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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 28, 1898)
I Frau Ebeista Wenibatd kam lebhaft au ibn zugeeilt. » »Am-er Junge! Du bist ermudet —- abgespannti Ja, solche Tags W M Nerven. Jch lann kaum mehr aus n » Beinen lstehen und will Gott dank-U wenn A es vorbei ist und ichaus diesen » bunten Lappen wieder in meine « schwarze stille schlüper kannt« ; Ein wenig ostentiös, die lange « Schlep e ihrer mächtigen Nobe nvon » kliederfarbigern moire antique veracht ich be Seite schleuderno, warf Frau Christo sich in einen FanteuiL Tiefe, duntle Ringe unter den Au gen und ein müder, unzufriedener an utn die Lippen gaben ihrem Gesichte einen Ausdruck von SchlasflseiL Trotzdem aber wnsite sie nur zu gut das: sie heute» atn Hochzeitstage des Sol:nes, große Triumphe gefeiert, nnd man die noch o jugendlich sehne Mut ter des Bräu rgams allerseits bewun dert hatte. Zu Gertruds stunnncr Ueberrasch ung war Frau Wenlhard jedoch keines wegs in der vielbesprochenen Pariser Totlette, sondern in einem Kleide er gbienem welches sie schon einmal zu des aterö Lebzeiten in Berlin getragen. Auf der ochter Besraaen lxatte sie nur ungeduldig die Achsel aesuckt und emeini: Der Kleidertiinstler Redfcrn abe sie leider im Stich gelassen. Jetzt betrachtete Frau Wenthard den Sohn eine Weile mit trüben Blicken, dann sagte sie weinerlich: »Ach, Fred, es ist zu tlsricht, daß Jhr so lange fortbleiben wollt. Jch werde sehr einsam sein ohne Dich!« »Nur zwei Monate, Martia. Die Zeit vergeht schnellt« klang eg turz zu rück; dabei war er ausgestanden und blötterte in einem Buch, welches vor ihm ans dem Tische lag »Ja doch, ich gönne Dir Dein Glück von Herzen, und die Heirath mit Lorle ist ein Glück, das wissen ivir Alle, mein Tags suhr sie in tiagendem Tone ort. »Aber ich fürchte-, dasi Deine alte uiter nun ganz ron Dir vernach lössi i werden wird. Du weißt es iiin t, Treu wie unsagbar mein Herz an ir ängt.« s ver ungereore machte eine etwas ungeduldige Schulterbewegung, erwi derte indeß freundlich: .Jhr solltet wirklich reisen, Mann-. Die troftlose Einsamkeit von Turnau macht Dich und Gerta nervöz und hvpvchsndtkich-« »Wo denkst Du bin, Fredt Reisen kostet Geld! Das beißt, so zu reisen, wie ich es durch Papa gewöhnt bin,« tetbesserte sich Frau Christa rasch. »Aber-, beste Mama, das erlauben Dir Deine Verhältnisse doch wahrhaf tig. Nimm es mir nicht übel, siir zwei einzelne Damen verfügt Ihr iiber ein glänzende-J Eintoknmen,« gab der ohn in dem ihm eigenen mentorhasten Tone zurück Die schöne Frau betrachtete ihre lang geschnittenen rosigen Finger-kamt und warf spöttisch bin: «Allerdingg, aber es qiebt so Viele Leute, die eben nietzr verbrauchen. als sie sollen. Jch tann nicht sparen. Feed, und diese Untuqend scheinst Du von mir geerbt u haben!« Der Soknöchwieg mürrisch, wogegcn die Dame eb aitsor:i::h:: ,,A propos, mein Junge, da Du vor November nicht zurückkehren wirst, so könntest Du mir eigentlich keute n meine am l. Ottoder sättigen Zinsen geben. Ich mag diese Sache nicht rnit dem aiten Schwäher Will mann erledigen. Hast Du das Geld bereits« Er batte am Fenster gestanden und wandte sich nun wie erschreckt und un willig der Mutter zu, indem er kurz auflachenb erwiderte: »Gewiß, Mama, wie Du befiehlst.« Dabei zog er sein Portefeuille und legte eine Anzahl Kassenscheine in ihren Schopr Mit sliichtigein, halb veriegenem Danke schob Frau Christa das Geld in die Tasche, während sie lässig hinwarf: »Ich hatte eigentlich die Absicht, Dir das Kapital zu tiindigen, Fred.