Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 19, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags — Matt
Beilage des ,,Anzeiger und Herolds
J. P. Wssvolph, Herausgehen
Grund Island, Nest-» den III. Novnnbck 1897.
c——
No. Il, Jahrgang Is.
Antcr Himfcctitem
Aktion-nichts Erzählung von Tb Strömen
In Trium, der Zigeunervorftadt
Sei-illag, hatte an einem Sommer
abensc das dort immer buntbeikessie
Straßenleben begonnen. Vor cen «
Hauskbiiren standen, hackten oder lagen ;
die Bewohner in malerischen Gruppen. »
Hier loderte auf dem Trattoir ein of- .
fenes Feuer, über welchem Rastanicn
geeösict wurden, dort ertönte Guttat ;
ren- und Kasiagnettentlang von nai;
selnden Stimmen begleitet. Und darü- I
ber spannten sich von einer Straßen-I
feiie zur anderen farbige Decken irrt-;
. helle Linnea, die am Tage zum casuiz s
nern Licht dat- interessante Straßen
s ild überfluthete.
TI: Zigeuner liebt die Zivanahsig
Thiillungem die Kinder liefen faft nackt
legt und um die Schultern große Sei
ichickt zu drapiren verstanden. Jk Eh
.ren künstlichen Frifurem vor iseni Ohi
!en, Auch die jungen Burschen vWinter
in ihrer Kleidung mehr Sorgfalt als
sdie älteren Leute, denn sie wollten den
Mädchen, die fächertvedelnd mit iiisirn
gegen die Sonne dienten· Hoch oben am ;
--«««iefblanen Himmel aber ftand grain
nd leuchtend der Vollmond, dec inii «
sei-, auch in der Kleidung. Die Män- ;
ner, mit der breiten »Faja« umgürtet, ;
trugen zurneift nur Hofe und Hemd. die »
« lteren Frauen die nothdiirftigftmunr «
umher Die jungen Mädchen hingegen I
hatten grellfarbigen Flitterputz ange- ;
denfhaivlg geschlungen, die fie fellr ne- i
In Ringellocken gedreht, ftesiter leuch- ;
tende Granatblüthen, Rosen oder Rel
cosettirtem gefallen.
Während die Jugend sich mit ZUkniit
and Schäterei unterhielt, hier und da
auch einen Tanz aus offener Straße
ang-führte, rauchteii die älteren Melk
ner tfigaretten iiiio kurze Pfeifeltsn und
Wandel-ten iiber das-, wag sie geran
k-..teresiirte. le meisten iuteressirte iie
aber Alle das: grosse IZtiergesechL dag
ni folgenden Tage in Zersilla stattfin
den sollte. Wie viele non ihnen hatten
icht schon tagelang gedarbt oder ’
erthgegenstände, ja ixlbit Betten, ;
)ersetzt, um sich tu dac« tiintrittggethj
-,u Verschassent Pfiir den Spanier une- «
innientlich sür den Andalusier ist ein
Ziiergesechi der höchst-: Genqu den er
ich deuten tanu. ilud nun gar der spa
.ische Zigeuner! lsr iit der gebotene
tieriechter, er ichivarmi iiir die
,t«0ri-iil;i its« i»i-«.si«, der beizutooh
ten er sein Letztes opfert. Sind es doih «
"-,ine Genossen« die in diesen blutigen .
Spielen Ruhm und Geld erwerben l
seid wenn er es ihnen nicht gleich thun i
sJieii, so will er wenigstens ihre Tha i
n sehen.
« In einer jener liiruvisen ioar die lln
. rhaltung besonders lebhaft. Manuel
kachecm ein junger Mann in schmucker
,5tiersechtertriicht, aus« Triana gebür
Zg nnd der »Novio« oder Bräutigam
schönen Zoraida die mit geriithei
Wangen und blitzenden Augen ge i
en die Haus-thut gelehnt stand, hatte
n den großartigen Vorbereitungen
äin morgigen Feste erzählt. Da er
tin als ,«Stiersechter zu Fuß und
sit deni Mantel« mitwirtte, so war eg
list-verständlich daß er siir seine Ver
·« te und ihre Angehörigen gute Plötzei
sorgt hatte. Die Billet-Z hatte Zoraidaj
orhin unter ihrem Mieder vertvahrti
seid den Ueberbringer mit einein Fiusseij
lohnt. Nun drehte sich dag Gesprächi
die Stiere, die diesmal sehr böSar I
g sein sollten. Besonderes war eg ein
nächtiger schwarzer Stier, von demi
n sich nichts Gutes verhieß. Jederl
each seine Meinung über die Behand !
