Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 19, 1898, Sonntags-Blatt., Image 10

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    UIIII
E Wie lurleIs
Roman von Ida Don Ed
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OOLMUUII J
Ists
Ifffssscvvssis
Eintöni prasselten die Tropfen auf
den sttas gespannten Seidenstoff. .
Durch die Bäume ging ein Rauschen,
der Regen fiel auf die Wiptel und
sank von Blatt zu Blatt. An den Ra
senlanten eilte tliesqendes Wasser hin.
Das nasse Blattgefieder der niederen
Büsche tJing schwer geneigt erdwärts-.
Auf die Fläche des winzigen Teiches
fielen rastlos und gleichmäßig Tropf-»n,
daß sie aussah, wie eine punttirte
schwarze Platte.
Csjnradine ging dem einen Ziele zu,
das es für sie hier geben konnte. Von
einer melancholischen und zugleich iro
nifierenden Neugier aetrieben, suchte
sie den Platz unter den Pappeln auf.
Der schmale Weg, der eine ausge
dehnte Gebüschpartie durchstach, um
au den Platz zu führen. war kaum
pa ierbar. Die Gerten boaen sich wie
nasse Ruien über ihn hin und schlugen
Eonradine gegen die Kniee.
Dann stand sie an derWeamiindung
und übersah den Platz.
Lauter rauschte hier der Regen durch
das harte, ewig bewegliche Laubwerk
der Pappelkronen. Vom Hange steter
te es in kleinen Rinnsalen naß hernie
der und stand als schwärzlich blinken7
der Spiegel zwischm den Halxmn des
Grases, das den«tieflieaenden Platz
deckte. Und aus der Sandstcinbant,
verregnet und Viert-ansehen lagen rotlie
Reiten. Sie waren vielleicht gestern
dorthin gelegt, derser das Gewitter
herauszog
Conradine stand und starrte hin
über. War das nun alles, was Von
den heißen Erwartungen der letzten
Zeit verblieben? Die trostlose Stim:
mung einer oalllommenen Entlast
schung
Anstatt all der Jubelhvmnen de
Glücks, die hell und braufcnd in ihrem
Ohr klangen, nichts wie der cintssnig
rauschende Tropfenfall atauen Re
gensik
Jht war, als habe ihr Leben bislxer
einen Jnhalt gehabt und diesen nun
verloren. Vetarrnt und einsam stand
sie hier irn Regen und kämpft-: mit
T"l;«ränen.
Lanqsam erhob sich ein Zorn «n ihr.
Sie wünschte vielleicht, Felix hätte als
Mann ocll Leidenschaft, Trotz und
Größe vor sie hintre-ten sollen und von
ihr fordern, was sie ihm verheißen:
ils-re Liebe. Vielleicht wünschte sie rä
auch nut, um ihn dann voll Hochmust
zuriickweifen zu drin-Jn.
Sie wußte nicht, was fie wünschte,
aber jedenfalls etwas ganz, ganz an
deres als die Wirtlichkeit.
Der Regen prasselte and priclelte
auf der Seide ihres Schmuck-. Rinas
mn das Rauschen und Rinnen nahm
kein Ende. Und day nasse Laubwerk
hauchte einen kalten Atbem aus-.
Contadine froh Sie aing langsam
davon.
Als sie fünf Schritte aeaunnen war,
lief sie zurück. Ohne Vorsatz. ohne sich
zu besinnen, nahm sie den nassen. ver
wafchenen Reitensttausi von der Bank
und hielt ihn fest umschlossen-. ohne zu
bemerken, daß das Leder ihre-H Hand
schuhe-« ganz durchweichtr.
Nun ging sie schnell, wie Jemand,
der nicht auf unetlaubten Wegen be
troffen fein will. Ihr lila Gazu
fhawl, den sie lose um den Hals trug,
blieb mit feinen fedetattiaen Franfen
an einem det Büfche hänacn. Con
tczdine«rifx ihn los und finq nun fast
cl’1 ZU lausclb
Und als Felix bald nachher zu der
Stelle kam, die er aeftern in zirtsrnzer
Erwartung geschmückt unt« deri:
Schmuck er nun wieder entfernen woll«
te, ehe er bemerkt und verlacht ward,
fand er jenen Neltenstraufx nicht mehr.
Er suchte ihn, er waate noch nicht
zu glauben, daß man ihn fortgenom
men habe, trotz der schmalen Fußspur
am weichen Boden. Aber auch hinter
der Bank lag der Strauß nicht. Und
am Busch, am engenWeae zwischen den
Impfenden Blättern, hina ein tleineH
Gewirr von lila Seidenfäden, dessen
Hertunft elix wohl errieth.
Er seh oß die Auaen, sein Herz
klopfte in feliger Freude.