« »Mir? Wieso? Traust Du mir nichti« entschlüpste es in gereiztem Tone des jungen Mannes Lippen. »Keineswegö! Wir brauchen aber seht in Turnau sehr viel Geld,« enti gegnete Frau Wenthard zöaernd. »Du tve Ist-ach der Ziegelei - Schornstein, die ainaae der Niederungsselder ha lten Unsuminen verschlungen,« fügte sie rasch Gertudö Worte wiederholend hinzu. »So! Da muß ich Gerta einmal darüber fragen, die ist jedenfalls besser orientirt als Du.« »Unsinn, thu das nicht, Fied. Gerta ist in solchen Dingen so schrecklich pe dantisch und maßt sich neuerdings an, mich bevormunden zo wollen. heute wäre ivo l ohnedies teine Zeit mehr dazu. ir können uns über diesen Punkt ja brie lich verständigen, IredP Danach er ob sie sich und deutete nach der Thür. Gräfin Brandensels mit Lorle und Ria waren eingetreten. Ein dunkelblauer, großer Federhut be schattete der jungen Frau reizendes, aber iin Moment lehr bleiches Gesicht chen und die tle ne Rechte, welche Schirm, Handschuhe und ein Rosen quguet umschlossen hielt, bebie sicht l . Ader auch Riag Züge verrietheii eine « aiissallende Masse, ioährend sie mit « lauter, schriller Stimme zu Frau ’ Wenihard gewandt sagte: »Die Kleine fürchtet sich noch immer vor dem »schwarzrii Manne«, den sie gestern gesehen zu haben mahnt. Wie tindisch —- nicht wahrt Und wenn ie ner Ritter horst ihr auch immerhin er schienen wäre, so braucht man sich dar iisber nicht zu grämen. Gerade dieses Was Paar ist seines Glückes doch so t « Nismand erwiderte etwas ans diese Es Æcksal sast herausfordernden or e Wie eine Träutnende ließ sich Lorle wenige Minuten später von den Ihri en umarmen; in dieser Stunde erst fühlte sie die ganze Schwere und Be geutfung ihres Absschiedes vom Vater au e. An der Hand desjenigen, dem sie vor dem Altar Treue und Gehorsam gelobt, trat sie iitber die traute Schwelle in eine ihr-neue, fremde Welt hinaus. 9.Kapitel. ,,Papa!« »Ja, was gie«b’s Neues? Es wäre mir lieber, Du störtest mich ietzt nicht!« klang es keineswegs unwillig, allein etwas mißmuthig zu Erwiderung. . Der hübsche, briinette Kopf eines etwa achtzehnjähriaen Mädchens war an der Thüre ausgetaucht und paar große, melancholische Augen schauten » nach einer über denSchreibtisch gebeug- ’ ten Männergestalt hinüber. T »Ach, Papa, verzeihe, —- aber der uhm r von der Z...straße, der Bob und Will vor mehreren W n die Alltagöstteseln besohltr. ist s n s wieder da und möchte seine Rechnung be hlt haben. Es macht 4 Mart 75 - ennige, weil er noch Fliclen darauf - gesetzt hat. Heute will er nicht länger ; warten und meint, daß er bereits drei- J mal deswegen hiergewesen sei,« kam es » Lchii ern aus der Tochter Munde, in em e näher trat. öSo — hm!« 4 Mart und 75 Pfen nige! Jst Mama nicht drüben, Maus?« Der Angeredete wandte sich jeyt um. »Nein, Papa, sie ist mit der Stadt bahn hinunter zu Fräulein Müller ge fahren, welche moderne Aermel in nn sere Wintermäntel setzen sollt« »Aha! Nun, ich habe momentan gerade kein kleines Geld bei mir,Maus. Du mußt dem Schuster sagen, er möch te ein anderes Mal wieder lommen.« Ueber des Mädchens feines, blasses Gesicht zuckte es einige Male wie hilf losigleit und Schmerz; aber nur leise entgegnete ske: »Ich will’ö versuchen, Tit-hat« Da- T bei richteten sich ihre schönen Augen voll inni er Theilnahme aus des Va ters ede gesorrntes. allein nimmer dur furchtes Antlitz. A s die Thüre sich hinter ihr ge schlossen hatte, sprang der Zurückblei bende empor nnd preßte die Hände an die Brust. »O Gott, gieb mir Kraft, daß ich nicht unterliege, daß ich nicht niuthlog werde nnd dieses jämmerliche Dasein voller Noth und Entbehrnngen gedul dig und ohne Murren weiter schleppe ; Riegendg Hilfe, nirgends ein Lichts . strahlt So Schwachlxit detenncn, ihnen sagen, daß das oorgeftectte schöne Ziel mir ewig unerreichbar bleibt --—- all meine Arbeit, mein Ringen umsonst ists-« ich Weib und Kind meine « Herr von Waldenstadt war ein » schlanler Mann, Ende der Bierzig,’ über dessen von spärlich-Im Haar um- « säumter Stirn bereits tiefe Sorgensal ten lagen, irrt-«- iljn merklich älter ans selxen ließ. Haltnna und Gang bezeig ten eine schüchterne Unsicherheit; jede Heiere Bewegung nnd geivandtere ingangssocm schien in denleizten ; Jahren des Kummers nnd der anuct- s Yzogenheit verloren gegangen zu sein. emungeachtet blieb er eine Erschei- ; nung, die etwas Sympathisches an sich trug. Der Blick seiner lluaen Augen« wie sein schönes tlangreiches Organ vermochtengast dezwinaend zu wirken. ; Ein dur Erleiltung verursachtes Knieleiden war die trauriae Veranlas sung, daß Richard von Waldenstödt schon vor mehreren Jahren den Mill tiirdienst quittiren rn:.ßte, und da ein Un liict selten allein kommt, so erhielt ers ald daraus die niederschmetternde Nachricht, daß das anscheinend sichere Banlhaus in Belin, worin sein kleines Vermögen niedergelegt war, plötzlich sallirt und ihn an den Bettelstab ge bracht hatte. Die Pension eines hauptmannes war Alles, was ihm übrig geblieben; damit sollte Weib und Kind ernährt und der Kampf umsDasein aufgenom men werden. Anfangs war es der trostreiche Ge danke, ir end eine Anstellung zu erlan gen, welk1 werthen ira t verlieh. Als indesr nach Wochen, ja onaten alle Bemühunan frucht los waren, wurde ihm endlich klar, daß ans irgend eine andere Weise Rath und Hülfe gesasst werden müsse. Nuhelos wälzte er sich des Nachts ans seinem Lager und ariibelte ü er Probleme nach, deren Lösung unmög lich war. Er rechnete, ob es nicht den noch zu bewertstelligen sei, mit den ihm zu Gebote stehenden lnapven Mitteln einen aus die außerste Einfachheit be schränkten Haushalt führen zu lönnenz er rechnete, bis die Zahlen seinen Geist verwirrten und ihm die Lider endlich zusielen Da eines Morgens beim Frühstück entbiillte here von Waldenstadt voll schüchterner Zaghastigieit seiner Gat tin einen Plan: Mit der Feder wollte er sein Brod verdienen und den Versuch wagen, kleine Novellen, Militiir - Humokesten und Essais zu schreiben. Glücke es ihm, bei Journalen oder Zeitungen an zutommen, so lieae ein weites, insta tives Arbeitsfeld vor ihm; denn Tan sende hätten sich aus diesem Wege schon eine sichere Existenz errungen. Während seiner Soldatenlausbahn habe man sich öfters iobend über den guten Stil nnd die eleaanteAusdruclsi weise seiner Winterarbeiten geäußert. r dem Geiste des betlagenss J annes noch einiae Spann- » Frau von Waldenstädt gehörte zu den Frauen, die nie widersprechen oder gar etwas besvötteln. Sie liebte ne benbei ihren Gatten so abaöttisch, daß feine Ansichten unt-Meinungen ihr stets alt maßgebend und richtig erschienen. Dalper war sie auch weit davon ent fernt, ihn von dieser Idee abzubringen. Freundlich und sanft hatte sie ihm nur darauf erwidert: - »Ja, Richard, ich weiß, daß Du Alles versuchen wirst, Deine Kinder zu edlen, guten Menschen und ihrem Stande gemäß u erziehen. Gemein sam, jedes in feiner Weise — wollen wir siir sie arbeiten!« Allein, die sich selbst aestellte Auf gabe diintte dem get-rüsten Manne oft zu schwer --— fast unüberwirrdlich Er schrieb stundenlang, fast den gan zen Vormittag und auch noch viele stille Abendstunden, wenn Frau und Kinder längst in süßem Schlummer lagen, und gar viele sauber und korrekt ausgearbeitete Manuskrivte wanderten von seinem Zimmer aus hinaus in die Welt. Mit den Redaltionen verschiedener Journale war Herr von Waldenftiidt in schriftlichen Verkehr getreten und von einigen hatte er sogar die erfreu liche Nachricht erhalten, daß man sei nen Einsendungen behufs Prüfung gern entgegensehe. Die liebende Gattin machte ihm Muth; kannte sie doch jede Zeile, die er schrieb, und