ng aus, und dabei ereiserte man sichs
rati, daß die Rauchet ihre Cigaretten ?
egivarsen, die nun von den herumlun l
nden Kindern als ioilltominenez
ute ausgelesen und ioeiter getaucht;
utden s
« »Ich din sicher,« sagte Manuel, »er
acht einen falschen Ansprung um den »
. pada zu täuschen und sich dann mit
» nzet Wucht aus ihn zu stürzen Man
-i das schon ost erlebt und da lieiszt eg
aspassern Jn solchen Momenten hängt
«ss Leben gleichsam an einem einzigen
-«rchen.«
’" »O, daß ich ein Mann wäre und der
esiie mit dem Degen in der Faust ent
. egentreten könnte!« tief Zotaida mit
lammendem Blick und vor Erregung
ogendem Busen. »Wie schön muss es
och sein« so mit dem Leben spielen zu
önnen!« »
Die Umstebenden lachten und Ma
uel sah mit Stolz aus das muthige
,.-l ädchen. »An Dir ist wirklich ein
",s2ann oerlotan,« scherzte et; »aber ich
· be Dich-doch sieht-r so, wie Du bist.wl
a,« fuhr erdann sokt, ,,inan gerätb da
ft in tritische Lagen, denn solch’ ein
ier ist underechenbar und manchmal
« vom Teufel besessen. Glaubt man
« abgeheßt und todesniatt, so wird es
- ·:-slich wieder lebendig nnd wiithender
« je. Jn diesem Zustande zeigt es
seine ganze Tücke, die sich nun ge
den Espada richtet. Jn ibm erkennt
inen eigentlichen Todseind. Es
weniger den blanlen Stahl in
r band. als den Blick seiner Au
gen. Mißtrauisch nähert es sich dein
einzeln bestehenden Manne. Nun bohrt
sich, während es einen Moment zögert
und sich zum Sprunge anschickt, Auge
in Auge. Dies ijt bekanntlich verhöh
piinlt des Kampfe-s, der leinem Kenner
entgeht. Eine ganze Hülle von Wuth
sprüht dein Espada aus den Augen des
Stiere-s entgegen. Diesen Blick hat er
nun mit seinem Blick zu bannen und
zugleich auf das leiseste Vlinzeln nach
rechts oder nach links zu achten, denn
darin verriith sich die tückische Absicht
eines Seitenansprunges, aus den ek
stets gefaßt sein muß. Das dauert zu
weilen eine Minute und langer. Auch
kann, wenn der Espada zu früh zu
stößt, das Thier einen kurzen Rück
sprung machen-lind dann ist der Mann
verloren . . .
»Bravo,Manuel!« hörte man plötzlich
eine helle, inetalliichc Stimme· »Du
hast ja wie ein Professor gesprochen!«
Alle schauten auf. »Ah, UnserEspada
Don Antonio Mann-IF rief Manuel
freudig überrascht. Und auf den Spre-v
cher zueilend, schüttelte er ihm herzlich
die Hand. »Welch’ glücklicher Zufall
führt Dich hierher?« fragte er, ihn in
den Kreis ziehend, der den Ankömm
ling init Staunen und Bewunderung
betrachtete.
»Ich fuchte Dich ein wenig und ver
muthete, daß ich Dich hier treffen wür
de,« erwiderte Jener. »Ich habe Dir
I nämlich etwas Angenehmes niitziithei.
; len.«
’ »Und das wäre . . ..'«
»Du follst Morgen iinfern zweiten
Espada vertreten, der plötzlich erkrlkitt
. ist."
. mädchenhaste Formen. Er trug ein tei.
: ziirtend stand. Den Kon bedeckte der
»Herrlich!« jubelte Manuel, seinen
Freund umarmend.
»Und dafiir wird Dir eine Extra
gratisication von zweihundert Pesetas
gewährt,« fiigte Don Antonio hinzu.
Manuekg Freude tannte keine Gren
zen· Jmmer aufs Neue dankte er dem
Freunde siir die frohe Botschaft.
