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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Dec. 10, 1897)
Sonntags - Blatt Beilage des Anzetgcr und Hemws J. P. W-itdolph, Hermsebw Gran Island, Nebr» den 1(). Dezember 1897. S No. U-, Jahrgang 18. Der Grabengei. — III ren Grinnernngen eines Journaltsten Von Eugen Schmitt 1 Mein College Bartbelmus lam an einem Frühlingsnachmittage ziemlich aufgeregt in mein Bureau und rief: »Du mußt so gut sein und mich für drei Tage vertreten. Jch habe eine dringende Reise vor.« ; »Was ist denn geschehen?« fragte: ich; »Familienangelegenheiten?« »Nein, Dienstangelegenheit. Kann dir aber nicht mehr sagen; es ist tieer Geschäftsgeheimniß. Jst der Chesre dalteur anwesend?" »Ja, er sitzt drüben in seinem Bu reau und verzapst den politischen Leit artilel.« Jm nächsten Augenblick war Bar thelmus wieder aus der Thür hinaus-, und ich widmete mich dem Theil der Zeitung, den ich zu bearbeiten hatte. Es waren dies die Lotalnachrichten und die sogenannten »milden Völker schasten«, wie man im Redaltionsjar gon die Nachrichten aus Provinz und Reich nennt. Barthelmus war unser Kunsttrititer und, nebenbei bemerkt, der liebenswür digste, skeundlichste College, den unser ziemlich zahlreiches Redactionsversonal aufzuweisen hatte· Er war vertraut rnit allen Schlichen und Kniffen des Journalismuö und jederzeit bereit, bald hier, bald dort Hilfe zu leisten, und so konnte er sicher daraus rechnen, daß ihn auch jeder von uns vertrat, wenn er einmal eine derartige Forde rung an uns stellte. Jch begleitete ihn noch zur Bahn, da er mit dem Nachtzuge suhr und ich mit der Redaitionöarbeit fertig war. Kurz vor dem Abschied sagte er zu mit: »Wenn du mir einen heiligen Eid schwörsi, zu schweigen, so will ich dir sagen, um was es sich handelt. Jch gehe, um einen neuen Thorwaldsen zu suchen-« »Wozu denn ?« fragte ich; »es hat ja schon einen gegeben« « T; Melnius sah mich vernichtend an. »Ich meine natiirlich nicht den Bildhauer, sondern eines von seinen Werken.« s »Soviel ich weiß, sind die sämmtlich eingesangen und im Museum zu Ko penhagen eingesperrt.« » »Du irrst dich, es soll sich in dem i mitteldeuischen Städtchen B. ein « werthvolles Werk von Thorwaldsen be sinden.« »Und wer hat dir das mitgetheilt?« »Du weißt, die Kunstnachrichten wachsen nicht wild wie die Brombeeren. Man muß sie sich müklam zusammen bolen, zumal es keine Reporter siir Kunstangelegenheiten giebt. Jch habe mit den beiden Kunsthändlern in un i serer Stadt das Abtommen getroffen, daß ich mir in gewissenZwischenräumen Nachrichten von ihnen holen dars. Sie geben rnir das Neueste, wag sie ersah ren haben, und ich bin ihnen dann wie der durch Ausnahme von kleinen Re klamenoiizen im Feuilleton gefällig. Der eine dieser Kunsxsändler hat vor esiern einen Brief nut folgender An prage erhalten: »Was ist ein echter Thorwaidsen ungefähr werth? Es handelt sich um ein Grabdenkmal. B. Menger.