Und als er gegen Abend Conradirxe
auf dem Flur unten im Schloß traf,
gingen sie mit heißem Erröthen at: ein
ander vorbei.
9.
Conradine stand immer auf dem
Standpunkte: wenn ichsechg Hengste
zahlen kann, sind ihre Kräfte dann
nicht mein? Alles, was sie unternahm
oder unternehmen ließ. mußte mit
mörchenha ter Schnellialeit vollendet
werden. ie war außer Stand-, eine
Thätigeit zu del-theilen oder mit kös
tuld vernünftig einaetheilter Arbeit
fusufehem Wenn heute etwa-Z beschlos
en war, mußte es am liebsten morgen
Dagegen sein. Neue Bauten machten
ihr großen Spaß, neue Culturen auf
ldern oder im Garten erregten ihre
weifluna.
»Ich passe nicht zur Gärtner-in und
nat zum andmann«, gestand sie. »ich
da keine Geduld. Und ich will im
mer sehen, wie alles wächst und wird.
Wenn ich den Bauleuten strich-tun da
merke ich d wie das vorwärts geht. !
Das ist doch Weit Ich lobe mir übers-s -
hat-di act Arbeit, die schafft-. Als ·
Mädel liest ich mich ans keine Weis-:
abhalten, Schnee zu schauieln, zu be
gießen, Sand zu segen. Schon da
snats hatte ich förmlich ein GPiiiksl von
Vetxmizgem wenn ich sah, wie unter
unseren Händen die Bahn durch bcn
Schnee srei ward, wie disk graue Erde
des vertrockneten Beetes sich von den
Wasserstrahlcn ans meiner Giizßlanne
schwarz färbte, wie der Lehnitoden der
Tenne rein ward, wenn die Besen
dar-öder suhren.«
Wenn der ihr natürliche nnd ge
mäße Zustand einen neuen Kinn-neh
men gegenüber schon freudiger Eifer «
war, so kam im gegenwärtige-i Fall
noch ein unbewußter Trieb tiinzm der
Sache eine iihermäseiae chixtigleit zu
geben« ein ausgebauschtes Interesse an
ihr zu zeigen. »Die Bin-ein« ward
sozusagen das Losungsmzrt des Ta
ges-. Sie bot ein unerschöpfliches und
ljarmloses Gesprächstherna, gab Con
radinen wie Felix Gelegenheit, einen
Vorwand siir gemeinsame Jnspei
tionsgänge nnd lange Konserenzen zu
finden. Ohne diesen Bau hätten sie
wenig Gelegenheit gehabt, sich zu se
hen, und sie waren schon befan
gen in dem bloßen Gedanken, was
sie dann mit einander hätten sprechen
sollen.
Dabei wurden sie kaum knne, daß
sie immer dies sachliche Gesprächng
biet verließen, sobald sie auf demsel
ben die Ruhe gefunden, harmloH und
iznbesangen zu scheinen- Sie begaben
sich dann auf das Persönliche und
theilten einander ihre Meinung iiber
diese und jene Lebensfrage mit oder
erzählten sich gegenseitig von ihrer
Kindheit
Und Dann suhtten sm; Vetve munscns
los und zufrieden nebeneinander.
Die auälende Sehnsucht schwieg, es
schmiegen die Fragen, es schnng das z
Erstaunen über die Wendung der Din
ae zwischenn ihnen. Jhr Leben schien
ihnen ausgefüllt, nützlich und erfreu
lich.
So sah das Ganze wie ein Jdnll ,
aus. Es war aber kein-es von Schä- «
ferharmlosigkeit und lachenden Frie
dens, sondern eines, wie die still
tnospende Frühlingslandschast hinter
den Deichen der Marsch: der nächste
Sturm kann mit hohen Stursswelten
den Deich durchbrechen und eine ra
sende Fluth alle Knospen vernichten
Contadine hielt auch in den Stun
ten ihrer Einsamkeit vor sich selbst
dtese zustieoene Stimmung seit.