Don Antonio, fiir den man einen
Stuhl herbeiholte, war ein anfsallend
schöner junger Mann. Als er ten leich
ten Mantel, in den er gehiillt war, ab
warf, zeigte seine schlanke westau san
cheg Stieefechtercostiini, das ihm ent
: batettfiirmige Sombkero calanisez un
ter welchem das tiefschwarze Haar nach
- Ztierfechtetsitte als Zopf zu einem
i Quoten aufgewunden war. Der Anzug,
« mit Ausnahme der totben Schärpe
« Jäckchetn das- an den Achseln mit Gold
« sransen verziert und vorn ossen war,
« Finger rührte von einer Prinzesfin her
ganz aus t,etlblauer Seide, bestand aus
eint-n kaum bis aus die Hüften rei
chenden, nach hinten abgerundeten
so daß das blendend weiße Oberhemd
t,-:rdortrat, aus Finiehosern Strümpfen
nnd zierlichen Schnallenschuhen Wie
die Füße so waren auch die Hände von
auffallender Kleinheit Von kostbaren
Spitzenkrausen halbbedeckt, erschienen »
sie wie aus Alabafter geformt. lind I
doch hatte diese kleine band schon man- I
chen kräftigen Stier in den Sand ge- .
streckt. Wenn man diese gkaziöse Ge. !
italt sah, fr- mußte man sich wundern, »
wie Don Antonio bei feiner Jugend!
schon Espada, das heißt erster Stier»
rechter, sein konnte. Aber man rühmte
ihm einen an Tolltiihnheit grenzenden
Muth und eine unübertroffene Ge
irandtt;eit nach. Zu seinen gepriesenstsen
»Im-H« gehörte auch der, den zum An
arisf vor ihm stehenden Stier plötzlich
bei den Hörnern zu packen und im
Zalto inortale iiber ihn hinwegzusprim
gen. Wegen dieses Kunststückes hatte
man ihm den Beinamen »El Sulta
dor«, der Springer, gegeben. Obschon
biet aefeiekt und von den Damen de:
vornehmsten Gesellschaft ausgezeichnet
- ein kostbarer Brillantring an feinem
»in-at er doch ni·): l-...i»,t, innrer-:
; immer liebenswürdig natürli.l). Abe
’ das machte ihn gerade so verfuhr-ei fin
; nnd siir die Frauet gefkbrlirli."’ «- un
tam ferner, daß seine Vergann n ',eit
" vollständig in Dunkel gehüllt wi: «.'tie
in.:nd wußte, woher er tain uni- mer ei
trat« denn seinen Name-i Stiel: man siir
einen angenommenen Man n.n:stelte,
»di- er ein junger Hidalno und aus vo:.
nehmer Familie fei, die ei aug einem
romantischen Grunde verlassen liebt-.
Auch Zoraida, in deren Näh: ter.
junge Esvada Platz genommen Hatte,
empfand seinen unwiderstehlichen Reiz,
gegen den sie sich vergebens sträubtr. Li
ging von ihm etwas wie ein Fluidum
cui-, das sie in seinen Bann zwang. Sie
fühlte, wie sich allmälig eine Art voni
Betäubung ihrer Sinne beniiichtigte.’
,Wie hilsesuchend blickte sie aus Manuel
Aber der war so mit seinem Freunde(
beschäftigt daß er sie vollständig ver
gessen zu haben schien i
Man sprach noch immer von dem be- j
vorstehenden Stiergefecht. Nun wandte
DonAntonio sich uni, Zoraida zu »Sie
werden doch auch tomrneu, schöne Sse
norila s« fragte er mit freundlichem
Lächeln. «
Dem Mädchen schoß eine Blutwelle
ins Gesicht. »Ich . . . ja . . . gen-ist«
stotterte es in größter Befaiiaenbeit.’
Don Antonio niate ihr zu und nahm
dann wieder an der UnterhaltungTheiL
Zoraida aber Preßte die Hand auf das
Herz und seufzte: »Vü,lgnmis Dion!
Gott stehe mir heil"
Während jener Vorgänge hatte sich
die Gruppe allmälig vergrößert. Die
schnell verbreitete Nachricht, ein be
rühmter Espada sei gekommen, hatte
viele neugierige Nachbarn herbeigelockt.
Die Ansammlung überschauend, machte
Manuel mit lauter Stimme den Vor
schlag, das fröhliche Ereigniß in einer
nahen Fonda bei einigen Flaschen
Manganillawein zu feiern. Alle stimm
ten jubelnd bei; nur Don Antonio be
merkte zögernd: ,,Manuel, vergiß nicht,
daß wir morgen einen llaren Kon ha
ben müssen.« Doch auch er mußte sich,
von der begeisterten Menge erfaßt und
getragen, fügen. So zog man denn mit
geräuschvollen Freudentnndgebungen
dem Weinhause zu· Auch Zoraida
folgte.
Jn der Fonda war genügend Platz
vorhanden. Das erste Glas galt natür
lich dem Wohl des Spendrrs, das
zweite demjenigen des jungen Espada.