« Der Kunsthiindler hat zu erst geglaubt. die Ansrage sei ein schlechter Scherz. Da aber in Kunst angelegenheiten alles möglich ist, kann sich wirklich in Prioatbesitz, noch dazu aus einem Kirchhof oder in einer Gruft, ein echter Thorwaldsen besin den, von dem die Kunstwelt nichts weiß. Das Wert hätte einen sehr ho hen Werth, und da der Kunsthändler nicht selbst die Zeit hat, um nach B. zu fahren, habe ich das übernommen Denke dir, was es sür ein Aussehen machen würde, wenn unsere Zeitung zuerst die Nachricht von der Aussins sung des Thorwaldsen bringen konntet Jch sa e dir, die ganze Kunstwelt stellt sich au den Kopf-" »Ich gönne das der Kunstwelt sehrx , gern«, sagte ich; »stel) nur zu, das-, buj nicht zum Narren gemacht wirst. Denke gleichzeitig an die Blaniage, wenn wir die Geschichte von der Auffindung des neuen Thortvalbsen in die Welt hin ausposaunen und sich dieser Grabengel — als eine Ente erweist.« « »Du solltest mehr Vertrauen zu inei nern Kunstverständnisz haben!« meinteI Barthelmus getränkt, aber da eben « zum Einsteigen gerufen wurde, eilte er f ohne weitere Worte davon. I Drei Tage waren um« aber Barthel- « us tatn nicht zurück. Arn vierten orgen sragte der Chesredalteur bei: ir, ob ich Barthelmus nicht gesehen. "tte, und ob nicht irgend eine Nach-! icht von ihm eingegangen sei. Jch ußte verneinen, und der Chefredats r bemerkte: »Dann muß er irgend verungliickt sein ; der Mann ist st die Pünltlichkeit selbst· Es wird» ! hoffentlich kein ernster Unfall vortre gen.« Jch sprach die Ansicht aus, daß ich nicht an einen Unfall glauben könne, und meine Ansicht bestätigte fich auch alsbald, indem Mittags ein Brief bei änair einlief, welcher folgenden Jnhalt tte: ,,Lieber Freund! Bereite den Chef fchonend darauf vor, daß ich unter al len Umftänden noch drei Tage Nach urletub brauche. Die beifolgende Notiz nimm änzlich unverändert und in möglichkit auffallender Schrift auf. Bringe fie umgebend und ohne jede Aenderung, du gefährdeft mich fonft. Jch befinde mich hier auf der Hyäneni jagd.'« Da ich genügend von der Naturge schichte gelernt hatte, um zu wissen, daf; in Mitteldeutfchland keine Hyänen herumlaufen, lonnte ich nur anneh men. dafr diefe Bemerkung bildlich zu nehmen fei. Jch begab mich zum Ehrf, und da es gegen meinen Grundsatz ift, Ghefs irgendwie zu schonen, iiberfiel ich ihn ohne weiteres mit der Mitthei theilung das Barthelmus ohne An gabe von Gründen noch drei Tage Nachurlaub haben wolle. Der Chef, der anscheinend wieder unter großen Schwierigkeiten den poli tischen Leitartitel verfaßte, machte ei nen mißlungenen Verfuch, sich fein fpiirlichez Haupthaar zu kaufen, und las dann den Brief,den Bartbelmus an mich gefchrieben lscitc, eilig durch. »Oaben Sie bisher fchon Spuren von Geistesftörung an ihm bemerkt?« fragte er mich dann. »Bis- jetzt noch nicht«, entgegnete ich. »aber fie kommt manchmal ganz Plötz lich.« »Haben Sie den Artikel, den er ein gefchickt hat?« »Hier ist er.« Der Artikel lautete: »Ein neuer Schwindel ist auf dem Kunsiaebiete nufgetaucht, auf welchem in letzter Zeit so viele Gauner mit mehr oder minder Glück debiitirt haben. So wird uns jetzt aus verschiedenen Orten Mittel- und Süddeutschlands, besonders aus G» gemeldet, es seien aus Kirchhoer Co pien von Vildhauerwerten berühmter Meister, von Thorwaldsen, Canova u· s. w., aufgefunden worden, die au genscheinlich in gaunerischer Absicht zu dem Zwecke dort aufgestellt worden sind, bei Leuten, die ein mangelhaftes .t"«iiinstverständnif3 haben, den Glauben :u erwecken, es handle sich um echte Werte der Künstler. Diese Copien sind mehr oder weniger gut angefer tigt und tragen den Namen des