dessen man
sich Anfangs schämt, und den man ver
geblich zu bekämpfen sucht! Dann die
ses unsreiwillige, unaewollte Schwei
aen, wo früher der köstlich unniitzen
Worte so oiele kamen! Man fragt
sich, man eraeht sich in sbanalen Re
slerirnen, warum man sich nicht mehr
liebt, was nsan sich gethan hat.—Man
hat sich nichts gethan. Aber die Lei
denschaft, die man für einander hatte,
hat gelebt, wie eine Blume lebt und
stirbt. Der Versuch, sie wieder-zube
leben wäre vergeblich. Es aiebt wohl
eine Auserstehuna der Seelen, aber
leine der Gefühle. Wie Michael die
Bitte·.keit dessen empfand! Der Ver
gleich zwischen dem Einst und der Ge
genwart war zu trauria. Sein Fall
erschien ihm besonders grausam, er
fürchtete, die Fürstin nicht mehr zu lie
ben, und wollte dennoch Shlvanette
verabscheuen Die Undankare hatte
ihn zu schlecht behandelt und ihm ein
zu kaltes Herz gezeigt
Er saß, diesen Gedanken nachhän
gend, aus einem niedrian Tabouret
neben der Chaiselona1.e, auf welcher
Radika ihre Ciaarette rauchend lag.
Der iirst hatte sich aleich nach dem
rüh tiick einer dienstlichen Angelegen-;
it wegen verabschiedet und Sinon-!
nette war wie immer stillschweigend!
verschwunden Sie befanden sich allein!
in dem kleinen Salon. der so voller
Blumen und Sonnenschein war. Ein«
Paradies, wo er unveraeßliche Stun
den voll berauschenden Glückes ver
bracht hatte.
,,Michael!« saate Nadika mit ihrer
tlangvcllen Stimme. »Als meine
Schwicgtrmutter von Petersbukq ge
kommen und unsere Beziehungen er
rieth, ra habe ich zum ersten Male
Furcht gehabt Es war Thorheit;
man scll sich vor Niemand fürchten.
Jch betaure jetzt die Heirath, die Du
geschlossen.«
»Ah-tin hat Dir Shlvanette miß
fallen?«
»Jn nichts-, und doch sollst Du sie
nach Frankreich zurückschicken. Es sind
gerade Feriesi; sie kann ihren Bruder
besuchen. «
»Und was mache ich denn mit ihr in
Frankreich, wenn die Ferien zu Ende
sind?«
»Du läßt sie dorti«
»Für immer?«
»Höchst wahrscheinlich!«
»Meine theure Nabika! Ich muß
Dir gestehen, daß ich diese Ehe nicht
gewollt habe. Du warst es, die sie ge
fordert. Mehr als Du habe ich die
Konsecuenzen derselben ermessen.
»Heute ist sie Dir unangenehm, aber
was nun thun? Meine Frau nach
Frankreich zurückschickm ist widersin
nig. Jch versichere Dir übrigens, daß
sich mein Wort qehalten, und Du keine
zUrsachc hast, eifersüchtia zu sein.«
! ,,Eisersiichtia, ich!« rief sie empört,
Isich strlz aufrichtend. »Ich bin nicht
,eisersijchtia nnd Everde es niemals sein.
Nur ist es mir 1·nanaenebm, daß sich
mein Gemahl sc viel mit Deiner Frau
.-besrb"cistiat, und Du es nicht einmal
.mcrkst.«
Diese Worte ließen Mkchaels Vers
vor Eifersucht aufwallen und erweck
ten alles, was es an Aeraer und Groll
egen Sylvanette darin anb. »Wenn
Zoll sie abreisen?« fraqie er kurz.
»Mmgen, Michael!«
,,Erlaubst Du mir, sie zu begleiten?