war entzückt von den Produkten seiner Muse. Der Erfol konnte gar nicht aus-bleiben. Woche aus Woche wartete darauf das Ehepaar, die Herzen zwar voll vanaer Sorge, aber in Geduld. Doch das grausame Wort, daß Ta lent allein noch keinen Schriftsteller I macht, bewahrheitete sichauch wieder T einmal hier. Mit kurzem, kühlenDanke « wurden die Werte von denRedalteuren ; abgelehnt als noch nicht druckreifes . Material, als Anfänaerarbeiten und so » weiter. Man sei nebenbei reichlich mit « Sttrszversebenlfh » , , , j «Rur gelegentlich schrieb ein Mitlei- i diger, daß allerdings Begabung vor- s banden sec, doch der herr Autor möge « sich mcht in so mit gehaltenenBeschkei- l bungen ergehen, sondern vor Allem mehr Spannung und Handlung in seine Sachen legen. Klagelos und ohne Murren arbeitete i Herr von Waldenstädt die Manu- ! stripte wieder um und versandte sie abermals. Da — ein Freudentag — « wurde eine etwa 2000 Druckzeilen lange Novelle angenommen und mit s 150 Mark honorirtt « Mit welchen Empfindungen im Her zen setzte der fleißige Mann sich fortan an die Arbeit. —- » Seitdem waren drei Jahre dahinge zogen, Jahre roll schweren Ringens nno herber Enttiiufchungem denn wenn auch eines seiner Werke hin und wieder Beifall fand, so wanderten doch viele den Weg in die einsame Klause » des stillen Denkers zurück. I tan die Kinder wuchsen l;eran, und T die Sorgen hiiuften sich. » »Du mußt es einmal mit einem lan- J gen interessanten Roman versuchen, ; Richard. Bei den kurzen Sachen zer- 4 stxlitterst Du Deine Phantasie,« sagte Frau von Waldenstiidt zu dem Gatten, J und er befolgte ihren Rath. · Sieben volle Monate hatte er nun l 1 l l l l ioirliich mit Einsetzung all seiner phy sischen und moralischen Kräfte an ei neni zweibiindigen Werte geschrieben, ohne Unterlaß darüber gegrübelt und gefeilt. Es sollte. mußte ein Meister werl werden! Tsie treue Gefährtin nnd auch Mau rilia oder »Maus«, fein holdes Töch terlein, hatten oft in itummer Andacht gelauscht, wenn er besonders schön ge lungene"Stellen daraus zum Besten gab. ---- w LJ und Null lag oaS gumuw uuucnr.iue Manuskript bereits seit sechs Wochen ur Prüfung der Redaltion einer ro seen Tage eitunq vor, sderen Bes id Ferr von I aldenstädt in iieberhaster bpcmnung entgegensah Außer einigen kleinen Einnahmen siir kürzere Novellen war seit Monaten kein Honorar mehr in seine Tasche ge Mssem Dabei hatte die Quartalss iethe am 1. Oktober fast alle seine Mittel erschöpft, und der Winter mit den hunderterlei Ausgaben stand vor der Thür. Wenn der Roman nicht an enommen würde, wenn er .....!.» A mächtiger Gott ...... ! Herr von Waldenstädt lief Letzt in mächtiger Erreguna durch das dem-ach und versuchte jene schrecklichen Eventu alitäten aus seinem Geiste zu bannen. Doch schnell ermannte er sich wieder und trat mit dem glückselian Lä ln eine-B Kindes vor seinen Schrei-btisM »Nein, nein!'· ries er und schlug den Blick nach oben, »ich will -—— darf nicht murren, sondern die Hände dankbar emporheben siir das Gnadengeschenl meines Talentes!« Trug es ihn nicht hinweg über alle Sorgen und Miihsale des Erdenda stian Verlebte er nicht hundert srohe und zuseiedene Stunden. wenn er mit der Feder in der Hand an einer Arebit saß? Was kümmerte ihn dann die Vlnszenwelt mit ihren Feindseligleiten und Jntriguenii Und wenn Elsa, sein treues Weib, leise kam und ein Gläschen Wein zur Stärkung Vor ihn hinstellte oder sie litßte sanft lieblosend seine get-unten schwere Stirn, dann konnte er sich lein schöneres Loos aus Erden denken -- — dann nsar er wnnschlos glücklich! « v Es klopfte abermals an seiner Thür. tkrschreclt sulr Herr von Waldenstässt aus tiesen Gedanken auf. »Ah! --- Herr Gras! Nanu, schon so friih nach dem Amtsgericht?