be rülimten Künstlers-, von dem sie an geblich herrühren sollen. Der Kniff, solche Copien gerade aus Kirchhofen als Grabdentmäler aufzustellen, mus; als besonders rassinirt und gesährlich bezeichnet werden. Das Publikum sei vor diesem neuen Schwindel ge warnt; es wäre möglichst weite Ver breitung dieser Notiz durch die Tages presse im öffentlichen Interesse sehr er wünscht« . Jch hatte nun leine Veranlassung mehr, das Geheimnifz, das über der Reise des Collegen Barthelmuß schwebte, dem Chefredacteur gegenüber zu wahren, theilte ihm mit, dasz Bar thelmug anscheinend sehr enttäuscht worden sei, und daß sich der echteThor-. waldsen, den er zu finden glaubte, als ein Schwindel erwiesen habe· Eines war ja an der Notiz befremd lich. Barthelmus befand sich in B. und suchte durch die eingesaudtexNotiz den Glauben zu erwecken, daß dieselbe aus G., also aus einem ganz anderen Orte, komme. Jedenfalls hatte er aber zu dieser Aenderung des Ortsna mens seine Gründe« und da er mich dringend gebeten hatte« nichts an dem Artikel zu ändern, ließ ich diesen Na men stehen. Jch wollte ihn auf seiner »Hhänenjagd« nicht gefährden. Jch ließ die Notiz sehr ausfallend, nämlich Pe tit durchschossen, setzen und brachte sie schon im Abendblatt an der Spitze des lolalen Theiles, wo sonst die interes santesten Criminalsälle veröffentlicht wurden. Nachmittags kam ein Bankier, ver mir persönlich bekannt wor, nach den. Redaktionsbureau und fragte, ob der College Batthelmus verreift fei. Unfer College war nämlich in der glücklichen Lage, ein kleines "Lrbtheil zu besitzen das er in guten Papieren bei dem Ban kier angeleqt hatte. »Ist irgend etwas geschehen?« fragte ich. »Ich wollte mich nur überzeugen, daß Herr Barthelmus wirklich verreift ift. Jch habe heute von ihm ein Tele gramm bekommen mit der Aufforde rung. ihm dretkaufendMark in baarem Gelde fofort nach außerhalb, und zwar nach B» zu fenden. Da man ja leicht mit einem Telegrainm betrogen werden kann, herr Barthelmus auch in feiner Wohnun nicht aufzufinden war, komme ich ierber. um en fra gen, oh er sich wirklich in B. befin det.« »Er befindet sich in der That dort, und Sie können ihm unter den nöthi gen Vorsichtsmafzregeln das Geld hin schicken«, sagte ich, und der Bankier empfahl sich dankend. Mir aber wurde die Geschichte immer räthselhafter. Sollten denn in Mitteldeutschland die »Hyänenjagden« so theuer sein? 2. Wieder waren drei Tage vergan gen, als eine neue Depefche von Bar thelmus eintraf, in welcher er noch um zwei Tage Nachurlaub bat. Wie er dem Chefredacteur in der Depesche mittheilte handelte es sich umFamilien angelegenheiten. Der Chefredacteur war sehr erzürnt und hatte die feste Ueberzeugung, bei Barthelmus sei irgend eths nicht rich tig, als er erfuhr, er habe sich drei taufend Mark von seinem Privatver mögen schicken lassen. Der Nachm laub mußte ihm indeß, wenn auch un gern, hewilligt werden, und der Chef sagte melancholisch: ,,Passen Sie auf, wenn die zwei Tage herum sind, tele qraphirt er noch einmal um Nachm laub. Er kommt nicht mehr wieder. Höchst wahrscheinlich erhalten wir aus irgend einem Jrrenhause dte Nachricht, daß er dort festsitzt.