Daran reihte sich ein »Brindis« auf ten
aliicllichen Verlauf des morgigenStier,
gefertjts. Dann wurde get-.!n«,-:. wann
ten nnd Flastagnetien scirie atzctj ein
Tamburin traten sofor« zur Hand
Zuerst führte Mannel inf! .-Ioraida ei.
nen Fandango auf. Dann mußte sie
mit Don Antonio einen Bolero tanzen.
Als Mannel den Bewegnungen des
schönen Paares znfchaute, konnte er sich
einer Anwandlung von Eifersucht nicht
erwehren. So hatte Zoraida noch nie
aetan.3t. Das Mädchen fchien Alles um
sich lxer vergessen zu haben; es war ganz
Feuer und Leidenschaft. Schlangen
gleich wand sich der geschmeidige Leib,
während die Augen bald Flammen
sprühten, bald in verhaltener Zärtlich
teil sich in feuchte Schleier hiillten. Don
Antonio tanzte nicht minder schön, doch
war er zuriicthaltenden Gerade darin
aber glaubte ManneL einmal argwöd
nisch geworden, eine Art von schlauer
Berechnung, um das Mädchen nur noch
mehr zu rei,«i,eii, zu erkennen. »Caram
va!« tnunnelte er, »was habe ich da an
gerichtet!«
Als der Tanz zuEnde war, brach ein
allgemeiner, stürmischer Beifall aus«
Zoraida, jetzt erst ihre-Z Sichvergesseng
bewußt werdend, nahm mit niederge
fchlagenen Augen wieder ihren Platz
ein.
Don Antonio hatte seine ganze Un
befangenteit bewahrt. Er schien die
seltsame tfrregung des schönen Mäd
ckth gar nicht bemerkt zu haben. Ru
l«,ig, als sei nichts Besonderes umgefal
len, setzte er dasJ vorhin abgebrochene
» Gespräch mit seinenNachbarn fort, wo
bei er seinem Freunde gelegentlich mit
» einem freundlichen Kodfnicken zutrant.
» Fiir Manuel war der Abend der
J dorben. Sein heisses Blut wallte auf
; b:i tem Gedanken, tasz sein Freund acif
Hsoraida einen tieferen Eindruck ge«
i macht und ihre Sinne bethört habe. Er
! wurde worttarg, auch gegen Zornida,
s· und trant mebr als es seine Gewohn.
; treit war. Zugleich beobachtete er die
l Beiden aufs Schätfste. Zoraida, durch
» sein Benehmen verletzt, konnte nicht
« umhin, ihn mit Don ttlntonio zu ver
gleichen, dessen feinere llniganggsormen
und immer gleiche Liebengwrirdigteit
Manuel allerdings in den Schatten
stellten. Der schone junge Mann er
- schien ihr wie ein Zauberer, der ih-:
ganzes Denken und lsnipsinden b
herrschte. »Ach,« seufzte sie still vor si l
hin, «,warum ist Manuel nicht er nnd
umgekehrt!?« Dabei blickte sie nim—:ll.
tiirlich hinüber aus den Gegenstand il«
re-: Sinnens. Don Antonio hing-im
dein die Versticnmnng seines Freunde-s
nicht entgangen war nnd dem jetzt auch
Ins stille Grübeln Zoraidas ansiien
sucl te Beide aufzuheitern durch bar-n
iuic Jieckereiem wodurch Manuels Groll
eooch nur noch mehr·geschiirt wurde
Jelus seiner Smn hatte sich esne ziese
Falte gebildet und er mußte an sich bal
tpn, um die ihn verzehrende Eifersucht
nicht offentundig zu zeigen. So endete
denn dieser Abend weniger anaenelim,
als er begonnen hatte.
’
l
l
Als die beiden Freunde Zuiaiw nnd
die Ihrigen nach Hause begleitet Vat
» ten, verabschiedete sich Manuel von sei
i.er Braut in tiihler Weise. Dann gin
gen sie über die Gitadalquivir-’L·!Liite
nach Sevan hinüber, wo sie ihre Woh
nungen hatten. Schneigend schritten sie
eine Weile nebeneinander her. »Ist-«
nuel! Das darf nicht fo weiter gehen,«'
sagte Don Antonio, indem er feinen
Freund unter den Arm faßte. »Sage
; mir, Mensch, was ist Dir nur in den
» Kopf gefahren?«
» Manuel bxuunnte etwasunverständ
» liche5.
»Nein, so entgehft Du inik nicht.«
- fuhr Antonio fort. »Dier und ehrlich,
wie es sich unter Freunden geziemt, be
tenne mir: Habe ich Dich verletzt, hast
« Du etwas gegen titich?«
» »Nein!« kam es gezwungen hervor.
