Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 01, 1898, Sonntags-Blatt., Image 12

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    184 8.
Ein weltgeschichtliches Drama
Von Johannes seh-m
Wes-wo
»Die Deputirten eilten aus den Burg
plasz hinunter. Scherzer ertletterte
dort einen Gastandelaber und rief
in die wogende Volksmasse hernieder:
,,Metternich ist gestürzt, ist sort!« Das
sagte alles oder schien wenigstens alles
zu sagen. Ungeheurer Jubel brach
aus und wälzte sich brausend aus der
inneren Stadt nach den Vorstädten.
Die Bürger Wiens illuminirten und
auch die Proletarier der Borstädte il
luminirten; nämlich in ihrer Weise,
indem sie die Verhaßten Mauthäuser
an »den Linien niederbranntem Noch
in der Nacht fand die nochdiirstige
Organisation und Bewassnung der
»atademischen Legion" statt, die ihren
Namen unausslöslich mit »der Geschichte
Oesterreichs im Jahre 1848 verknüpft
bat. Die »Aula« wurde das »Hotel
de Ville« von Wien.
Sieg der Revolution.
Der Metternich war fort, aber die
Metternichtigteit war noch da und die
Kamarilla, welche sich nicht erst seit
heute oder gestern um die Erzherzogin
Sophie sher gebildet hatte, was des
Dafürhaltens, jetzt, da sie obenausge
kommen, es sei alles gut und weiter
nichts mehr zu thun, als dafür zu
sorgen, daß die im Verlaufe des 13.
März gemachten Bewilligungen über
sdie Bedeutung Ioon Scheinkoncessto
nen nicht Hinauswiichsen Alle diese
Damen und Herren hatten ja von
der Laroinen- Natur einer Bewegung,
wie die des 48er’ März eine gewesen
ist, gar teine Vorstellung Für sie
handelte es sich auch am Morgen des
14. März noch nur um die Beseiti
gung eines Straßentuuvalls«. Der
Fürst Windischgrätz, ein siebensach
potenzirter Junker - Ossizier, sollte
das besorgen.
Allein die Lateine war trotzdem ein
rwal irn Rollen, und als man in der
Hofburg die iwidertvilligen Ohren dem
Gerolle nicht mehr verschließen konnte,
gab man sosott zaghast nach. Kein
Joeiseh das Ausschlaggebende ist ge
wesen, Daß das gesammte Wiener Bür
gertburm auch in solchen seiner Schicks
ten, swo Vernunft und Freiheit sonst nicht
weniger verhaßt waren als in oen Hos
treisen, über Nacht liberal und reform
lustig geworden oder, dem unwidersteky
lichen Zug der Tagesmode folgend, we
nigstens so that. Es scrb sich unendlich
lächerlich an, wie alte und jun-ge Hof
räthe, beschnittene und unbeschnittene
Banklxerren arn Morgen des 14. März
nach dem biiogerlichen Zeuglrjause keuch
ten, um sich in die ,,Naiionalgaroe« kin
registriren und für «Kaiser, Freiheit
und Vateoland" irgend einen rostigen
Schießptügel auf die Schultern legen zn
lassen. Allein oon den Fenstern der
Burg aus gesehen, hatte dieser massen
has-te Zudrang zur »Volksbswassnung«
nichts Lächerliches, sondern etwas Ve
dwhliches, etwas so Bedrohliches, daß
man gar nicht wagte-, von den Streit
triisten an Linientruppen Gebrauch zu
machen, welche in dichten Schaaren aus
den Glacis lagerten.
Frithmorgens hatte man das aller
dings beallsichtigt und bis nach Mitte-;
an ldieser Æcht festgehalten Sonst
wäre es ja unertliirlich, wie man um
3 Uhr eine Betanntrmchung ausgehen
lassen konnte, welche von Seiten der
Wiener nur als Drohung und heraus
forderung gedeutet werden konnte, die
Mnnnnachung: »Der Kaiser hat be
schlossen, zur Wiederherstellung der Ruhe
dem Fekdnrarschalllieutenant Fürsten
Windisckzzrätz alle nöthigen Vollmachten
zu übertragn und ihm alle Civil- und
Militäran itiiten zu nnterordnen«
Ins Wahrheit aber hat-te der arme,
gute ,eingeriegelte Kaiser Fetoinand
etwas ganz Arderes beschlossen als
mein iihn da sagen lief-, Er hatte be
schlvsstst »Ich lass sit schießen !« Es
suchte auch. smeit es in seinen Kräften
stand, diesem seinem Boschlusse Geltung
Du verschaffen urd may- durste seine
Stimme doch nicht ganz überhören, da
wie die Sachen Wen-. ldsie Fiktion pon
W MMK schlecht-W sucht
arm bei Seite Miit werden konnte
ES ist dann auch wirklich nicht ge
schossen wowm Jedoch wurde der 14.