« Jch zudte die Achseln. Unser Chef, ein alter Junggeselle, war etwas galli gen Temperaments und sah immer sehr schwarz. Dies-mal hatte er sich denn auch gründlich geirrt. Am Abend des zwei ten Tages traf Barthelmus ein, kam in mein Bureau und fiel mir wortlog - un) den Hals. »Hu nge", ri ief er, »ich have einen; Thorwaldsen gefunden, einen echten, ; wirklichen Thorwaldscn! Aber außer- » dem noch mehr. Jch habe einen Grab engel gesunden und dazu noch einen zweiten, einen lebendigen Engel.« »So, so!« sagte ich, ,,a1so darauf läuft’s hinaus-, alter Freund! Erzähle nur um Gottes willen dein Chef nichts davon· Er hält dich so wie so schon für nicht ganz norinal.« »Er thut mir unrecht und wird mir noch danibar dafür sein, das; ich uns eine Sensationsnachricht ersten Ran ges verschafft habe. Wir werden so gar in der Lage sein, in nächster Zeit das Bild von der echten Statt-e Thor waldsens zu veröffentlichen. Aber es muß noch mindestens achtundvierzig Stunden damit gewartet werden« »Nun erkläre mir aber, liebster Freund, wag hat dich denn veranlaßt, zuerst die Sache als Schwindel darzu stcllenkm « »Gehst du, das war ja die großar tiae Schlauheit von mir! Jcb sage dir, ich habe die Hvane damit getödert und glücklich erlegt. Jch will mich nur rasch beim Chef zurückmelden, dann fahre ich nach Hause, ziehe mich um, und Abends treffen wir uns in un serem Restaurant. Sieh zu, daß du heute rasch mit deinen wilden Völker schasten fertig wirst, und komme dann nach.'« »Ich bin also direkt nach B. gefah ren!« erzählie Bartheliriirs, als wir zufammenfafzm »Ich kam friihzeitia an, und mein erstes war, mich nach dem Schreiber des Briefes-, nach der Person, welche Menger hieß, zu erkun digen. Es gab nur eine Person dieses Namens in B» und zwar ein junges Mädchen im Alter von ungefähr sieb zehn Jahren. Sie batte mit ihrem Vater schon seit ungefähr zwölf Jah ren in B. in einer kleinen Villa am äußersten Ende der Stadt ein sehr zu rückgezogenes Leben geführt, da ihr soeben verstorbener Vater ein großer s Sonderling gewesen war, der mit nie niandem Umgang hatte. Ich begal s mich nach der Villa und fand einc z junge Dame in tiefster Trauer· was i mich an ihr frappirte, war ihre gera i bezu engelhafte Schönheit.« , »Thu mir die einzige Liebe, tverthcx » Freund, und erspare rnir eine Ve schreibung dieser Schönheit; ich neinne sie als genossen an. Verliebte sehen überall Engel.« »Du brauchst nichts zu fürchten; ich würde gar nicht den geringsten Ver such machen, dir diese Schönheit be schreiben zu wollen, denn dafür fehlen mir die Worte, aber ich habe noch nie so viel unfchuldsvolle Hoheit undRein heit gesehen, noch nie so viel Mädchen haften Zauber, so viel. . ." »Du bist auf dem besten Wege, Ver ehrtefterl Denk an unsereFreundschaft, Barthelmus, und daran, daß ich dem »Engel« sehr kühl und objektiv gegen überftehe.« »Gott sei es geklagt, dasz du nicht im Stande bist, dich für ein solch himmlisches Geschöpf zu begeistern, das —« »Vimmel, Mensch! Komm endlich auf den Thorwaldsen zu sprechen und lafz den Cngel.fahren.