Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 03, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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    W
Beile-ge des Ewige- mHTHTEow
J. P. Winvolph, Herausgeber
Graus Island, Nest-» den Sk. Dezember 1897.
—
» —
No. 13, Jahrgang 18.
Yrei schmettern.
Eine Erinnerung an Felix Mendelssohns
BartholdIY von E. Geer-are
Fünszig Jahre sind vergangen seit
dem Tode des Componisten der »Lieder
ohne Worte.« Bei dieser Gelegenheit
sei ein Vorgall aus seiner Jugend er
zählt, von ern er immer und immer
wieder als einer seiner theuersten Er
innerungen sprach. Es war an einem
Matabend des Jahres 1829. Weich
wehte die Lenzeslust und in den Gär- ;
ten derhauchten die Frühlingsblüthen
ihre süßen Düfte, trotzdem blieb kein
einziger Platz in dem mächtigen Con
cert - Saale Argyll - Roorns unbe
setzt; und es war die Elite der Londo
ner Gesellschaft, die sich hier versam
melt hatte, die hohe Aristotratie, der
Geldadel, bedeutende Künstler und
Schriftsteller-. Das Licht der Kron
leuchtet ergoß sich über farbige Seiden
roben, es spiegelte sich in den köstliche-r
Diamanten, die in den Haaren der
Daziien dlitzten, und überhauchte in
warmem Noth die sonst ein wenig
blassen Wangen der Töchter Albions.
Alle Anwesenden befanden sich in ge
spannter Erwartung der außerordent
lichen Genüsse, welche das Concertpro
gramtn verhieß. Zwei berühmte Sän
gerinnen, die Sontag und die Mali
hran sollte man hören und außerdem
einen jungen deutschen Musiker, öon
dessen Bedeutung die Zeitungen hereiis
spaltenlange Artikel gebracht und dem
der englische Boden schon durch seinen
Freund Moscheles, den in London hoch
anaejedenen Professor der Musik an
der Academie, geebnet war.
Henriette Sontag kam von Paris-,
wo sie unerhörte Triumphe gefeiert; sie
war erst dreiundzwanzig Jahre alt,
aber ihre Wunderstimme bereits vol
lendet geschult. Auch hier entfesselte
sie mit ihren Vorträgen wahre Stürme
des Beifalls und nahm die Huldigun
gen mit einem graziiisen Neigen ihres
schönen Hauptes entgegen.
Nun betrat ein Jüngling das Po
dium und verbeugte sich bescheiden,
aber mit vornehmem Anstande vor dem
glänzenden Publikum. Dunkelbraune
Locken beschatteten seine weiße Stirne,
unter dem ein Paar sonnige Augen im
Feuer der Begeisterung strahlten.
Mvchte dem jungen Künstler auch nach
dein Erfolge der Sängerin etwas
bange zu Muthe sein, äußerlich merkte
man ihm wenig davon an, und jede
Spur von Befangenheit schwand, als
er sich nun an dem Flügel niederließ
und das Concertstück Weber’s, dieses
Liebling-Z der Engländer, spielte.
Herrlich erklang das schöne Instru
ment unter feinen Meisterhänden; zu
der vollendetsten Technik gesellte sich
Tiefe der Auffassung, Grazie und
Kraft im Vortrage.
Mit diesem einen Stück gewann sich
Felix Mendelssahn - Bartholdy die
Herzen des anspruchsvollen Londoner
Publikums, und selbst nachdem die
Malibran ihre Arten in hinreißender
Weise gesungen, begehrte man den
deutschen Pianisten nochmals u hören.
Als er mit unbeschreiblicher zunigteit
eines seiner Lieder ohne Worte vor
trug. ließ er die Augen über seine
Dörer gleiten. Da wurden sie von ei
nem überaus lieblichen Anblick efesi
selt; in einer der ersten Reihen fußen
drei junge Mädchen neben einander;
ihre Aehnlichkeit verrieth, daß sie
Schwestern waren. Die inittelfte war
von volltommener Schönheit; licht
braunes Haar umgab in reicher Fülle
das edel geschnittene Köpfchen; zwei
tiefblaue Augen sahen entzückt zu ihm
empor. Die beiden Anderen waren
auch bezaubernde Geschöpfe, die eine
vielle’«cht um ein Jahr jünger, als die
schöne Schwester, die dritte aus der
Grenze des Kindesalters. Beider
Loctcn glänzten wie gesponnenes Gold.
