Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 10, 1897, Sonntags-Blatt., Image 14

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    «ie Piraten.
Roman von Ungarn Clarte Rusiell.
(10· Fortsetzung-s
St nahm seinen Muth zusammen
d ging die Treppe hinab. Unten an
regt, wurde ihm doch ein wenig
ums Herz. Er war ein Hagestolz,
« « seines Lebens größten Theil auf
- « See zugebracht, kannte von Frauen
ihren Eigenschaften nur wenig
fühlte sich stets nervös und be
i men in ihrer Gesellschaft. Zögernd
··herte er sich jetzt der Thür der Kam
, in welcher sein Schützltng lag,
» - fast erschrocken fuhr esr zurück, als
It dem Blick von einem Paar großer,
Karzer Augen begegnete. Die junge
. me hatte sich bereits soweit erholt,
H sie, wenn auch noch bleich. so doch
M wieder lebensfrisch aussah. Sie
W ganz in Decken gehüllt, so daß nur
II Kva sichtbar blieb. Der Steuer
M hatte ihr Haar zu trocknen ver
IHQ jedoch ohne sonderlichen Erfolg;
« immer lag es wie Schlangenge
l auf Pfühl und Schultern. Der
· « i mander verneigte sich; die junge
XI me erwiderte den Gruß mit einem
» ln, das zwei Reihen weißer Zähne
j- »Jch bin der Befehlshaber dieser
Brigg Madam,« sagte er; ,,mein Name
D oldock, von der Königlichen Ma
khtr. Jch bitte um die Erlaubiß, mich
stach Jhrem Befinden erkundigten zu
Wesen«
- »Ich danke Jhnen,« antwortete das
Mädchen »Ich fühle mich besser und
» . serde gewiß Morgen schon wieder ganz
gesund sein.«
»Das freut mich,'« versetzte er, ,,noch
Ti- kenne. Sie sind dureh ein reines Wun
drt dem Leben erhalten worden!«
Er setzte sich nieder.
«Mir ist wie ein Traum,« sagte das
Mädchen leise.
, Jesuiten Sie sich erinnern, wie alles
- zugegangen ift2«
l
l
l
H
i
!
sksurehr freut es mich aber, daß es uns ;
vergönnt war, eine Landsmannin zu s
.««« retten, was ich an Jhrer Sprache er- .
»Ja,« antwortete sie, »ganz genau-—
Fug genau.« Ein Ausdruck tiefen
tauens zeigte sich auf ihrem Antlitz.
«Q Gott, es war schrecklich! So un
xbarmherzig, so teuflisch, teuflisch grau
jsami —- Soll ich Ihnen erzählen s«
»Wenn ich bitten darf — das heißt,
Kur wenn Sie sich kräftig genug füh
Tlen,« sagte der Commander.
«Zunächft möchte ich gern erfahren,
welche Art von Schiff dies ist und in
welchem Theil des Oceans wir uns be
finden.«
"«Sie sind hier an Bord eines Ver
messungsfahrzeuges, der Brigg »Wel
lesleh«; dieselbe gehört nach Sydneh
Und ist Eigenthum der Regierung. Jch
bin ihr Co.mmander. Wir befinden uns
gegenwärtig auf einer Expedition im
Großen Ocean, um die Lage einiger
vUntiefem Klippen nnd Eorallenriffe
festzustellen, die neuerdings einer An
zahl von Schiffen verderblich gewor
den sind, weil sie in den Karten nicht
verzeichnet stehen. Shdney liegt etwa
vierzehn Tagereifen entfernt.«
Sie hörte aufmerksam zu; ihre schö
nen dunklen Augen derriethen volles-.
Versiändniß.
»Mein Name ift Margaret B"ianiel,«
begann sie nunmehr. Boldock machte
eine Verbeugung. »Ich bin von Ver-if
Gouvernante,« fuhr sie fort, »und kam
als solche vor zwei Jahren nach Au
stralien, in der hoffnung, dort ein bei
seres Fortkommen zu finden, als da
heim. Jch wurde jedoch enttäufcht,
mußte trübe Erfahrungen machen und
begab mich daher vor etwa zweiWochen
wieder auf die Heimreise und zwar an
Bord eines Schiffes genannt »Queen'«.
»Kenne ich,« nickte Boldockz »eine
Bari. Der Schiffer heißt Benson.
Kenne alle beide.« —
»Unter den Passagieren,« erzählte
Miß Manfel weiter, »waren zehn Her- ;
ren; sie bildeten den überwiegenden
Theil der Cajiiispassagiere. Vom er- ?
sien Augenblick an erschienen sie mir
auffällig, unheimlich; ich konnte niir J
keine Rechenschaft geben, weswegen, s
aber sie kamen mir verdächtig vor, und ’
fo mußte ich sie unwillkürlich beobach- t
ten, ich mochte wollen oder nicht. Der !