« rief er dem Eintretenten freundlich zu. Tassilo Brandensels, zum Ausgang actiisteh den blisblank gebiigelten Cy nder in der hand, streckte dem Haus herrn in liebenswiirdigster Weise seine Rechte zu. »O, ich schwänze heut und lasse miå oertretent Jch komme zu Ihnen, mi bis zum späten Abend zu empfehlen, err von Waldenstädi. Mein Vetter, abst Rheinsberg, ist gestern angekom men —- der prächtigste Mensch, den ich kenne. — Jch freue mich auf das Zu sammensein mit il)m,« gab derJiingere heiter zurück. «Rhein5berg—so! Von der Rosters- » heimer Linie?« fragte der Aeltere ge- » dehnt. »Ja wohl, Rostersbeini gehört mei- ! nein Vetter. Ein samoser Besitz s Isiiachtvolles altes Schlos-, — ganz feu- : a « t »F Ich wußte nicht, daß Sie, Graf Vraiidensels, mit dieser Familie ver- ? wandt sind. « J »Habe ich anen das noch nicht er- « zählt? Wie komisch!« sagte Tassilo, unbesan en lachend »Nun, meine Mutter ist eine Rheir.sberg; aber ans dein Salinger Hause. Jobst war im September zur rchzeit meiner zwei tcn Schwester in llt-Steine uBesuch, wo wir uns eigentlich erst träger kennen lernten und sehr angeireundet haben!« »Gras Rheinstberg, von dem ich frü her, während meiner Dienstzeit viel gehört habe, muß doch wohl bedeutend alter als Sie sein, Herr Gras," warf der Hauf-then ruhig ein. ,,Allerdings, Jiebst zählt 36 Jahre nnd ist noch unverheiratbet. Man sagt, er habe einst aus irgend welchen Rück sichten das Mädchen seiner Wahl auf geben müssen und wolle das Leben nun als Junggeselle beschließen. « Was sur Riicksichten?«' fragte Herr vonWaldenstädt überrascht und augen scheinlich interessirt. »Ja, das ahne ich nicht!« versetzte der junge Mann achselzuclend »Je densalls bat die Sache nicht geklappt, wie das leider so ost im Leben geht!« »Hm —- getviß! Nun. ich wünsche Amen viel Vergnügen, Gras Branden e s.« ,,Danle, danke besten-I. Herr Von Waldenstädt!« klang es fröhlich zur Antwort, und Tassilo stürmie von . dannen» — » · I Jndeß merklich zögernd schritt er im Entree an den verschiedenen Thüren vorüber. Er selbst bewohnte zwei hübsche, helle, nach rückwärts gelegene Gemächer und war in jederHinsicht mit Loaiz und Wirthen Zufrieden. Die aufsallende Stille im gan en Quartier bezeigte ietzt deutlich, daß ie neun- nnd elfjährian Knaben sich noch in der Schule befanden. Durch eine halbgeöffnete Thür fiel ein greller Lichtstrahl in den dämmeriaen Flur. Einem raschenJmpulse folgend, trat Tassilo näher und spähte vorsichtig durch den Spalt. Ueberrascht stutzte er. O wäre er ein Maler und über Pinfel und Farben Meister gewesen! Jn einem kleinen, schmalen Zimmer chen, auf dem Fensterbrett die in zier lichen Niederschnhen steckenden Fäßchen auf einenSchemel gesteinmt, saß Maus mit tief herabgesenttem Köpfchen und nähte und stopfte eifrig an« einem gro ßen Wäschestiick. Die Strahlen der Novembersonne tanzten neckisch Tit-set dem in der Mitte gescheitelten, dunklen Haar. gegen das die blendende Stirn und Das tchmale weiße Gesichtchen seltsam tontrajtirten. Rechts neben ihr stand ein Umfang reicher, mit Leinenzeug aesiillter Korb, - während an der anderen Seite Nach, ein schwarzer Teckel, hockte und jede Bewegung der schlanken Finger zu ver folgenjchrensp » · — bonI-: er kkrauiein Mantua einen ,,gnten Morgen« zurufen? Da er seine Mahlzeiten auswärtg einzunehmen Pslegte, so begegnete er der Tochter des Hauses nur selten. Nein, nicht «etzt, nicht hier vom Hausslur aus! s düntte ihm nn zart. Aber Tassilos Herz pochte zum Zetsprinizem als er leise, ganz leise davon ch ich. Ni t einmal Nach hatte ihn gehört. »Warum Du nur eigentlich so selten nach Berlin kommst, JoljstI Es ist nnd bleibt doch die Krone aller deutschen Städte!