Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 19, 1897, Sonntags-Blatt., Image 13

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    Die stolze Rose.
km Listen- llngiiad
Jch that an einem Sommertag
Durch Wald und Fluren ziehen
Und sah in einem grünen Hang
Ein duftig Röslein blühen.
Ich sprach: »Lieb« Röslein, fchmiicle
mich.
Will dich gar sorgsam Pflegen!«
Doch Röslein rief: »Ich fteche dich,
Zieh hin auf deinen Wegen;
Ich will den ichmiicken Jägersniann,
Den stolzen Ritter silmiiiclen,
Ein ander Röslein mag dich dann
Mit seiner Lieb’ begliickem
Herr Wanderdursch: ich danke!«
Und als dahin die Sommerszeit,
Zog ich des Weges wieder;
Doch wo war Rösleins Herrlichkeit,
Wie hing es welt hernieder?
Als mich das Röslein wiedersah,
Da tief es mit Entzücken:
.Griiß Gott, mein Theater, seid ihr
da ?
Wohlanl Jch will euch schmücken!«
Da sagt’ ich schnell: »Mein Fräulein,
fein,
So lehr mich das auch ehrte,
Doch da ein ander Röselein
Mit seine Lieb’ belcherte
So fag jetzt ich: ich danke!«
- 444 —»
Yas Yaithotiiag.
Humor-edle von Euch Fließ.
»EUIJ- — Du langweilst Dich!'·
..Durchaug nicht, Betty! —— Uah!"
»Elly!«
»Pardonk Ich glaube wahrhaftig,
ich gähnte soeben!«
»Und wie! Tobias 6, 3!«
.,Hahaha! « Apropog, könntest Du
knirønicht das Buch Tobiag ver-schaf
en-«
»Bitte, -—-— dort liegt das neue Testa
ment!«
»H0hah(1!«
»Warum lockst Du wieder io belei
digend?«
,,Hahaha! -- Aber Bettv! Er
stens befindet sich das Buch Tobiass
im alten Testament; und dann -- Ein
aanzeg Vierteljahr bist Du hier die
höchftcommandirende und haft noch nie
von dem Buche Tobiag gehört?!«
»Ach so! —--- Du meinst -—-- die Pani
vhlete und Satiren, die der kleine bog
hafte Lanzau mit seinem Jntimu5,
dem langen Dannehl, verbrochen haben
sollen. —-- Jch tiimmere mich nicht da
reim!«
»Du bist, wie stets-, erhaben über
solche Thorheiten der übrigen Staub
geborenen!«
»Ich bitte Dicht --- Was giebt’g,
Gustav?'
Der Diener, welcher während des
Zwiegespräch-is der-beiden Damen ein
getreten war, meldete in militiirischer
Haltung: »Ehe Orsdonnanz!«
Die junge Kommandenfe nahm eine
befehlshaberische Miene an: »Der
Herr Oberst ist nach den Schießständen
geritten! Lassen Sie die Ort-on
nanz eintreten!"
»'3u Befehl, gnädige Frau!«
Gleich darauf trappte ein Gefreiter
in den Solon und pflanzte sich vor
schriftsmäßig vor der Dame des Hau:
fes aus, alg stände er vor dem geftren
gen Herrn Regimentskommandeur sel
ber. Unter dem Arm hielt er drei in
starkem Lederrücken gebundene Bücher-,
die deutlich den niilitiirischen Charak
ter zur Schau trugen. Sie enthielten
offenbar allerhand Parolebefehle, Re
ttutenlisten nnd ähnliche Staatsge
heimnifse.
»Legen Sie die Bücher dort hin! —
Haben Sie sonst was zu melden?«
»Ja Befehl, nein!«
Die Ordonnanz legte die Volumina
aus den nächsten Tisch. machte vor
schriftsmiiszig Kehrt, und trappte wie
der hinaus. An ihre Stelle trat sofort
die Köchin, die von der gnädigen Frau
die Entscheidung in einer höchst wichti
gen tulinarifchen Angelegenheit
wünschte.
Frau von Dieringehofen fah fich ge
nöthiat. dag- Neich der Rüchenfee in
allsrhöchft eigener Person zu betreten.
Sie verschwand das-r mit »Mein flLi li
tiam »Bitte, entfcklscdige nich einen
Augenblick« aus den- Solon Fräu
lein Elly Voltmann befand sich allein
in dem ftitvoll eingerichteten Bondoir
der Freundin. Jhre Blicke blieben an
den foeben von devOrdvnnanz gebrach
ten Büchern hängen. Ein verächtli
cheg Lächeln flog um ihren Mund.