Gedanke, daß sie mit einem bestimm- !
ten, unlauieren Pian an Bord gekom- »
men seien, wollte mir nicht aus dem I
Kopf. Jch bemerkte bald, daß auch der :
Capiiiin diefe Leute bearawöhnte, er !
fand jedoch kein-e Handhabe gegen sie
Einer von ihnen ein orientalifch aus- »
stehenden bruialer Mensch, war mir
besonders widerwäxtig; er nannte sich
Diie Caldwell.'«
«ha!« rief der Commander mit ei
ner Stimme, die aus den Tiefen feiner
Seele zu kommen fchien.«
»Was isi?« fragte die Miß, ihren
Topf aufrichtend.
»Bitte fahren Sie fort,« sagte Bol
doch
»Ein anderer hieß Mark Davenire,
ein großer, nngefchlachter, gefährlicher
Mann Für den Anführer dieser zehn
glaubt n- ,obsleich diese Annahme ei
M
einander anfänglich ganz
· fte erbrochen und
Männer habe ich immer den Haupt
Iaun Trolkvp heilten zu müssen ge
ich durch nichts bestätigt wurde.
Leute waren sehr vorsichtig, sie
fein, nnd ihre Unterhaltung
.- New , its-ei- uin die
« « · - .Jn einer Nacht
« - rissan
s sz änniniandey
—
können sich denken, wele Schrecken
diYe Nachricht unter uns allen hervor
ri . Capitiin Benson ließ die Kam
mern untersuchen, es fand sich jedoch
nichts. Haben Sie schon jemals so et
was gehört?«
»Noch niemals!« versetzte Boldoct.
»Das scheint mir die außerordentlichite i
Geschichte zu werden, die sich je aufs
See zugetragen hatt«
Ein mattes Lächeln der Erschöpfung
spielte aus den Zügen der jungen
Dame. .
,,Erholen Sie sich ein wenig, Miß,«
sagte der Commander, sich von seinem
Sitze erhebend. »Ich bin sogleich wie
der da.«
Mit sorglicher Hast ging er in seine
Cajiite, holte eine Flasche Madeira
aus einem Kasten, schenkte ein Glas
voll, kehrte damit zurüa und präsen
tirte es der jungen Dame, die jedoch
aus erklärlichen Gründen nicht im
Stande, war, ihre Arme frei zu ma
chen. Boldock stand, die Situation
schnell erkennend, rathlos und verlegen
vor ihr, das Glas, den Schiffs-bewe
gungen entsprechend, in der erhobenen
Faust balancierend. Die Miß aber biß
sich tief erröthend auf die Lippen und
wußte in ihrer Verwirrung nicht, wo
sie mit den Augen bleiben sollte.
»Da gibt’s nur einen Ausweg,'« rief
der wackere Seemann endlich kurz re
soloirt. »Gestatten Sie mir, Miß.«
Damit kniete er nieder, schob den
linken Arm zart unter ihren Kopf und
führte ihr so das Glas an die Lippen.
Der Trank erquickte sie sichtlich. Zu
frieden mit seinem Wert sehte er sich
wieder aus seine Kiste, und Miß Ma
garet fuhr in ihrer Erzählung fort:
»Es muß gestern Abend gewesen
sein —- ich bin mir allerdings nicht
ganz klar darüber. Haben Sie eine
Jdee davon, wie lange ich wohl im
Wasser gewesen sein konnte, als Sie
mich erretteten?«
»Meine: und meiner Leute Ansicht
nach nicht sehr lange; nur wenige
Stunden.«
»Dann wird es also gestern Abend
gegen zehn Uhr gewesen sein.« Sie be
richtete nun, was dem Leser bereit-Z
bekannt ist, wie sie sich, um Kühlung zu
finden, am Fuße des Großrnastes nie
dersetzte und wie sie dadurch in die
Lage karn, Patrick Weston und Dile
Caldwell zu belauschen und so das
Geheimniß der Zehn zu erfahren. »Ich
war auf das höchste erschrocken,« fuhr
sie fort. »Muth und Besonnenheit
waren nie meine starte Seite. Jch
meinte, daß diese Raubgesellen mich
auf der Stelle umbringen würden, s
wie sie erfuhren, daß ihr Plan mir be
kannt geworden war. Jch fragte mich,
ob ich zu Capitän Benson gehen unI
ihm sogleich alles mittheilen sollt-.
Aber wie, wenn er mir nicht glaubte?