Sie waren in weiße Spitzenroben ge
kleidet und trugen srische Blumen zum
Schmuck. Mendelssohn mußte das
reizende Kleeblatt immerfort an
schauen, und er spielte nur fiir die
Schwestern, welche athemlos lauschten.
Bald daraus dirigirte er in demsel
ben Raum seine Sommernachtgs
traurn - Ouverture und errang stürmi
schen Beifall. Dieser steigerte sich noch,
als er später in einem von eneiette
Sontag veranstalteten Wo lthätig
leitsconcert mit Moscheles zusammen
spielte. Jn jedem Concert sah er die
Schwestern wieder. Die Jüngste mit
dem lecken Stumpsnägchen nielte ihm
schon ganz vertraulich zu, wenn er das
Podium betrat, und es schien ihm, als
stünde er in magnetischem Rapport mit
den unbekannten Schönen.
Die Aristolratie zog den deutschen
Comvvnisten. der nicht nur so herrlich
spielte. sondern auch gute Manieren
und eine vielseitige Bildung besaß, in
ihre Kreise, und bei Lord N. tras er
die beiden ältesten Schwestern. Ein
lichtes Noth übergoß ihre Wangen, als
Mendelssohn sich vorstellen ließ. »Miß
Susan Taylor« hörte er sie nennen
und «Mi Anne Taylor'«. Dann be
sann er chä daß er zu Beginn seines
Londoner uienthalteö tn einem Club
1einen sehr musikalischen Verrn dieses
Namens kennen gelernt. Der Lord
war auch anwesend-, näherte sich der
kleinen Gruppe und sie unterhielten
sich angeregt. Susan war die lebhaf
tere der Schwestern; sie sprach Felix
beredt ihr Entzücken über sein Spiel
aus, während Anne nur schüchtern zu
ftirnmtr. Susan sagte dann lächelnd:
»Wie wird meine jüngste Schwester
Honora es bedauern, heute nicht hier
zu sein! Sie schwärmt von Jhnen
und kann Sie nun nicht mehr kennen:
lernen, da wir morgen nach unserem»
Landgute fahren.« I
,,Meiner Kleinen Wunsch könnte;
aber doch erfüllt werden,« mischte sich;
» der Lord in das Gespräch, »wenn Sie, l
Mr. Mendelssohm uns besuchen möch- !
ten.«
»O, das wäre herrlich, wenn Sie
uns einige Tage oder Wochen schenk
ten!« rief Susan froh, und Anne
fügte hinzu: »Sie hätten in Coed Du
Ruhe zu neuem Schaffen.«
Mendelgsohn gab dantersiillt seine
Zusage, aber er war sehr überrascht,
denn ein solches Entgegenkominen war
in der englischen Gesellschaft einem
Fremden gegenüber fast unerhört, aber
man hatte ihm schon gesagt, das; Lord
Taylor durch viele Reisen in das Aus
land sich eine freiere Denk- und Hand
lungsiveise, als sie daheim üblich war,
angeeignet. —-— — -
Es war einen Monat später. Dem
erdrückend heiszen Vormittag war nach
einem erquickenden Gewitter ein wun
derschöner Tag gefolgt. Weit gröss
net standen die Fensten des stattlichen
Herrenhauses in Coed Du, um die bal
samische Lust, welche die Blumenbeete
im Park auåhauchtem in die Zimmer
strömen zu lassen. Die Strahlen der
Sonne fielen aus einen Flügel und
umwoben das Antlitz des Spielenden
mit goldener Qlureolr.
Felix Mendelssohm seit vierzehn
Tagen ein gern gesehener Gast in Coed
Du, componirte; seine dunkeln Augen
leuchteten, um seinen Mund spielte zu
weilen ein schelmisches Lächeln, und
nun führte seine Hand den glänzenden
Stift schnell über das Notenpapier.
Honora kniete in seiner Nähe aus
einem Tabourett, verwirrt hingen ihr
die goldenen Locken um das erhitzte Ge
sichtchen. Sie hatte bisher nicht ge
wagt, den Componisten zu unterbre
chen; aber als sie ihn lächeln sah,
::1sar’s mit dem Schweigen vorbei.