«Uns’re Phantasie hatte sich da in
wag hineingerast, das gar nicht be
stand«, sagte sie sich: »von seiner Seite
war daf- fc unendlich begreiflich, ich
war wie die Erlöserin in sein Leben
voll Noth getreten, ich ans Lhm Arbeit
tnd entriß ihn dem Hunger; dazu war
ich die erste Dame, der er wieder ke
gegnete, und schon in meinen Kleidern,
meinem Parsütn meinen Lebensge
wohnheiten fand er die Presse aus sei
nen Kindertagen wieder. So haben
seine Träume aus mir ein-.- Arr Got
tin gemacht. Wie oeezeilylich. Und
ich darf mich schließtich auch nicht zu
sehr verdammen. Er ist ein so schonet,
so sompathischer Mensch; er war in
seinem Unglück so anmuthig, berste-n
Dcl Les Enterbten nnd Detkassiertem
du aus seinem Wesen tag, kleidete ihn
besonders. Uno die Verehrun.i, Jie
Dankbarkeit die ich in seinen Ltugm
sah, hatten mein Herz gerührt. Und
ieb bin so einsam, mein Leben ist so
i·et«el·eer, der Wunsch zum Gläct ver
sislirte mich ---— geloikz, La wir -:-L—. LU !:
weich vollkommenen Takt aber er sich
in die Situatioi zi: finden merk
ich bin ihm gross-In Dank sslnilbin
Or bat ale Kavalier verstanden, knir
jede Beschämung »ja ersparen aan
is: er ein Mensch von llnassen Fäkiiqlci
ten Ich muß alle-J lhlin, ihm zn »s,.·iqen,
we ich ihn achte.«
Fonrabine hatte es taaliiki nich
mais nöthig, sa »Ja: «·":b selbst fis-ji«
nsvxalische und ästkketische Vorzüan it
kescheinigen und für ihn irie sitt sich
Cntschulbigungen vorzubringen
Jhm aber gelang IS nicht, sink) iic
iliåtungen zusammenzustellen nnd
Entschuldigungen zu finden Seine
Einsamkeit gestaltete sub ilim zur sie
b««:chen Qual. ani lam eH wr, als
basse er Conradine, als lönne nnd
müsse er zornslammend vor sie binne
ten und fordern, was si: ihn-. verbeißen
hatte.
Er war überzenat. baß sie anders
aebandeli haben würde, wenn er ein
Mann wäre, ihr gleich an Stellung
unb Vermögen. nicht ihr Beamter,
nicht der von ihr Gerettete. Die De
nrütbiaung fraß an ibm, und wenn sie
ibn lobte und bewunderte —- was sie
mit der Unbefangenheit, welche Frauen
dem Geliebten gegenüber haben können,
da ihnen bie außerordentlichen
Qualitäten desselben über allen Zwei
fel erhaben nnd für jedermann essen
bar scheinet-, sehr reichlich that -—
glaubte et, das Schuldbewaßtsein
spreche aus ihr, sie wolle ihn entschlivii
M.
So hatte jeder Tag einen überreichen
Jnhalt afi Arbeit nnd spannenden Er
regungen, und die Zeit flog nur so
dahin.
Zu Ende August tonnte das Richt
fest der Ziegelei gefeiert werden. Con
rcdine gab den Arbeitern ein Fest und
hatte siir Felix eine Ueberraschung be
reitet.
Man speiste sehr friih an diesem
Tag, Adrian und Phöbe waren gelas
den; nachher wollten die Damen zu:
Ziegelei hinübersahren, Felix und
Adrian dachten den anen reitend zu
begleiten.
Conradine betrat deir Speisesaal
mit einem großen, zusammengesalteten
Papier in der Hand. Sie hatte ein
wenig auf sich warten lassen, und
»Madame mere« beobachtete unterdeß
sehr mißsällig, wie Phöbe sich von den
beiden jungen Männern den Hof ma
chen ließ. Aber weder Phöbe noch die
beiden Männer waren sich bewußt, daß
ihr lustiger Verkehr von irgend jemand
als Kotetterie und Hosmachen aufge
faßt werden könne.
»Ich werde einmal mit Conradine
darüber sprechen müssen,« dachte die
alte Frau, in deren Wörterbucb die
Worte ,,Undefangenheit« und »Harm
losigteit« nicht standen. Sie sah streng
durch ihren Kneifer hinüber und hob
ihr Gesicht wie jemand, der hocbmiitlsig
aufmertt.
Aber die Drei sahen es gar nicht.
Phöbe im weißen Kleid sasz auf der
Fensterbant und hatet ihren Rücken ge- z
gen das Fensterireuz gelegt. Sie rech
nete mit dem Zeigcsinger ihrer Rechten
an den gest-reizten Fingern ihrer Lin-— s
ten Felix dor, bei welchen Gelegenhei- s
ten sie sehr artig und sehr nett gegen
ihn gewesen sei, denn er warf· ihr vor,
sie sei »einiach unausiiel)lich« gewesen Z
seiteiniget Zeit. · I
»Na und schließlich, es ist doch auch
um sich schwarz zu ärgern! Seit Sie
da sind, kümmert Conradine sich mehr ;
um Sie als um Adrian, und die dum- -
me Ziegelei kümmert sie mehr als die ;
Wirthschast auf Callagborgen Undl
daß gerade Jhr hier nost den Thon
finden mußtet, ist doch sozusagen eine
bimmelschreiende Ungerechtigkeit. Wa- ;
um lag der nicht auf Adrian’. Gebiet?