» »Aber wag haft Du denn?«
i· »Oh . . . gar nicht-TI« .
i »Ich tan- Dich nicht, ois Du es m- J
gestanden l;ast," drang Antonco wettet
in ihn. Manuel! . . . Freund! . . .
Du bist doch nicht gar . . . eifersüchtig
auf mich?«
«Hm!«
»Nein, das ist zu zoll!« — Antonio
lachte laut auf.
»Was ist da zu lachen?« grollte Ma
nuel.
Antonio legte seinen Arm um die
Schulter des Freundes und sagte:
»Manuel, auf mich brauchst Du nicht
etfersüchtia zu fein . . . nein, gewiß
nicht! Und nun gehe zu Bett und schlaf’
den Unsinn aus.«
»Hm-new n()(«l«-s!« erwiderte Ma
nuel als Abschied-geuß.
»Manuel!« Antonius Stimme
vibrirte, als er den Namen rief. »Hier,
gieb mir die Hand!« sagte er, nähertre
tend. Und als sein Freund dies zögernd
gethan, drückte er dessen Hand warm
mit den Worten: »«5reund, ich habe
Dich lieb! -—— So, nun gel)’!«
st- sk It
Das Stiergefecht sollte unt vier Uhr
Nachmittags beginnen. Schon lange
vorher war ganz Sevilla in Bewegung.
Es schien eine wahre Völkerwanderung
nach dem großen Circus stattzufinden.
Jn den engen Straßen drängten sich
Wagen aller Art, Reiter und Fußgän
ger zu eompaltenMassen zusammen, die
unter Lärm und Geschrei ihrem Ziele
zustkebkckh Miit demRUfc: »Um tut-us!
Los tun-sit« boten die Zeitungsver
täufer die bunt illustrirte Festschrift
aus.
Der Cirtus ist ein mächtiger Rund
bau, in dessen Mitte sich die von einer
Barriere untgebene, sandbedeckte
Arena befindet. Hinter dieser Barriere,
die vieie tleineSchlupfpforten für die sich
sliichtenden Stierfcchter enthält, steigen
die Plätze terrassenförmig im weite
Heu-.- atkts zur Vor-e von etwa vier
Erocknettege -s:::k Las Ganze ist
txt-n osfsst
Wes die Utzr Vier ;eigte,w.1r der Gir
k.:-;» iiberfiillt. Kopf an Kopf gedrängt
iab die ungeheure Menge von Zuschau
ern erwartungsvoll dem Beginn liess
Schauspiel-J entgegen. Eine Fanfare
gab dazu das Zeichen. Zwei Alguaeilez
oder Polizisten in schwarzer, altspani
fcher Tracht, zu Pferde, erschienen auf
der dem Hauptportal entgegengesetzten
Seite nnd utnritten die Arena, um zu
consiatiren, das; sie frei fei. Nachdem
sie sich wieder entfernt l«.utten, begann
das Orchester zu spielen. Das Thor,
durch welches die Atguaeileg it·-r:u Ab
gana gehalten, vffnere sich von Neuem
und die ,,Cnadrilla«, der Trupp der
Stierfechter betrat die Arena im pontps
stiften Aufzug, der einen der Glanz
pnnkte deg Schauspiel-Z bildet. Voran
schritt als Haupt Espada der Direc
tor der Trupp-e. Er war ganz in Posa
Seide mit reicher Silber-Heini geklei
det. Von feiner Schulter hing ein pur
purfarbener Prachtmantet herab. Ihm
zunächst folgten vier Efpada5, unter
denen sich Don Antonio in mochriiner
Tracht mit Goldstickerei und mange
sarbener Schärpe befand. Dann tamen
die »Banderillerog«, die den Stier mit
Wurfpfeilen. an denen sich bunte Bän
der befinden, zu reizen haben. Ihnen
schlossen sich die übrigen Fuizfechter,
fämmtlich in Seide gekleidet, an. Die
letzte Gruppe im Zuge bilde:e:1 die »Vi
cadore5«' zuPserde mit iltren aegen drei
Meter langen «;iiteti. Die Beine mit ei
fernen Schienen untpanzert und den
Leib mit Polstern gegen den Stoß der
Stiere geschätzt, ritten sie auf itjren ab
aetrievenen litiiuleu schwerfällig einher
und vermochten dem leidittufziaen
Trupp tnuut zu folgen
Vor der Loge des Zlilnszpriifidsxt:n
machte kxk Zug Halt und salutirte.