»Was schreiben Sie da. lieber Mr.
Felix? O sagen Sie es mir! Es
muß zu lustig sein und ich lache so
gerne!«
»Eigentlich ist es ein Geheimnis,
aber Sie sollen es wissen, Honora. Jch
romponire ein Singsviel zur Silber
lsochzeit meiner Eltern, eg soll heißen:
»Die Heimkehr aus der Fremde« und
tnusz natürlich recht heiter sein.«
»Das wird es gewisz werden!« rief
sie händetlatschend. »Wie schade, dasz
ich der Ausführung nicht beiwohnen
kann! Aber, Mr. Felix, wenn ich ein
mal heirathe — o. lachen Sie nicht!«
—- sie hob ihr Köpfchen mit der Würde
einer beleidigten Königin, ,.also zu
meiner Hochzeit romponiren Sie mir
auch ein Singspiei. Dann werde ich
sehr stolz sein und allen Leuten sagen:
Der berühmte Componist dieses Fest
spiels ist mein Freund! denn das sind
Sie doch?«
»Liebe kleine Honora!« sagte Men
delssohn bewegt· »Natürlich bin ich
Ihr Freund km- esnsrl Aber da bis
zu Jhrer Hochzeit doch noch einige Zeit
vergehen wird, will ich Jhnen jetzt
schon ein Stück componiren, indem ich
Sie male wie Sie sind, wie eine holde
Maienrose!«
»O, Mr. Felix, Sie sind einzig
gut!« jubelte sie.
»Ich hatte aber nicht geglaubt, daß
Sie jetzt schon an’s Heirathen denken,«
neckte er sie, ,,erst müssen doch Jhre
Schwestern vorangehen.«
»Ja natürlich, aber wissen Sie, Su
san hat noch teinen ihrer Bewerber ge
macht. Jch fürchte, sie ist zu hoch
nrüthig und will nur einen Earl heira
then. Und Anne,« suhr sie sliisternd
sort, ,,liebt einen armen Maler, um den
sie jede Nacht weint, denn Papa wiirde
nie seine Einwilligung zu dieser Ehe
geben«
»Aber Du darjst mir ein solches Ge
heimniß doch nspt erzählen, tleinc
Plaudertasche!«
»O, Ihnen schon, Anne bat Sie ja
auch so gerne· Doch ich sehe Papa im
Pakt und will ihn bitten. daß er· mir
ein Pony lauft-« Und sort war sie
wie ein sliichtlger Sonnenstrahl.
Mendelssohn aber dachte an den Lie
besgram der armen Anne, und schwer
iniithige Melodien blühten aus seinem
schmerzlichen Bedauern empor. Da
stand plötzlich das holde Mädchen wie
hingeweht im Rahmen der Thüre; in
ihren sanften Augen perlten Tbriinem
»O, Mr. Mendelssohm welche herrliche
Gabe hat anen Gott verliehen, dasz
Sie alle Jhre Gedanken und Gefühle
in Tönen auöllingen lassen lönnen.
Wie viel leichter muß einem armen
Menschenckinde das beschwerte Herz
werden, wenn es sein Leid in einer
Sprache äußert, die nicht jeder ver
steht!«
»Ich will Jhnen das Tonstück, das
mit soeben in den Sinn kam, aufschrei
ben, Miß Anne, und wenn sie einst ein
Kummer treffen sollte, so mögen diese
Harmonien Trost in Jhre Seele gie
ßen.«
»Ich danle Ihnen! Nur Sie ver
stehen in den Herzen zu lesen.« Sie
löste zwei Nelten, seine Lieblingsblu
nzem von ihrer Brust und reichte sie
r m.
,,Mr. Felix,« rief Honorcks helle
Stimme durch das Fenster, ,,Susan
läßt Sie fragen, ob Sie sie auf einem
Spazierritt durch den Wald begleiten
mögen?«
d ,,Pb ich mag? Mit tausend Freu
en.«
Eine Viertelstunde später sprengte
; er an Susan’s Seite durch den Wald.