Und wenn er denn schon auf Trebbi:
net sein sollte, warum hat ihn Adrian z
nicht entdeckt? Dann hätte Conradine ’
doch ihn zum Theilhaber gemacht.«
»Man muß seinen Nebenmenscben
auch war- gönnen,« sagte Adrion ver
anüai.
»Ach wag, Tante Conradine hat so
genug, deshalb gönne ich Ihnen mehr.«
Sie trua einen Strauß aeldlicber
Rosentnospen in ihrem griinen Gürtel
nnd nahm nnn die Blumen um sin
schön gefärbte Sinosoe herauszusuchen
Dann legte sie den Strauß neben siai
und sagte:
»Kommen Sie näher heran, "zldrian.
Lln diesem festlichen Tage sollen Sie
geschmi.ictt sein. Oder bab’ ich nicht
zu vertheilen. Aber da. «
Sie befestiate eine Knospe in seinem
Anopsloch Er trat dabei dicht an
Phöbe heran, ihr Kleid berührte ihn,
und die Haare seines Bartes streiften
ihren Handriicken Und plö lich ward
Plköbe verlegen. Sie wu te nicht,
warum. Aber ihr trat, als habe sie
etwas Ungewöhnlicheg aethan, etwas-,
tax-: beinahe aufdringlich und unbes
scheiden wirten mußte, wenn sie eI
Adrian allein that. Wie konnte sie
nur einem so ernsten, wichtigen, auto
ritativen Menschen mit solcher Spiele
rei kommen!
»Den Dahlland, hier. Sie sollen
auch eine haben,« sagte sie und fühlte
mit immer wachsender Verlegenheit,
wie sie dunkelroth geworden war.
Felix trat heran und sah, daß Phö
bes Hände zitterten, das-. ihre Wans
gen glühten, als sie mit viet Ungeschick
eine Rosentnospc an seinem Rocken-f
schlag befestigte.
Und in diesem Augenblick tam Con
radine mit ihrem Dorument in der
Hand in den Saal, sah das Mädchen
mit dem rothen Gesicht und sah die
nnsicheren händr, die an Felix Brust
hantierten. Sie hatte eine peinliche,
schnell aufblitzende Empfindung
Und Adrian steht dabei! dachte sie
und bearisf Adrian nicht. Der aber
hatte Phöbes Errötben nicht mißver
standen. Er ballte die Faust in der
Tasche und auckte an Phöbe vorbei
zum Fenster hinaus-.
Ein miserabler Kerl wäre ich, dachte
er, ’runterschluclen, Adrian —- ’tunter
schlucken. Man freit nicht« wenn man
blos Sorge und Noth als Morgengabe
zu bringen hat«
»Du ließest uns ein wenig warten,«
sprach «Madame mete« in die allge
meine Stille der Berleaenheit hinein,
die gekommen war, Niemand wußte,
woher und warum.
»Ich hatte mich snr oen orohenden s
Regen angezogen, und nun scheint eg,
wir bekommen noch Sonne: da woll:’
ich mich dochein bischen hell und fest-— '
lieh kleiden für die Arbeiters« sagte
Conradine und fand kaum ihren ge
wohnten heiteren Ton. Jhe war, als
habe sie Gründe, bitter zu fein, denn
das blaßlila Kleid hatte sie teinegweas
tet Arbeiter wegen angezogen, sondern
lediglich, weil Lila Felix-' Lieblings
ferbe war.
»Was trägst du denn da mit dir
Lernen's« fragte Adrian.
»EinBlatt Papier-, welches ich Herrn
Dahlland gerade heute bitten möcht-»
zu unterschreiben,« sprach sie, und mit
etnemMale fiel alle Mißstimmung von
ihr ah. Die königliche Freudigkeit, in
welcher sie gekommen war. wallte neu
glücklich zu machen nach ihrer-Meinung
in ihr auf: sie war im Begriff, jemand
—- und in fol n Momenten hatte sie
stets ein Gefühl heller Freude am
Leben.
Sie ging auf Felix zunnd überreich
te ihm das Document.
Jazperson stand ander Credenz ne
ben der dampfenden Suppenierrine
und ärgerte sich, daß er immer noch
nicht aufgeben durfte. Er verfolgte
aufmerksam den Austritt, bei dein
Eonradine ganz seiner Zegnenschaft
vergaß.
Felix nahm das große, gefalteie Pa
pier, dem man seine Eigenschaft als
Aktenstück schon von außen ansah. Er
entfaltete es und las. Alle Augen be
obachteien ihn unverwandt·
Seine Farben erloschen ganz; er
konnte auf eine seltsame, beänczstigende
Art erbleichen, und lange blieb dann
noch auf feinen Zügen der scharfe
Ausdruck der gelkabien Erreguncn
Conradine kannte dass schon an inni,
nnd ihr Herz erschrat, als fie fein Ge
sicht sich so verändern fab.