« Barthelmus nahm sich zusammen, wars mir einen grimmigen unter zu » und fuhr fort: »Die junge Dame — Eugenie ist ihr Name —- legte mir Briefe Thorwaldsens vor, die an ihren Vater gerichtet waren. Aus diesen Briesen ersah ich erstens, daß der Va ter des jungen Mädchens früher Ku stos an der Bibliothek eines mitteldeut schen Hofes gewesen war. Auf einer Reise nach Rom hatte Menger den da mals noch sehr jungen Thorwaldsen kennen gelernt und Gelegenheit gefun den, ihm einen wichtigen Dienst zu leisten. Die beiden schlossen Freund schaft und blieben auch später imBriefs wechsel miteinander. Als Menger kurz hintereinander seine erste Frau und seinen Sohn verlor, schrieb ihm Thorwaldsen einen tröstenden Brief und theilte ihm darin mit, daß er fiir ihn als Zeichen der Theilnahme die lebensgroße Figur eines Grabengels bestimmt habe, die aus dem gemeinsa men Grabe der Frau und des Sohnes Mengers aufgestellt werden solle. Eu genie zeigte mir dann noch einige an dere Briefe Thorwaldsens, dann die Frachtscheine über die Beförderung der schweren Kiste, welche den Grabengel enthalten hatte. von Rom bis G. Dort wurde die Statue auf dem Grabe der ersten Frau Mengers und deren Sohn aufgestellt. Später hat sich Menger entschlossen, noch einmal zu heirathen, und Eugenie ist das Kind der zweiten Frau, die aber ebenfalls kurz nach der Geburt der Tochter starb. Mengcr hat sich dann persioniren lassen und ist von G. nach B. übergesiedelt, woselbst er vor ungefähr vier Wochen starb. «Sind Sie geneigt, diesen Graben gel von der Hand Thorwaldsens zu verkaufen?« fragte ichEugenie Menger, nachdem sie mir ihre Verhältnisse ge schildert hatte. »Die Verhältnisse zwingen mich lis der dazu«, erklärte das junae Mäd chen. »Mein Vater hat außer seiner Pension nichts gehabt, als dies Häus chen hier, in dem ich wohne, und auf welchem noch eine Hypothekenschuid von fünftausend Mark steht. Die Pen sion wird nach seinem Tode nicht wei terbezahlh Schulden waren auch noch da, das Begräbniß war zudem kost spielig —- kurz, ich stände ganz rathlos da, wenn nicht ein Brief meine-s ver storbenen Vaters an mich in seinem Schreibtische gefunden worden ware, in dem er mich auf den Werth der Sta tue auf dem liirchhose in (.D·. aufmerk sam macht und mir rätl), sie einem Museum zum Kauf anznoieien.« »Und weshalb haben Sie jich nicht on ein Museum, sondern an einen Kunsthiindler gewendet-» fragte ich Eugenie »Die Sacke hat eine eigenthiimliche Beic·aiidtnifs3,« ertliiite mir oakz junge Mädchen ,,.5«)·citte ich den Vlies mei nes Vaters-«- frui,er gesunder-, to tatte iiti mich :1ichtvotteiie-.: in oer erireu Befiiirz unq iider meine -«-."i: et »Um zu Schritten cntjchlohe::, ei ich ietzt recht lebhaft heranre. Lber ich iesse allcin und Dertaissen in der Weit da ich bin unerfahren und war ourch Den plotsiichen Tod Dec- Vatcrg wie ge lähmt. So tisade ich einen gtozzen ischter begangen, indem ich den Umo engel verpfiinoete. Die Personlichteit, die mich dazu veranlaßt hat, muß den Werth der Statue getannt haben. Unmittelbar nach dein Tode des Va ters iam ein Mann Namens Grote zu mit, der friilzer Diener an der Biblio tlet gewesen war, die mein Vater als Kruste-s verioaltete. Dieser Geme, der in G. wohnt, hatte auch schon frijter hin und wieder meinen Vater, an den er große Anhänglichkeit zeigte, besucht, und ich kannte ihn daher genau. Ohr trar mir behilflich, die Vorbereitunaen fiir das Begräoniß des Vaters zu tref fen; er lieh mir auch Geld, um die Schulden meines Vaters, deren Bezah lung nach seinem Tode von den Gläu bigern s. fort gefordert tout de, zu decken. Er hat mir im ganzen zwei tausendMari vorgestreckt, und ich lsabe ihm dasitr einen Schein ausgestellt durch den er Ansprüche auf den Grab engel in G. hat.