Oder wenn er die Nacht verstreichen
ließ, ohne etwas zu thun? Oder wenn,
trotz meines Zeugnisses, den Schelmen
nicht beizukommen war und diese sich
doch noch des Schiffes bemächtigten?
Dann war ich erst recht verloren. Jch
suchte meine Kammer auf, um Ord
nung in meine ganz verwirrten Gedan
ten zu bringen und den Morgen abzu
3 warten. War das richtig, Capitän
Boldoth Oder hätte ich anders han
deln sollen?«
»Sie mußten ohne Zögern direct
zum Schiffer gehen,« antwortete der
Commander. ,,Seine Sache wäre es
gewesen, Sie zu beschützen. Warum
sollte er Ihnen denn nicht Glauben
schenken? Die Plünderung der Waf
fentifte und Jhre Mittheilung waren
vollständig hinreichend, jede Gewalt
maßregel gegen die zehn Piraten zu
rechtfertigen.«
»Die müssen übrigens bemerkt ha
ben, daß ich hinter dem Mafte saß und
sie belauschte.«
»Seht wahrscheinlich,« nickte Bol
doch
f »Ich weiß nicht, wie spat es zerge
» sen sein mochte,« nahm die junge Dame
l ihre Erzählung wieder aus, als plötz
i lich leise an meine Kammerthür ge
s klopft wurde. Jch lag in der Koje,
» war aber völlig wach. Die Aufregung
i ließ mich nicht schlafen, und das leiseste
) Geräusch jagte mir einen Todesfchreck
s ein« Dachte ich doch immer, daß das
s Schiff schon in dieser Nacht von den
s Räubern genommen werden würde.
’ Auf das Klopfen fragte ich, wer da
sei und was man von mir wolle. »Ich
bin’5, Miß,« antwortete eine undeut
s liche Stimme. «Triclel, der Steward.
I Capitän Benson läßt Sie bitten, doch
sogleich zu ihm in seine Cajüte zu
lommen. Er hat nothwendig mit Ih
nen zu reden.« Jch brachte diese Auf
forderung ohne weiteres mit dem ir:
Verbindung, was ich erlauscht hatte;
in der Hast überlegte ich gar nicht, daß
er ja davon noch nichts wissen konnte.
Jch stand auf, warf meinen Schlafrock
über und öffnete die Thür. Jn dem
selben Moment war ich gepackt und ge
tnebelt. Jch versuchte, mich zu wehre::,
aber nicht lange, denn die Sinne
schwanden mir, und ich erwachte erst
wieder hier unter Jlner gütigen Ob
hut. Gott vergelte Ihnen, was Sie an
mir gethan,« schloß Miß Mansel be
wegt.
Boldock schwieg eine Weile, als
müsse er das Gehörte erst in seinem
Innern zurechtstauen. Dann sagte er:
»Erstaunlich, höchst erstaunlich !
Sollte man so etwas für möglich
haltean
Jeßt gewahrte er, daß der jungen
Dame Tbriinen über die Wangen lie
fen-leisem migiibläggåherz erkannte
, was «er « wann ging
It it in feine Cajüte nnd kehrte mit
eine- Isrvtien landete- Solche-such
l
zurück. das er neben ihrem Kopf auf
das Kissen legte.
»Ich werden Jhre Kleider zur
Combiife schicken, wo der Koch sie zum
trocknen aufhängen soll,« bemerkte er
dann. »Das wird nicht lange dauern.
Wenn ich nicht irre, haben Sie kein
Fußzeug Einer von meinen Maiw
sen soll Jhnen ein Paar Pantoffeln
aus Segeltuch anfertigen.«
Er suchte die Gewänder zusammen,
in denen das arme Geschöpfchen an
Bord getommen war, verabschiedete
sich mit einer Verbeugung, von welcher
Miß Margaret jedoch nichts gewahrte,
da sie das Antlitz zuaedrebt hatte. und
verfügte sich an Deck.
Als der Commander aus der Cam
panjelule aufstieg, mußte der Mann
am Ruder sich auf die Lippen beißen,
um ein Grinsen zu unterdrücken; trotz
dem verzog die wettergegerbte Haut sei
nes Gesichte-Z sich zu tausend Fältchen,
in denen die Augen glitzertem wie
Thauperlen in einem Spinngewebe.
»Hier, Mr. Hardy,« sagte der Schif
fer in seiner tiefsten Stimmlage, »m
« sen Sie, bitte, einen Mann und lassen
» Sie dies Zeug zur Combiise tragen.