Er verbeuaie sich und reichte ihr daz
Couvert zurück.
»Ich habe und mach-: teinen Lin
spruch auf ein besonderes Trinlaelb,«
sprach er mit unbezmnnaener Bitter
teit. »Für meine Arbeii, der ich zu
genügen strebe, werde ich anzreicheno
bezahlt.«
Unfäglichen, geradezu törperlicnen
Schmerz in der Brust, rief Conta
Eine:
»Was ich Ihnen arbe, ist doch mir.
was Flian zukommt! Wörmble bat
eg so orgsam erwägen müssen, dafz es
nicht mehr fei, kein bischen mehr, al-.
anen recht und billig ist. Adrian,
lies das —— bitte.«
szldrram ver wußte-, warum es »er
handelte, nahm das Dccument Es
war ein Contract, der Felix eine Theil-«
baberschaft an dem neuenUnternehmen
sichertr. Alles- war aeschcistsmiißig
und gerecht geordnet: von dem Reime
winn sollten erst für Conradinengi
Geld, welches doch das Anlaaecapital
bildete, nach landlausiaem Zinsfuß
Vrocente abaezogen werden: dann
hatte eine Theiluna des Ertraan zu
erfolgen. Doch sollte es Felix wie auch
Conradine freistehen, den Vertrag zu
lösen, in welchem Fall Felir eine
Summe als Absinduna zu erhalten
habe, fin deren Festsetzung ein Drittel
der letztjöhriaen Einnahme, als vier
vrocentiger Zins gedacht, zu dienen
hatte.
»Mir scheint dies ganz selbstver
ständlich Ich meine auch, Felix-. du
wirst von deiner überspannten Aus-«
iassuna zuriictlommen, wenn du dir
mal klar machst, daß ohne dich die
aanze Goldarube da unentdeckt geblie
ben wäre oder, wenns später ’mal ein
anderer entdeckt hätte, Conradine dem
ebenso ’n Document augaesertiat hät
te,« saate Adriam »du bist nervöz,
mein Junge. Heillos nervös in;
allen Dinan, die nicht iustament mit
deiner Arbeit zusammenhängen«
Felix stand stumm und blickte zu
Boden. Ja. der andere hatte gut re
den, der wußte nicht, was für Worte
voll heißen Glücksverlangenz zwischen
ibm und Conradine hin und her ag
sloaen waren --- der wußte nicht, das
sie ihm mehr, viel mehr verbeißen hat
te! Und er konnte somit auch nicht ah
:-e, daß dies aussah. wie eine Abstri
duna. Es wollte lein Wort von sei
nen Lippen. Conradine aber fand tei
ves, ihn zu bitten, anzunehmen was
ihm so erschien. Ihr unrevuldigeå
Temperament gärte in heimlicer Zor
neswallunaen Aber zugleich war eine
ithrnerzliche Bitterkeit in Thr, die dein
Rorn die Kraft nahm. Sie mußte alle
Selbstbeherrschung zusammennehmen
um nicht zu weinen, konnt-e nbkr doch
nicht verhindern, daß ihre Augen sich
still mit Thriinen füllten.
»Lasit uns doch essen«. but Phöbe,
die einfach annahm. die Sache iei nun
abgemacht, weil Adrian sein Wort da
zu gesprochen; »Ja·sverson rnadn schon
ein gräßliches Gesicht-"
So setzte man sich denn imo staz Do
iument blieb aus der Fensterbant lie-—
gen.
Das Gespran inneren Yiorian uns
Phöbe. Sie batte in einem lanonirtl;
fchaftlichen Blatt eine Not-i gelejen,
die den Besitzern von Sandbodcn dic
Anvslanzuna von Sonnentsunnen eisi
psath und malte schon ail die gold
crinaenden Ernten aug, bis Vldrinn
ihr sagte, daß das Klima in Nord
schlegwia leider nicht fiir Son1:.pblu
menzucht geeignet sei· Tsie ncive
Sclbstverständlichteit, mit der sie lich
fort und fort den Kopf zerbrach über
die ijtöalichteit, der. Ertraa »von Col
anboraen zu heben, war Felix ni: so
itierlwiirdia, so schmerzlich aufgeiallen
wie eben jetzt
Er saß mit einem ungliicklichen Ge
iiihl da. Wohl hatte er die Tlsriine in
Conradinens Auae bemerkt und wagte
seitdem nicht mehr, sie anzusehen Er
fühlte auch nach und nach, daf; sein
Benehmen unnöthia gewesen war, daß
es sast theatralisch. ja vielleicht gar
albern gewirkt haben konnte. Aber
die impulstven Thorheiten sind schnel
ler gemacht als zurückgenommen
Diesrnal hals Abrian. Gleich noch
tem Essen lam er zu Felix in dessen
Zimmer nach, legte das Dotmnent aus
den Tisch und sagte lurz:
»Unterschreibe!«
Doch ging er aus ber Stelle hinaus,
mn Felix deutlich zu machen, dass er
sich in keine unnüsen Debatten einzus
laksen gedenke.