« Die scheidende Sonne wars blitzende
Funken auf ihr wunderschönes Antlitz-,
i daß Felix den Blick nicht von ihr ah
: wandte. Sie sprachen von seinen
künstlerischen Plänen und von seiner
beabsichtigten Reise nach Jrland und
Schottland. Allmählich verstummten.
sie, der Waldeszauber nahm sie ganzi
gefangen. Der letzte Sonnenstrahl
verglomm, immer dunkler ward es
und immer stiller. Die Vöglein such
ten ihre Nester und nur die Nachtigall
sang und schluchzte am murmelnden
Bach. Und nun ging- der Mond in
silberner Pracht am Himmel aus und
übergoß die Bäume, das rauschende
Wasser und die beiden Menschen, die an
ihm rasteten, mit silbernem Licht.
»Wie werde ich diesen zauberischen
Abend vergessen,« flüsterte Felix-, »und
all« die töstlichen in Jhrem Heim ver
lebten Tage. Misz Susan, ich habe
siir jede Jhrer Schwestern eine Compo
sition zum Abschied versprochen; darf
ich auch Ihnen eine widmen-."' »Zum
Abschied?« stieß sie hervor. Nur die
ses eine Wort hatte sie vernommen.
Ein Blick traf ihn, so voll von
Schmerz und einer anderen heiligen
Empfindung, daß er erschrat. Nun
wußte er, daß Susan weder hochmü
thig war, noch auf einen Carl wartete.
Aber mochte sie ihm auch ein wärmeres
Gefühl weihen. nie würde ihr Vater i
ihre Hand dem deutschen Musiker
geben«
»Meine Eltern entbehren mich
schmerzlich« sagte er sanft, »den-um
muß ich bald abreisen, doch ein Aar-en
len an diese Stunden im Walde, am
murmelnden Bach will ich Ihnen, Miß
Susan, hinterlassen." .
Sie nidte nur, während Thriinen
ihren Blick rerschleierten.
An demselben Abend noch schrieb
Felix die drei Qompositionen nieder
und spielte sie den Schwestern vor.
Die Rosen-Caprice für Honora war
uoll nectischer Grazie, Anne’s Stück
von wehmiithigem Ernst durchbebt und
die Susan gewidmete Fantasie, »Der
Bach« betitelt, eine aus Mondesstrah
len, Waldesdust und Wellenrauschen
gewobene Musik.
Wenige Tage daraus schiedMendelH
sohn von Coed Du mit schwerem Her
Hen. Die Schwestern aber verfolg:e:i
stets mit warmer Theilnahme seine
glänzende Laufbahn. Er stieg zur
Sonne aus wie ein junger Aar, und elkc
noch diistere Schatten tainen, endete
sein glückliches-, segengreiches Leben!
Keine Phrase.
Fürwahr, so manches Menschenherz
Jst tälter noch als Stein und Erz;
Denn selbst das kalte Erz, den Stein,
Erwärmt der Frühlingssonnenschein
Jm jungen Mai —
Und manches Herz bleibt kalt dabei.
—- Schöne Verwendung·
Redakteur (zum Dichter): »Das Ma
nuskript eines Gedichtes von Jhnen er
innere ich mich gar nicht, bekommen ztt
haben!« Söhnchem »Doch, Para. Du
hast’s ja gleich zusammengefaltet nnd
in den Hut gelegt, der Dir zu gross
war.«
--—— Ein freundschaftlicher
R a t l·,. Junger Autor: »Ich habe die
Absicht, ein neuesTrauerspiel zu schrei
ben —-— welche Todesart rathen Sie mir
siir meinen Helderi?«-ss--Kriiiter: »He-is
sen Sie ihn todt geboren werd-rni«
——-Jmmer Sänger. cstiegliicl
lich erfolgte Geburt eines stimmbeaabs
ten, munteren Damen - Ductts kehren
hocherfreut an F. Briilling nnd Franz
Vorstand des Gesangvereins »Juch
hei«.
—- Naiver Bescheid. Leh
rer: »Sage mir, Karl, wer lxat denn
die schönen Wälder-, Felder nnd Wiesen
hier erschaffen?« Schüler: »Das
weiß ich nicht, Herr Lehrer, wir sind ja
erst seit zwei Monaten hier im Orte.«
——— M o d e r n e Ehe n. »Pardon,
ich habe gehöri, daß Sie sich vor zwei
Wochen verheirathet haben. Darf id)
nachträglich meine Gratulation an- !
bringen?« »Seht liebenswürdig, aber ;
Sie kommen etwas zu spät, ich bin «
schon seit 8 Tagen acschieden." «
glattj Regen und Wind.