Jn einer Stunde tann es gut trocken
; fein, meinen Sie nicht auchi Die
I Dame braucht es dringend.'«
Der Steuermann wars einen re
spectvollen Blicl auf seinen Vorgesetz
ten und gröhlte dann den Namen
eines Matrosen. Der Gerusene er
schien, nahm die Kleidungsstiicke mit
unbeweglichemGesicht in Empfang und
ging damit nach vorn.
Schiffer und Steuermann begannen
auf und ab zu spazieren, wobei der Er
stere haarklein alles berichtete, was
Miß Margaret ihm erzählt hatte.
»Das tann nur die Bart sein, die
mit der reichen Goldladung in See ge
gangen ist,« sagte hardy, der mit
wachsendem Erstaunen zugehört hat-X.
»Sie sollte eine Woche vor uns auslau
fen, wurde aber aufgehalten, weil ihr
Matrosen fehlten. Sie kann nicht weit
von uns sein, weil die junge Dame
nicht lange im Wasser gewesen ist.··
»Nichts in Sicht,« warf Boldock bin.
. »Eine verwegene, abgefeimte
Bande-—!« rief der Steuermann, ste
hen bleibend und tief Athem holend.
» »sehr! Mann hoch! Aber ich wußte es
ja gleich; sowie ich den Knebel ge
wahrte, da sagte ich mir, daß biet
Piraten die Hände im Spiel haben
müßten.«
»Wenn Mtjz Mantel ihre Idranen
getrocknet und sich angetleidet bat,
dann wird sie uns vielleicht näheres
über den Plan der Schurken mitthei
len tönnen," nahm der Commander
wieder das Wort. »Ihr Gedächtnis
ist noch ein wenig unllar. Mir ginge
es auch nicht besser, wenn man mich
halb erstickt und ersäuft aus dem Was
ser gezogen hätte. Wenn ich erfahren
kann, wohin die Räuber das Schiff zu
bringen beabsichtigen, dann mache ich
mich an die Berfolgung.«
Er unterbrach seinen Gang und be
trachtete den Natur-fänden das ein
zige Geschütz, das et an Bord führte-.
Dann überflog sein Auge die Zahl und
die Beschaffenheit der auf dem Vordert
beschäftigten Mannschaft.
»Wir haben jetzt zwar Friedenszei
ten,« sagte er, stillvergnügt die Hände
reibend, »aber Prisengelder kanns
dennoch geben, wenn man nur Glück
hat. Dreimalhunderttausend Pfund,
glaube ich, sagte sie. Mächte bloß mein
Gesicht sehen, wenn mir so fünftausend
Pfund Bergelohn auf den Tisch gezahlt
würden —- hohohoi Und Sie, Steuer
mann, würden auch Jhre Fassung
nicht verlieren, wenn man Jhnen ,mit
zweitausend Goldfiichsen unter die
Arme griffe — was, alterSeefreund?«
Der Steuermann ticherte nicht min
der vergnügt, als fein Befehlshaher;
es larn nicht oft vor, daß Commandcr
Boldoct so fcherzhaft wurde, wenn er
auch jederzeit das Wohlwollen und die
Güte selbft war. Der wechseloolle
» Dienst hatte ihn auf diese tleine Brng
; verschlagen, wo die ihm unterstellte Be
s mannung nur aus einem Steuermann,
einem Bootsmann, zwölf Matrofen
und dem Koch — einem Mulatten —
bestand. Seine Natur war anders-, als
die des Capitän Benson, der sich im
Gefühl seiner Würde gern zu ifoliren
pflegte, und so hatte er sich aus dein
Steuermann hardh nicht nur einen
Tischgenossen, sondern auch einen ver
trauten Gefährten und Freund ge
schaffen, einen Vorzug, den diefer red
liche Seefahrer gar wohl zu würdigen
wußte. Sie promenirten rnit einander
an Deck, sie tauschten Erinnerungen
aus, und so versprach dieVerrnessung5
fahrt nach den Gegenden unter dem
157. Grad weftlieher Länge und dem
84. Grad füdlicher Breite einen recht
angenehmen Verlauf zu nehmen.
»Es ift recht fehade," fing der Corn
wander wieder an, »daß unsre Mi sz :
nicht vollständiger mit Toflette vers-—- «
hen ift Wir müssen fehen, wie wir «
uns da helfen können. He, Johnsonl«
rief er, winkend die Hand erhebend.
Ein Matrose lam eilig achtet-aus ge
tradi.