«.5tornmif; alles Kommisz mur
melte sie leise. Sie griff eins von den
Büchern und schlug es auf. Jn dem
selben Augenblick wurde sie bunten-—
roth. Nur mit Mühe unterdrückte sie
einen Ausdruck der freudigften lieber
vafchung, als sie die Blätter weiter um
wendete. Das war ia —— das geheim
nisivolle Buch! Das Buch Tobiask
Wie tam das hierher in die Wohnung
des Regimentstommandeurs?! Si-»
chertich nur durch einen bot-haften Zu
fall. »
Fräulein Ellh fann einen Augen-!
blick nach. Dann nahm sie das bietet
Volumen lutzentfchlossen san sich,
flüchtete damit in das Fremdenzinirner .
und rieselte sich mit dem geraubten
Kleinod ein. «
i « i
Der Lieutenant Tobias von Dan
nehl fah tn feinem Junggesellenheim
und siudtrte im großen Generalstabs
wert. Der Officier bereitete sieh mit
der Gewissenhaftigkeit die ihn in allen
Dingen auszeichnete, zu feinem Exa
Inen für die Kriegsatadeenie vor. Er
tvar gerade bei einem wichtigen takti
Ichm Ereigntffe angelangt, als dte
E Thür ausgerissen wind: und sein Jnti-·
mus. Fritz Lanzen. hereinstütmte.
«Giel) mir eine Cigarre, aber schnell.
mich dichtert,« schrie er, ohne es für
nöthig zu halten, anten Tag zu sagen.
I Der angeschriene Freund ließ sich nicht
stören; er deutet: nur stumm mit dem
Zeigefinger nach der Komode, auf wel
cher ein tleineg Rauchservice stand
Der wilde Ankömmling stürzte nack,
der angegebenen Richtung hin, zündete
sich eine Regulia an und warf sich mit
einem wahren Trampolinsprnnge aus
das Kanapee, daß das alte Roßhaars
gebäude in allen Fugen erlrachte.
Dort blies er den Rauch in gewaltigen
Stößen vor sich hin, als niarlirte er
eine in der Abfahrt begriffene dampf
ichnaubende Lolomotive. Dazwischen
stieß er in tleinen Pausen allerhand
abgerissene Worte aug: »Famose Jdeel
Ein richtiges Bexir ild!- -- Kein
Mensch kommt - — darauf, -— wenn ich
ihm nicht —- — den Schlüssel ——- gebet
«Wo ist die Braut?« ——— Was? —
Brillant? Hör’ doch ’mal einen Au
genblick auf mit Deiner wahnsinnigen
Biiffeleit — Haft keine Zeit? Na,
-- s dann nicht! — Dann gieb wenig
stens das Buch het, damit ich meine
glorreicho Jdee zu Papier bringet ——
Miv lribbelt es in allen zehn Fingern!
- -- Was fchwatzest Du da, ach habe
- das Buch! —- Unsinn! -—- Jch havs
Dir ja heute früh wieder ’reingebracht
und aus Deinen Schreibtisch gelegt. -—
Es muß also hier sein.« .
Bei den letzten Worten war der zu
künftige Kriegealademiler aufmerk
samer geworden. Er- sah sich langsam
irn Zimmer um« als suchte er nach dew
gewiinschten Gegenstande und tadelt
den bestürzten Kameraden: »Du wirst
uns doch noch ’mal in die Tinte reiten
mit Deinem ewigen Leichtsinn.
Einftweilen sehe ich das- Buch hier
nicht! Weißt Du auch ganz genan,
Fritz, daß —-?s«
»Aber natürlich, Totmi ——- Hier » -
da — - auf diesen Fleck legte ich es hin!«
Der Andere rief den Burschen her
ein. »Sag’ ’mal, Michelsle hast Du
heute hier ein dicleg Buch in braunem
Ledereinbande aus dem Schreibtisch ge
fehen?«
»Zu Befehl, Herr Lieutenant!«
«War Jemand hier während meiner
Abwesenheit?«
»Zu Befehl, Herr Lieutenant, die
Oridonan3. Hab’ ich ihr gesagt, wie
Herr Lieutenant befohlen haben, die
Bücher liegen auf dem Tisch«
»So und die Ordonnanz nahm
dann die Bücher! — Wie viel waren
eg? Zwei oder drei?"
»Erst zwei, dann noch eines, dane
ben!«
Der Lieutenant Dannehl warf seis
nenr Freunde einen Blick zu, vor dem
der tleine Lanzau zusammenlnicttr.
Der Burssche trat auf Befehl ab. Die;
beiden Kameraden waren allein. Derl
lange Tvbiag stellte sich vor feinen
Freund hin und sagte in einem Ton,
der den ganzen bitteren Ernst der
Sachlage lennzeichnete: »Weißt DM
was dag bedeutet?! -- - Wir können die
ilniform ausziehen und den Degen an
den Nagel hängen! -- Fritz, Fritz!