« sagte Tassilo Brandensels zu seinem Vetter, als Beide nach einge nommenem Diner bei Dressel saßen und ihre HaVana tauchten. Die vor ihnen stehenden Motkatäß chen verbreiteten einen - aromatischen Duft. »Mein guter Junge, solch’ vielge plagter Landmann, wie ich es bin, ist nur gar zu sehr an die Schwelle coun lden. Nur zu sbesonderen Veran assun en verlasse ich mein altes. liebes Ro terheim,« versetzte der Gras wehmü thig ernst, wobei er kleine Ringelwöil chen in die Höhe blies. Tassilo hätte gern gefragt, was den Vetter jetzt nach der Reichshauptstadt etrieben, aber das diintte ihm indis ret, zumal da der Aeltere to gewiß ab lentend hinzusüate: ,,Uebri«genö ist eine Eisenbahnfahrt von neun Stunden wohl ein bischen lctng, um einmal sbei Dresel zn speißen oder sich im Opernhause etwas von Wa ner anzuhören!« » lllerdingg ist es das, Vette:. Denke Dir, Baron Störcl, mit dem ich gestern rcsn Deinem Kommen sprach, erzählte mir, Rostersheiin sei das Masken-»U tigste, einig man sehen könnte. EI giebt nichts Schöneresi als solch alten Fami lientiesiy.« »Hm —— sa,« entgegnete der Ungere dete gedehnt und riishrte mit dem win zigen Lösselchen in der Tasse heruan Die Verwandten hatten lsis ietzt nur Tagesereignissc nnd fernlieaeitdeDinge besprochen; es schien sogar denAnschein zu haben, als suche Graf Rhiingberg absichtlich recht gleichgiltige hemata hervor. Plötzlich aber fragte er ganz unmotivtrt: »Eure Familienleben ist wohl ein sehr glückliches, harmonisch-BE Das fiel mir schon damals bei der Hochzeit auf. Welche von Deinen vielen Schwestern steht Dir am nächsten, Lolo?« Der Angeredete zögerte sichtlich. Nur zu wohl kannte er die Wiinsche feiner Eltern nnd hätte gar zu gern mit »Ma« geantwortet. Allein seine offene ehrliche Natur sträubte sich dagegen. etwas ausgisprechem was feinem Füh len und cnken entschieden wider sprach. Gerade Ria war dieienige, mit welcher er am wenigsten überein stimmte. Jhr oft verletzender Hoch muth und ihre maßlose F)errschs:.ieht, mit der sie Jeden zu bevorinunden ver suchte, hatten ihn oft tief verletzt. Ein wenig kleinlaut erwiderte er daher: »Mein Liebling ist Ruth! Du wirft die Kleine ja natürlich weniger beob achtet haben, Josbstt Allein, wer sie näher kennt, der weiß, toelcb’ groß ver anlagter Charakter in dein liebenKinde steckt. Mir erscheint sie immer wie ein Sonnenstrahl; diese lachend-en Augen erwärmen wirklich das Herz.« »Ja —- ja, Du haft Recht: ein Sonnenstrahl, das Kostiim damals an Lorles Polterabend war vortreff lich gewählt,« versetzte Graf Rheing berg gedankenvoll Dann fragte er in ruhigem Konversationstone weiter: »Habt Jhr gute Nachrichten vom jungen Paare? Cs ist wohl bereits zu rt7ckgelehrt?« »Ja, Mama schrieb mir. dasi Weni lxards am 15. November in Bärfelde eingetroffen find. Lorle fei glücklich wieder heim zu sein. Das Reisen hätte sie etwas ermiidet.« »Nun, hoffentlich hat der jungeGatte eg auch recht verstanden, einen ange nehmen, liebenswürdigen Begleiter ab zugeben? Jm Reisen liegt auch eine Llrt Kunst. Herr von Wetikhard ist allerdings ein auffallend hübscher Mann weltgewandten, ganz tadellosen Formen, allein ich fand, er gehört zu den Menschen, die einen kalt lassen und sehr schwer zu durchschauen sind.« ,,Wirtlich, meinst Du, Vetters Ich denke gerade, Fred besitzt eine bestri clende Liebenswiirdigkeih mit der er Jedermann fiir sich einzunehmen ver steht. Nur u wohl begreife ich, daß ein junges ältädchen sich glühend fiir ihn interessiren kann. Seine großen, etwas nmschleierten Augen erinnern michoftan das Sprichwort: »Stil« Wasser sind tief!« Lorle liebt ihn lei enschaftlich,« gab Tassilo lebhaft zur Antwort. »Ja, das habe ich Wahrgenoinmen. Und er?