Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 18, 1898, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags Blatt
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H Arbeitskraft
Roman von chiiu von Spätlgtth
lsfmtevuuu
« ur eit, da mein Vater starb,
ehdrte ich der X ....... schen Gesandt
chaft als Legationsietretär an, war
- -- re ich verwöhnt und besaß von den
" lan itt schriftlichen Verhältnissen
, meiner imatd leinen blauen Dunst.
löslich ah ich mich als Besizer von
cxz « ofteksheim, scheinbar eine qro e Ver
s? stinftigung des Schicksals-. Aber was
and ich vor! Gänzlich derangirte Fi
k-- nan en, verlotterte Brandmeinwirth
ichaet und völlig devastirte Gitter.
Es hätte nicht mehr als ein halbes
Jahr gedauert, und die Seqneftration
wäre unabwendbar gewesen. Wer be
» schreibt meinenSchreck und meine Ver
; s« zwei lungti Jch liebte ein schönes, jun
’ es ädchen, die Tochter eines zreußis
chen Generals, doch oa dieser tein
ermsgen besaß, war in meiner da
maligen traurigen Lage an eine Ver
. Findung mit ihr nicht zu denken! Wie
. viele rzenslämpfr. Bitterkeiten und
- herbe ntsagungen hatte ich während
« Feuer trüben Zeit zu verzeichnen! si«
- uerft ja te ich die ganze Bande var
nehmer aaediebe nnd Schmarotzen
- welche sich Beamte nannten, zum Tem
» pel hinaus und nat-m mir eine ehrliche,
alte Haut, den einstiaen Wirthfchaftg»
vogt, alg Jnspector. Darauf versuchte
ich mir ein klares Bild über die erschre
ckende Höhe Des Defizit-J vor Augen zu
führen
,,,Ach Tassilo, nun folgte eine böse !
Periode meines Daseins-. Mit festen
Grundsteichen stand das Wort Arbeit
darin verzeichnet Es war ein stetes J
Ringen und Kämpfen um die Existenz.
Ost drohte meine Kraft zu erlahmen;
dann aber raffte mich der Gedanke an «
die Zukunft wieder anf. Um keinen
Preis hätte ich den Gliiudiaem meine-:
Baterä eine Beschlagnahme auf die
Einnahmen von Roftersheim gestattet.
— Endlich —- endlich wurde eg ein
wenig Licht für mich! Ich vermochte
neuen Muth zu schöpfen und wieder
. einmal an eigene Bedürfnisse nnd Jn
teressen zu denken. Bisher war ich nur
eine Arbeitsmaschine gewesen. Die-Fen
ster im Schlosse meiner Vater blieben
·ahrelang verharren, die Pforte ge
ichlossem kein Ga t hatte sein-Schwelle
mehr überschritten In einer bescheide
nen Verioalters:Wohnuna einqiiartirt,
erinnerte mein Hauslmlt fast an die
Menage eines Proletarier-L Jedoch ich
verhrauchte bei solch« puritanenhafter
Lebensweise kaum ein Dreißigsiel mei
ner Revenuen. Mochte die Welt im.
merhin iider den närrischen Sonderling
lachen und spotten; wag tiimmerte es
mich. Nach fünf Jahren war ich frei-—
stei, wie der Adler in den Lüften, und
die Schuldenlast getilgt.«
»O, Jodst, was hast Du vollbracht!