Sie allein zuriickschicken, würde der
Fürst sinderbar finden.«
»Selbstverständlich«, versetzte Na
dika, bisrch ten Gehorsam ihres Skla
ven besänftigt, »aber nur unier der
Bedingxsng, daß Du sofort zurück
kehrst!«
Der Zufall wollte es, dasz sich am
Abend desselben Tat-»Es Snlvanetteund
der Fürst Schonibera in dem Salon,
wo Michael und Nadita das Schicksal
der kleinen Gräfin entschieden, allein
befanden. Snldanette hatte, als sie
von ihrem einsamen Spaziergange zu
rückkehrte, von ihrem Gatten in sehr
kühlen! Tone der. Befehl erhalten, alles
zur 5Abreise nach Frankreich vorzube
reiten· Sie errieth sofort, daß die ac
bieterische Laune der Fürstin diesen
plötzlichen Entschluß dittirt, und er
lag dem peinlichen Gefühl. welches sie
bei dem Gedanken empfand. daß sie ia
nicht Herr ihrerPerson und ihres Wil
lens und von der Willkür Anderer ab
hängig sei.
Der Fürst war, als er die Trau
rigkeit ter junaen Frau bemerkte, sehr
beunrrhiai. Dieser brave Schombera
war nichts weniaer als ein Don Juan;
er mit seiner geraden-, etwas furchtsa
men und sentimentalen Natur hatte
nur eine innige Verehruna für das
tveibliche Wesen und diese Sylvanette
besonders, deren tapfer-en Vater er ge
kannt, isnd deren Schicksal ihm das
Herz schwer gemacht hatte.
»Was haben Sie diesen Abend, mei
ne ileine Gräfirt? Sie scheinen ja so
traurig zu seiu«, sagte er, sich ihr nä
hernd.
Sie zögerte e« ien Moment, dann-—
wie das häufig ommt. wenn das Herz
vor Kummer überschwellt,--—ionnte sie
sich nicht mehr beherrschen und brach
in Tbränen aus-.
»Mein Gatte will mich nach Franks
reich zurückführen!« schluchzte sie.
Er setzte sich ihr zu Füßen und ver
jfnchte, sie zu beiuhiaew
T ,,Seien Sie nicht so verzweifelt,
Imeinc liebe, kleine Gräiink Wenn diese
lReise Sie so betrübt. werde ich Ihren
Gemahl daran verhindern. Ich bin
fsein Chef, ein Befehl von mir zwingt
sihn, zu bleiben.«
i »O danke, danke; wie aut Sie doch
lsrnd!« erwiederte sie unter Thränen
)lächelnd.
»Sie werden nun nicht mehr wei
nen!« Der Fürst hatte noch immer, aus
den Knien vor ihr liegend. ihr liebli
tches Köpfchen an seine Schulter ge
s lehnt und trocknete, ohne an das Ei
fgenthümliche der Situnzion zu denken,
lihre Argen
) Da öffnete sich die Thit- mw Nat-i
s la erschien auf der Schwelle. Der Fürst
fhatte noch nicht Zeit qefundem sich zu
!erl)eben, als sie mit einer schroffen
Bewegung den Arm Snlvanettes ers
griff und sie emporrifi.
« ,.Sind Sie von Sinnen?« rief sie.
»Ihr Gotte folgt mir aus dem Fuße!«
»Ich versichere Dir, Nadila, daß es
sich um das Unschuldiasie von der Welt
handelt, was Du aesel1en!« betheuerte
der Fürst ein wenia verwirrt.
»Seht unschuldia in der That!«
rief sie mit tviithendem Lachen. »Sie
können mein Haus verlassen; ich halte
Sie nicht läi-ger!'«
»Frau von Semenoiv«. saqte der
Fürst, »wird unter diesen Umständen
nicht abreisem ich gestatte nicht, daß sie
unter meinem Dach beleidigt wird,
selbst nicht von Dir!«
Der Schritt Michael-; ertönte in der
Galerie. Nadita eilte zu ihm und
flüsterte ihm schnell einiae Worte zu.
Darauf trat Michael mit bleichem Ge
sicht und flammenden Augen ein.
»Mein General!« sprach er. »Ich
We mich genöthigt, Sie um meine
en entlassung zu e:suchen!«
« Quell« erwiederte der Fürst,
»Sie sind in: Unrecht; Sie glauben sich ,
!beleidigt; einige Worte werden alles
ertliirent«
»Sie werden sie meinem Sekundan
lten geben, Herr Generali«
Er grüßte mit eisiger Miene und
forderte Sylvanette aus, ihm zu fol
gen. Als sie allein in dem Arbeits
zimmet deZGrafen waren, sagte er mit
kbebender Stimme: »Du hast Dich nun
gerächt; es war ein ebrlicher Kriegs
brauch und Dein gutes Recht. Doch
wirst Du mich nun entschuldigen, daß
ich Dich nach Frankreich begleite; ich
denke, der Fürst wird sich .