Was hast Du gemacht?« i
« Der lleine Lanzau wari todtenbleich
geworden. »Das hab’ ich nicht ge
« «»:.T)t! — - Jch glaubte vielleicht -
«Wir müssen sehen, daß wir das Bucht
wieder zurück —- der Alte wird es
- sicherlich noch gar nicht gelesen haben.
----- Was meinst Du, Tobi).ck«
Dieser sah nach der Uhr. »Uni!
zwölf Uhr rnufz die Ordvnnanz hier-s
gewesen sein; ich hatte Jnstrutiion5
stunde. Jetzt ist es vier Uhr. Das
Buch ist längst gelesen.«
Wie zur Bekräftigung dies-: nie-i
hauptung trat eine Ordannanz ein.
stellte sich terzengerade aus und mel
dete: »Der Herr Oberst von Dieringg
hofen lassen den Herrn Lieutenant von
Dannehl und den Herrn Lieutetnant
Lanzau heute Abend um acht Uhr zu
sich bitten!« Dann ing er nnd ließ
die beiden Officiere a ein. — —
Der lange Tobias und der kleine
Lanzau —- wie sie allgemein in der
niittelqroßen Garnisonstadt genannt
wurden -- waren Busensreunde von
der Feadettenschule her. Beide waren
Söhne von im Kriege gesallenen Offi
cieren, vermögenng und Ende der
Zloanziger. Im Uebrigen konnte es
in der ganzen Armee kaum zwei Cha:
rattere geben, die so verschieden gear
tet waren. Während der Eine schon im
Aeußeren als Typus eines pünktlichen,
diensteisrigen jungen preußischen Offi
cierg gelten konnte, hatte der Andere
absolut nichts militärisches an sich.
Der kleine Lanzau war seiner- Zeit
pur »rein- Jis inusli aus«-z Kadetten
torpg gebracht worden. Das rächte
sich, je älter der junge Setondelieute
nant wurde, und je schärfer seine ur
sprüngliche unabänderliche Individua
lität zu Tage trat. Dieselbe wuvzelte
in einem unverdesserlichen Hange zur
kritischen Betrachtung der ganzen
Außenwelt, in einem unbezähmbaren
Drange zur Satire und Narrikaturew
Zeichnung. Der kleine Lanzau was
bekannt als der Verfasser zahlreicher
illustrirter Quatrain5, die in ver
schwiegenen kameradschafklichen Krei
sen ciskeulirten nd das bo«ncris:«,e Ue
liichiev aller ntcht dabei vetbeiligten
Personen erregten. Der geniale Kunst
ler hatte die diesbezüglichen Manu
srripte und Zeichnungen in einem statt
lichen Band gesammelt, den er seine-n
Jntirnuö zu Ehren »das Bu« . Tod as«
nannte, und aus diese eise oen
Freund zum »verantwor«tlii)en Red:t
teur« und Mitschutdigen an seinen ei
genen satirischen Ergiisien stempelte.
Um dieses Buch, das ver Freund zur
beiderseitigcn Sicherheit stets unter
Verschluß hielt, hatte sich allniiithsx
ein förmlicher Sagenkreis gebildet
Jedermann in der Gesellschaft, na
mentlich die Damen, sprach davon
ohne das geheimnißvolle Buch mit sei
nen verpönten Jllustratioien zu Ge
sicht bekommen zu haben. He rte « sien
der Schleier, der iiber dem gesä-)rci shen
Volumen gebreitet war, gel .is1et zu
werden.
Die beiden Ossiciere lonnten nicht
mehr im Geringsten im Jloeifl de
riiberi sein, daß das Buch « obiosz in
die Hände des Regimentslocisimndeuts
gelangt war. Hiermit .Var Alles ge
sagt. Der kleine Lanzau sprang ean
lich aus. »Laß gut sein, Tobn! Dir
können sie nicht an den Kragen. Jch
gestehe Alles heute Abend dem Regi
mentslommandeur, versichere aus
Ehrenwort Deine totale Unschuld siu
dem Geschmiere und —-- nehme den
— Abschied. Jetzt ist’s rang-!