Ich hewundere Dich!« rief Iassilo be
seistert und schlang m stürmifcherZört
ichkeit den Arm um Nheinsbergshals
»Und wir Alte meinten, aerade Du ge
hörteft zu jenen Sonntagslinoerm
deren Fuß stets iiher Rosen wandelt.«
Wehrniithig schüttelte der Aeltere
das Haupt. Noch in der Erinnerung an
die schmerzliche Vergangenheit entgeg
nete er bewegt:
»Jetzt, wo ich dorurtheilssreier und
klarer iiber die ganze Sache denke, er
kenne ich in dieser siir mich io schweren
Prüfung das Walten Gottes. Denn
leh, Loto, es lieat doch eine kleine Ent
bchuldigung fiir meinen verstorbenen
ater darin. Nehmen wir an, daß ihm
sozusagen das Messer an der Kehle saß
und er aus seinen Mitteln jene Rente
an die Schwa« erin nicht met-r zu zah:
len vermochte. n wirtlich hö er Absicht
geschah es wohl sicher nicht!«
»Wie edel Du bist in allen Deinln
Gefinnungem Jobstf versetzte der
Jüngere gedankenvoll: dann fragte er
zaghaft
»Hast Du mit Frau von Waldkir
städt uber diese Dinge gesprochen«
»Nein, noch nicht. Bis jetzt hatte es
leinen Zweck. Als im vor einigen
Mr: naten bei ihr war wagte ich die
fchic chterne izlnoeutnng sie iiir das il)
ret Mutter zugesiiate Unrecht entsitxgm
digen zu wollen. Jn fast oerletzender
Schkoffheit wurde ich jedoch zurtictqe
«) wiesen mit ber Bernertunq, daß splcties
wohl an Almosen erinnere. Frau von
Woldenslädt ist eine echte Rtxingberq;
bleich die mir zu Theil gewordene
lehnung mich bitter tränkte, ver
mochte ich ihr meine Hochachtung n: cht
zu versagen. Die einziaenKonzeiiionein
welche sie zu wachen fiir gut facto n n
ten DE c, sich vielleicht auf weitere Unter
bandlnnaen mit mir einzulassen, falls
mir einst zurch einen glücklichen Zufall
bie an eiochlcnen Rechte ihrer verstor
benen lutter llnr vor Augen treten
blieben und ich Von der Richtigkeit ih
ket Behauptung vollständia überzeugt .
wisse
»Und Du— Dn hast irgan ein ’
diesbezügliches Schriftiliiet eine Ur
kunde, welche Frau von Waldesritidtg »
IF Mutter länzend rechtfertigt, gis fnn
-· den? ie wunderbar begliiaenb
weite basi« rief Tassilo in flammender
German-L
Ja, Lolle Bei zufälliqer Durch
un eines altmobischen Setretäre
u Oele-scheint fand ich zwei Briefe.
fuerit ein vergilbtes Schreiben deo
lisesr Onlelll Weithin-, wenige Mo
We or feinem Ende abgefaßt worin
et be. i jiine eren Bruder noch einmal
Mb Und nd and Herz legt und an
, Ueute ton 2000 schalem erinnert.
II zweitens tam mir noch ein Brief
v:,.n·-einesas:ateiis items-lebe Mit-e
« «· r n z ern gt
H,MMI esb ges-v en ben lelelterery
u feinem sePflichtgefühl und
seiner Kavaliersehre zu zweiseln sich
erkühne. Obgleich jene »Mesalliance"
von ihm niemals gutgeheißen worden
wäre, wisse er doch genau, was er dem
Namen Rhein-Werg schulde. Die ver
einbarte Rente von 2000 Thalern wer
de iseiner Zeit von dem Rentamte zu
Ro tersheim prompt gezahlt werden!
Jndesz scheint gerade dieses Schreiben
niemals in die Hände von Elsas Vater
gelanFt zu sein!«
»A itti er Himmel! Nun verstehe
ich Diest « emnach willst Du also das
Versiiimitc nachholen, Jolzst —— die
Schuld des Verstorbenen anerkennen i«
fragte Tassilo athemlos.
»Gewiß und mit tausend Freuden!
Bis aus den Pfennig, Zins aus Zins-,
soll der armen Cousine ibr Guid-erben
verabsolat werden. Unter den obwali
tenden Verhältnissen hole ich mir rein
Refus!« klang Rheinsbergs Antwort
sest und freimiithia zurück.
Der Jüngere war vorn Soptm ge
sprungen nno rannte in wilder lirre
gung durch das Gemach. Endlich blieb
er vor dem Vetter stehen und ries voll
Beaeisteruna:
»Du Glücklicher, der Du mit dieser
Botschaft die Schwelle der Walden
städt’s überschreiten darfst! Fast benei
de ich Tich!«
2 1. K a v i t e l.
Etwa acht Tage nach jenem durch
Lorle’g-Beredsanileit fo rasch beschwich
tigten Arbeiteraufftande trat diese ers
regt und unruhig in den hervorsprin
den Erler ihres Bcudoirs und sah tril
ben Blickes dem davonrollenden Wagen
des Gatten nach
Beide hatten soeben, wie qeivöhnlich
das erste Frühstück mit einander eiiige
nomineu. Zwar fiel es ihr auf, das-;
er einsilbiq und .erstreut schien, allein
irgend etwas Besonderes liesz sich an
seinem Wesen nicht wahrnehmen
Umfoinehr befremdete es Lorle, als
er, ohne den Kasse zur Hälfte ausge
trunleii zu haben, plötzlich empor
sprang und mit gepreßter stockender
Stimme rief:
»Ich habe ein --— ein sehr wichtiges
"Geschäft zu erledigen und muß inich
fest Verabschieden. Der Wagen ivariet
bereits. Adieu. Leonore, aehab’ Dich
wohll«
Wie durch raschenJinmilg getrieben,
hatte er dabei ihre Hand ergriffen und
- beugte fich zum Kufse bis iu den rosi
gen Lippen herab.
