Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Nov. 12, 1897)
Sonntags - Matt VII-W des »Aus-ig«m;skikis; J. P. Wiudolph, Herausgehen Grund Jst-mo, Rein-» den U. November 1897. No. m, Jahrgang 18. i Ehr f»si Ztlnslen fte flei) kriegen? Minore-die ron h. von Levehom Jn der vierten Enge lag das Still-, chen der jugendlichen Schriftstellerin, die mit zufammengepreßten Lippen vor ihrem Pulte stand und die düsteren Blicke uber die ärmliche Einrichtung der Mansarde schweifen ließ, während die Hände nervos einen Brief gerinn terten. Selbstredend war es der Brief eines Redacteurs, denn welche andern Briefe würde wohl eine junge Schrift ftellerin empört zertnitternl Und em pört war Helene, hatte sie doch der Re dacteur an ihrer empfindlichsten Stelle verwundet! Nicht ihren Stil griff er in feinem Briefe an, den fand er glan zend: nicht das Sujet, er hielt es fiir ern-ziehend; nur das Ende paßte ihm nicht. Deshalb hatte er ihre Novelle zurückgesandt mit der kurzen Notiz : Es thut mir leid, Fräulein, Jhre Ar beit nicht fo in’s Feuilleton aufnehmen zu tdnnen; bitte, ändern Sie den Schluß der Novelle, die zu tragisch en det: die beiden Liebenden müssen zu fammengebracht werden!« Helene lachte turz. »Als ob sich in Wahrheit alle Liebenden fänden, al-:s ob sie sich einander bekämen!« Bei den: Gedanken ftieg ihr sonderbarer Weile eine heiße Röthe bis dicht unter die schwarzen Haarwellen. »Und,« nat-in sie den Faden ihres Gedankenmonoloao wieder auf, »Fräulein nennt er mich! Fräulein — fo ruft er des Aber-de beim Bier jede Kellnerin Als ob ich nicht meinen ehrlichen alten Namen hätte! Aber fo sind diefe Bücherwiirs mer alle, ohne Schliff, ohne Rücksich ten. Die Ansicht anderer Menfchen gelten zu lassen, fällt ihnen fchon astr nicht ein. O nein, niemand darf über hauvt ein eigenes Urtheil haben, nu) blieben denn fonft die HerrenZeitunasZ fchreiber und Recenfenten!« Helen-: Hildebrand dachte sich dergestalt in ib ren heiligen Zorn hinein, daß fre den Beschluß faßte, felbft zum Redakteur . qw gehen und thr Recht zu verfechten cie gschloß sorgfältig ihr Pult, bürstete ihr ahegtragenes Jaquet rein, setzte del-. Hut aus und wanderte mit ihrer No velle auf die Redaction, wo sie sich beim Chefredaeteur melden ließ und auch sogleich vorgelafsen ward. »Guten Tag, Fräulein,« sagte risse ser, ohne sich umzudrehen, »bitte, wol len Sie Platz nehmen« ich stehe gleich «-u Ihrer Verfügung« »Empörend!« meinte Helene lud setzte sich so, daß sie ihm nun ihrerseits den Rücken zuwandte: »Nimm-l Ist-r nimiliu (·isr«m-os,« dachte sie. »Viel— leicht hat der Mann doch noch so viel Griitze in seinem ahgenutzten Reven sentenhirn, daß er siir stumme Oppo sition ein Auge hall« -—- Sie nahn ihre Novelle und vertieste sich in das Wert, bald die Redaction, den Zweck, der sie hergeführt, und den feindlichen Redakteur vergessend. Dieser aber war « nach Verlauf weniger Minuten mit der ihm vorliegenden Arbeit fertig gewor den und hatte zu seiner geheimen Be lustigung seine Gegnerin noch in der angegebenen Stellung vorgefunden. Den schönen duntten Kopf aus die eine hand gestützt, mit der anderen Seite um Seite wendend, gab das schlanle graziöse Mädchen, wie es halb in den Stuhl zurückgelehnt faß, ein reizendexs Bild, und Doctor Schelm, der seinen Namen in der That nicht umsonst siihrte und immer in der Laune war. ein Schelmenstiick zu improvisiren, streifte rasch, um durch deren lnarrende Laute die Träumerin nicht aufzuschw chen, seine Lackschuhe von den Füßen, schlich zu feinem Bücherregal, wo er feine Handcamera immer parat liegen hatte, wandte sich nach helene Hildes ist-and um, stellte sich in Positur, und »Hm-Mk war ihr Contertet genomsl men. Helene fuhr empor, sah empört( nach dem übermiithigen Feinde; bannt gewahrte fie, halb chotirt, halb belu- i stigt, die lraunseidenen Strümpfe des Redacteur5, dem nicht Zeit geblie ben wac, noch vorher in seineLaclschuhe zurück zu schlupfen Helene war ein äfthetisch angelegte Mädchen, das an Gegengewicht zu it) rein feinen ästnsttlchsn