Aus mir wird doch nichts becsn Kom
misz. —— Ob ichs sonst noch zu etwas
bringe, wissen die Götter!« -—
Inzwischen hatte Fräulein lslly
Vollmann einige vergnügte Sinden
verlebt. So viel hatte sie seit ihrem
mehrwöchigen Hiersein nicht gelacht,
wie an dem heutigen Mittag. Sie,
die ein llein wenig einanzipirte THE-eß
stadtdnme mit dem lei ten sij cis
Hiisislis-Parsiim langweilte sich hier
aus den ceremoniösen Gesellschaften
Jetzt tras sie in dem Autor des Buhs
Tobiag eine Seele an, die ihr fortge
nial, ja, wie die überaus kritisch ver
anlagte Dame gestehen mußte, ihr urch
bedeutend überlegen war. Wie löst
lich war gleich die erste große Bleistift
zeichnung die ihr beim Ausblättern
des Bandes entgegenlachte: »Herkule;3
und Omphale«. Der starke mnthische
Held, der unverkennbar- die Züge dek
Regimentslommandeurs von Die
ringshosen trug, lag ihrer Cousine zu
Füßen und diente ihr mit aufgehobe
nen Armen als Garnwickelt Dazu
derKontrast zwischen der halb modsrni
militärischen Augriistung und oezn zur
Hälste gewählten streng-llassischen
Kostiim Der dazu gehörige Irrt,
iiberschrieben ,,Leben, Thaten nnd Ali
ges Ende des griechischen Obersten
Hersules«, strotzte von geradezu le
benggesährlichen Anspielungen aus die
Regimentsführung des Commandeurs,
besonders auf die erst kürzlich ersolgte
Wiedervermählung des hohen Vierzi
gerg mit einer jüngeren Dame, «Prin
zessin Omphale«! Dann folgte ein
Fackcltanz, bei welchem die Herren
Stabsossiziere vor dem Oberstenpaar
vorbei desilirten; ein Kateri und Ka
tzenreigen, eine Gänschenschule die
alle eine geradezu tünstlerisch heraus-—
gearbeitete Aehnlichkeit mit den ver
schiedenen Herren und Damen der
Garnison aufwiesen.
Kein Zweifel: Der Schöpfer dieser
Carricaturen und Satiren war ein ge
nialer Mensch, ein talentvoller Künst
ler, der hier als einzigen Lohn seiner
Menschenstudien zu gewärtigen hatte,
daß er bei der ersten ungliictlichen Ge
legenheit s- tassirt wurde! Fräulein
Elly war- ernst geworden. Sie grü
belte nach. Eins wurde ihr zur Ge
wißheit: Das Buch Tobias durfte nicht
in die Hände der Cousine, noch weniger
in den Gesichtbtreig des Herrn tliegis
ments : Connnandeurg gelangen. Wert
und Autor mußten gerettet werden!
Bei Tisch klagte die Commandeuse
dem Gatten ihr Leid. Zwei jüngere
Offiziere hatten siir die heutige tleine
Theegesellschast absagen lassen; sie wa
ren plötzlich dienstlich abcommandirt.
Der Oberst zupste etwas nervög an
seinem Barte. »Dann kommen die
nächsten aus der Liste dran, mein
Liebes«
»Von Dannehl und Lan-sauf' prä
sentirte die Commandeuse als nächste
Eandidaten.
Der Oberst riln«3elte die Stirn, der
Lanzau Pafzte ihm eigentlich nicht.
Fräulein tilln sasz wie auf Kohlen.
»Wir-d Herr Lan,;aii auch Zeit haben ?«
fragte sie ein wenig vorschnell in ihrer
schnippischen Art.
Der Comnmndeur wars der neugie
rigen Fragestellerin einen drohenden
Blick zu. »Zei! haben?!« knurrte er,
»wenn ich die Her-ten zu mir bitte?
eronnanz« —— wandte er sich an den
hinter seinem Stuhle stehenden Diener
— »die Herren Lieutenants von Dan
nchl und Lanzau werden sofort zu
heute Abend um acht Uhr hierher be
fohlen.«
,,Zu Befehl, Herr Oberst!«
Piiutlich zur festgesetzten Stunde
stillten sich die Gesellschafts - tttäunie
des Herrn und der Frau Oberst von
Dieringkhofen mit der Schaar von
eingeladenen und besohlenen Gästen.
Fiir den kleinen Lanzau waren die bei
den letzten Stunden vor Beginn der
Soiree gleichbedeutend mit dem Auf
enthalte im Fegefeuer geworden. Jhn
hatte das Kanonenfieber im schlimm
sten Sinne des Wortes ergriffen. Er
tiistelte hunderte verschiedene abenteu
erliche Pläne aus, um sie im nächsten
Augenblicke als eines tapferen Offi
ziers gänzlich unwiirdig zu verwersen.
Er wollte sofort seinen Abschied ein-,
reichen und noch mit dem Nachtzuge
nach der Residenz abdampfen, aber ihn
bangte um das Schicksal des Kamera
den wie uni seine eigene Zukunft. End
lich faßte er Muth und betrat an der
Seite des Mitschuldigen den Salon·
Todesberachtend stellte sich der tleine
Lanzau vor der hohen Wirthin aus
und stotterte seinen Dank für die aller
gnädigste Einladung.
Der Regtments-Commandeur blickte
nicht gerade sehr gnädig auf den jun
aen Lieutenant herab. Diesev Lanzau
war doch ein ganz schrecklicher Mensch!