Von Paul A. Kirstein.
Wenn man an nassen, kalten Tagen
viel in den Straßen der Stadt umher-«
zulausen hatte, und man tommt danns
ipäk am Abend abgehetzt, von Sorgen
müde und vom Regen durchtränkt, in
seine kleine behagliche Wohnung, dann
umfängt einen ein so wunderbar woh
ligcs Gefühl der Ruhe, daß man sich
dreifach geborgen, dreifach behaglich
glaubt. Freundlicher brennt dann die
Lampe mit dem selbftgearbeiteten
Schirm, wärmer strahlt uns der helle,
glänzende Ofen entgegen, und aus
dem Surten des Thees im blinkenden
Kessel tönts uns wie frohe Hoffnung. »
Ein lieblich lockendes Lied! ;
Und man steckt die Köpfe zusammen !
wie Kinder, wenn sie sich frohe Weih- i
nachtsmär erzählen, und reicht sich die
langsam sich anwärmenden Finger,
und drückt sich die Hand — und freut
sich, daß man zu Hause bei sich im eng
sten Kreise ist, der wärmend sich im
mer wieder mit neuer Freude füllt.
Dann denkt man auch seiner alten
Sorgen nicht, dann vergißt man das
Ungemach, das einen tagsüber da
zdraußen im bösen Wetter hielt, unds
preist nur den Schöpfer für das eine,!
das unendliche, das er uns gab: Fürs
die Behaglichteit im eigenen Heimt !
Ja . . .. wer die doch hätte!
Der alte Maler sah sinnend vor sich !
hin. Auch vor ihm brannte die kleine,
niedere Studirlampe, auch vor ihnr
surrte der kleine, zu Ehren seiner Wie
derkehr so blitzblank geputzte Thee
tessel, aber es war kein frohes-, kein
hoffnungsfreudtges Lied — es klang
wie träumerische Sehnsucht, wie ein
altes Weh aus längst verklungenen
Zeiten.
Er schaute sich in dem hohen Raume,
in dem er saß, wie ängstlich um. So
viele Jahre hatte er schon in ihm ge
haust, hatte ihn ausgeschmückt mit
allen möglichen geschmackvollen und
kostbaren Sachen, und doch fehlte ihm
immer etwas-. Doch fiihlte er sich im
mer in ihm vereinsamt und verstoßen,
und wenn die helle Sonne, die aleich
von früh an durch das breite und hohe -
Fenster lugte, verschwunden war, dann
hielt er’s nicht mehr recht in dem
,,dumpfen Fiasten«, wie er es nannte,
aus und stiirmte in die Caselsiixrser
und Eltestaurant5. «
Spät in der Nacht -kam er dann
meist heim, die Nebel wohl auf den
Sinnen, aber das Herz so trank, so!
voller Müdigkeit! Er fürchtete sich vor "
dem Alleinsein.
Und heute wieder —- nach halbjähri
gem Reisen war er in seine Vaterstadt
Zurückgekehrt und fand Alles genau so
wie er es verlassen. Er wäre ja noch
länger draußen in der Fremde geblie
ben, wäre in einemfort ruhelos noch
von Ort zu Ort gezogen, aber sein
Beruf zwang ihn zurück, er mußte
kommen. Das Wetter hatte ihn ver
jagt. Denn wenn er so, eingercgnet,
in einem fremden Ort iibernachtcn
mußte und Niemand, nicht einen dr
kannten Menschen hatte, mit dem c.
sprechen und sich über die Ruhms-trin
den hinwegtäuschen konnte, dann war
er wie ein unverniinftiges Kind Dann
konnte er fast weinen und sich in wahrt- i
sinniger Sehnsucht und in bitterem I
Heimweh vergehen. Und um dem zul
entgehen, war er endlich zurückgekom- !
men. l
Er fragte sich oft selbst verwundert,
woher das eigentlich tam, wonach er
denn Sehnsucht und Heimweh hatte«
aber er fand nicht einmal eine Ant- l
wori. Es war ihm selber unerklärlidx !
und doch konnte er sich dem nicht ent- »
ziehen. Es quälte ihn nnd jagte ihn s
in seinem Leben l;-erum, nnd doch kam s
er nie an’s Ziel Ruhe fand er in sei-»l
neni Dasein nicht« so sehr er sich auch L
seit seinen ersten Jünglingsjahren da
nach gesehnt hatte.