Darauf trarf der Präsident denschliif
sel zucu Käfig lkiuab, den der Director
geschickt auffing Ustund einem der
Fußfechter übergab Diesen Vorgang
b:gleitete ein Musittusch Der Zug
schwentte und entfernte sich nach der-set
ben Seite, Von welcher- er getouunen
tonk.;-311riick blieben nur die Piradore5,
die nun zu beiden Seiten des diäfias
Aufstellung nahmen, sowie eine Anzahl
Stierfechter zu Fuß, welche durch
Schwingen rather Tücher den-Stier oon
einem gefährdeten Picador abzulenten
hatten
Die ersten Hetzen nannten ihren ge
wöhnlichen Verlauf, wobei eine Anzahl
schwerverwundeter Pferde auf dem
splake blieb. Manuel vertrat den er
trnntten Espada so geschickt, daß ihm
reicher Beifall zu Theil wurde. Nach
drin er seinen Stier erlegt hatte, trat er
wieder in die Reihe der Fußsechter init
.oem Tuch tauch Mantel genannt) zu
riirt. Er hatte als solcher besonders in
Douxttlntonios »Gang« mitzuwirken
Seinem Freunde war die Aufgabe ge
worden« sdem berüchttgten schwarzen
Stier gegenüber zu treten. Dieser hatte
schon zwei Picadoreg und einen Ban
derillero verwundet und raste nun, von
Blut iiderströntt, auf dem Kantpfplntz
umher. Jetzt erschien Don Antoniu,
leichten, sicheren Schrittes in der
; Arena, in der rechten Hand den blitzen
) den Degen. in der linken die «Muleta«,
l ein an einem Stabe befestigtes rothes
Tuch, l·-altend. diaum hatte der Stier
ihn erblickt, als er mit mächtigenSätzen
auf ihn zustiirzte. Don Antonio stand
wie eine Bildsäule. Er ließ den Stier
bis dicht an sich herankommen, machte
dann plötzlich eine Schwenkung mit
dem rothen Tuch und war daraus fiir
einen Moment den Blicken der bang
at«)nienden Zuschauer entschwunden
Als man ihn wieder sah, stand er weit
binter dem Stier, der in seiner blinden
Wirth dorbeigerast war. an seiner Nähe
befand sich Manuel als Beistand. Der
Stier, einen Augenblick stutzig gewor
den, hatte Kehrt gemacht. Langsam
trottete er zurück, anscheinend imZtoeL
fel, wen von den Beiden er zuerst an
rennen sollte. Don Antonio schwenkte
sein Tuch im Halbkreis, um die Aus
merksamteit des Stier-es aus sich zu
lenken. Dies gelang ihm aucb Anfangs.
,,7fort!« rief er seinem Freunde zu, ohne
das Thier aus dem Auge zu verlieren.
Manuel aber mußte wghl nicht ver
standen haben, denn er blieb. DerStier
stand einenAugenblict mit leicht gesenk
ten Hörnern still. Antonio hielt den
Moment für günstig und stieß mit dem
Degen zu. Aber gleichzeitig machte der
Stier einen Seitensprung und der
Espada tam durch seine eigene Wucht
vorniiber zu Falle. Blitzschnell hatte ihn
der Stier mit den Hörnern gepackt und
in die Lust geschleudert. Dies wieder
holte sich noch einmal, bevor Manuel
und andere Eollegen mit eigener Le
bensgefahr den Stier zu entfernen ver
mochten. Ein Schrei des Schreckens er
scholl aus vielen tausend Kehlen. Be
sinnungslog wurde Don Antonio vorn
Platze getragen. Nachdem der schwarze
Stier von einem anderen Espada zu
Boden aestrcckt worden war, wurden
noch zwei weitere Thiere in die Arena
pelassen Aber daSPublikum hatte nicht
mehr da- sriihere Interesse für das
Liltttiae Schauspiel Auf aller Lippen
laa die Frage: »Wird Don Antonio
mit dem Leben davontommen Z«
Am folgenden Tage brachten die Zei
s tungen Berichte über den Zustand des
Verunglijckten. Er lebte noch, doch war !
seine Wiederherstellung wenig wahr
icheinlich, da er außer mehreren Rip
penbriichen schwere innere Verletzungen
davongetragen hatte. In das allge
meine Bedauern mischte sich aber auch l
dass höchste Erstaunen, als man weiter
las, das-, Don Antonio ein ——- Mädchen
war. Daran tnuptten sich dann allerlei
. aventeuerlich tlingende Mittheiliingen
« iiber seine Heri:iiisi.