März in Lauter kläglichen Halbheiten
verzettelt, bis Dann noch am späten
Abend richtig eine ganze Dummheit du
taus geworden ist
Die Mittag der Stadt hatte ge
gen WM zu, nachdem die erwähnte
Munth ruchbar geworden, eine
Mist-what drohende Haltung ange
Wmen. Dichtgefchaarte Massen um
Mn die Baug. Das revolutionäre
M vollzog in Beste-It von Ländern uns
W feine Evicheirruwg Unauf
Isctlich Mär-gen die tauckewdstimmigen
III-sc »Presßfteiheit!« »Nationalgatde!«
OMMMP cm die Mauern des Pa
MQ Im Prätpttmn, in der Anla,
Æwsichakcenwzueimm
Mosca-e- Deuveil hatte das Hir
und Herparlanrentioen zwischen der
Burg und ider Stadt immer seinen
Fortgang Nach Einbeuch der Nacht
gab einer Abordnung, an- deren Spitze
die Herren Engel und Art-habet standen,
der Fiirst Windischgrötz die Versiche
rung, am folgenden Tage würde dem
Volke alles Geroünfchte gewährt werden.
Etliche Stunden nachher wurde in den
von Bürger- und Studentenpatrouillen
durchzogean Straßen —- es klingt un
glaublich dumm — ein Platat angv
schlagen, das höchst latonisch Wien in
Belagerung-www erklärte.
Im Laufe des Vormittags des 15.
März schlug aber im Palaste die Wi
derstanpsstimmung welche frühmorgens
herrschend gewesen« wieder um. Haupt
säckxlich in Folge eindringlicher Warnun
sgen und Besangen, womit insbe
! sondere die Erzhersogin Sol-hie bestürmt
wunde. Es muß eine michsame Arbeit
gewesen sein, die Erszherzogin und ihre
Illmgodtmg von der unausweichlichen
IRotlyoendigteit der Gaviihrung einer
» Constitution zu überzeugen.
s Zunächst versuchte man noch, das
; Vrrhaßte abzuwenden und die Möglich
iteit, des Absolutismus siisze Gewohn
f heit zu retten, zu erproben, ein altherge
i brachtes dynastisches« Hausmittei. Se.
staiserlich königlich apostolische Mase
stät sollte ihren geliebten Unterthanen
sich zeigen. Vielleicht, daß dann der
loyale Jubel alle unliebsamen konsti
tutionellen Forderungen verstummen
I machte. Dies ist der Sinn jener Um
s fahrt, welche man Vormittags den gu
ten Kaiser Ferdinand im offenen Wa
gen machen ließ. Doch auch hier, wie
so häufig im Leben und in der Ge
schichte, bewahrheitete sich Mephisto-?
Woriz »Ihr glaubt zu schieben und
werdet geschoben«. Der kaiserliche
Kranke wurde aus seiner Fahrt mit ei
nem unendlichen »Bioat Kaiser Irr-di
nand, der nit schießen läßt l« begrüßt
und von den Vollsmassen dermaßen
mit ZärtlichteEten überschüttet, daß er
bei seiner Heimtehr in die Burg bis zu
Tbränen gerührt war und entschieden.
soweit er entschieden sein,tonnte, er
liort haben soll, »ein so gutes Volk,
welches ihn so sebr liebe, müsse halt
auch die verlangte Constitution haben.«
Demnach wäre die kaiserliche Aus- und
Umsahrt zum Gegensatze von dem aug
geschlagen, was die Veranstalter der
selben« damit bezweckt hatten.