Und so sas3 er auch heute wieder da,
allein und einsam, und die Lamms
brannte hell, nnd dertlesiel surrte start
-— und er fühlte sich noch trostloser als
sonst.
Vor einer Stunde war er erst ange
kommen. Um ihn herum standen noch
die Kisten nnd Koffer, die die Träger
mit Fluchen und Poltern heraufge
schafst hatten. Er wollte sie heute noch
auspaclen, damit er am nächsten Tage
gleich wieder in alter Ordnung ·war.
Deshalb hatte er sich den Thee gekocht
und war zu Hause geblieben.
Aber es schien ihm beinahe, als hätte
er zu dem Geschäft für hente nicht
Laune mehr genug. Er mochte nicht
gerne den alten Staub answiiblen.
s Aus ihm kroch immer -— das wußte er
genau —- so eine unangenehme Em
pfindung, die die Gedanken anfrührte
und das Herz noch mehr belastete —
dem wollte er entfliehen!
Doch dann wieder — —- er war ja
doch ein alter Mensch, ein Mann, der
seinen Namen in der Welt schon hatte.
der ihn ertitmpsen und bewahren
mußt-et Er durste sich doch nicht un
tertrieaen lassen. denn eines Taaes
war dann Alles verschwunden, Energie
und Kraft, und Können und Beharr
lichkeit, — und davor hatte er eine so
heilige Scheu. Er hatte so viele seiner
Freunde, seiner Genossen daran er
und verenden sehen.
Das wollte er nicht! Mit einem
kräftigen Ruck erhob er sich von seinem
Platz Und schlon die Koffer auf. Die
Kleider waren bald verwahrt, die Bü
cher fortirt — dann ging er mit einer
stillen, siegesgewisfen Freude daran,
die mitgebrachten Kunstfachen auszu
packen
Q es waren werthvolle. seltene
Stücke darunter, die eben nur der Ken
ner suchen und finden konnte. Es ge
hörte schon ein gewisser Blick dazu, sie
: non anderen zu unterscheiden.
» Er packte sie sorgsam nacheinander
» aus und brachte sie nach kurzem Ueber
legcn unter, mit schnellem Blick den
tikhtigen Platz erspähend.
Den Kronleuchter hatte er dazu noch
angezündet, und das große Atelier lag
in hellem Licht gebadet.
Auf einmal seufzte er und hielt in
seinem Arrangircn inne.
Jn jener stumper Ecke links vom
Fenster-, die er mit iaufenderlei Sä
chelchen ausgefüllt hatte, da hing ein
tleines, holzgeschnittnesKreuz, mit dem
ssegnenden Erlöser darauf. Und oben
. darüber, wie zur Erinnerung und zum
;Gedäcl)inif3 an irgend ciwag, ein klei
sner Strauß Edeln-eis-, zierlieh gebun
’den, daß die weinen, wolligeu Sterne
sanft herniedersicslem
Die starrte er plötzlich wie entgeistert
an, dann stiirzte er auf sie zu, riß sie
herunter und durchsucht-: iie ängstlich,
ob nicht an ihnen eixr Zeichen,
ein Merkmal zu sehen war. Er fand
es nicht.