Wie satt-pp ihm wieder der Waffen
roct und die Pantalons saßen! « —
Die Commandeuse, die eg- fiir an
gemessen hielt, jedem der sich präsenti
renden Gäste ein paar freundliche
Worte zu sagen, bemerkte huldvollst:
»Sie sollen ja ein bedeutendes Zeichen:
und Verstalent besitzen. Vielleicht ge
ben Sie nachhev einige Proben davon
zur Unterhaltung derGäste zum besten.
Ich bitte Sie darum!«
Der so ausgezeichnete Ossizier er
blaßte und stammelte einige unver
ständliche Worte, hielt sich trampshast
an dem langen Tobiag fest und flüster
te ihm zu: »Es ist Alles aus-! Hast
Du eben gehört Und vorhin denBlict
gesehen, den der Alte mir zuwaer!
Ich mache mich nachher dünne und
reiche morgen zunächst meinen Urlaub
ein.«
Der lange Tobiag sah den Freund
vorwursgvoll an; beide begaben sich in
dag Zimmer, in welchem die Jugend
unter Leitung von FräuleinEllh Volk
mann allerhand harmlose Gesell
schastgspiele entrirte. Fräulein Ellh
empfing die beiden Antömmlinge aufs
liebenswiirdigste und legte in ihr-er un
genirten Weise sofort Beschlag aus den
ihr bis dahin noch unbekannt gebliebe
nen Verfasser deg »Buches Tobias«,
den sie erst ein wenig zu quälen und
dann zu retten sich fest vorgenommen
hatte. Sie wußte es sehr geschickt stets
so einzurichten, daß der junge Künst
ler in Uniform ihr Spielpartneri war
und quälte ihn mit allerhand verfäng
lichen Fragen, die sie mit unschuldig
« ster Miene an ihn richtete.
» »Welchv ein herrliches Paar, meine
z Cousine und Ihr Herr O erst! —— Her
z kules und Omphalel —- Nicht wahr?«
Der Gefragte erbleichte und gab eine
ganz unmögliche Antwort, über die sich
die Fragestellerin kostbar amüsirte.
Doch es sollte noch besser kommen. Das
Auslösen der allmählich sich anhäufen
den Pfänder begann. Ein Taschen
messer mußte ausgelöst werden. »Was
solt der thun, dessen »Z«
Fräulein Ellh besann sich einen Au
genblick, dann bestimmte sie mit malii
tiösem Lächeln: »Er soll das Buch To
bias suchen und auffinden!«
Allgemeiuer Jubel erschallte. Der
tleine Lanzau sah sich verlegen um.
Eine junge Dame begab sich ans Kla
vier und stimmte leise eine Melodie an.
Der Aufgesorderte blickte rathlos um
sich. Fräulein Ellh erklärte: »Ich will
Jhr Medium sein! Vertrauen Sie
sich meiner Führung an!« Sie ergriff
den Lieutenant bei der Hand, führte
ihn einige Male im Salon herum und
blieb schließlich vor einer Mappe ste
hen. Pfaffen Sie hinein!« gebot das
Medium strenge.
Mechanisch griff der-s lleine Lanzau
hinein und holte ein Buch hervor, das
: einem Parolebnch des Regiments zun
« Ver-wechseln ähnlich sah· Die junge
Welt treischte vor Entzücken aus.
,,Vorlesen! Vorlesen!« schrie alles-.
Der kleine Lanzau ftierte wie gei
ftesabwesend um sich. Das Medium
nahm ihm das Buch aus der Hand:
«Gestatten Sie, meine Herrschaften,
daß ich Jhnen das Buch Tobias ent
hiille! Es steht geschrieben Enpiiel kl,
Vers l:
,,Beini Fivmmiß ist man geduldig,
Aber täglich Pamps mit Grieben,
Nein, da wär’ der ärmste Schlucker
Länger nicht zu Gast geblieben!«
War dag ein HallohI Plötzlich
verstummten Alle. Der Herr Regi
ments Connnandeur, angelockt durch
den ganz reglementswidrigen Lärm
war eingetreten. Er sah das geheiligte
Buch des Reginients, mit dem die Ju
gend hier ihren Spott trieb! Er nahm
das Volumen aus der Hand des Mes
-diuins, das ietzt seinerseits tödtlich er
blaßte und vollständig ihr Grvßstadt
thuni vergaß. Sie dachte nur an den
jungen Ofsizier, der treidebleicy vor
sich hinstarrte, gewärtig des Todegup
theils, das er jetzt aus dem Munde des
hocherzürnten Gestrengen vernehmen
müßte. Dieser tlappte das Buch zu
und begann in gesellschaftlicher Hal
tung, doch mit ernster- Betonung:
»Meine liebe Ellh! Das geht nicht!—
Mit iolchen Büchern treibt man keinen
Spott! « Herr Lieutenant Lanzau!