Feli unterschrieb ganz hastia, um
spich se ber jedes Vebenten abzuschnei
en·
Dann nahm er einen Briesbogen und
chkiieb darauf: - »Verzeihen Sie mit
r«« .
Er that Doturnent und Briesbogen
in einen Um chlag, ries nach dein Mad
chen und lie es hinuntertragen. »
1ächAlper ihm war nicht leicht und glucts
»Wie seltsam«, dachte er, »daß sie
aleich die Möglichkeit einer Lösung
in’s Auge gesaßt hat.'·
Daß dies von Wörmhle’s Geschäfts
erfahrung vorgesehen sei, oder daß
Conradine dabei den zarten Wunsch
gehabt haben lönne, ihm das Gesiihl
der Freiheit zu belassen, siel ihm nicht
ein. Ueherhaupt schließt man leine
Contracte, ohne gleich die Möglichkei
ien der Lösung zu bedenken. Aber
Felix hatte ausgeht-et bei allem. was
von Conradine lam, logisch zu denken.
Als man sich dann aus dem Hof zu
sammensand, um zur Feststätte zu
sahren und zu reiten, schien es, als ob
etwas Besonderes geschehen sei.
Conradine strahlte. Dies einfache
,Verzeihen Sie mir« hatte sie mit na
menlosem Glück erfüllt. Gerade weil
sie eine Frau war, die es liebte, Laß
man zu ihr in Gefühlssachen viel and
cussiihrlich sprach, lonnte eine gele
aentliche Kürze sehr eindrucksvoll aus
sie wirken. Jhre Phantasie fand eine
reiche Nahrung an so einem lnappen
Wort. Sie wiederholte es in ihrem
Innern hundertmal und in immer bei
s3erer Betonung.
Das Fest verliei sehr heiter. Die
Dorsmusil von Trebbin spielte gräß
lich. Das Bier sloß in einer Fülle,
rsie die Leute begeisterte, und Conta
dine wußte mit jedermann ein leutselii
aek Wort zu reden. Sie siihlte sich
dabei sehr glücklich. —
Sie war eine gebotene Herrscherna
inr und verstand es besser, Menschen
;s. begliicten, die ibr an Stellung oder
Bildung oder beiden untergeordnet
waren, als aus ihres-gleichen harmo
nisch zu wirlen.
Mit Felix sprach sie fast gar nicht,
aber sie hatte ibn immer im Auge, un
bewußt, wie sie die grünen Bäume sah,
die dem Festplatz Hintergrund gaben,
und den blauen Himmel iiber sich. Sie
betrachtete das alle-; nicht besonders.
aber es war immer da siir ihren Blick
nnd siir ihr Gefühl.
Vom Rohbau des Ringosens und
Var den weißen Halsribpen des Dach
stuhlg aus dem Häuschen deg künfti
aen Ziegelnieisterg velnen Fahnen,
nnd eine Krone von Tannenauirlan
den und bunten Papier-setzen baumelte
an einem Stock, wie ein Riesenlöder
an einer Angel. Die Arbeiter in gu
ten Kleidern und die Dorfbewohner
ron Trebbin, die alH Zuschauer ge
toinmen waren und alå Mitseiemde
l-iieben, saßen in Gruppen und tran
tin und tanaen oder tanzten.
Felix besprach mit dem Baueneiiten
Daz- von dem Aufenthalt von der-Don
ksorsschen Ziegeltrerlen siir ibn zu pro
iisieren sei. Felix wollte morgen da
l.in abreisen und vierzehn Tage oder
drei Wochen den Betrieb stndiren
Nach einigen Hin- und Herschreibes
reien batte der Besitzer Felix dies be«
willigt. Diese Ziegelwerte lagen bei
Hannooer, konnten also niemals die
Trebbiner Unternehmung als- Concnri
ienz empfinden. Sie laszen aus einem
toben Brett, dag als Bank diente,
nachdem man es über zwei Sätze von
I-;iegelsteinen gelegt. Hinter ihnen er
hob sich die robe Wand des Häuschens,
i·nd Felix’ Kopf stand gerade vor einer
Fensterböblung
Der Abend begann das Licht auszu
saugen. Der Himmel hatte seine blaue
Farbe verloren, in der Ferne stiegen
Dünste aus.