« ,,Witten Sie vielleicht, tote Dieser Schein gelnntet l)at?« »Das weiß idi nicht genau, mein Den-; ich habe einen Schein unter sciricbem aus dessen Jnlxnlt iclj mich nicht mehr entsinnen knnnx Grote lyat sich auch von jenem Augenblick an nicht mehr bei mir sehen lassen, und sein ganzes Benehmen kommt mir jetzt sehr verdächtig vor.« Jch fügte der jungen Danie, daß auch mir die ganze Sache verdächtig erscheir.e, und dafi es jammerscbade wäre, wenn sie sich um ein Vermögen gebracht hätte. Jedenfalls ließ ich mir aber von ihr die Stelle auf dem Kirch lsof in G» wo der Grabengel stand, beschreiben nnd fuhr noch am Nachmit tag hinüber. UnTrreitOlhaft hatte ich es nait einem echten Thorwaldsen zu thun. Auf dem Sockel des uberlebens großen knieenden Engels stand sogar » der Name Thorwaldsens eingemeißelt. l Dieser Grabenaet but einen Werth von über hunderttausend Mart; er ist unzweifelhaft eine der originellsten Schöpfungen Thorrvaldsenå Jm ganzen Kopenhaaener Museum findet sich nicht seines-gleichen Meist sind es Amor, Psycho, Ganymed, die Thor waldsen geschaffen hat, aber nirgends einen Engel. Während ich mir noch die Siatue betrachtete, tam ein Mann, der ungefähr wie der Todtengräber aussah, und stellte sich neben mich. ; »Das ist eine selteneStatue,« meinte s er. »Sie soll sehr viel werth sein; sie ist von dem berühmten Künstler Thor- ; waldsen.« J Jch hatte den glücklichen Einfall, dein Manne zu antworten: »Sie irren ; sich,«es ist nur eine Copie; das Origi- . nal dieses Grabengels habe ich im Museum zu Kopenhagen erst vor eini- - gen Wochen gesehen; es ist aber nicht einmal eine Copie von Thorwaldsens Hand, sondern von irgend einem seiner i Schiiler.« »So, so,« sagte der Todtengräber, wie es schien, sehr erstaunt, »also ist die Figur nicht echt; ich dachte immer, sie wäre aus wirtlichem Marmor.« »Aus Mormor ist sie schon,« sagte ich dem dummen Kerl, »aber darin steckt nicht ihr Werth, sondern daß sie l selbst von der Hand des berühmten KünstlersThorwaldsens gemeißelt sein soll. Das ist aber nicht wahr. Wer hat Jhnen denn gesagt, daß die Sta tue so werthvoll ist?« »Ein Herr war hier mehrmals auf dem Kirchhofe und hat sich sehr um die Statue bekümmert. Es ist ein ge wisser Grote, ein früherer Beamter. Jch habe im Reqister nachschlagen müssen, wer der Besitzer der Grab stätte und dadurch auch des Graden- ! gels ist. Es hat sich nun herausge stellt, daß dies der frühere Professor Menger ist, der in B. wohnt und jetzt auch verstorben sein soll. « »Dann hat sich dieser Herr Grote gewaltig verrechnet, wenn er sich so fiir die Statue interessirt,« sagte ich. »Das Ding ist höchstens fünfhundert Mark wertb: ich muß das verstehen, ich bin nämlich selbst Kiinstler.« Barthelmus hielt in seiner Erzäh luna inne nnd lachte unbändig. »Siebst du, Junge, so schlau bin ich qetrescn,« rief er mir dann zu, »und du glaubst nicht, was ich alles durch meine Schlauheit erreicht habe. Ich fubr noch an demselben Abend nach V zuriiet und gina am nächsten Morgen zu sinaenie Meine erste Fraae war. ob sie Grote etwa den Brieswechsel des Vaters mit Thorwaldsen gezeigt habe. Eugenie verneinte. »Dann kann noch alles gut werden,« tröstete ich sie, denn mein Plan war schon gefaßt. Man