Noch andere Motive drängten einer
Entscheidung zu. Gegen Mittag traf
der Palatin von Ungarn, der Erwer
,;og Stepham in der Hosburg ein, einer
Aoordnung des ungarischen Reichsta
ges vorauseilend, an deren Spitze Kos
sutb und Battbyany standen. Der Erz
herzog Stcphan galt für einen weißen
Raben, d. h. siir einen »liberalen Erz
l«,erzog. Jedenfalls besaß er Scharf
blick genug, um dir Sachlage klar zu er
kennen. Er machte daraus aufmerk
sam, das-. bei der unverkennbar ent
schlossenen und drohenden haltnng
der Bevöikcrung Wiens ein längeres
Zögern Alles aus Spitze und Knops
stellen würde. Zwar machte die Par
tci in der Hofburg noch eine letzte An
stren , Alles beim Alten u las
sen«, als sie damit nicht aufzukom
men vermochte, fing sie ein wahrhaft
läppisches seilschen und martten um
das entsehliche Wort »Constitution«
an. Es sollte in dem zu erlassenden
taiserlichen M«anisest genannt und doch
auch wieder nicht genannt werden. Man
einigte sie; dann, nicht »constitutionelle
Gestaltung« und auch nicht Konstitui
:ang«, sondern «Constitution des Va
, terlandes« zu sagen, —- ein möglichst
" dummer Ausdruck.
Ein Herr Lock bat sich gerühmt, das
Consiituticnsmanifest in der Hofburg
niedergeschrieben zu haben, und zwar
vom Grasen Hartig——(»et tu, Brute?«)
—— dazu aufgefordert. Dieser Entwurf
sei dann von Kolowrat durchgesehen
und Nachmittags von der Staats-con
fcrenz angenommen worden. Das
Ding ist übrigens wunderlich aus
Schrauben gestellt und entsetzlich
schlecht stilisirt.
Eine halbe Stunde später trat ein
lusserlicher Herold aus dem Haupts-or
tale der Burg, um der barrenden Men
ge das Manifest tundzumachen. »Wir,
Ferdi-and der Erste, haben nunmehr
solche rssligung getroffen, die wir als
zur Erfüllung der Wünsche unserer
treuen Völker erforderlich erkannten
Tie Preßsreiheit ist durch meine Erklä
rung der Aufhebung der Censur in
derselben Weise gewährt wie in allen
Staaten, wo sie besteht. Eine Natio
nalgatde, errichtet aus den Grundla en
des Besises und der Intelligenz leiäet
die ersprießlichsten Dienste. Wegen
Einberufung der Abgeordneten aller
Provinzstände und der Central-wagte
gation des lembardisch-venetianischm
Königreichs in der möglichst lürzesten
Frist mit verstärkter Vertretung des
Bllrgerstandes und unter Berücksichti
sung der vest den Provtnsiclserk
nssung zum Be se der von uns Ie
Cvnstitution des W
des ist daf- Röthige verfügt.« -
Abends schwamm die ganse W
in einem Licht- und Juselrneet THO
leicht sind die alten Kinder. die W
mittels Wortspielzeugs zu entzücken.
Und auch in die nächstfogenden Tage
reichte die Feststirnnrung hinein. Die
Büreerwehr und die Studentenlegion
sorg en eifrig und ersolgreich sitt die
Aufrechterhaltung der ernunn. Aber
doch begann die Deiterleit des hori
zontes schon am 1. April sich zu trü
ben ; denn die Widerhaarigteit der Völ
lerelemente, aus welchen Lesferreich
zusammengeseyt wor, ließ sich nicht län
ger hinter Verbriiderungsphrasen Ver-«
stecken.
Das ist schr bald widerlichst offen
bar worden. Am 2. April wurde die
schwarzrothgolrene Fobne auf dem
Routine von Sanc« Stephan ausge
pslanztx aber in Pug, ider Hauptstadt
eines- deutschen Bundeslandes, war
schon tein Deutschen welcher die deut
schen Farben trug. vor Beschimpfung
und Mißmndlung sicher. Die Mii
qlieder der ,,Swornost« stolzirten ou
im Hochqefühle slavischer National
tracht und eines Tages sagte einer der
Chorsührer des Czechenthumä der
Publizist Mwliczeh aus der Straße
zu dem deutschböhmischen Poeten Mo
ritz Lartmannt »Ja, wir sind lieber
russische Leibeigene als freie Deutsche.«
— »Den-s ich von diesen Worten Ge
brauch nuchen?« —— «Sagen Sie es
der ganzen Weli!« Das war wenig
stens deutlich und ehrlich gesprochen
Andere Czechen und sonstige Slaven
verslleideien ihren Haß gegen das
DzutschtiunI noch eine Weile in Trei
heitspårasem bevor sie offen zur er
götterunq des Czarisiimus sich belanni
ten· s
Fernhin freilich wars vie Wiener
»Nevolution« einen ungetrübten ro
tthen Freudenssbein Jn Paris war
gerade eine Sitzung des Arbeiterer
ments im Luxemburgvalaste zu Ende,
als- dieser Freudenschein daselbst aus
ging. Der Vorsitzende, Louis Blank,
hatte bereits den Saal verlassen,
lehrte aber mit freudestrahlendem Ges
sichte in denselben zurück und rief aus:
»Kommt, meine Freunde, ich habe euch
eine große frohe Botschaft mitzuthei
len. Ich ersahre soeben von meinem
Collegen Lamartine, daß Oesterreich
in voller Revolution ist.« Schallender
Zuruf von allen Seiten: »Holt) die
Republitl Hoch die allgemeine Re
vublil!'« Der National« stimmte ei
nen Jubelpsalm an: — »Metter"nich
ist besiegt und mit ihm der Allwis
mus des Nordens, das letzte Bolhrert
des Absolutismnä Jn der Möon
tion Von Wien begrüßen »wir das Mar
girrotb ver Besreiung Deutschlands-,
und du« oh Pola-Hirn bleiche Schein
todte, steig’ aus der Nacht deine-Z Gra
bes empor!«
Die Geographie, welche französisch
leichttveg Wien nach dem Norden ver
setzt, ist zwar in diesem Ausruse nicht
sehr correct; aber man hört aus dem-— .