Unwille, Trotz und Schmerz stritten
iin Busen der jungen Frau. Wer gab
ihm ein Recht zu dieser Zärtlichkeit Er
durfte sich in solcher Weise nicht ver-—
gessen!
Purpurn erglühten Angesichts und
zornflainmenden Auges riß sie die zcr
ten Finger aus der starken Männer
hand und wandte blitzschnell den Kopf
herum.
Befangen trat Wentbard zurück
»Verzeih, ich ich wollte Dir
gern Lebewohl sagen Lorle!« entschul
igte er sich in einem Tone, aus dein
eine müde Trauri teit sprach. Ach, ivie
lange war es her, feit er sie ,.Lorle« ge
nanni.
Allein unbarniherziq Ioieg sie jede
versöhnliche Regun von sich ab und
gab ihm lurz zur ? ntivort:
»Woz« diese sentimentaleStinnsiung
heute? Adieu, Fred.'«
Wie in beiinlichem Schinerze biß der
Angekedete sich auf die Lippen. Noch
einmal schaute er tief und lange in das
rosige, liebreizende Gesicht, dann toar
er hinausgeeilt
Hastig stiirmte die sunae Frau die
Treppe hinan in’g Erlerzimmet Dort
rollte er hin! — — Ganz deutlich ber
nrcchte sie das Gefährt mit den Füchsen
zu verfolgen, bis es in die zum Städt
chen führende Obstallee einbeg. Jetzt
erst war es ihren Auqu entrückt. Son
derbar, Fred’g elegische Stimmung
schien sich auch ihrer bemächtigt zu ha
ben. Es wurde ihr todestraurig Jud
wehe zu Muthe! Was bedeutete nur
des-? Allgiitiaer Gott -—- plötzlich
siel ein Funke zündender Erkenntnis
in ihr Hirn. »
War sie blind und taub aewesen all
die letzte Zeit? Erst heute hatte sie den
Gatten aus Johann schelten horen, daß
in seinem Zimmer verschiedene wegen
stände bon der Stelle aeriickt worden
seien und der Pistolentastcn nicht mehr
am alten Platze stände.
Der Pistolentastenl Barniherziqteiti
Und weiter -- weiter. Lorle griss mit
den Händen nach der Stirn: Gestern
Mittag war Herr von Salin,1, ein
Fred besteundeter Gutsbesitzer, hier ge
wesen. dessen tiefernsteMiene, als seine
Blicke bei usälliger Begeanung halb
mitleidig, ld bedauernd aus ihr ge
ruht, sie be remdet hatten. Jetzt wurde
ihr Alles t ar. Fred subr zu einem
Duell, einem Dur mit jenem Aus-län
der, ioobon man zwar bereits gerann
telt, welches ihr aber immer siur als
ungeszihrliches Schreckgespenst vorge
i
Fassun BM war die junge Frau aus
die Knie Herabgeglitten und umklam
merte lrarnpshast die Armlehne bes
Se eu. Konvulsischei Schluchten er
sch tterte die schwerathmende Brust,
während Thriinenströme über ihre
Wangen rollten.
Wo blieb jetzt aller Eigentville, Zorn
und Trotz, hinter welchen sich das thö
richte Herz monaielang berschanth
Unds re hatte seine Hand zurückgestw
gen -—— ihm den Kuß verweigert, als er
bschied ——— vielleicht zum letzten Male
Abschied von ihr nehmen wolltet Gleich
tausend scharfen Miefsern schnitt dieser
Gedanke in ihr herz.
Jrn Geist sah sie Fred s Gegner die
: tödtliche Schußwaffe erheben s-- sie
hörte den kurzen Knall des Pistol-as
sah den Gatten wanten —« stürzen
und blutend am Boden lieqen. Nie
mehr wiirde er seine Augen zu ihr ans
schlagen —- nie mehr! - -- — »O barm
herziger Gott, sei gnädia und beschirme
ihn! Ich will ni cht länaer trotzig und
unve Fsöhnlich sein, will fortan alle
versäumten Pflichten gegen ihn erfül
len!« stammelte die Fassungslose und
verbarg das Gesicht.