ist doch nicht um sonst ein alter, mit allen Hunden ge betster Zeitungsmensch. Jch wollte der Hyäne ihren Raub schon wieder ab jagen. Jch sagte also zu Eugmie: »Dieser Grote hat Jhre Unersahren heit benutit, um Sie zu betrügen. Dadurch, daß Sie ibm die Statut für sein Darleben verschrieben, haben Sie Ihre Rechte darauf aus den Händen gegeben. Der Mann verdient ein Ver mögen, und Sie bekommen nicht einen Pfennig. Ob ein Proceß Jhnen etwas niitzen würde, ist sehr zweifelhaft« Engenie war sehr bestürzt, ich aber srlkrsor ibr zu, ich wolle alles für sie tl,1!n, was in meiner Macht stünde, nnd wolle ihr wieder zu dem Besitz der Statue und zu dem Vermögen, dag dieselbe bei einem etwaigen Verlauf einbringen werde, verlfelfen.« »Habt ihr euch bei dirs-er Gelegenheit nicht gleich miteinander verloth« sraate ich dazwischen. -.« »s. ,,Jcclll, IIULU HlLstl Uklsclaslc BUT tlielmu5. »Du tl«,äteft besser, deine srivolen Bemerkungen fijr dich zu be halten angesichts meines Erfolge-Z. Siehst du, ich bin diabolisch schlau ge nesen, ich habe sofort an dich die tho tiz geschickt, daß sich zahlreiche ge salschte Statuen vorfanden. Jch wußte, daß ich damit dem Gauner, dein Grote, einen groszen Schrecken ein jagte. Leute, wie dieser Grote, geben selyr Viel auf Gedrucktes; wasv gedruckt ist, das glauben sie. Außerdem halse ich mich nach G. begeben, habe dort dem Collegen vom Lokalblatt einen Besuch gemacht und ihn gefragt, ob er nicht im Kunstinteresse einen Artilcl itoer die gefälschte Statue auf dein Kirchhof aufnehmen wolle. Da ich mich als Sack-verständiger und Kunst tritiler einführte, war der College na tiirlich sofort bereit, den Artikel auf zunehmen, zumal ich für denselben nichts forderte. So erschien auch im Lokalblatt unmittelbar nach der No tiz in unserer Zeitung die Nachricht, dasz der Thorwaldsen gefälscht sei, daß es sich lediglich um eine schlechte Copie handle, deren Werth auf höch stens dreihundert Mart anzuschlagen sei. Unterdes hatte ich mir von mei nem Bankier Geld schicken lassen und harrte in B. bei der jungen Dame der Dinge, die da kommen sollten. Und-richtig, die Hyäne ging in die Falle. Schon am nächsten Tag gegen zui mag tam Grore angefahren und bat um eine Unterredung mit Eugenie. Ohne daß er es wußte, war ich Zeuge derselben im Nebenzimmer. Jch ver sichere dir, die Sache war hochkomifch. Die Hyäne krümmte sich und ging in großem Bogen auf das Ziel zu. Der Kerl glaubte natürlich, das jungeMäd chen sei noch genau fo unerfahren wie früher; er klagte ihr, er brauche drin gend Geld, und fragte sie, ob sie nicht geneigt fei, ihm anstatt des Anrechtes auf den Grabengel für sein Darlehen eine Hypothek auf die Villa zu geben« Eugenie verneinte. Dann versuchte er, sie moralisch zu beeinflussen, in dem er sagte, sein Gewissen fühle sich bedrückt, weil er ein Grabdenkmal, das doch einem Todten gehöre, in Pfand genommen habe. »Wie Sie wissen, Fräulein,« setzte er noch hinzu, »l)abe ich ja den Grabengel nicht von Ihnen gekauft, Sie haben ihn mir nur Verpfändet, nnd eventuell müssen Sie mir das Geld zurückzahlen, wenn ich es brauche.« Eugenie war Von mir vorher unter richtet worden und handelte genau danach. Sie fragte-. ,,Haben Sie die Quittung über die zweitausend Mark bei fich?