Und er zoa die Klinaeh daix die alte,
iechzigjiihrige Wirlhin erschrocken her
einstijrzte -
»Wer hat die Blumen hier ge
bracht?« Er hielt ihr ket: Strauß
dicht oor’s Gefahr
Sie wich zur-U. »Mein Gott —
eine Damc·« stotterte sie ängstchh
»Wie sah sie auss«
Sie beschrieb sie ihm, so aut sie in
ihrer Angst nnd Aufregung kennte
»Wann?«
»Nun, Hereke —- vor bald drei We
chen!« —
Also wirklici2, wirtlichk Seine Frau
war er- getveiszn, sie harte daran Jes
daii)t, an den Tag —-« ihn: seit-er
war er aanz entschwanden
Die Wirthirt war schon länqu wic
der hinan-J, da sasz er in seiner Este
nnd starrte alle die Andenken an. Ein
jedes von ihnen hatte seine große, fast
heilige Erinnerung-Wem dem Clown
anzua an, den er in seinen trübsten
Jahren berufsmiiszig getragen, bis hier
zu dem kleinen Pinsel, mit dem er den
letzten Strich an seinem größten, sei
nem berühmtesten Bilde gethan. Und
hier nnn das Kreuz, das kleine, Un
scheinbare, roh geschnitzte Kreuz. —- —
Vor zethahren hatte er es schnitzen
lassen zum Andenken an jenen Sturz,
der ihm sast das Leben gekostet hatte«
Gdelweis hatte er damals pflücken
wollen, den ganzen, großen, herrtich
schan Buschen, der so verlockt-nd da
weit vorn am Abgrund stand. Und er
hatte es versucht, trotzdem ihn seine
Friinze so dringend bat, es ZU lassen.
Aber es sollte ia siir sie sein, sür sie —
da war ihm nichts zu viel!
Und als er dann jäh und unerwar
tet mit dem abbröclelnden Gestein her
niedersanste, da hatte sie ihm mit Auf
hietnna aller ihrer Kräfte Hilfe ge
bracht Noch einen Anaenblirk nnd
ihn hätte die Fähigkeit sicis zu halten,
verlassen, und dann träre er nnrettbar
rerloren aewesen. Jhr dankte er ei
gentlich sein Leben!
Und darum dieses Kreuz.
Und das; sie nun aekommen war nnd
nach zehn Jahren des Tages gedacht
hatte — ian war es wie ein bunter
Traum. So viele böse Stunden laae:.
dazwischen Der Wind und die Zeit
hatte ihr Gedächtnis; hinweggespielt, er
s konnte sie sicb nur noch fast mit Gewalt
i herauflsesehwören Und doch hatten sie
sibnen damals Zank und Streit ge
t bracht, doch hatte sich der Hader ver-—
taröszert und vermehrt, bis sie es mit
teinander nicht mehr ansbielten nnd bis
tsie sich trennten, trotzdem sie sich sehr
aelicbt. irondem sie sich nach langem
Kampf erst finden konnten.
lind doch, trotz alledem die Blu
men!
Jhni war es, wie er sie so in der
Hand hielt, als blickte jetzt, spät in der
i Nacht, doch etwas wie Sonne zu ihm
hinein. Er dachte an die Zeiten da
mals, wie er in Sorge und Angst mit
4seinen Zeichnungen auch umhergelau
« fen war, Geld zu schaffen, wie er tau
sendfach enttänscht, dann heimgelehrt
inne ohne alles, trostlos und entmu
thigt —- und wie sie dann ohne Fra
« gen, immer mit Trost im Auge und im
" Herzen. die Thiire hinter ihm aeschlos
sen: »Hier, mein Männchen, hier kann
Dir Niemand etwas thun, hier bist Du
sicher und geborgen!« Und wie sie
kdann den sauberen Tisch aedeckt mit
"———«
den einfachen, so appetitlichen Präd
chen, und den Thee gekocht, so anhei-;
melnd, so behaglich. . . .
Ja, damals, damals!
Er kam sich dumm auf einmal vor,
thöricht und dumm! Ein solches Glück,
die ganze Zufriedenheit nur um das
bischen Ungebundenheit und Freiheit
aus der Hand zu geben! Wie er da
nur konnte! Was hatte er denn nun
davon, wo das Haar schon dünn-r
wurde, wo die Sonne doppelt fehlte,
und wo nach aller Tollheit, allem Le
ben die Sehnsucht sich eingestellt nach
Ruhe, nach Behaglichkeit — und nach
dem Gefährten in dieser großen Ein
samkeit.
Leise schlon er den alten Schreib
tisch auf, daß kein Geräusch ihm seine
Stimmung störte. Aus-alten Papie
ren nahm er den alten Werbebries, den
sie ihm in der Stunde der Trennung
damals wiedergegeben. Oben war’s
wie die Spur einer Thriine. Darüber
klebte er ein Edelweiß und malte ein
kleines Kreuz dazu. Dann schickte er
ihn fort.