So lag sie regungslos-, bis die erste
Gewalt des Schrnerzes gebrochen
schien, während tausend zügellose Ge
danken ihren Kopf durchtreu,zten.
War sie denn noch immer nicht von
ihrer thörichten Eifersucht auf Ria
geheilt? Lebte sie fort und fort in
dem Wahne, daß des Gatten Herz
nicht ihr, sondern der schönen Schwes
ster gebore?
.-.-s k- ..t k-. —..f.:- c--'« -I-:-l
U, UIIU LAUW IUII lus,lj,s, sUfs SOLIU,
giltig hatte er die Nachricht von deren
lsrranlung aufgefaßt; wie zerstreut
und interesselos hatte er ausgeschaut,
als ihm mitgetheilt wurde, daß Ria
demnächst mit Mama nachKairo gehe.
Ja, es war ihm sogar die spdtrische
Bemerkung entschlüpft: der heimath
liche Boden wäre ihr wohl etwas un
behaglich geworden!
Sprach aus dieser Aeufzerung etwa
noch sein so tief verwundeter Stolz?
Jhrer Ansprache an die Arbeiter
hatte Fred nie Erwähnung gethan,
obrrleich der geschwätzige Willinann
ihm zweifellos darüber Bericht erstat
tet.
Zu ihrer Verwunderung satt sie den
Gatten jetzt den ganzen Vormittag in
der Kanzlei beschäftigt. Er arbeitete
-— arbeitete angestrengt, und Gertrud
kam täglich von Turnau herüber, um
ihn dabei zu unterstützen
Wie gut ihm der sinnend ernste
Ausdruck die tiefe Sorgensalte
über der Stirn zu Gesichte stand, viel
tausend Mal besser als jener spöt
tische, frivole Zug, den er während dei
ersten Zeit ihrer Ehe an den Tag
legte.
Willmann schien von dieser Verän
derung höchst beglückt; das alte,
freundliche Gesicht strahlte Gemüthss
ruhe und innere Befriedigung wieder.
Die junge Frau seines Chefg aber be
trachtete er fortan mit bewundernder
Hochachtung und erzählte ihr einmal
schmunzelnd, daß die Sache der Ar
beiter nun völlig beigelegt wäre und
Keiner mehr an »Streit» dächte. Am
vergangenen Sonntage habe der alte
Stelzfusz Fechner in der Schente eine
donnernde Ansprachc an die Fabrik
leute gehalten, welche mit einem hun
dertstimmigen Hoch aus Herrn und
Frau von Wenthard geendet hätte.
Aber was haler ihr jetzt all die be
ruhigenden Gedanken; jetzt, wo jede
Fiber ihres ganzen Seins erzitterte in
namenloser Todesangst um ihn. O,
sie war wahnsinnig gewesen in ihrem
verbitterten Trotze, die Augen stets
verschlossen zu halten gegen das, was
täglich -—- stündlich, immer mehr und
schärfer zu Tage trat, gegen di-:
schüchternen, verstohlenen Zeichen sei
ner Liebe zu ihr! Jetzt tam die Reue
zu spät!
Jll Duslckcs Plllokulcll Rksulllcll,
die Augen scrtgesetzt jtarr aus einen
Punlt gerichtet, aenan dorthin, wo sie
vor einer halben Stunde den Wagen
hinter den Bäumen verschwinden ge
sehen, stand Lorle jetzt wieder am
Fenster-.
Zufällia erinnerte sie sich im Mo
ment jener seltsamen Vision am Vor
abend ilxres Hochzeitstages. Der un
heimliche Ritter Horst v. Brandensels
hatte sich nicht umsonst gezeigt und
jene dii:tere Sage somit bewahrheitet;
-- war sie glücklich geworden? —
Der starte Frost der letzten Tage
schien gebrochen. Anhaltendes Thau
wettet verwandelte die weißenSchneei
slächen der Rasenplätze in schmutziaes
Gran, die ganze Atmosphäre zeigte
sich oonFeuchtigteit durchtränlt. Vom
Dache tropfte es unaufhörlich aus den
Sian des Erters nieder.
Lorle drückte die Hand an’—:z Her-i.
Erinnerte dies monotone Geräusch
nicht an Thränen, die fließen flie
ßen und nicht versiegen können?
Aber was war denn das? Dort
dort zwischen den dunklen Baum
stämmen hindurch tauchte ein Wagen
auf —- ek kam nähert
Ja. die Füchse, die lieben Füchse
sind’s -—— Lorle zittert am ganzen
Körper wie Efpenlaubt Jhr Auge
umslort sich —- nur undeutlich ver-·
mag sie zu sehen.