selben heraus den Herzschlag jene-.
wunderbaren Mätztage, wie sie wohl
in einem Jahrtausend laum wiederkeh
ren werden. Wer jenen Frühling nicht
miterlebte, vermag sich nicht vorzustel
len, tvie er geglänzt und gebliiLJt hat«
die schönste aller Jllusionen, welche je
mals Europa hinleuchtete. Fremd,
seltsam, unverstanden klingen die
Stimmen jener Tage in unsere ent
täuschte, ernüchterte und vergemeinerte
Zeit herein, wie aus einer Welt« die
schon weit, weit hinter uns persunken
und verschwunden ist. «—
..-... N
Die Nevelnttsn tu Berlin.
Hin Gottes cui-dem
»Nun werde ich wohl nach
Berlin müssen. «
—- l
Frieorich Wilhelm der Vierte tafeltcl
im Schlosse zu Potsdam, als Die Bot
schaft anlangte, Wien wäre im Aufruhr
und der ,,Nestor confervativer Staats
weisheit« auf der Flucht. Der König
legte Messer und Gabel hin und sagte
»Nun wekd’ ich wohl nach Berlin müssen,
damit sie mir dort nicht auch tolle Strei
che machen.« .
Es war Das teine Redensart, es war
ein Ueberzeugungswort Denn Fried
rich Wilhel lebte und wehte ja in der
Atmosphäre eines romantisch-mystischen
Königthums« welches die Herren Jana
wip, Jarcke und vie übrigen Heiligen des
»Poliiisckyn Wochenblattes« ihm fünft
lich zurecht gemacht hatten. Er glaubte
demnach aufrichtig an die Allmacht feiner
Persönlichkeit und war überzeugt, seine
Amesercheit in Berlin würde vollständig
genügen, jedes auffällige Revolutionsm
liiste niederzuhalten. Zwar könnte man
meinen, daß ein Christ par excellence,
was der König zu sein sich rühmte, einem
so hoffährtigen Gefühle von Omnipotenz
nicht hätte zugänglich sein sollen
So blieb Friedrich Wilhelms roman
tisches Allmachtsbewußtsein unverfehrt,
bis es in der Nacht vom 18. auf den 19
März jenen furchtbaren Stoß erhielt
vor dem es jählinas zusammenbeach
Als am 28. bruar um Mitta die
Nachricht nach rlin tam, daß in aris
die Miit ausgerusen und Louis Phi
lipp m einem Fiater tntflohen sei schrieb
gute tedrich Wilhelm an Alexander von
mbold: »Latsen wir d« eeechtigp
keit Gottes tn Stille walten-« Prinz
von Preußen. der später Kaiser Wilhelm
der Erste, bin W und W
Zins-MI- riu Zau- NR its mu
t, : « « « ,s
Vatrikadengesallmdaiislinderdrdi
nu " .