Gefühle vo.i du Natur ein lebhaftes Verständnis für Humor mitbetomnten hatte; desshaiu chat sie auch Im Augenblick das Beste, was ihr zu thun titsng blieb, see antii sirte sich über den T«Ic'unn, der da mit io verblüffter Miene in Strümpfen vor ihr stand. Doctor Schelm retirirte, während er sie höflich zum Sitzen einlud, hinter seinen großen SorgenstuhL scheinbar um bieten umzudrehen und zu Helene hinzuichiebem in Wahrheit aber um in seine Lacklchuhe zu schlüpfe-h Entschuldigen Sie,« sagte Helene trocken. »ich ahnte nicht« daß ich Sie bei der Toilette störte-« Doktor Schelm erröthete. »Ich habe anz und gar nichts zu entfchuldigen, Fräulein« . . . . «hildehrand, wenn ich bitten dari,« ergänzte helene trocken. »Ach . . . nein . . . diese Familiaritiit würde ich mir niemals erlauben," er widerte der Doktor mit einem schwer — unterdrüclten Lachen. »Wie tonnte ich eine Dame so kurzweg Hildebrand ru fen, das wäre doch slegelhast.« Fu Helene kochte es; sie fühlte, daß er ich bereits des bekannten Fechten kunststiickchens aller Zeitungsschreiber bediente und den Spieß umzudrehen begann, und wollte noch mit einer letzten Anstrengung versuchen, den Doctor wieder in die alte En e zu trei ben; deshalb überhörte sie seine legten Ausführungen gänzlich und fuhr. an ihren ersten Satz antniipfend, unbeirrt sort: »Es ist mir wirklich furchtbar leid; hätte ich ahnen können, daß Sie bei der Toilette sind, wäre es mir na türlich nicht in den Sinn gekommen, mich hier melden zu lassen.« »O bitte,« —- jetzt lachte der imper tinente Mensch auch noch, ---— »wenn jemand von uns sich zu entschuldigen hat« bin ich es.« »Nun, und was bringen Sie zu Jh rer Entschuldigung vor-« »Daß ich Sie nicht durch das innr rende Geräusch meiner Schuhe aus Ih rer Ruhe ausschcuchen wolltes« »Ach « sind Ihre Schuhe so indis cret?'« fragte Helene sartastisch »Ich dachte, daß Sie als Besitzer einer ge lesenen Zeitung sich nicht vor der Jn discretion Jhres Schuhwerkg zu fürch ten brauchten!« »Nein,« --- Doclor .Schclm lachte über sein ganzes hübsches Gesicht, »brauche ich auch nicht, denn die Stie fel sind trotz des Knarren-:- bezalilt ; soll ich Jhnen die Quittung zeigenpsp »Dante,« erwiderte Helene ableh nend, »ich bin nicht gelommen um :tte vision über quirtirte Sitsuhrechnunqen zu halten, sondern um iider meine Ulr velle mit Jhnen zu sprechen!« »Ah so! Schön, schdnl Also Sie stimmen mit mir über-ins Wollen Zis: den Schluß ändern?« »Nein, im (.itegentheil,« sagte Helene bestimmt. »Ich will den Zchluß nicht ändern. Wozu soll ich gegen meine lleberzeugung schreiben »Weil Sie nicht siir sich, sondern für dng Publikum schreiben.« »Aber »Herr Honor, schreiben Sie Denn gegen syre ueoerzeugung:" ,,Jchf Nein, nienml5!« »Als, weshalb verlangen Sie es denn von mit?« »Ja, das ist etwa-J ganz anderes-! Ich habe den belebrenden Theil der Heilung, der muss der Wahrheit ent sprechen; Sie baden den unterhalten den Theil der muß nur wahr klingen, oor allen Dingen aber angenehm sein.« »Finden Sie indessen nicht, daß der nnternaltende Theil gleichzeitig deleti rcnc sein sollte? Das wäre meine: Ansicht noch viel, viel edler und ebenso gut denlbnr, als dass der belehrend-e zteil gleichzeitig unter-haltend sein tann und soll.« »Hm, bm·« Wie insolent sich dieser Doctrsr Schelm zu räuspern verstand-. er war wirllich unaussteblich. »Jn Wahrheit,« fuhr Helene fort, ,,lriegen sich die Menschen, die einan der gern mögen, doch nur sehr selten ganz ausnahmsweise, und das macht eine Geschichte erst recht interessant, wenn sie einander nicht kriegen. Sie brauchen sich nicht zu ltiegen. »Und ich sage Ihnen, sie iniissen sich kriegen!« Doctoe Scheltns Stimme hatte da bei einen eigentlsümlich verschleierten Klang, und vor seinem strahlenden Blick sentte Helene betroffen die dank len Wimpern »Ja . .. Herr Dator,« sagte Helene sich ermannend, indem sie netvös mZt der Quaste des Lehnsessels spielte, »du wie uns in unseren Ansichten nicht einigen lönnen, erlauben Sie mi: wohl, meine Arbeit wieder mitzunen men, denn gegen meine Ueberzengung schreibe ich nicht.