Da —— endlich biegen sie in den
Gartentveg ein. Allmächtiger Gott-·
Lorle stößt einen geltenden Schrei aus
—- das Gefährt ist leer!!
Jm Stadtwäldchen, einem wäh
rend der Sommerzeit sehr beliebten
Spaziergange der Bärselder Bürger,
hielten zwei offene Kabriolets, deren
» Jnfassen bereits ausgestiegen und
über eine sogenannte Sehneise der
nächsten Lichtung zufchritten. Der
) durchweichte Forstboden verbreitete ei
’ nen harzig angenehmen Dust.
I »Ich danke Ihnen fiir diesen Lie
’ besdienst, Saling!« sagte Wenthard
zu feinem Begleiter, einem jüngeren
Manne, welcher ein Kästchen unter
dem Arme trug.
»Na —- redeu Sie nur davon nicht,
mein Bester! Eine Hand wäscht die
andere. Jch werde nie vergessen, mit
welcher fast brüderlichen Bereitwillig
lteit Sie mir letzten Ssnnner aus
dringender Verlegenheit geholfen!
Jhnen heute zur Seite stehen zu dür
fen, gereicht mir wahrlich zur Ehre,
und gerade weil ich mich Ihren
Freund nenne, hoff-,- ich 312versichtlieh,
das; durch diese Stunde allen Lasters
Jungen der Mund gestopft wird!«
i Wenthard rumelte die Stirn und
schwieg.
III-— -.·.«(.--L- t:.t. -:.»...- H.-:tt..-:k.
Ldlsult IIUPLIT Ilhcj LIIILUI ILFIIIULLID
auggebolzten, nur von niedrigem
Strauchwerk bewachsenen und zur
Wildfiitterung bestimmten freien
Flecken. Verstreuteg Heu, sowie Scha
len von Roßlastanien und Eicheln be
zeichneten die Fährte nach mehreren
großen Krippen hin.
»Noch eins-, Saling!« flüsterte
Wentbard gepreßt und zog ein
Schrisiftiick aus der Tasche seines
Pelzrockeg hervor. »Wenn ich fal
len sollte, —- so übergeben Sie, bitte,
diesen Brief meiner Frau. Bis jetzt
ahnt sie, Gott Lob, noch nichts Don
unserem Recontre «
,,.llle5, was Sie wollen! selber iuu
deg Hunn« els willen keine solchen Ge
danken, sie wirken wie lähmend-es
Gift auf Energie und Festigteit,«
wehrte der Angeredete uninuthig ab.
»Ah, da ist auch Doktor Handang
erwiderte der Erstere statt einer Ant
wori.
Beide Herren begrüßten den Arzt
niit stuinniein Händedruck. Von Ur
ban-sit und seinem Beistande war noch
nichts zu erblicken.
,,.5iennen Sie den Auslande-L Herr
Doktor?« wandte sich Saling diesem
im Flüstertone zu.
,,Persönlich nicht. Jch habe ihn
nur einige Male auf der Straße ge
sehen. Ungeachtet feiner schioächlichen
stonstitution muß dieser Mensch Ner
ven von Stahl besitzen. Er soll näch«
telring arbeiten. Meinen ärztlichen
Rath hat er noch nie in Anspruch ges
nominen,« gab Dr. Holttwng leise zur
tsrwiderung »Wer ist übrigens sein
Sekundant?«
Professor Balduiu Zäuertiiig, eine
inir bisher unbekannte Größe der
Bärfelder liaute volee eingefleischter
«-terngucter, der aber guten Eindruck
macht « berichtete der junge GutJbe
sitzer lächelnd. »Apropog- ioie ist ei
gentlich Urbangti’g Renoiuinec in der
Einwei
«Durchau-J ohne Tadclk Anschei
nend verbraucht er bedeutende Sum
men, welche er wohl vorn Auslande
ltktiehm muß. Jst auch, wie ich ac
nau weiß, in der Einkommensteuer
ziemlich hoch einaescltiitzt nnd bezahlt
Alles baar. Die Handwerter loben
feine Piinttlichlcit nnd litenserositiit
Jedenfalls ist ek ein derschrobenecs
Sinkt und gehört en denen, die ilxre
Ebnen von-. Schicksale acfchlaqenen
Wunden in; seltenen tsinfiedlertlnnne
verbluten lassen-«
Ein weniq abseits hatte sich Wen-t
ltard mit dein Lttiitten an einen Fich
tenftannn gelehnt und starrte finster
tsriiterid vor sich bin. Es machte fast
Eindruck, als oh er selbst bei dieser
Sache gar niiln betlxiliat wäre
Seine Ruhe nnd lttelassenhett zeigte
etwas Starr-es.