»Johnfon!« redete der Commander
ihn an, «lönnt Jhr Schuhe aus Segel
tuch mache-ci«
»Jawvhl, Euer Ehrenk«
,,.Gut Setzt Euch sogleich hin und
verfertigt einPaar fiir die junge Dame,
die wirll aus dem Wasser errettetenf
efehehen, Euer Ehren.
mumß der aszarne aber zuvor Maß use-te
erdai gehtvzi -—- das geht nicht,
t ein Paar Knaben
edite- das wird genügen«
- I
Der Mann salutiere und wollte
gehen.
»Noch eins,« hielt der Schisser ihn
aus. »Ihr habt eine geschickte hand
mit der Itadeh wie ich yore.- Unsre
Miß braucht auch eine Kopsbedeckuicg.
Wie wär’s, wenn Jhr eine Art von
runder Mühe, so eine —- na, Jhr wißt
schon — siir sie machtet?«
»Das lönnte ich schon, Euer Ehren,«
antwortete Johnson. »Ich könnte ihr
sogar eine richtige Ausstattung nähen,
) und zwar in drei oder vier Tagen,
s wenn ich so lange von der Wache frei
läine.«
»Wie denkt Jhr Euch solch’ eine
Ausstattung?« forschte Bvldock, wäh
rend Hardy den Matrosen neugierig
beiiugeltr.
»Ein Kleid, ein Jaquet und zwei
Unterröctr. Jch würde dazu das neue
Bramtuch aus der Segelioje nehmen«
»Ehe Jhr zur See gingt, waret Jhr
Schneider, nicht so?« fragte derSteuer
mann. -
Der Mann nickte grinsend.
Dem Schisfer leuchtete Johnsons
Vorschlag ein.
»Gut,« sagte er. »Nehmt von dein
Bramtuch so viel Jhr wollt und setzt
Euch sogleich an die Arbeit. Von den
Wachen seit Jhr bis aus weiteres dis
pensirt.«
»Ohne Maß zu nehmen ist das aber
nicht zu machen,« bemerkte der Ma
trvse.
»Ihr sollt der Dame Maß neh
men, aber nicht zu den Schuhen. Die
dringt Jhr mir morgen früh, ver
standen?«
»Ja wohl, Euer Ehren.«
Der Mann trabte, höchlichst er
freut durch diesen Austrag, wieder »
nach vorn, wo die andern schon daraus l
brannten, die Neuigkeit zu hören.
Boldock und der Steuermann setzten
ihre Promenade und zugleich die Un- «
terhaltung über die Erzählung des
Mädchens sort.
Die im Nordwesten sinkende Sonne
erfüllte Himmel und Meer mit feuriger
Gluth; der Wind war so stau, daß er
die Segel des sich träge vorwärts schie
benden Fahrzeuges kaum zu stillen ver
mochte. Nach einiger Zeit kam der
farbige Koch aus der kleinen Com
biise; er brachte dem Steuermann die
getrockneten Kleidungsstückr. Der be
fühlte dieselben prüfend und trug sie
in die Cajiitr. Hier kaltete er Stück
siir Siiick sauber zusammen, dann ;
nahm er den Hut ab und klopfte an?
die Kammerthiir. Man hieß ihn nä
her treten. Es war schon beinahe fin
ster hier unten; er zündete die Wand
lampe an, trat mit einer Verbeugung
an die Coje heran und fragte nach dem
Befinden der jungen Dame.
»Ich danke Jhnen,« versetzte Mifz
Mantel freundlich. »Ich habe ein
wenig geschlafen. Bringen Sie mir
meine Kleider?«
Hardh bejahte dies und legte den
kleinen Packen vorsichtig zu ihren Fü
ßen in die Cose.
Daraus verneigte er sich nberma!f3
und sagte, er werde in einer halben
Stunde wiederkommen und ihr ein
Paar von seinen eignen. ganz neuen
Schlafschuhen bringen. Sie bat ihn
noch um verschiedene Gegenstände —
um Handtücher, Kannn und Bürstc
und ähnliches mehr ——und er war
überglücklich, ihr dienen zu können und
ihre dunklen Auaen in Freude und
Dankbarkeit erglänzen zu sehen.
14. Capitel.
Der Obersteuermann.
Während der Nacht wurde an Bordj
der Brigg ein scharfer Auaguck gehati T
ten. Boldocl war der Meinung, daß«
die »Queen« höchstens dreißig oder»
vierzig Seemeilen von dein »Wellesley«
entfernt sein lönne, und zwar gerade
voraus, was sich aus der Richtung er
gab, in der man daH schwimmende
Mädchen angetroffen hatte.
»Wie steht’5 mit unsern Handwerk
sen, Stubbins?« fragte am nächsten
Morgen der Commander seinen Boot-H
mann.
»Die Wilden auf den Jnfeln sollen
bald werten, daß es uns daran nicht
fehlt,« lachte der Bootsmann
»Wir haben ein Dutzend Mustetctt
und zwei Dutzend Seitengewehte an
Bord, war’s nicht so?"