käm Prinzen, als· du Stan
des preußischen Iliilitiirgeistes.f mußte
alles constitutionelle und parlamentari
sche Wesen höchlichst zuwider sein. . Daß
ihm vollde jede revolutionäre Regung
als ein abscheuliches, rilcksichtslos zu be
strafendes Verbrechen erscheinen mußte,
liegt aus der hand. Aus dieser Ueber
zeugung heraus hat er. der, wie gesagt,
kein Schöngeist und Romantiter, lein
schwankener Rohr. sondern ein Mann
war, nicht nur geredet, sondern auch ge
bandelt Darum veuvars er von Anfang
an alles, was den demokratischen Gedan
ken Verriet-h, wie Volksbewasfnung all
gemeiieg Stimmrecht deutsches Parla
ment mit EntschiedenheiL Aber seines
Vaters echter Sohn, hatte er die nüch
terne Anschauung Friedrich Wilhelm des
Tritten geerbt und besaß eine gute Do
fig praktischen Verstandes. Dieser sagte
ihm, Daß in einer Krisis« wie sie in Folge
der Ereignisse in Frankreich auch in
Preußen eintreten könnte und vielleicht
müsse, so ein mystisch-romantisches
Ding von Königthuni, wie sein Bruder
es sich vorstellte und zu besitzen wähnte,
nicht ausreichen-d sein würde ; sowie, daß
die Leute, aus welchen der Mehrzahl
tach ms Ministerium zusammengesetzt
trat, diese Eichhom Savignn, Thiele
und Consorten nicht das Zeug hätten, in
einer solchen Krisis zu handeln, wie ge
handelt werden müßte, damit die Krone
von Gottes Gnaden unbeschädigt »und
utbemakelt bleibe. Ueberhaupt solle
man. meinte der Prinz ganz richtig, nicht
unrcrkereitet die Ereignisse an sich
herankommen lassen; ebenso, daß man
der Mittel, die man bei der Hand hätte,
sich bedienen müßte. um die Gewalt des
hetandrohenden Sturmes zum Voraus
zu brechen. Deshalb hat er denn auch
der- Kiinig erinnert, die Verabschiedung
der versammelten Ausschüsse des Verei
iigten Landtages böte eine gute Gele
genheit, die vorn Lande gewünschte
ViIrgschast fiir die regelmäßige Wieder
lebr der Sitzungen dieser »Reichestlinde«
zu aewäbren und lundzugeben
»Warum ?« entgegnete Friedrich Wil
helm. »Wer darf mir etwas vorschrei
ben? Niemand soll mir Forderungen
machen. Jch fürchte nichts-. Ich bin
eine geheiligte Person«
Gegen ein so superlatiwromantisches
Persönlichkeitsgefiibl war natürlich mit
(i«ri·i::den des gesunden Menschenverstan
::5 nicht an- uird auszutommen
Jn den Reihen der preußischen Bit
reaukratie verbreitete oer erste Schreck
übr die Pariser Explossivn eine völlige
Verbieiterung. Allein der in fiel-einsi
tige Steifleintvond eingewieieite Dünlel
org Mandarinenikhumg an der Sprec
trat Doch nicht so leicht zu beugen wie
dir wohllebige Jndolanz des Manda
rinenthnrns an der Donau. Noch Ueber
rvinTung des ersten Staunens und
Schreckens über die »Monsttositäten«
ccrn 24. Februar richtete sich diese:
Düniei wieder lerzengernoe auf "«1no
that so vornehm, daß er sich bis zu Er
innersunaen an vie ,,Cainpagne in der
Champagne« von 1792 verstieg und wohl
gar von einer Wiederholung dieses kläg
lixtxen Kreuzzugek für Thron und Altar
rhantæsirtr. Der Herr Minister von
B:delsfchwingh — derselbe, welcher sich
sur-längst bei einem Jveckessen von einem
altcn Enthirfmsrner von hofwth den co
Zrssalen Schrneicheleisllnflath hatte in’5
forcht hauen lassen: Mnftig wird
man nicht nur auf Messclppingm son
dern auch auf Bodelfelpvingen sich er
heben« — der Herr Minister von Vopel
schtvingh warf lässig die Awßetnng hin:
»Ich dense, binnen vierzehn Tagen lassen
rrir nxarschiren« —- urw am 2. März
sprachvas Regierungs-Man die Umge
meine preußiiche Zutung inr Ma
len neunmabeisen Mlton ihr Ver
dammququ über sdie Februar
Rwolutsiorr welch-. wie sie meinte, nur
qui zwei Motiven beruhte, auf »Un
treue« und ,,rohrt Mk. Weiterhin
wurde sehr zwei-sichtlich erklärt, daß die
Großmächte keine Verfehung der Ver
träae von 181.5 dulden W
Allein mit dem bodelschwinghischen
»Manschirenlassen« schien es poch« nicht
sit-it zu eilen, da der Smatjgeitung zu
solae die Regierung usern war von dem
Gebot-ten einer Einmischung in die in
neren Angelegenheiten Frankreich’s«' und
sich einstweilen begnügen wollte, »mit
scharfem Blick den Bewegungen dessel
ben zu folgen-« Sodann konnte die
Neunmalwekse doch auch nicht mal-im die
ymiseinde Fvage zu thun: »Wird die
Rerolution auch anders-do neue Trium
vlze seiern?", tröstete sich aber sofort wie
der damit, daß »unser deutsches Vater
land durch zwanzigjiihrige schmerzliche
Erscrhrum gründlicher als irgend ein
ask-derer Theil Europas über die Ge
schenke der sranziisischen revolutionären
Freiheit belehrt ist«
Verblei- det.