Seitdem Erscheinen der Herren
waren bereits ,15 Minuten verstri
chen« und der Gegner tani noch immer
nicht.
Doktor Holthaus zog die Uhr.
Vom Kirchthurme des-«- Städtchens
schlug es halb Elf.
»Solche Unpiinltlicbteit ist einfach
beleidigend,« sagte Saling verdrieß
lich. Er tauette am Boden und schloß
den Pistolentasten auf. »Ok) der Kerl
etwa eine Memme und mit französi
schem Abschiede auf und davon gegan
gen tst7«
Der Arzt zuckte dte Achseln, wobei
ein charakteristisches Lächeln seinen
Mund umspielte.
Wieder verqu en zehn Minu
ten, dann deutete aling nach einer
aus dem Buschwerk auftauchenden
Gestalt hinüber, welche langsam und
gravitätisch auf die Harrenden zuge
schritten kam.
Es war ein kleines-, altes Männ
lein, im langen, ihm um die Beine
schlotternden Bedientenrock und einer
Art Tressenhut.
Ueberrascht stierte Wenkhard auf
die sonderbare Figur. War das nicht
derselbe miirrische Patron, der ihn
damals durch jene Räuberhöhle —
des Auslönders Behausung geführt?
»Bringen Sie Botschaft von Herrn
von Urbanski, Mensch?« herrschte
Saling den Greis in barschem Tone
AN.
Nur ein klein wenig hatte dieser
seine Kopsbedeckung geliistei, hielt es
indessen fiir überflüssig, auf diese
Frage zu antworten.
Unveiiinimert um die beiden ande
ren Herren schritt er direkt auf Weni
hard zu und sagte in rauhem, halb
gebrochenein Deutsch:
»Mein Gebieter s« Herr von Ur
bangti beauftragte mich, Jhnen die
ses Schreiben zu übergeben. Gestern
Abend hat er Bärfelde verlassen, um
nie mehr hierher zurückzukehren«
,,Wa5—-abgereist? Unmöglich! Das
ist empörend! Feiglina!« riefen Doktor
Hiltlxaug nnd Salan wie aus einem
Munde
«- -. k
Den Euren Dei Der Iwane-r Innern-, (
siigte Letzterer zornig hinzu:
»Was giebt Jhr Herr wegen seines »
Richterscheinenö fiir einen Grund an? I
Heraus mit der Sprache, alter Sün- J
der!« -
»Tan steht dort Alles in jenem
Briefe. Ich selbst bin Keinem Rechen
schaft schuldig!« tönte es bissig zurück·
Nach diesen Worten zog das Männ
chen abermals den Hut und schritt die
Schneise entlang, dem Ausgang des
Waldes zu.
Jetzt brachSalinq in ein schallendeg
Gelächter aus«
,,Ver«3eit)en Sie, Wenthard, aber
diese (i)«eschichte ist die reine Katzen
toinödie. Dahinter steckt noch etwas.
Domierwetter, dem erbärmlichen Ha
lunten hätte ich mit Wonne eine Kugel
in die Beine gejaqtl«
Dabei sidnr der Sprecher ivieder·zii
Boden gelniet und hackte den Inhalt
des Pistolentasteng ein.
DerArzt schüttelte sich irdstclnd und
tnöpfte den Pelzroel fester zu. Gedan
tenvoll schaute er in den naßkalten
Winterinorgen hinein. Er dachte an
Gertrnd und deren Ajtutter. jene irre
geleitete thörichte Frau.
Noch immer lehnte Fred »Im-Fichten
stmmn und las den ziemlich ausführli
chen Brief.
»Nun, was schreibt der Kunde?«
fragte Saling emporsprinaend, indem
er dem Freunde näher trat.
lFortsetzimg folgt.)
»s- -— - -— -—«-—....