Sie haben wohl die Güte und tragen
das Parolebuch nach meinem Arbeits
zimmer!«
Der junge Ossizier griss eiligst nach
dem Buch, verschwand damit, nnd
machte sich aus dem l5orridor, den er
Passiren mußte, an seinem Ueberzieher
zu schaffen. Als er wieder eintrat,
stürzte ihm Fräulein Elln entgegen:
»Können Sie mir verzeihenk« stain
melte sie. Der tleine Lanzau lachte
sie Vergnügt an:
»Es ist besorgt und aufgehoben;
Die Her-tin mag den Diener loben!«
Dann unterhielten sich Beide lange
ganz kameradschastlich Sie hatten so
eben Beide in demselben Fegefeuer ge
braten und dag- gibt schnellere und des
sere Freundschaft als jahrelange Ball
belanntschast. Als der lange Tobias
und der tleine Lauzau die Gesellschaft
»verlies3en, vertraute der geniale Catri
katurenzeichner seinem Jntimus ein
Geheimniß an: »Es bleibt dabei, ich
nehme einstweilen Urlaub. Uebermor
gen fahre ich nach Berlin, in demselben
Coupe mit der kleinen schwarzen Hexe-.
Sie ist nämlich die Tochter von der
Verlagshandlung Vollmann Fc Com
vagnie, weißt Du, die die großen Witz
blätter und Carrikaturenzeichnungen
herausgeben —»— Wenn’s Glück will,
bin ich über turz oder lang Redakteur
und —— Schwiegersohn!«
Geheime Naturkräfte
Von Wilhelm Herbei-L
Jch war der letzte Sommeraast —-—
Vielmehr schon Herbstgast.
Die kinderreichen Familien, die in
teressanten Wittwen, welche hier ges-z
trauert und nach einem zweiten Mann
auggelugt hatten, die Hochtouristem
die von hier in die Alpen hinanstiegen,
die Sonderlinge und die Lebensfrohen
- — all’ die Zahlreichen, welche den be
liebten Gebirgsort zum Ferienausent
halte ausersehen, waren zwischen ihre
beimischen vier Wände zurückgekehrt
Das Dörfchen entsann sieh seiner
selbst wieder; es lam nach dem Frem
dentaumel zu sich. Die Anpreisungen
von bequemen Sommer-wohnungen, zu
jeder Tageszeit warmer Kuhmilch,
selbstgeräuchertem und feinstem
Schleuderhonig verschwanden allmälig
von Fenstern nnd Wänden —- der
stocktaube Bettler, der außen am Dorf
eingange die Leute angehalten hatte,
genas von seinem Ohrenleiden und
kehrte zu der arbeitsamen Rolle des
Kegeljungen zurück s— der Wirth, wel
cher den Sommer über feine Bauern
mit einer gewissen Reserve behandelte,
und erst gegen Regierunggräthe colle
gial zu werden schien, that jetzt wieder
dem HiesL Sepp und Jackl Bescheid,
frug den nach feinem jungen Ochsen
nnd jenen nach seiner frischen Seien
dirne, und auch die Frau Wirthin zog
ihr Seidenes aus-. nahm den vornehm
lächelnden Zug von den Mundwinteln
nnd schimpfte und wetterte wie ein
Oberlnecht in Küche und Stall.
Jch war schon Monate lang imOrte.
Die Leute zählten mich schon halb und
halb zu den Ihren und hatten keine
Scheu und wenig Geheimnisse vor mir.
Jch kannte jedes Kind.
Und doch —- seit einigen Tagen sah
ich etliche Gesichter im Dorfe, die ich
vorher nie wahrgenommen hatte.
Zuerst einen Burschen in den Drei
ßiaern ---— mit dummschlauem Gesichte.
Der stand am Sonntag, als ich aus
versteckter Wirthglaube das Treiben
der- Leute belauschte, mitten im Gast
garten auf einein Tisch - s- eine Menge
Menschen jeden Alters um ihn her, die
sich töstlich bei seinen Faer unter
hielten.
Es waren tolle Dinge, die er trieb.
Dabei verfiiate er über ein unglaubli
ches Talent der Stimmverstellung
Jetzt spitzte er die Lippen und trähte
in ders höchsten Fistel: ,,«.Ilrthur! Ar
thur!«
Nach einer halben Minute aab er!
denselben Ruf nur etwas aedämviti
und verschwommen lzurück ,,«2lrthur!«
Arthur!«
,,Arthur, liebst Du mich?« trijhte er«
dann wieder unter dem dröhnenden
Gelächter der Bauern.