« noch eifersüchtig auf mich-M Laut wei
Ja, Don Antonio war ein Mädchen.
tfr lxatte es nun auch seinem Freunde
itstaniiel der die ganze Nacht getreulich
bei il«,:ii gemacht, und Zoraida, die ani
Morgen in seine Wohnung geeilt war,
gestanden. Das Bett stand inmitten
des Zimmer-I, in welchem die blutbe
steckten stleider zerstreut umherlagen.
Zoraida kniete an der einen Seite,·Ma
nuel saß aus einem Stuhl an der andesl
ren. Beide schluchzten- Das Gesi «
verwundeten Mädchens, von deni’!iris:
gelösten schwarzen Haar -un1«rahint,
zeigte jetj t ein: wahrhaft ideale Schön
heit. re einstige Energie war eine.
weiche n, ilire Züge vertliirenden Anz
druct gewichen. Trotz der großen
Schxiierzen versuchte sie zu lächeln, inii
dem sie fragte: »Nun, Manuel, bist Du
irrte sich, wie sie gestern beim Abschied
tu ihm gesagt: »Ich habe Dich lieb. « - -
tlnd al-« wenn sie seine Gedanken erra
tlcn hätte, sagte sie: »Ich habe Dich im
nier lieb gehabt, dennD «u bist mir stets
« ein treuer Freund und guter Kamerad
actrI sen. Sie schwieg eine Weile und
ncnd küßt-: dieser ihre Hand Er erin- l
fuhr dann sinnend sort: »Ob das-I
»Franenliehe« war? Jch weifz es!
nicht, glaube es auch ka1Un, denn ich.
habe . . oh, wie das fchinerzi!« un
terbrach sie fich ftöhnend, »immer als
lUlann empfunden . . .-Auch Du. Aas-s
:.1Eda«, wandte sie sich dann an jene,i
,,Drauchft nun nicht noch eiferfiichtig zus
werden denn meine Zeit ist bald um«
. ich fiihle es. Hier, Mädchen, nimm
diesen Reif und trage ihn . . . als ein
Andenken von mir-« Damit steckte sie
Zoraida ihren kostbaren Brillantrina
an den Finger. »So«, fügte sie hinzu,
Jetzt reicht Euch die Hand zur .
Versöhnung.«
Von Rührung überwältigt fanden
Manuel nnd Zoraida keine Worte.
Ihre Thriinen netzten fort und fort dag
Bett der Leidenden. Nach kurzem
Schweigen hob diese wieder an: »Wir
wollen nicht fcheiden, ohne daß Jhr er
fahren, wer ich bin. Ich heiße Antonia
re Brcga und ftamme aus der Provinz
Galizien. Meine Familie gehört dem
alten Adel an. Ich verlor meine Mutter
früh nnd erhielt dann eins: böfe Stief
smutter, die mich fo miszi·atidelte, daf;
ich eines- Tages davonlief. Mitleidiae
Wanderlnrten nahmen mich auf. Sie
kleideten mich als Knaan nnd ließen
mich das Vieh hüten So wurde ich
früh mit der Behandlung der Stiere
· ««« s si Wspaevatser
der sich Mantiss nannte, nach einigen
Hamen naro, nat-in ich unter seinem
Namen Dienst bei einer Stierfechter
—
truppe, in welcher ich meine Laufbahn
begann. Ich hatte Glück und —- das
Uebrige könnt Jlsr Euch denken.«
Jn diesem Moment ertönte auf der
Straße ein leises Klinaeln. Es war ein
Priester, der mit den Sterbesacramen
ten kam. Bald darauf trat er in«s Zim
mer. ,,Lel)t wohl, meine Freunde, lebt
wohl!« Mit diesen Worten reichte sie
Beiden die Hände und blieb dann mit
dem Priester allein. Eine Stunde spä
ter war sie verschied-m
--A
Schissøiungen fnr die Mut-inc.