Oifcncr smreivcvtief vou Mii
lip Jaiictrampfer’s Betten
Hohn Zimmch
R e n) Y o r i, 4. März ist«
« s Mr. Editor! Ich
; f- «« i bin sorrie, Jhne
! « H« Es schreiwe zu müsse-,
s LJU " i daß ich schon koieker
i ’ Trouvle in niei Biisi
neß qehabt dumme
- Es ig for e difzent
- fq Felloy alilmost im:
pojs säbel, e Salulin
iind e Groszerie zu könne, esspeschinllie,
wenn so viele Lofferg in der Nehdor
lind wohne thue. Ich hen Jhne Vor
einige Heit geschriewe, wo ich die Loh
fer, die mich sul)le wollt, mit e Bier
lic. miner getrieted hnwwe cind fins;
denn sind se e littel mode kärful ge
worde iind thue net mehr treie, mich
aus DrinlJ 3n dieie Bist se thun alle
weil noch in den Snlnhn komme änd
bezahle vor ihre Drinkg al)l reitst, böi
Ioo se e Tschiinz kriege könne, mich zu
sul)le, da thuen se 5 ererie Teiin.
Ich thue die Großerie um nein
o’klock llose, böt den Salulm thun wer
bis Midneiht ofse halte, änd Onlel
Pieht hat mich inströlted, wenn einer
noch was aus der Großerie hawwe will
nach nein o’llock, so sollt ich en akkoms
modäle. Das harvwen die Lohfers sich
ljinner ihre lanqen Ohre geschrien-se nnd
so äbauk än Aur nach Klosing Teim
vcn der Großerie komme se ein nach
den annern änd äsle vor Limburger
Tschies änd dann muß ich allemal in
den Keller riinne änd den Tschies vor
die Lohserg hole. Am letzte Wedne3
däh seien ebaut 2 Doßend Fellohs ge
lesmme änd hawlve jedes for e Nickel
Limburger Tschies gekauft änd roo ich
am neer Morge in den Saluhn komme
thue, um usfzulkiene, hatvwe se in der
Reihl all den Tschies dorch das Trän
som wieder in den Saluhn geschmisse
änd der anze Plähß hat so aeschkunle
daß die Zeit es stät lle schiände konnt.
—
Well wo die Fellohs den nexte Jvening
wieder reingetomme sein, hawwe i se
ätkjuhsd, daß se mir den ganze a
luhn verschtunte hätte änd da hawwe se
gelacht änd geäußert: »Well Joha,
wenn Dei Tschies so schtinke thut, da
du en net mal smelle tannscl)t, w
lannschte denn von uns expekte, daß
wer en fresse solle. Wo wer mit Dein
Tschies über die Schirieht gegange sin,
hot uns än Ofsißer vom Board of
Health geschtoppt, weil wer den Pöblik
Schkwät verschtinke thäte änd hat uns
geäskt, wo wir den Tschies herhätte.
Wo wir ihm das gesagt hawwe, hat er
rimarkt, es wär hohe Zeit, da die
Eittie die Schtrieht gegen Eure lähß
lwaranteine ließe änd wir sollte den
Tschies retour bringe, wo wir en her
hätte. Nu wei tDu, Joha, muß e
Cittißen dem ah gehorche änd da
Euer Plähß geklohsd war, so hawwe
wer kein annere Weg gewußt, als en
dorch das Tränsom zu schmeiße.« So
hawwe i en denn geänßeti, daß se
mich net uhle könnte änd daß ich ihre
Leig net beliewe thät, böt daß könte se
sich alle schuhr merke, von jetzt an thäte
se kein Tschies mehr kriege.
Well wo se denn gesehe hawwe, daß
der Tschies-Trick net mehr worke thät,
so hawwe se ihre Kopp zusammege
schteckt änd ne annere Konsperä
schön aufaemacht.
Na e Weil tommt derMatt, wo en
nihau er Frescheste von die ganzeGäng
seie thut, an den Kaunter and sagt:
» « ohn, hajt Du noch e Laid Brod?«
» - chur«, äußere ich änd will es hole
gehe. Da äußert er, »das is gut, dann
is noch lei Dänscher, daß Du schtarve
thus,« änd damit geht er los. Well,
die annern Kostiimers hawwe gelacht
änd ich hawwe dageschtanne wie e FuhL
So dent ich, never meind, Du kommt
mir scho wieder. Nach e kurze Weil
kommt dann der Frev, än annererLoh
fer von die Gäng herein änd hollert:
»Gud Jvei«ing, John, haste noch Bier?«
,,Os Kohrs,« änßere ich änd will em e
Stuner tappe. Da sagt er: »Dann biste
aber sein heraus, denn thuste noch lange
net verdurschte.« Damit is er auch los
änd ahl die Pipel im Saluhn awwe
gerohrt vor Lache, daß die Loh ers so
e Fuhl aus mir mache thäte. Well Mk.