Sie haben Augen und sehen
nicht·
— Ach. es giebt Augenblicke im Völler
l—:ben., wo selbst eine unschlbare könig
lich preußische Staatzzeitung dem Jrrs
thum näher ist als der Wahrheit Denn
sdas arme deutsche Vaterland stir wel
ches die preußische Allgemeine nicht ein
mal so zärtlich besorgt ich zeigte, war
swie die Vorgänge in ittsvesideutsckp
I
lapi- en, bintichtlich der »Seid-Mk
der fta chen rewintioniiren Frei
. t« in anderem als staatszeitnnglichem
nne «belchrt«s und gerade 24 Stunden
besser dktt Miter Regierungs-kam ge
sprochen hat-te die Mution sogar icn
taxtkschen Palaste zu Franl utt am
Main einen »Trium«pth« gefeiert. Denn !
ain l. März erklärte ja der Bundestag
das Unechörte, daß er Alles aufdieten i
wende um fitr die Förderung der natio- .
traten Interessen und des nationalen
Lebens zu sorgen«, und verkündete feier- -
lich: »Dentschlartd wird und muß aus
die Stufe gehoben wenden, die ihm un- «
ter den Nationen Europens gebührt i«
Die Botschasten von den Wirkun
gen der Februarrevolution im stids »
westlichen Deutschland machten die»
wieder gesammelte Berliner Selbstge- J
fölligleit doch einigermaßen stutzig »
Zwar die Mandarinen der höchsten
" fanden eg unter ihren;
Rndpfem um dieie Zeichen der Zeit
sich zu tümmerni im preußischen
Staat war ja Alles nicht nur vortreff
ich bestellt, sondern auch geradezu un
verbesserlich. Um billig, ja, um nur
gerecht zu sein. muß man auch aner
kennen, dasz viel Schein siir diese An
lschauung sprach. Tie preußische
YEtaathechanit war ziveifelgohne in
guter Ordnung Die Finanzerei wurde
.mit Redlichkeit geleitet die Verwal
It11na mit Genauigkeit geführt, die
iJustizpfleae galt für unabhängig und
s sellst dad dunkelmännische Wüthen
seines Eichokn und seiner Mitfrom
; men hatte Preußens Nimhus, der
s »Staat de: Intelligenz« zu fein, noch
snicht ganz zerstört Fügte man zum
: Stolz auf diesen Schein noch die Be
jiruhigung welche der Grundsatz das
EBolt sei schlechterdings nur willenlo
lfes Futter der Staatsmaschine, an
Z die Hand gab, fo konnte man sich un
s schwer erklären, daß die Minister
» Friedrich E Wilhelm’s des Bierten
Iwiitintem in Preußen sei nichts zu
iändern und zu bessern, weil schon
IAlles möglichst gut sei. Allein in
Kreisen, die sich zu dieser Höhe man
datinischen Staatsbewußtfeins nicht
zu erheben vermochten, ia mitunter
selbst in ariftotratischen und hureau
tratischen Kreisen war man von sol
cher Befriedigung und Zuversicht weit
entfernt.
Wie hätte es auch anders sein tön
nen? Menschen mit sehenden Augenl
und hörenden Ohren mußten ja Alle so
fühlen und denken, wie der Fürst von
Karolath in leidenschaftlicher Etregung
zum Varnhagen sprach: -—--«;., »Es wird
auch hier losgehen Es ist bei uns der
Yäßlichfte Zustand, das ganze Land lei
t, alles wird derwahrlos’t, man re
giert nur scheinbar, jeder Beamte dentt
nur an sich, wie er sich inGrund setze
und vorwärts komme, die Minister sel
ber kennen und sehen nichts mehr, al
Les ist Schein nnd Trug ; in dem Tun-«
tel und in der Ueppigteit ihrer hohen
Stellung vergessen sie der allgemeinen
Kochlfahri. die von allen Seiten schuf
s los preisgegeben ist. Bleiden die gerech- s
; Leu Forderungen des Volteg noch län
s aei unerfiillt, so werden sie gewaltsam
Ia ausbrechen und was dann solgi, ist J
l
nicht abzusehen Niemand waat dem.