»Michael!« unterbrach sie ihn. »Du
hast mich genug erdulden lassen, Du
brauchst mich nicht noch zu beleidigen.
Jch bir. unschuldig, Du weißt es wohl.
Wie Recht Hatte ich diesen Morgen!
Du liebst derartig blind die Fürstin,
daß Du nicht siehst, wie sie mich
haßt!«
»Hat sie vielleicht ihren Gemahl Dir
zu Füßen gesetzt?«
»Es- ist unnötbia, mich weiter zu
beschimpfen. Du willst, daß ich ab
reife, und ich werde reisen. Jch lehre
in das Kloster zurück. wo ich immer
hätte bleiben sollen. Ich habe einenf
irntvürdigen Handel abgeschlossen und(
bin dafür bestraft worden wie ich ex«
verdient habe. Lebe wohl Du wirstl
nichts mehr von mir hören! Jn einem
Jahr hebe ich den Schleier genommen,
dcsnn bist Du frei. Nur erinnere Dich,
daß ich nie ein Unrecht begangen habe,
und versuche, glücklich zu sein!«
Sylvanette zitterte am ganzen Kör
per, als sie unter Schluchzen diese
Worte hervorftieß. Ihre zärtliche und
empfindsame Natur kam endlich zum.
Durchbruch und sie überließ sich mit
einer wahren Leidenschaft ihrem ersten
Sclilpmerz Michael betrachtete sie angst
Vo .
War das dieselbe Frau. die er noch
vor Kurzem als heiteres, lustiges Kind
gekannt, und die ihn am Morgen noch
so kolett, fptrttisch und fast boshaft be
sbandeli hatte? War das Komödie, die
iie spielte? Er, der noch ein wenig raub
war, verstand die zarte Seele dieser
Franzzösin nicht« aber das verstand er,
ldafz sie für immer aus seinem Leben
verschwinden sollte, daß einige Minu
üen später zwischen ilmen alles zu Ende
fein würde. Schon dffnete sie die
Thür.
,,Shlvanetie!« rief er. »Ich bitte
Dich um Verzeihunax unter anderen
Verhältnissen wäre ich alücllich gewe
sen. Ja, der aliicklichste der Menschen
in dem Bewußtsein. Dein Gatte zu
sein. Aber so ist es unmöglich Du
selbst hast es nicht aewollt. Es ist
nutzlos, darüber zu sprechen. Nichts
destoweniger bleibst Du die Gräfin
Serrencw und wirst Deinem Range
gemäß leben. Jch werde aus der Ferne
über Dich wachen. Lebe wohl, Shlva
nette, nnd vergiß mich nicht zu schnell!«
,,Lebe wohll« hauchte sie kaum hör
bar. Jm Begriffe, die Schwelle zu
überschreiten, fiel sie leblos zu Boden.
Bestiirzt sprang cr zu, sie aufzuheben.
Er nahm sie leisbt wie in Kind in sei
ne Arme und trua sie auf einen Di
van. Sie war Tisia nnd ohne Athem·
Er versuchte oeiaeblich sie wieder zu
belebt-n, benetzte ihre Schläfe mit lal
tem Wasser, gab ihr Essen-en zn rie
chen; —- nichts half. Aufs Höchste
erschrecken, vreßte er sie an sich und
bedeckte ihr Gesicht, ihren Hals und
ihre Kleider mit heißen Küssen.
»O, wie Lieb ich Dich. Shlvanette!'«
rief er. »Lebe, liebe mich und verzeihe
mir, ich bete Dich anl« Unter seinen
brennenden Küssen belebte sich das Ge
sicht der jungen Frau, und sie öffnete
die Auam
,,Lasz mich, Michael!« flüst crie sie,
tief errdihend, als sie sich in seinen
Armen sah. mich bitte Dich, laß
mich!«
»Nein. niemals-! Bist Du nicht mei
ne Frou, meine neliebte Frau? Und
wenn Du cinwilliast, meine Mißer
sehnte, so reisen wir Beide morgen in
Dein schönes Land und bleiben dort
für immerJ
Ganz berauscht von ihrem Glücke,
konnte sie vor eFreude kaum sprechen,
sie wars ihre Arme um seinen Hals.