»So war's,« nickte Stubdins.
»Nicht an die Wilden dachte ich bei
dieser Frage,'· redete der Commander
weiter. »Ich habe Jhnen etwas zu er
zählen, Bootsmannz eine der merkwür
digsten Geschichten, die sich je auf See
zugetragen. Alle Mann müssen diese
Geschichte erfahren. Wahrscheinlich
werde ich genöthigt sein, demnächst den
Curs zu ändern. Es ist mir die
Kunde von einem unerhörten Seeraub
zu Ohren gekommen. Es gilt, das
Leben einer Anzahl von Passagieren
und eine werthvolle Ladung von un
gemünztern Golde den Händen einer
Bande von vertommenen Subjecten,
dem Auöwurf der Diggings, zu ent
reißen, ihnen auch ein gutes Schiff
wieder abzunehmen. Welch’ ein Ge
lichter das ist, dafür zeugt die Be
handlung, die die Schelme der jungen
fDame angedeihen ließen, die wir ge
stern früh aus der See ausfischten.
Gelin t das Unternehmen, dann ist
das terland uns Dank schuldig,
Stuhl-ins, uns allen, die wir hier an
Bord sind.«
Er erzählte dem Bootsmann nun-«
mehr Mis-, Mansels Geschichte.
»Ich hoffe bestimmf.« so schloß ek.
»daß die Mtß sich noch aus den Namen
der Insel besinnen wird, die die Pira
ten Intt der «Queen« anlaufen wollen.
Mich von Mut Bttcantine hörte sie die
Kerle reden, und von einem Menschen
der Saunders heißt. Das ist mir
klar. Saunders soll mit der Brigans
tine ebenfalls jene Jnsel anlaufen und
hier die hallunten mit ihrer Beute an
Bord nehmen. Die »Queen« soll
dann wahrscheinlich versenkt oder
verbrannt werden."
»Das ist wieder einmal eine von den
seltsamen Fügungen unsres Herr
gotts,« sagte der Bootsmann nach
langem Grübeln, «eine Sache, die
einem Menschen allerlei zu denken ze
hen muß —- ich meine, wenn es sich
so trifft, daß die Miß, die von den
Piraten doch sicherlich für ertrunten
und todt gehalten wird, nun das
Werkzeug wird, das die Räuberert
der gerechten Strafe überliefert.
»Wir wollen hoffen, daß dies ein
trisft,« antwortete Boldock. »Ich
glaube, wir kriegen etwas mehr Wind.
Stubbtns,« setzte er hinzu, als die
Segel sich plöylich füllten und die
Brigg nach Lee überholte. Sie blie
ben stehen und schauten nach oben.
Dann blickte der Schiffer iiber die Rote
ling in’s Wasser
,,Nicht mehr als sechs Knoten höch
stens,« sagte er kopfschüttelnd »und
dabei macht der alte Kasten ein Wesen,
als wäre er ein Linienschisf!«
Der Wind frischte immer mehr auf,
der Deean bedeckte sich mit ichaumac
trönten Wogen. Die alte Brigg that
nach Kräften ihre Schuldigteit und
brauste durch die Fluth mit fchlanter
Fahrt.
Der Commander aber zuckte die
Achseln·
»Was tann solch’ ein alter Wagen
ausrichten im Kielwasser eines der
schnellsten Klippen die jemals von der
Helling liesen?« sagte er zu dem acht
Uhr an Decl getommenen Steuer
mann. »Wir machen bei dieser Brise
sechs Knoten, die »Du-en« aber zwölf.
Wir haben nur eine Aussicht und zwar
leine ganz unwabrscheinliche, nämlich
die, daß ein erbitterter Kampf an
Bord der Bart stattgefunden hat und
wir sie in vollster Consusion, mit hart-·
schlagenden Segeln und steuerlos ir
gendwo antreffen.«
Viermal schritt er von Reeling zu
Reeling, um den ganzen Gesichtskreis
aus das genaueste zu mustern, dann
ries er den Ausguckmann im Vor
bramsaling an, und als auch dieser
nichts zu melden wußte, ging er unter
Deck zum Frühstück.