« »Wie sonderbar Du fragst, Jobst! Glaubst Du, ein Mann wie Frei-, der bei seiner gesellschaftlichen Stellung in jedem Hause hätte anklopfen können, wärt-e ein blutarmes Mädchen ge heirathet haben, wenn er es nicht liebte? Nein, mein alter Junge; solch’ ein Lumen an Geist und Ver stand, solch’ hervorragende Schönheit ist nnn Lorle doch nicht: die ist aus lanterster Liebe gewählt. Ja, wäre es noch Ria gewesen, die . . . .« »Vielleicht hätte Deine ältesteSchwe sier auch besser für Wenkhard gepaszt!« unterbrach Graf Rheinsberg den jun gen Mann, wobei seinen klugen Augen ihn scharf fixirten. ,,Ria? Hahahat Darüber könnte ich wirklich lachen! Deren einstiger Gatte muß von älterem Geschlechte sein als der gute Frev. Ich weiß genau, daß es Nia sogar einen schweren-Kampf gekostet, ihn als Schwager willkommen zn heißen; den ....« Tassilo stockte erschreckt, weil er es bei seinen Worten B seltsam spöttisch um des Vetters kund zucken sah. Wahrlich lag es nicht in seiner Absicht, der Schwester zu schaden. Er wechselte daher schnell das Thema und fügte noch etwas ver wirrt hinzu: »Es ireut inm) Docy Iet)r, oa13 Du die Meinigen kennen aelernt hast, weil ich von dem Grundsatze ausgehe: Ber wandte müssen zusammenhalten! Jch betrachte es sogar als ein Unrecht, der gleichen Bande des Blutes nicht gele gentlich auszufrischen oder zu tnlti viren.« »Gewiß, Lolo, darin aebe ich Dir vollkommen recht. Man ist dazu ver pflichtet, von Zeit zu Zeit seine Anver wandten auszusuchen, sich wenigstens um das Wohl und Wehe derselben zu bekümmeran gab Graf Rheinsberg seltsam bewegt zur Antwort. erroundert scharrte der Jüngere in ein männliches Gesicht. Er entgegnete 1edoch nichts, weil der Sinn dieser Worte ihm nicht recht tlar erschien. Als einige Minuten später Beide die Linden entlang gingen, fragte Jobst in theilnehmendem Tone: »Und Du stwhnst noch immer bei jenen Waldenstädt’s? Ich besinne mich daraus, daß Du damals in Alt-Steine » so warm das Wort siir diese Leute ge redet hast.« »Das thue ich auch noch heute! Bei Gott, es find Menschen. die ein besseres Loos verdient hätten,« rief Tassilo er regt. Darauf erzählte cr dein Vetter von Herrn von Waldenstädt’s unermüdli chrm Fleiße, seinem Ringen nnd Kämper um die Existenz, von seiner vornetnncn Wiirde nnd richtenden Bei scheidenheit, mit welcher er Alles, was nur im Entferntesten an Hilfe oder Unterstützung erinnere, zuriickweise . sprach er von dessen Frau, die von jriih ! bis spät die fleißigen Hände riihre und » das harte Geschick des Gatten in tonli- ’ rer Aufopferung zu erleichtern trachte. Ohne eine Sikbe zu erwidern, war Gras Rhein-dem an des jun en Pei ters Seite fortgeschritten lg dieser geendet, sagte er freundlich, aber ernst: »Du erlaubst doch, daß ich Di ge legentlich besuche, Lolo? Vielleicht inde in) da Gelegenheit, Deine Freunde zu gehen! Fürwahr, sie interessiren mich ereits.« » XI 10. K a v i t e l. Hulde, die kleine, verwachsene Auf wärterin desWaldenstädtschen Hauses, welche auch Tassilos Zimmer zu ver sehen hatte, kauerte vor der qcöffneten Ofentkyür und versuchte ein Feuer an zuzündem Es war ein eisig kalter, düsterer No vem·bermorgen, und der junge Mann, welcher arbeitend am Schreibtische faß, rieb sich die steifen Hände. »Nun, brennt’"5 wieder einmal nicht, jFräulein Hulracheu? Das verflixte nasse Holz —— gelt, ja!« rief er lachend. »Da haben Sie ein altes LineaL wenn Sie der-s anstecken, ge"ht’s soforti« »J, dei)iite, Herr Assessor, seien Sie doch nicht so opulent. Wer den Pfennig ; nicht ehrt, ist des Thalers nicht werth!