Editor, ich hawwe getrembelt an gan e
Leib wegen die Jmpudenz von diåe
Liimmel änd hollere tem Fred na
»Der nexte von Euch Lohsers, der mich
wieder suhle thut, kriegt eins mit den
Bierhammer ujs den Kopp änd dont
juh sorget it.' Well wo se gesehe
hawwe, daß ich waund opp änd reddie
for se war-, da hawwe se sich net mehr
herangetrößtet, so gehen e denn bis
zum Korner, wo der Barber sei Scho p
hawwethut. Der Barber is e littel il
lie änd se hawwe ihn auch immer sor e
Zuhh wo se e Tschänz inde konne.
n-o sagt der Fred zu ihm: ,,Bill, Du
kannst mir e Favor thue, wenn Du
zum Stramper gehe willst. Fra en, ob
er Limburger Tschies hawwe t ut änd
trsenn er welchen hat, dann bring uns
vor e Deim. Wir hawwe noch so viel
uff seiner Släht schtehe, daß wir net
gern hingehe möge. So gewe se dem ar
men Barber e Deim änd er kommt
heriiwwer gerönnt, um den Tschies zu
hole. Jsch hawwe ihn net gekennt änd
wo er in dieThiir komme thut, denk ickk
er is auch einer von die Gäng, än
trieg mein Bierhammer zu packe änd
wo er an den Kaunter kommt änd ästtt
«Hawwe Se Limburger Tschies, aber
keine, der so schtinle thut?«, krieg ich
en in meine Wuth zu packe änd versetze
em eins mit dem Bierhammer, daß er
tolapse thut. Well da is uff ein Mal e
fürchterlicher Racket geworde. all die
Kostiimers seien geschprunge gelomrne
änd einer lauft an den Onkel sei Door
änd hollert: ,,Stramper, komm mal
kwick herunner, dein Nessjuh hat den
Barber vom Korner gekillt. Der Onkel
is sei Lebtag net so fast die Schtärs
herunnergetomme, except vor drei Wo
che, wo er herunnergefallc is, änd wo
er die G’schicht gesehe hat, hat er « ehol
lert: »Well, well des is e fein Biiiineß
Jehn Du großer Esel, was hast denn
da aiigericht..«' Wo ich em geäußert hab,
daß se mich so genede hätte, äußert er:
»Dort) net der arme Barber, der is ja
froh, wenn er’;3 Leide hawwe thut. Von
clle Seite sind die Leit aeschprunge ge
lcnnne and nach e Weil auch e Polis3,
wo mich errestet hat. Da der Varber in
de Mien Teim wieder zu sei Senses ges
komme ig, so hat der Onkel den Poliß
gesagt, er sollt mich aebe lasse, er wolltg
ohl recht mache-. Vöt der Vorber, wo bei
diese Zeit wieder sehpreche konnt, hat
darusf insrßtet, daß er mich arreste thät
änd die annern Fellohg von der Gang
hawwen en noch usfaehetzt änd ihm ge
s(.at. er brauche sich sein Kolo net von
em Grienhorn triicte zu lassen. Well das
lind vom Lied war, daß ich mit zur
Stäschön mußt, wo ieh die ganze Neiht
hawtoe sitze müsse Wo ich am anncrn
Morgen in die Polißturt gelomme bin,
war der Var-her mit sei verbundene
Kopp alg Pläntisf änd die Ynze Loh
serGiing alSWettnesseg da. - ie hawwe
das Blaue vom Himmel herunner ge
loge änd mich als e große Raudie repri
sentcd. Der Barber hat gar net viel
gesagt, bikohs er tlämte, er hatte noch
KoLpschiiter«ze.
o
o
» L.».- kakkk,t .,.-!
Ju) yutokoc oecm Dem Umwon met
Schtorie erzähle müsse änd wo ich ge
finischt hawwe, hat er gemeint, da wär
gar iei chßschöm daß se miB pro
rsuhkt hätte änd ich hätt nur e isieht
ciemacht, daß ich den Untechte uss en
Kopp geschlang hätt, so wollt et mich
n·s. it die Koste ismisse Die hat der On
kel gepähd änd wir sein heim Wo wer
heim ware, hat der Onkel gefaqk
»John, es is gar kei Fahlt wenn De
nsal Einem usf deci Kopp schlage thust,
nur mufte das nexte Mal uffpasr.d
es auch die reibt Partie fein thut.
r
John Strumper.