Gegen els Uhr ward den Matrosen
des »Welleslen« ein ungewöhnlicheå
Schauspiel. Zuerst lam Mr. Hardn
mit einem alten, großen Klappstuhl die
l
l
1
Cajiitstreppe heraus. Er llappte den- I
selben aus und stellte ihn in den Schat
ten des Briggsegels an Deck; daraus .
schritt er zum Cajiitsoberlicht, durch ’
welches ihm einige Kopstissen herauf
gereicht wurden; diese legte er aus den
Stuhl, wobei er sie sorglich tlopste und
glatt strich. Einige Minuten später
zeigte sich die Gestalt des Schissers auf
der Treppe, diesmal mit dem breiten
Riicken voran; langsam und Stufe für
Stufe heraussteigend half er der jun
gen Dame an Deck. Miß Mansel war
noch schwach und konnte die Stütze sei
ner starten und doch so sansten Hand
nicht entbehren.
Ganz geblendet trat sie aus dem
dämmernden Raum hinaus in den
Sonnenschein und den srischen Wind
Die Matrosen standen und starrten
» diese Erscheinung an; sie hatten sie aus
f dem Meere ziehen sehen, einen leblo
) sen, triefenden Körper —- jetzt erblick
f ten sie sie zum zweitenmal, ein junges
Weib von graziöser, prächtiger Gestalt,
; gekleidet in ein dunkelrothes Gewand,
das durch einen seidenen Gurt um die
schlanke Mitte zusammengehalten
wurde. Jhr reiches, duntles, geschmeckt
voll geordnetes Haar war nur zum
Theil von einer runden, weißen Kappe
bedeckt, die ihr allerliebst stand und
ihren großen, wunderschönen Augen
einen neuen, bestrickenden Ausdruck zu
verleihen schien,
Trotzdem aver san das Madchen
recht bleich aus; man erkannte auf
den ersten Blick, daß sie soeben erst eine
große Gefahr, eine starke körperliche
und geistige Erschiitterung, überstan
den hatte.
Boldock ließ ihre Hand erst los, als
sie festen Fuß an Deck gefaßt hatte.
»Jetzt erst fühle ich in Wahrheit,
daß ich noch am Leben bin,'« sagte sie
lächelnd und an der Cajiitstappe einen
Halt suchend. Sie über-blickte das
Schiff und die Segel und schaute dann
freundlich den Schiffer an.
»Das ift aber auch ein rechtes Da
mentvetter,« sagte dieser liebenswür
dig. »Erlauben Sie, daß ich Sie zu
Jhrern Sitz geleite.«
Er führte sie zu dem Stuhl, in wel
chem sie Platz nahm. Mr. hardy brei
tete eine Decke über ihre Kniee. Sie
nickte lächelnd beiden Männern ihren
Dank zu.
»Noch der »Queen« erscheint diese-J
Schiff mir nur tlein,« sagte sie. »Wo
bin bringt uns dieser Wind-t«
,,3uniichst nach einer Gegend, wo
selbst eine Reihe von Klippen und
Bänken zu vermessen und in die« Kar
ten einzutragen ist,« antwortete Bol
doct. »Sei-arm zu einigen Inseln, mit
denen dasselbe geschieht. hernach zu
rück nach Sndney. Gegenwärtig liegen
tvir noch aus dem Kurse.'«
»Ich fürchte mich, nach Sydney zu
riiet zu tehren,« versetzte Miß ManseL
»Ich habe keinen heller Geld. Das
wenige, was mir geblieben war, befin
det sich in einem Kästchen an Bord der
»Queen«. Ebenso meine sonstige habe
an Kleidern. Bitchetm Andenken und
deraleichen. alles itt auf ienem Schiffe
—
und für mich wohl auf immer verlo
ren.«
»Wir wollen uns heute mit solchen
Gedanken nicht das herz befchtvetth
erwiderte der Commander, freundliche
Ermuthigung in Ton und erckx Jst
der Tag nicht so schön- Miß? UND
sind wir nicht fo voll von Dank gegen
Gott für Jhre wunderbare Erret
tung?«
Sie senkte den Kon undihre Augen
fiillten sich mit Thränen, was der bra
ve Schiffer jedoch, zum Glück fitr fes-l
empfindliches herz, nicht bemerkte
Sein Blick irrte forschend über die
See.
»Es wäre von größter Wichtigkeit
für uns, wenn Sie sich den Namen der
Jnfel ins Gedächtnis zurückrufen
könnten. War’s vielleicht ——-'« hier
zählte er eine ganze Reihe von Jnfeln
der Polynesifchen Gruppe auf.
Sie schüttelte den Kopf.
»Es wird mir aber noch einfallen,«
sagte sie.
»So müssen wir uns denn gedulden,
und dies gibt mir den willkommensten
Vorwand, Sie an Bord der Brigg zu
behalten und nicht, wie es Anfangs
mein« Vorsatz war, dem ersten Austra
lienfahrer, dem wir begegneten, anzu
vertrauen·« .