Könige zu sagen, was bevorsteht, nie
mand ihm die falschen Vorstellungen
denen er folgt, zu berichtigrnA l
t
Gewitter-worein
Der arme Mann fängt an.
—
Der Classe der Höchstbesteuerten an
zunehören ist obne Frage eine gemach
liche Sache. Unter Umständen tann es
sogar eine Verdienstliche sein« llnruhige
Köpfe, welche teine Aussicht haben, je
mals im Gebeimriitbeviertet oder im
Commerztenräthequartier in Berlin zu
wohnen, sind sreilich der Ansicht, Ier
am höchsten, d. h. am schwersten Be
steuerte sei überall und allzeit der »ar
me Mann«, das Volk; allein solche si
ttanzpolitische Ketzereien sind ein für
alle Mal in die schwarzangestrichene
Region der «destruetiven Tendenzen«
zu verweisen und gegebenen Falls zu
mußregeln und zu bestrafen. So ge
tniichliche und verdienstliche llntertha
nen- nun aber die Mitglieder Der höch- »
sten Steuerclasse auch immer sein mö- i
gen und unter Umständen wirklich sind, j
schwerlich dürfte zu bestreiten sein, daß,
falls es keine niedriger Besteuerten
gäbe, wir statt aus Eisenbabnen zu fah
ren noch das malt-ursprüngliche Glüctl
Patien, aus allen Vieren berumzulaus !
en und mit unsern Vettern und Bas
sen, den Aefsen und Aesfinnen gemilchte
Eisen einzugehen
Alles gute, schöne. große, alles, »Ja-:
die Menschen-Bestien zu Menschen-Men
schen achte, was die menschliche Gesell
schaft baute und erhält, ehrt unt
schmückt, alles kam vom armen Mann.
nur vom armen Mann, immer und
allerorten.
Demnach kann es auch aar nicht be
srernden, sondern muß es völlig regelrecht !
befunden werden, daß nicht die herren!
Geheimen- und Eommerzienrätbe in
Berlin .«a-nsingen«, wohl aber die »Mi
linarischen Existenzen«, die Walther von
habenichts. Jemand mußte doch anfan
xn fintemal allen neunmalweisen
taatszeitungen der Welt zum Trotz
dieses anfangen nun einmal eine weltge·
ichichtliche Notwendigkeit war.
Angefangen war also-. Aber zu
welchem Ziel und Zirke- ? Das ist leich
ter gefragt alt beantwortet; denn man
sollte doch meinen, dcse Menschen welche
seine Resolution archeberu wissen must-,
; wage und was sie damit wollten
: Wahrgeit ist, daß dies in Berlin
Riernand neu te. Eine mittler-breitete
Unzusriedenheit mit der staatlichen Bd
kirchlichen Romantil des Königs U
; dem Willliltreginiente seiner Min r
; war allerdings in den gebildeten C en
schon lange vorhanden. Das Experiment,
s mittels Ausführung der Vereinigien
s Landtags-Passe diese Unzusriedenheit zu
» beschwören, war mißlungen. Die Let
- den des hungerjahres 1847 hatten in
i den ärmeren Classen der hauptstädtischen
Bevölkerung die Verstimmung zur Ver
bitterung gesteigert. Der unwidersteh
E lich-mächtige Lustdrucl, welchen die Pati
ser Explosion verursacht hatte, ballte
auch in Preußen die dunstige, dumpfe,
schwüle Atmosphäre, zu Gewitterwollen
zusammen. Die Botschasten aus Sid
« westdeutschland und vollends die aus Oe
sterreich thaten das übrige. Wie, Berlin,
die «MetropolZ der Jntelligenz«, sollte
Karlsruhe Stuttgart und München«
sollte gar Wien nachstehen? Was-, die
Preußen allein sollten jetzund, wo es
draußen lyageldichh wolkenbriichig »Er
rungenschasten« regnete, geduldig unter
dem Zioangsdache des Absolutismus ste
hen und sitzen bleiben. um nichts don die
sen Freiheiten abzubelommeH Mit
nicht-us Die Wen soute sehen, daß auch
wir »Demonstrationen« machen können
und an Adressenversertigungswutd lei
nem Volle der Erde weichen.