Kein Zweifel mehr, es war die täu
schend nachaeahsmte, dünne Stimme der
Vircsnesse Laura, die hier mit ihrer
Familie und mit ihrem Bräutigam sieh
aufaehalten und durch ihre schwärme
risrhen Gefühlsausbrüche fiir den Letz
teren Manchen erheitert hatte.
,,Vlrthisr, liebst Du niieh?« krähtez
der Bursche eben wieder zurück. »Jetzt
kommt deri Münchener Princxtier!«
sagte er dann.
..Bierfasil! Biersaszl!« tönte ei- im
tiefsten Baß, der aus einein Fieller her
arifzittommen schien.
,,Viersaf).l! Bierfaßl!" aab er bannt
denselben Rus wieder. !
,·.83.ör’ mal, Loni,« fragte ich diet
hübsche Kellnerin, die inzwischen bei!
mir eingetreten war, um mein aeleertesj
Glas zu füllen, »wer ist denn der sidelei
Trovs da ?«
Sie sah mich ein wenig verlegen an
dann schmunzelte sie:
»Wissen S«·, wisperte sie aeheimthui
end, »der is unser schöne Echo drobe.
an der Geisterwand wo die Frem:
den alleweil io aern ’neinruien! Da
hockt er den Sommer über aus einem
Raum. und wenn einer ruft, aibt er·s
·:,’riiet! Los bat erk- fchon wie a Ko
mödieivieler der Loder! Jetzt ver
spöttelt er’s halt a wen’a — die Frem
den!«
,,Arabella! Arabella!« schnarrte der
draußen gerade wieder, das-, man
meinte, man sähe den schneidigeih in
das reiche Commerzienrathgtöchterlein
verschossenen Lieutenant v·5inatterbacl)
lebendig vor sich stehen.
Diese Entdeckung, die ich da gemacht
hatte, gab mir ein paar Wochen bin
durch Anlaß zu hochinteressanten Stu
dien.
Jch nahm gelegentlich den Wirth ein
wenig aus die Seite und fühlte ihm
vorsichtig auf den Zahn, ob vielleicht
noch mehr solche Tausendkiinstler da
wäret-.
Er rückte sein Käppchen aufs an
dere Ohr, blinzelte mich von der Seite
an und meinte: »Da können S« schon
noch Etliches inne werden! Wissen Sie,
man muß dem Geschmack der Fremden
etwas entgegen kommen —- jetzt, wo
die Saison aus is, hat’«5 das nimmer
nöthig -——- d’rum lassen sich die verschie
denen Leuteln, die dazu bestimmt find,
allmälig wieder in’"5 Dorf seh’n
das sind unsere geheimen Kräfte der
Naturk«
Die nächste Naturkräft, die ich len
nen lernte, war der »Jrr«wisch«.
Ein putziges, altes Kerlchen voll
Humor, Schalkheit und Laune. Er
pflegte Abends im ..Schloßsumpf«
draußen am Fuß der Burqruine zu
sitzen. Alte Weiber verbrciteteu mit
Eiiev allerhand Schauermä: n von den
Schreckens-thaten welche die Burgher
ren seinerzeit vollbracht hi: en, und
wenn nun so die heimkehxcsdcn Da
ixien in etwas aruselhafter Stimmu«
warm, traf eg- sich samt-T wenn pld
lief-i mitten im Sumpf der Alte n «
seiner mächtigen Glimmpfeife als Jr
liajt auftauchte, hin und her gauke!
nnd plötzlich Verfchwand. Ein ganz
Märchenschatz von erlösten und une
lösten Geistern wurde wach —-- t
Herren verloren sich dafür- in intere
santen Erörterungen über derlei E
scheinnnaen — kurzurn, der Jrrwii
erhöhte den Reiz der Gegend
Auch ein ganz junger, sonst a
Gänsehirte geschätzter Bursche tauch
- auf der »Guckezer genannt.
»Was ist denn das?« frug ich ih
»Warum heißt Du denn so?«
»Woaßt denn nit,« antwortete
und sah mich treuherzig an, »der-Gurt
zer döS is der Vogel, der im Was
draußen alleweil Kuckuck schreit, wen
d’ Leut’ außi kominen!«
»Ah, da bist wohl Du der Vogel(
»Ja freili,« lachte er, »im Buch-ei
waldl, woaßtl Da dersst Dich glei
oft-heiser schreien — sonst schimpft
die Fremden: »Heut’ hört man wied· -
gar- keinen Kuckuck! Woaßt, wann t«
a Liebespaarl kommt und fragt: »W
lang haben wir uns noch lieb?« —
nachher Inußt’ glei’ a halbe Stun:
ununterbrochen schreien -— sonst «
alles aus. Wann aber einer ruf
»Wann stirbt meine Erbtante?« un
Du sschreist nur einmal, nachher is de
Kersl ganz auseinand’ vor Freud’!«
ji«-»
Jch that noch einen tiefen Blick i .
die unschuldsblauen Augen des Jur
gen -——- dann wandte ich mich schai
dernd ab. So viel List in einer Kin
desseelel
Eines Abends hatte ich einen seltic
« men Anblick.