Trotz der außerordentlichen Verruch
rung, welche unsereKrichmarine wäh
rend Der letzten Jahre durch den Bau
von Torpedobooten, Kreuzern und
Schlachtfchiffen erfahren hat, herrscht
immer noch ein Uebcrfluß an Marine:
Officieren. Das Entgegengesetzte ist
der Fall, soweit die Mannschaft in Be
tracht kommt, und es ist eine That
sache, daß wirklich tüchtige Seeleute
zum Dienst auf Onkel Sam’s Flotte
nur schwer zu haben find. Um dem
hieraug sich ergebenden Mangel an ge
cignetem Material der Unterofficier
stellen abzuhelsen, ist das Schiffssun
gen - Wesen nach dem Vorbilde anderer
Scemächte eingeführt worden. An:
fänalich wurde diese Neuerung weder
von den Officiern noch von den Ma
trosen mit freundlichen Augen ange
sehen. - Die Ersteren behaupteten, daß
die Jungen zur Verrichtung des sehr
schweren Seemanns - Dienstes nicht
start genug wären, und -di: Letzteren
erblickten in ihnen höchst unbequeme
Concurrenten bei der Besetzung der
besseren Stellen. Das Vorurtheil der
Osticiere ist in kurzer Zeit geschwun
den, denn diese kamen bald zu der Er
lenntniß, daß der Mangel an Kraft
und Augdaueh welche die Jungen bei
verschiedenen Exerxitien an den Tag
lrgten, durch ihre Gewandtheit in der
Talelage und ihre Anstelligkeit beim
Geschützdienst wettgemacht wurde.
Als Schiffgjungen werden nur Bur
schen im Alter von 14 bis 17 Jahren,
die in den Vereinigten Staaten geboren
und körperlich wie geistig normal ent
wickelt sind, angenommen. Beim
Eintritt in denDienst erhält der Junge
- eine vollständige Ausstattung an Klei
dern sowie Bettzeug und empfängt
außev seiner Raiion eine Löhnung von
»Ist pro Monat. Die Löhuung steigt
biH auf 5315 bezw. 821, wenn er sich
nach Ablauf seiner Dienstzeit wieder
anwerbcn läßt, und seine Augsichten
auf Beförderung lassen bei guter Füh
rung nichts zu wünschen übrig. Ihre
erste Ausbildung erhalten die Jungen
in Newport, N. J Vor allen Dingen
wird ihnen die strsicteste Disciplin b;i
gebracht und darauf gesehen, daß sie
weder Schnapg trinken noch Cigarer
ten rauchen. Der Ausbildung im
Schiffs- undGeschiitzdienst wird selbst
verständlich die größte Aufmerksamkeit
geschenkt, damit die Jungen sobald als
möglich zum activen Dienst auf deu
Kiiieggschiffem die bekanntlich an con
stantem Mannschafthangel leiden,
herangezogen werden. Die Schule,
welche die Jungen in Newport durch
machen müssen, ist sehr hart, denn
strenge Strafen harren ihrer, wenn sie
sich gegen die Disciplin versiindigeu,
auch ist esJ flir die älteren Jahrgange
in gewissem Grade erniedrigend, im
mer noch als Jungen angesehen zu
werden, selbst wenn sie im Handhaben
von Rudern, Segeln und Geschützen
ebenso gewandt sind wie ihre Vorge:
setzten. Zur Beinannnng eines jeden
Kreuzers gehört eine bestimmte Ali-kahl
von Schiffgjungen, doch wird dieselbe
wegen Mangel an Matroseu nicht sel
ten über-schritten, wie dies neulich bei
dem Kreuzer »Brooklhn« der Fall war;
derselbe hatte 60 Jungen an Bord an —
statt 4(). wie vorgeschrieben
Zur Unterweisung m dem uberauö
romplicirten Mechanismus eines mo
dernen Kriegsschiffeg wurden vor einer
Reihe von Jahren besondere Schulen
in Newport, N J., und Washington,
CI- C» etablirt und diese sind fast aus
schließlich fiir frühere Schifssjungein
die sich während ihrer Dienstzeit be
währt haben, reservirst. Jn diesen
f Schulen werden die jungen Seeleute in
der Herstellung und dein Gebrauch von
i Exploswstoffen und der Handhabung
, von Torpedos sowieGeschützen auf dagt
Griiiidlichste unterwiesen und erhalten
theoretischen wie prattiichen Unter-dicht
. in der Construction und Beniitzung
I der eleltrisclren Dynamog, die nicht
i blos zur Beleuchtung des Schiffes son
t dern zur Bewegung der Geschütze,
! Thürme u. i. w dienen. Daß der
praktische Seemannsdienst nicht außer
» Acht gelassen wir-d, versteht sich von
» selbst. Freili können nicht alle frü
heren Schiffs-i ngen in diesen Schulen
Auf-. ahme finden, denn die Anzahl der «
Zögl npe ist b: schräntt aber diejenigen «
jurisen Seeleute, denen sich ihre Thüren
dffnen erlalten dort e ne so vorzüg
liche Ausbilduna, daß sie nicht blos
gute Dcckosficiere abgeben, sondern
auch in der Handelsmarine und man
chen anderen bürgerlichenBerufen leicht
i ihr gutes Fortkommen finden