Drei Tage daraus riß er die Thüren
nnd die Fenster sperrangelweit aus,
und, das Holzkreusz in der Hand, ju
belte er hinaus trotz Regen Und Wind:
»Die Sonne kommt doch, sie kommt —
trotz alledem«
Und wenige Stunden daraus hielt
er sie tm Arm, und iie glänzte ihm ent
gegen aus blinkend hellen Freuden
thränen .....
Rache.
Die vielen Gastereien, welche Herr
Privatier Schwämmle gab und bei de
nen es hoch herging,, waren dem Dim
nisten Kracher ein Dorn im Auge.
Er mußte nämlich immer an der
Wohnung Schjvämmle’s vorüber, um
in seine armselige Mansarde zu gelan
gen und man kann sich denken, was sein
armer Diurnistenmagen dabei aus
stand, wenn er ohne weitere Befriedi
gung durch dieses Meer von Düften
getragen wurde. Er hatte Gelegenheit
gehathchwämmle schon manchen klei
nen Dienst zu leisten, aber daß es die
sem Filz auch nur einmal einfiel eine
non den guten Schüsseln zu ihm unter-J
Dach zu schicken,, das gab es einfach
nicht. Kracher sah sich bald besserer
«»«-·-insichi beraubt und wälzte schwarze
Rachegedanken durch sein Gehirn..
Eli-S eines Tages bei Schwämmle
wieder gesotten und gebraten wurde
mais gut und theuer war, überwältigte
ihn die Niedertracht, er führte seinen
lPlan aus-. Auf seine sorgfältigen Er
luudigungen im Hause hin hatte er er
fahren, daß die Gäste um ein Uhr er
scheinen würden.
Um dreiviertel ein Uhr schlich er an
er Schwammle’schen Wohnung vorbei
— eine kleine Bewegung mit der
Hand zum Munde, dann gegen dieEin
gangsthüre zur Wohnung des Schlem
merg und- die verruchte That war ge
schehen —- worauf er eilig entfloh, um
aus einem gesicherten Berstecie seine
Beobachtungen anzustellen.
Einer der Gäste nach dem andern er
schien. Jeder hob die Hand, um an
dem Knopfe der elektrischen Glocke zu
drücken, aber es kam bei keinem so weit,
daß die Glocke auch wirklich erklang.
Jeder bückte sich verschiirften Blickes ge
gen die Thüre, fuhr sich darauf mit der
Hand hinter die Ohren, machte eine
Miene dazu, als ob er sagen wollte:
»O, o, wer hätte das gedacht!!!« und
dann schlich er sich langsam davon.
Indessen war-en Herr Schwämmle
und dessen Gattin Ungeheuer nervös
g::oorden, eine halbe Stunde um die
andere verstrich und noch immer wollte
kein Gast erscheinen.
Halb drei Uhr! Die Speisen waren
nun fast sämmtlich verdorben, weil
man sie zu lange hatte über dem Feuer
lassen müssen — Herrn Schwämmle
ergriff eine wahre Berserlerwuth —- er
mußte fort, sonst erstickte er!
Als er aus der Wohnung trat und
die Thüre heftig ins Schloß drückte,
verschärfte sich auch sein Blick, dann
wurde er kreideweiß und lelmte sich an
die Wand « man hatte ihm ein Ge
richtsvollzieher - Wapperl über den
Thürsralt gellebt!!
—-— an der Dorsmcnagerir.
Besuchen »Hören Sie, Jhr Orang
Utana ist ja ein Mensch ...« Mena
aeriedcsitzerz »Pft, ich bitte, nicht laut
zu sprechen, mein Drang-mutig ist
lpsenje trank nnd da vertritt ihn mein
iiltc«.ier Sohn.«
In der Rechenstunde.
Lehrer-: « akobsthaL was braucht
man noch, wenn man ein Geschäft er
iiffnen will, wozu 13,()()0 Mark nöthig
sind und man hat nur 7500 Mart?«
Jakobgthal: »Eine reiche Kallel«
A u f U m w e g e n. A.: »Sie
haben ja wohl Jhre Frau immer Jhr
; Leben genannt?« B.: »Ja, was ist
denn damit? «A.: »Nichts, he Buch
. l,alier hat Jhnen nur eben he Leben
«genommen: er ist mit Ihrer Frau
durchaeaanqesU