Die Leute wurden lauter, und aus
dem Weg erschien, langsamsabrend,
das Jsabellengespann, um Eonradine
abzulzolem
Der Baumeister, ein Prattitus, der
fsch vom Maurergesellen berausgearg
reitet hatte, hielt seine Hände zwischen
den weit augeinanderstebenden Knieen
gesaltet, und mit lrummemiluicten da
sitzend, nickte er mit sein-Im runden,
graubaarigen Kopf immer vor sich hin.
»Ja, sa,« sagte er, »das habe ich an
Inir selbst erfahren. Manch einer, der
von haus aus Talent iiir was hat«
lernt slinter, wenn er sein eigener
Lehrmeister ist, als wenn er sich lnnq
an den Akademien ’rumdriiett. Aber
was Sie sind, Herr Dabltand, Sie
miissen geradezu Genie iiir Ihren
neuen Beruf gehabt baben.«'
Felix-, der zurückgelebnt faß, die
hande in ten Hosentasebeii den qut
ein toenig aus der Stirn gessiko en
und die Beine weit ausgestreckt, wie ie
knand, der gerade sehe font ist« sprach:
»Aber ich war erstaunt. mich sobald
mit meinen Aufgaben verwachsen m
fühl-m. Jch war auf«t-m besten We
ge, riesig eitel zu werden« Ader its-it
einmal ging mir ein Licht auf· Ich
will anen lagen: alle Weqe iutjren
nach R-:-n1, dag- beißt, wenn einer zum
Afrilareiienden geboren ist, lernt er
das Nöthige dazu bei eine: Nord-pol
erneditiom falls ihn fett-. icrcndxtWan
vertrieb zufällig zuerst lo eine mitwi
chen läßt. Und das beißt weiter: für
den Beruf, der uns der eiaentlikiie. un
serer Individualität Iemäike ist« ler
nen wir von der Wieae an ums-natür
lich; wir leben nur ba- und merken
uns nur das. mag für Eber einmal dien
lich fein kann. Aber da lieb-. lehr tei
ten ein Mensch iich eins liioli mit fei
nem Beruf, so kommt man aucli selten
dazu, so was zu beobachten Tie mei
ften Menschen arbeiten is bloß »s- le
ben nicht in ibrem Buqu
»Na. und denn, wenn man iiir solche
herrschaft arbeitet!'· rief der Bau-nei
lter. »Donnxsrtvetter, das mal-. einen
ja antreiben, wie mit Damvitrait.«
»Ich bin nicht Herrn Dabllanvö
herrschaft,«« sagte Conrabine hinter
den beiden Männern, »Ver: wahr-ans
ist mein Charmanan ·
Felix suhr herum. Mein-ni, Vsß sk
sich hingeratelt gehabt hatte und so
beobachtet worden war.
Sie stand in der Fensteröiiiiicsig
und hielt mit beiden hönden sh: Kleid
hoch, nm es vor dem Kot-It und den
Holzspähnen zu schützle dsk hoch VM
Ustrich des Neuhauehbedeckten « ·
»Ich bin es erst seit heute." riet Fe
li .
· xConradine fah ihn an und knchik
gkiietlieh Es war, als wenn sie sagen
irvlltc »Na, und nach was sur Wi
derstreben!« Jhr Wesen schlM pVII
einem wahren Uebermuih dursalsihs
sie scherzte mit den Bniimeiiter und
meinte, eigentlich have fiel weiter her
chen müssen, nm einmal ein imabliam
giges Urtheil iihcr sich zu harrt-. Dann
machte sie Felix Jui Den Wagen auf
merksam, der driihen p» r dem Weg, dtt
lehn.ig und tiesspnrig inn- Backe-lat;
führte, stehen get-lieben war. Die Infer
de schienen von dem Lärm ieuiirnmgtpt
iurd die Dämmeruna ward bemerkbar.
der himmel sah schon grau aus-» Es
schien geathen, nah Hause zu fahren.
Auch Feste müssen ein-ital euren
So ward denn Phiitse lxeriicigersrsem
dieniit der größten ilnaeniertheii fes
trohl mit dem Polier als auch mit ei
nigen Gesellen getanzt hatte, während
LEdrian vergnügt aussah Sie wäre
zu gern nah dageblieden und schaute
bit-end zu Adrian hinübe: Aber der
feind leine Ursache, ein Wort dafür
etnzulrgm Der Fuchs braute auf den
Wiesen, und da stand schon zin wei
«-er, zäher Nebel, den der Wagen auf
seiner Heimsnhrt durchschneiden mußte.
»Warum einpacken, Frsiiileir Phö
be!'« rief er besoqu »Aber ·ck-,ön
Weiter haben mir tnIrgeii."