»Auch ich, Michael, icu lieb Dich, aber
nur siir mich allein! Sei mein
allein!«
Aberglauve beim Theatern
Es dürfte ziemlich betannt sein,
daß viele Viihnenkirnstler mehr oder
weniger abe«cglä1:bisch sind. Manche
Schcnspieler nnd Schauspielermnen
haben fogar die feste Ueberzeuguna,
daß der Erfolg oder Mißerfolg eines
Stückes nur von gewissen glück: oder
ungliiabedeutenden Vorkommnissen
die sickz kurz vor Beginn der Premiere
ereignen, abhängig ist. So glaubt
Inan z. B. bei den meisten Theatern
des Jn: und Aus-landes. das-v eine
schwarze Katze, xvenn sie fich, ehe der
Verhang in die Höhe geht, auf der
Bühne zeigt und von den Künstlern
oder Theaterarbeitern greifen und
streicheln läßt, oon bester Vorbei-eu
tung ist. Gelingt es jedoch nicht,
das Thier zu erhaschen. dann kann
mit Sicherheit angenommen werden«
daß die Premiere eine schlechte Aus
nahme finden wird. Das Hufeisen
spielt wie bei anderen abergläubischen
Menschen auch bei den Bretterhelden
resp. Heldinnen eine große Rolle. Viele
der strahlendsten Sterne am Theater
himmel glauben ihren Ruhm nicht zum
kleinsten Theil dem Umstande verdan
ken zu müssen, daß sich auf der
Schwelle ihres Garderobeniirnmeri
— -(---- was-p-v
jtets ein selbstgefundenes nnd eigen
händig festgenageltes Hufeisen desin
det. Künstler, die in iraenv einer
Rolle ganz besonderen Erfolg gehabt
haben, werden niemals die Kontine
die sie dabei getragen, verdußerm ja,
sie vermeiden es s«oaar, eine Aendes
rung an den betreffenden Geronn
benstüelen vornehmen zu lassen. Wie
groß aber grir die Furcht vor der scho
nen, inheilbringenden Marien-Feder
ist, beweist ein Vortotisnriiisi, ones sich
unlängst in Wien zittern-e Eine rei
zende junae Schauspielerin atn Burg
theater, die sich ihren Ver-klirren gegen
über oft rühmte, nicht im geringsten
abergläubisch zu sein, erhielt kurz
vor der Premiere eines- Stücka einen
prüchtigen Pfauensederniäcl;er ge
schenkt und sie beschloß, ihn am Abend
zu benutzen. Die Kiinstlerin wurde
oon ihren Kollegen zwar instkindigst
gebeten, den ominijsen Fächer zu
Hause zu lassen, doch folate sie den
weisen Ratbsehläaen und Bitten nicht
und —— das Stüel machte Fiasko. Na
türlich waren nur die Pfauenfedern
daran schuld, das sah dann selbst die
junge Dame ein« die cm andern Mor
gen, nachdenr sie die verhängnißvotte
Kritik gelesen, den boshasten Fächer
verbrannte, damit er ziijtZt noch weite
res Unheil anrichten konnte. Zu den
vielen anderen, sehr ernst acnomnienen
abergliiubischen Ideen, von denen sich
sogar die Biihnenkünstler iin aufge
tlärten England stark beeinflussen las
sen, gehört auch die Annahme, daf-. ein
Stück isnbedingt durchfallen müsse,
wenn bei den Proben schon die Schluß
tvorte gesprochen würden. Die mit
swirkende Person, von deren Lippen der
letzte Satz kommen muß, hütet sich da
her wohlweislich das Unaliick herauf
zubeschnrören Gewöhnlich werden die
letzten zehn bis zwölf Worte von dein
Antor gar nicht niederaeschrieben,
sondern erst am Premierenahend auf
einem schmalen, mit Grldreif versehe
nen Kärtchen dem betreffenden Künst
ler überreicht. Damit man aber bei
den Proben weiß. wann das Stück zu
Ende ist, fordert der mit den Schlan
worten betraute Mimiker einen der
Mitspielenden auf, vor ihm niederen
knien rnd seinen »Seaen in Gestalt
»eines Dreipfen.niakuck,ens« in Ein
pfang Fu nehmen. Jsm Lande Filt
Ibion herrscht auch der absonderlich-:
iAberglaube daß die bedaiiernswerthen
Mienen zu deren Pflichten es qel·«ört,
im Geisterchir von ,.Macbetli« mitzu
singcn, an jedem Tage, für dessen
Abend dieses- Trauersviel augesagt ist,
vom Unglück verfolgt werden«
..