Er sagte dies mit einer leichten Ver
beugung und mit jener feinen, freien
Achterdeckshöflichteit, dieMännern fei
ner Art so gut steht.
Mist Manfel blickte erst auf ihren
Schlafrock und dann in Verwirrung
zur Seite. Dem feinfühligen Schiffer
entging dies nicht.
,,Sehen Sie,« plauderte er. in gerin
ger Entfernung hin und her gehend,
»wenn wir erst den Namen der Jntel
wissen, wo die Hallunten sich mit det
Briqantine ein Ren-bezwu-; zu geben
beabsichtigten, dann ift es sehr wahr
scheiniich, daß wir dort auch die
,,Queen" finden. Dadurch kämen Sie
aus aller Verlegenheit.«
»Wenn jene zehn Männer sich des
Schifer bemächtigten, was würde
dann aus den Passagieren?« fragte sie.
»Hm,« machte Boldock. »Noch der
Behandlung zu urtheilen, die man Ih
nen angedeihen ließ, müßten die armen
Leute sich auf das schlimmste gefaßt
machen.«·
»Um Gotteswillen!« rief das Mäd
chen schaudernd »Sie glauben doch
nicht «--—?«
Sie wagte den Gedanken nicht ausz
zusprechen
»Ich glaube,« ergänzte der Com
mander lächelnd, »daß Sie schließlich
noch von allen am besten daran sind.«·
»Da sind aber noch mehrere Da
men «---«
»Sie find ebenfalls eine Dame; hat
Ihnen dies etwas ael,olsen?"
»L-, die Schändlichen! Was hatte
ich ihnen zu leide getixs an?« .- -
,,Bernl",igen Sie. sich, Mis; ManseL
Es gibt noch eineLtergeltung und zwar
ost schon hier auf Erden, oder besser,
hier auf See! Jch tiosse inständigsi,
daß Sie sich jenes Namens recht bald
erinnern, oder daß wir der »Queen«·
begegnen.« «
Er schaute gedankenvoll zur Hed der «
Großraa empor, als träfe er im Geiste
bereite Vorbereitungen siir dasHängen
der Seeräuber. Ia tatn ein Ruf aus
dem Vorbranrialing
,,Segel t,o!«
»Wo binausTP rief Mr. Hardy und
rannte nach vorn.
,,Drei Strich im Lee!«
Boldoa hob das große Telestop anz
den Klampen und legte es auf die Rec
ling im Lee
»Ein Schiff ist s nicht,·' sagte er,
»aber ein Boot mit einem dreieckigen
Segel — eins der Boote der »Queen",
daraus möchte ich wetten.«
Er gab das Telestop an denSteuee
T mann ab. Das Boot war un esäbr
drei Seemeilen entfernt. Das Finder
der Brigg wurde steuerbord gelegt
Großsegel, Brarn- Und Oberbramsegel
ausgegeiet; langsam trieben die Fabe
zeuge aus einander zu, wobei einer de:
Bootginsassen ein weißes Tuch an ei- «
nern Reem schwenkte. .
Die Brigg legte sich in den Wind,
das Boot vierte sein Segel nieder und
schoß mit geschickter Schwentung lang
seit, während in seinem Buge ein
Mann die Hände nach der Leine aus
strectte, die ihm von der Bad der Brigg
zugeworfen wurde.
Miß Mansel, die sich erhoben hatte«
stieß-einen Schrei aus.
»Das ist Mr. Matthews,« sagte sie
zu dein Commander, »der Oberster-er
mann der ,,Queen«, mit fünf von set
nen Matrosen!«
Weinge Selunden später sprangen :
die Leute aus dem Boote über die Nes
ling. s
,,Wollen Sie das Boot behalten?« i
fragte Mattbeivg den Commander.
»Gewiß. Mr. Hardy lassen Sie das
Boot an Bord hissen!«
»Da ist Mis; Mantel!« rannte der
Matrose seinem Obersteuetmann zu.
Der stand wie vom Bliy getroffen
und starrte die jungeDame stumm und s«
in höchstem Erstaunen an.
Gortsehung folgt.)
—— s-— -.-—- -.- .-——-—
s--—— Vorsoralich. Fremder (trn.
Hotel): »Wie, Sie nehmen den Regen
schirm mit in’S Bett?« ----- — Professor:
»O, den lasse ich nicht aus der Hand
ich könnte ihn sonst morgen sriih stehen
lassen!«
« M o d e r n. Kohlenhändler (m «
leidig): »Wollen Sie sich einen Sack
Kohlen mitnehmen ?« » Bettler (etn T
armer Familienvatet): »Kann anklei
der nichts helfen, bester here —- wir
kochen mit Gast«