Ich kehrte von meinem Spazier
gange in’s Dorf zurück. Auf einmc -
gewahrte ich auf einer Wiese-ein son
derbares Thier. Es war kein Gais
bocl und doch auch kein Wild —- i(
trat eben näher, um das NaturwundeL
genau zu besichtigen, als ein Man
aus einer- benachbarten Hütte spran ,
und das Thier rasch in den angebaute
Stall scheuchte.
Als ich meine Beobachtung dei.
Wirthe erzählte, lachte ers laut: »Dö
I glauh’ i, daß Ihnen der Gamstor
seine Gams net sehen läßt!«
»Eine Getnse? Eine wahrhaftig
Gemse?« ·
Er schüttelte den Kopf.
»Sie wissen doch,« sagte er, »du
wir oben auf der Veranda ein Pet
speltiv - - ein Fernrohr ausgestellt ha
ben! Damit kann man in die Stein
wand hinaufschanen und wenn mai
Glück hat, sieht man oft eine oder- nich
rere Gams droben! Aber allemal
wenn gerad’ ein Fremder eine Gam
sehen möcht, kann man keine herpfeifen -
und wenn er keine sieht, schimpft e
und ist unzufrieden! Da hat denn de
Gamstoni. um dem abzuhelfen, einer
seer g’scheidten GaiSbock ein wenis «
dressirt und mit der Scheer-’ und mi
dem Anstreichen ein bissel nachgeholfen
daß dag Thierl von weitem einen
Gamgbock täuschend ähnlich sieht. Di
liswei hausen im Sommer da oben au
der Wand in einem Hiittll Da lieg
dann der Toni auf der Lauer, unt
wenn er Jemanden auf der Verand(
bemerkt, dieist er dem Bock. De«
springt nachher auf den Felgborsprnnx j
’raug und macht die Gains. Dis
Fremden sind ganz närrisch vorFreud’ «
»Da müssen Sie hinaehen,« lieißt’s
,,prächtige Jemse iesehen!« und der
Toni hat dafür a Biffel was von uns!
O, ich sag’ Ihnen, dem sei-« Bock hat c —
Einhildung wie a Hofschauspieler —
der schaut keinen g’tnd·hnlichen Cis-ris
borl mehr an!«
Ich schüttelte den Fion er zuckt
vergniigt die Achseln —- dann leichter
wir beide.
Anderen Taan rief mich ein Eil
. bries heim; sonst hätte ich wohl nock
mehr geheime Naturkräfte entdeckt.
Der Wirth begleitete mich zanahn ,
»Schon-en S’,«« sagte er unterwegs
auf einen mächtigen wildgebauter
Mann deutend. »das is auch einer vor
unseren Heiinlichen - ein ganz Pat-«
siiinirter!«
Jch begriff, daß er- ,,Raffinirter«
sagen wollte, iskid sr1q: »Was mach·
denn der?« ;
»Der?« faate J halblaut Dei
macht’5 Alpenaliihen ans der Schneid
wand verstehen S’, bengalisch!«
Ich lachte laut hinaus-.
..Na,« meinte ich beim Abschied
»nächstes Jahr werdet Jbr wohl wie »
der einiaes Neues aus dem Gebiete ha
ben?«
Er zitdie vielverspreibend die Achs
sein. »Mein Gott,« sagte er. »wa!
thut man nicht alles, nm die Concuv
renz auszuhalien!«
—————--- »O - --
-—— Mo b e r n. »Welchen von Dei
nen Anbetern wirst Du nnn eigentlia
erhören?« »Einstweilen heirathe is
Herrn Miiller.« «
— Täuschungen. Sie: »Bei
hast mich getäuscht, als Du mich hei’
rathest!« ——- Et: »Ich that mehr als.
das, ich habe mich getäuscht.«
— Enfani ierribie. Tani
Caus Besuch zur iteinenEmma): »Nun
wann eßt Jbr denn zu Mittag?
»Wenn Du fort bist, hat Mama ge
sagi.«
——— O m i n ö s. Die Spanier neu
nen Cuba die »Perle her Aniillen' ·
Perlen aber bedeuten beianntlichThtäs
nen — besonders wenn man fi- nst; «.
lieri. —
Jmmer im Fach· »Ihr
Braut ist aber sehr eigensinnia, Her ,
Doctor.« Rechteanmaik »Ja, d·
) ist mein bisher schwierigjier Fall«
i