« und als Grote bejahte und die Quittung hervorzog, nahm sie ihm Eugenie aus der Hand und legte ihm zu seinem Erstaunen sofort zwei Tau sendmarkscheine auf den Tisch. Jn diesem Augenblick trat ich aus dem Ne benzimmer und nahm die Quittung aus Eugeniens Händen. Mit einem Blick sah ich, daß ich mich in meiner Annahme nicht getäuscht hatte. Die Statue war verkauft, und kein Pro ceß der Welt hätte dieer Kauf rück gängig machen können. i l. I. Grote steckte zogernd die zwei Tau sendmarkscheine ein und sagte: »Ich bekomme noch Zinsen.« Jch warf ihm noch einen Fünszigmarkschein zu und riß dann vor seinen Augen die Quit tung in kleine Fetzen. Der Kerl machte ein ganz dummes Gesicht, schüttelte den Kopf und ging davon. Die Sache war Viel leichter gegangen, als ich ber mutlket hatte. Die beiden Zeitungs artikel hatten ihn ängstlich gemacht, und er war uns ohne Weiteres in das Garn gegangen. Jch war darüber so vergnügt, daß ich Eugenie beim Kopf nahm und sie küßte· Darüber war sie natürlich entrüstet, und ich konnte sie nur damit beruhigen, daß ich erklärte, ich würde diesen Kuß als einen Verlo bnngskuß betrachten, wenn sie nichs dagegen hätte. Du weißt ja, es war immer mein Grundsatz: Frische Fische, gute Fische. Schließlich gab sie ihr Schmollen aus, und so verlobten wir uns denn in aller Heimlichkeit; du bist der einzige Mensch, der etwas davon weiß. Mit Rücksicht aus den Tod des Vaters Eugeniens wird die Verlobung erst in einem Vierteljahr bekannt ge macht werden, und in einem halben Jahre ist die Hochzeit. Jch habe die Statue vorläufig einem amerikani schen Museum zum Kan angeboten, denn die Ameritaner haben für solche Sachen viel mebr Geld als unsere Mu seen. Jch hoffe ein hübsches Vermögen fiir uns herauszuschlagen. Nicht wahr, meine Zeitungsnotiz hat dies mal was eingebriictitl« Jch gratulirte dem schlauen Bar tl)elmus, und wir leerten noch eine Flasche Rheinwein auf die beimliche Verlobung u- « Gin halbes Jahr später war Bar thelmns glücklich mit derjungen Dame verheirathet. Aber mit der Statue er lebte er doch noch eine klein-e Enttäu schma. Es stellte sich nämlich heraus, das; der Thorwaldsen wohl echt, aber nicht einzig in seiner Art war, da sich drei derartige Grabengel, sämmtlich von Thorwaldsens Hand herrührend, vorfanden. An jedem der Werke war eine lleine Abweichuon in der Auffas sung, und nur um dieser Willen kaufte das Museum in Kopenhagen den Grabenael schlieszlich für 80,000 Kro nen. Wären nicht noch zwei Copien dieses- heriihmten Wertes vorhanden aewesen, so hätte der Preis wohl das Dreifs·:che oder noch mehr betragen. Nartlrelmns erklärte sich auch rnit die ser Lösung Zufrieden und machte mich nur dadurch äraerlich daß er rnir J ein-es Tages allen Ernstes einreden « wollte, er habe den Grabenael von An sana an siir eine Copie gehalten. Be : preis dafiir wären ja die beiden Zei t:masartitel, die er damals geschrieben . hätte. Als-er so sind die Kunstkritiker ! --« —— Zwei Spitzbubem Der Advocat Ferkelstecher hat einen Kassis rer, der der Untevschlagung einer Million angellagt war, vertheidigt und der Angeklagte ist freigesprochen wor den. Der Advvcat liquidirt 825,000; aber der Freigesprochene schickt die Honoraasorderung mit dem Bemerken zurück: »Seht geehrter Herr! Sie hät ten mir vorher sagen sollen, daß Sie den Raub mit mir theilen wollte-W