Der Wendepnnttstag.
An demselben Montag, idem 6.
März-. anwelchem der König Morgens
im kreißen Saale des Schlosses geredet
Patie, warte Abends in einem der so
gen. »Zelten« im Thiergarten ausei
ner anderer-. Tonart gesprochen. Junges
Voll —--- altes fängt nie an, ist Viel zu
llug und schlecht dazu —-— hatte sich da
zusandmengetham Studenten, Kommis,
Handwerker, um eine » dresse der Ju
gend« anzuregem zu entroersen und zu
berathen, welche, an den König gerichtet
werden uno »von dem in Berlin herr
schenden Geiste Zeugniß ablegen sollte.·«
DieE der entbryoniiche Anfang der be
lamiten, von Tag zu Tag an Fbl und
Bedeutung wachsenden Volks-ver
saminlucg bei den »Zelten« und somit
auch Der Anfang der Berliner Marzie
volu:ion.
Sie waren ein seltsamer Mischmasch
von gemiithlicher Kneiperei und imme
visirtem Parlamentarismus, diese Ver
sammlungen mit ihrem zur Redner
biihne umgewandelten Orchestcrgestell,
ihren neugebackenen »Volksre:mern«
und altgebackenen Sammeln, ihren sau
ren Gurten und saueren Schlagwors
ten, ihrem zahmen Weißbier und wil
Den Insel, ihren mißdustenden Knab
lauchwurstØWeibern und schlechtinb
gen Cigarrensungen. Man muß aber,
diese komischen Zugaben bei Seite ge
stellt, Fuge-den« daß sich das Berliner
»Volk« in dieser »Schule der Freiheit«
anständig und anstellig genug betragen
hat. Das eben weiß die alte und erpi
junge Zauberin Libertas zu mitten, da
ihre bloße Erscheinung selbst rohestell
Geriiüthern eine gewisse Scham und
Scheu einfliißt, eine Selbstachtung,
welche das gemeine im Menschen bannt
oder wenigstens zeitweilig niederhält...
Am 7. März lam bei den Zellen eine
Allgemeine Adresse« zu Stande, welche
die »Forderungen des Voller-" also sor
mulirte: ———- l) Preßsreiheit, 2) Rede
sreilseit, Z) Amnestie für alle politischen
und preßlichen Vergehen, 4) freies Ver
sammlungs- und Verein-recht, Z) glei
che Berechtigung aller ohne Unterschied
der Religion und des Besise5, 6) Ge
schworenen-Gerichte und Unabhängig
leit der Richter-, 7) Verminderung des
» stehenden Heere-s und Volksvervask
nung, 8) allgemeine deutsche Volksver
tretung und 9) schleunigste Einberu
suixg des Vereinigten Landtage . .. Ein
sonderbarliches Durcheinanzer, stir
wahrl Diese durch eine Deputation an
den Monarchen zu dringende Adresse
forderte bereits die beriilnnte »die-leite
demokratische Grundlage«. zeugte se
doch zugleich auch von dein weltberühm
ten deschräntten Un«tertl«,:nenveritan « «
denn im gleichen Atlsemzuge net-E
ner demokratischen Umgestaleg des
Staates die Berufung Ie- reinigten
Landtags fordern menja von- dieser
seuaalen Miß- und Spottgeburt von
Volksverlretung eine solche Umschat
sung erwarten Daraus er llt wieder
tlarlich daß in Preußen sel dte »C
altirtesten Wülsler« noch itmrner aus
biindige Momrchisten gewesen sind;
denn jene Miß- und Spottgeburt war
ja dem ureigenen Geiste jdes Königs
entsprungen und deshalb wurde sie mit
Respect angesehen Die supertlugen
Berliner standen demna , genau be
trachtet, mit dem darmhe sischen Bäuer
lein, welches in jenen Tagen das grosse
Wort: »Die Repudlit wollen wir, aber
unseren Gras-her wollen wir auch«——
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z gehen-, tomm’ wi- tvolleu gut essen und u u
; teu, damit ich vergesse-«
. .Wie? Du dsii doch gesagt, Ia sannst
! ohn- se nfcht leben und jetzt lebst In fo
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Zuchthouidikecton »M, erst vor eitlem
Monat wurden Sie qui Ihm fuuffåhti kn«
Streit-ask entlassen und mm hat Ins-I ei
chou wieder bei einem Eint-euch umschw
Uerlmchm » s, Om- Tikmok, H,
bin durch die Im- alm eben gin- sug d«
Praxis get-usw«