« entgegnete die Angeredete pathetisch. Die kleine Buckelige liebte es, sich » stets einer gewählten Ausdrucksweise zu bedienen und allerhand Zitate, wel che fie gele entlich aufgeschwpr pas send anzu ringen. ,,Schenken Sie das Ding lieben den« Jungens, die haben ein viel schlech « teres,« fügte Hulda abwehrend hinzu Tassilo beugte sich tiefer über fein Manuskript herab. Eine Blutwelle war ihm in die Stirn gestiegen, da es i n ftets peinlich berührte, wenn der - r muth seiner Hauswirthe Erwähnung gethan wurde. Jndeß hatte Hulda diese Bemerkung völlig unabsichtlich gethan. Sie war eine gute treue Seele, welche für die Waldenftädt’s durchs Feuer ging. Mochte der Sonntaqsbraten auch noch so klein ausfallen, Hulda bekam stetsl ein Stück davon, und gar manche Tasse des duftendem braunen Trankes, von »Maus« kredenzt, rann in ihre ewig kaffeedurstige Kehle. »So —- nun brenni’s! Sehen Sie, Herr Assessor. Man muß nur Geduld haben. Geduld, Vernunft und Zeit macht möglich die Unmöglichkeit!« fügte sie lichernd hinzu. »Das halte ich« auch immer dem gnädigen Fräulein Maus vor, wenn sie mir zuweilen ihr eLid klagt oder Dies und Jenes nicht zu Stande bringen kann.« Bei Nennung des verfänglichen Na mens hatte sicy TaLsilos Feon wieder dem Ofen zugewan t. Hulda war ausgestanden und nahm den Kohleneimer in den Arm. »Ach ja, Herr As ssessor, es erbarmt mich oft, wenn i? das hübsche, junge Wesen hier so ver ummern sehe.« »Verkünm1ern? Wieso denn?« fragte er ungeduldig »Na, ich meine nur, im Vergleich zu anderen Fräuleins ihres Standes — lner giebt’s nie einen Spaß, nie eine Landpartie, einen Theaterabend oder dergleichen. Solch« Achtzehnjährige will doch auch mal einen Lieutenant « sehen!« »Was? —- Donnerwetier, hören Sie mal an, Huldachen, meinen Sie, daß ,,Lieutenani5« die einzigen Männer sind, jungen Mädchen zu aefallen?l« rief der Gras in komischem Zorn. Verlegen irippelte die Verwachfene Von einem Beine auf das andere, dann erwiderte sie beqiitigend: »Ich dachte jetzt nur an das bunte Trick-, was doch so in die Augen fällt. Mir ist das Civil schon zehn Mal lie ber, Herr Assessor!« »So — wirklich? Bravo, Huldal Für dieses capitale Wort soll Ihnen das Christkind auch ein neues Winter iaauet bringen!« rief Tassilo höchlichsts amiisirt ,,21oer, Herr Assessor, nein, nein, das wäre so wa3!« »Wie —- Sie wollen keins? Ich dächte, Ihre alte Jacke wäre schon recht diinn und schlecht?« Das treue Geschöpf wurde plötzlich von einem sonderbaren Würgen befal len, als ob ihm etwas im Halse saße, was hinunterzuschlucken nicht gelang. »Ach — Ihnen, Herr Assessor, hat der liebe Gott auch noch mal was ganz Llpartes aufgesperrt. Zeit dringt Ro sen!« sagte sie in dein ihr eigenen Pa thos und schlich leise aus dem Zimmer-. Auch Tassilo’s Züge waren wieder ernst geworden, und ein schwerer Seuf zer entrang sich seiner Brust. Etwas ,,Besonderes« meinte die alte Person! O, er wußte schon, was das Besondere für ihn bedeutete; wußte, warum es ihn jetzt oft so seltsam be seligend durchschauerte. Während jener elf Monate, welche er hier wohnte, hatte ihn zwar schon ost das Gefühl beschlichen, als sei es mehr als Freundschaft undSympathie, als sei es irgend ein geheitnnißvolles Band, das ihn· so gewaltsam zu diesen Menschen hinztehe; allein erst in aller letzter Zeit war ihm recht klar gewor den, daft ihr schlichtes Heim, hoch otben im dritten Stockwerke einer bescheide nen Straße, für ihn das größte Glück auf Erden dara. Es wußte vielleicht selbst nicht ein n.tat,»tv1e der süße Zauber einer an fangltch schlichternen, dann heißen, scl;rankenlosen Liebe iisber ihn Gewalt bekommen; ob der scheue Blick jener ernsten, braunen Augen over Mauritia non Waldenstädt’s rnädchenhafte Zu rucklkaltnng sein Herz bezwungen trtneå aber wußte er sicher, daß das holde Kind mit dem durchaeiftigten Ytadonnengesichtchcn und dem ftir seine gxahre hinaus gesetzter-c Wesen ihm tlteuerer geworden, als-« Alles auf der Welt! tffrthsctnmg folgt.)