Ungtücktime Liebe.
Einem Mitarbeiter de5..Neuen Wie
ner Jorrnals« erzählt Marie Geiilin
ger: »Ich verkehrte mit Offenbach, so
ost er nach Wien kam. Er war über
rascht vrsn meiner Darstellung der He
lena. Sie Lvich aani von der Auffas
sung der Pariser Darstellerin ab. Of
fenbach wurde nicht satt. mir Compli
mente zu machen, bis- wir einmal einen
Verdruß hatten. Dann war die
Freundschaft vo;bei. Offenbacli kam
nämlich einmal nach Wien. um zwei
Erstaussiihrungen seiner O -r:etten zu
gleich anzutrsohnen. Tsie eine fand bei
uns, im Theater an der Wien, statt, die
andere am Karl —- Tl,eatcr. Drüben
swurden Offenbachs »Schne-:ballen«
svorbereiiet, mit der satönen Mila Rö
der in rerHauvtrollr. Man wußte, daß
er Mila Röder abgöttiseh liebte und
bloß ihretwegen nach Wien getonntxen
irr-ar. So brachte er denn den ganzen
sTag im Karl - Theater zu. llnseren
Proben wohnte er nur der Form wegen
"fliichtig bei. war immer unruhig, sah
’wiederholt nach der Ulkr und suchte os
senbar einenBorrvana rsm nian zn nn
»seren Proben kommen zu müssen, sen
»dem immer drüben bleiben zu lö:1::e::.
Einmal war er ganz besondero unauss
»stehlnh, nöraelte an der Tarsiell1mg,
Iam Orchester und fuhr Jeden an, der
ihm etwas entgeiren wollte- Da sagte
»ich ihm: »Lieber ZUteiiter. wenn Sie
;vielleicht mit Fräuleinklioder eine »Sei-ne
hatten und deshalb ärgerlich sind, oder
es vor Eifersucht nicht hier aushalten
können, legen Sie sich keinen Zwang
auf, gehen Sie in’g Karl - Theater
und bleiben Sie dort. Meine Kelle
gen und die Herren vorn Orchester sind
nicht verpflichtet, Blinaoleiter Ihrer
schlechten Laune zu sein. Wir wissen
die Auszeichnung zu schätzen, trenn Sie
"bei uns sind, aber wir lassen uan nicht
insultiren.« »Sie wünsche- also,
daß ich den Proben sernbleibe?« schrie
er. — »Sie wollen eg. und ich enthi.1de
Sie der Höflichkeitåzpslicht.« Offen
bach nahm seinen Hut, stiitmte hinan-:
und kam erst wieder, nachdem er im
Karl - Theater sammt seiner schönen
Mila einen ihm unaewohnten Durch
sall erlebte, während wir ihm wieder
einen schönen Erfolg brachten.«
Bei ver Votkszätitmm.
Zählen »Mein Herr, Sie haben die
Rubrik »HuusljaltunqsvorstanW nicht
ausgefüllt.«
Ehemann (mit einem Blick auf feine
Frau): »Wissen S’, i geirau mi net.«
—
Vermont-pp
Er: »Erinnerst Du Dich noch, wie
mich Deine Mutter im Musikzimmer
übgkeraschty als ich Dir den ersten Kuß
ga «
» Sie: »Ja; die arme Frau hatte zwei
Stunden auf den Moment warten
jmilssen.«