Contadine blieb auch im Wagen
sehr heiter.
F:lir saß ihr nun gegenüber, der
Lljax war am Nachmittag vom Stall
kriecht heimgebracht Diese Heiterkeit
peinigte ihn. Sie mirs-Je eine ringe
nsöhnliche Ursach: habet-. Daß sein
Wrri: »Verzeiht-i Sie mir.« k-ies: svar,
ahnte er nicht; er war zi: unerfahren,
um zu wissen, daß eine solche Bitte,
ern einem geliebten Mann kommend,
ein Weib in einen Jreiivenrauich trin
gen kann.
Gewiß, es- iil Die Vliiiridiedgjfrdlxiichs
trit, dachte er endlich: sie ist erleichtert,
weil Iris ihr für Wei. drei Wochen aus
t;:-." Wege geh-, Jnueivuszt erleichtert.
Mrin Blick mahnt sie nicht mehr i:s.
di: frevelhaer Erwies-L die sie Inii
r:.(inem Herzen ge.rie.:sk:i.
lFortisxumr «s:l.1l.)
Wenn inaii lex-i italienischen For
schiinagreisenden is,iovanni«l.sieibcsiio,
:er Vtufiland in seii«...!. intinisten Sitten
und Branchen kenn-Esi lernte, Glauben
schenken dars, finden die russischen
Frauen der besseren Gefellschafticlaisen
J ein großes- Veraiiiiaen daran, sich vor
ihrem Gatten hin isnd wieder eiisinal
peitschen zu lassen. Die ehelichen »sei
s,elunaen scheinen irn Reiche des Zeiten
T u:-:- ein Zeichen besonderer Zureiauna
cufaefaßt zu werden; je eneraischer die
Geißeluna ist, desto größer ist die Liebe
tes Geißelers. Ein Ehernann, der diese
tsteißelvslicht außer Acht ließe. wurde
als Nichtsthuer, als Taugenichts be
irachtet werden. Melbonio erzählt die
merkwürdige Geschichte eines rufsischen
Kaufmanns, der sich eschästlich nach
Paris begeben hatte. A g er nach sechs-«
rnonatlicher Abwesenheit nach Hause
zurückkehrte, den Kopf voll von der
französischen Civilisation, stellte er die
» eheliche Peitsche als ein mittelaltertichez
; unserer ausgetlärten eit nicht niehr
würdiges Instrument in die Ecke. Aber
» sein Weib dachte anders darüber. Vet
aebens versuchte er, der untröstlishen
Frau begreiflich zu machen, daß daZ
Gewissen und das ; artgefiiht ilun reri
böten, ihr Zärtlich eits eweise der e
wvhnten Art zu geben; die Frau wo te
von Vernunstgriinden nichts wissen.
Die häuslichen Zantscenen traten nun
so häufig ein, daß der Mann schliefztich
die Geduld verlor und sein Weib mit
dem Spazierstoct schlug. Die Ver
wandten und die Behörde mußten sich
eininischen; der arme Ehemann wurde
ror Gericht citirt. »Weshalb habet-«
Sie Jhr Weib aeschlaaen’t" fragte de
Friedensrichten »Weil ich sit-. ficht
reitschen wollte,« erwiderte der Gi.tte.
Aber der Richter sagte mit aller
Strenae: »Ein braver russischer Edel
itkann darf die guten nationalen Tra
ditionennicht außer Acht lassen. um
dcfur Sitten anderer Länder ein cis-ih
ren. Als Sie Jhre « eau heimf· brich«
haben Sie diese lei ten übernoininek,
welchen Sie sich nicht ent ie n tönn .
Erfullen Sie in Zu unst ie e Pflichxii
regelmäßig und ziehen Sie inFrieden.«
s
Ueberraschung. Maine-. sdie singe
wesen): »Nun, Hänsdxm war Jemand
i da?«
hönschem »Ja, ein ganz lomiicher
Mann, der seine Visitenlarte auf alle
Möbel llebte!«
sit Ä f
I
Einer Touriitengesellschait in der
föchftichen Schwei hatte sich ein Berli
ner Handlungsreifender angeschlossen,
der bald das große Wort führt und sich
durch seine »Witze« lästig macht. Plötz
lich wird der Himmel durch schwere Re
genwollen verfinstert· «Na, wat
meenen Sie, meine Herrschaften«, tagt
der Berliner, ,,det wär'n Ver nii en,
wenn wir jetzt fo’n tleenen ol en
bruch triegtenl« — »Mein lutites
görrichen.« entgegnet ein biederer
schie, »das wär’ wirklich gar nicht
so schlimm; da brauchen Sie bloß den
Mund recht weit auszumachen, da geht
Sie bequem alles rein."