« »Klein« Stammpr dachte kkr Doctor, aber er sagte es nicht, sonder-r erwiderte begütigend: »Nun, wenn Sie denn denSchlusz durchaus nicht ändern wollen, so tnusz ich mich eben diegmul fügen, denn ich tann das Feuilleton nicht missen!« »Also, Sie verlangen nicht inct)r, daß ich den Schluß andere Z« »Nein, gewiß nicht, mein Fräulein, lassen Sie mir, bitte Jhr Manuskript hier« Helene überreichte es ihm, dann ver abschiedete sie sich und ging zurück in ihre Mansarde, zurück an das harte Pult ihrer dürftigen Umgebung, u..-i eine neue Novelle zu schreiben, mit de ren Ertrag sie eine alte Tante icn Krankenhaus und sich selbst erhielt. Doktor Schelm tannte diese Umstände in gelenens Existenz. Er hatte sie alle in rsabrung gebracht. denn er hatte lebhaftej Interesse siir das fleißige, ta leniirte Mädchen und dessen herbe Schönheit; deshalb hatte er auch schein bar nachgegeden, denn er wußte, dolz sie um ihresPrineips totllen bereit war, sich den größten Entbehrun en auszu etzery und das wollte er ni t zulassen. Er wollte lieber selbt den Schluß nach dem Geschmack des ublitums ändern, dann war ihnen allen beiden geholfen. Arn nächstenTage ers ’en die Novelle. Helene hatte nicht Ze t, sie zu lesen, und vegnugte sich, nach Verlauf vvn vierzehn Tagen die Krititen durchzu sehen, die ihr eine Freundin von ver schiedenen Zeitungen ausgeschnitten und zugeschickt hatte. Als epochema—· chend war ihre Arbeit bezeichnet; sie selbst als neuer Stern genannt, als ein hervorragendes Talent. Helene grin sich an die Stirn. Trieben denn diese Recensenten Spott mit ihr? Warum solch ein Aufhebens-? Sie wußte wohl, daß ihreArbeit gut gelungen war, aber sie hatte Selbsttritit genug, um beur theilen zu können, daß die Ueber schwenglichteit der Recension mit ihrer Leistung nicht im Einklang stand, des halb nahm sie das gedruckte Feuilletou zur Hand, um es neben den Krititen zu Priisen. Aber was stand denn da aus dein Papier? Wohl ihre Novelle, jedoch nicht mit dem von ihr verfaßten Ende! Letzteres war diister gewesen, herbe: dieses war mit kühner Wendunq zu einem harmonischenSchluß gebracht worden; sie hatten sich doch gekriegt. die Liebenden, gekriegt gegen Heleneus Willen und innere tleberzeugung. — Und Helene HildebrandJ — Sie legte den schönen Ron aus das Pult und weinte! Welche Schande hatte der Redakteur ihr anaethan! Ja welchen Betrua hatte er ausgeführt! Nicht bloß, daß er sie wie ein Kind behandelt, dem man scheinbar den Willen thut, um es zur zltnhe zu bringen; nein, er hatte sein Macturert unter ihrer Flagae in di-: Welt geschickt, hatte sie schwer in ihrs-: schriftuellerischen Ehre getränkt das war abscheulich: nein, das wollte sie sich nicht gefallen lassen! Jhre neu-. Arbeit wollte sie zu einer anderen Re daciion tragen, und das Geld fiir die-le Novelle wollte sie nicht nehmen, nein. ganz gewiß nicht! Es hatte ja, Gott sei Dant, ihrer Feder bisher nicht an Abnehineru gefehlt; sie wurde wol-El noch bei Anderen Arbeit finden, als bri diesem abscheulichen Doctor Schelm!--— Do wars denn getornmen, daß sie ihre neue Novelle in eine andere Ne daction getragen hatte und sie, dant den brillanten letzten Krititen, gut lio nurirt bekam. Dann ging sie auf Ferien über Land ; in ihrer alten Me daction ließ sie sich nicht mehr sehen. Als Doctor Schelm von seiner Mitarbeiterin nichts mehr sah nnd hörte, wurde es ihm roohl unbehaglich zu Sinn; aber er tröstete sich mit dein Gedanken, daß sie aufFerien sei, schickte ihr das Honorar fiir ihre Novelle ar. die alte Adresse, in desr Hoffnung, daß die Post ein weiteres thun werde, nnd dann versuchte er, sich zu zerstreuet-» Aber es aing doch nicht, namentlich der Verdruß dariiber. daß plötzlich in fei ner Concnrrenzzeitung eine Novelle von Helene Hildebrand erschien, liess-; ihn nicht recht zur Zerstreuung tem raen; aan»3 außer allem Spaß war ciJ ihm. als der Postbote nach einigen Ta gen die Geldsendnng zurückbrachte mit s dem Vermut: Annahme verweigert!« Also Krieg sollte zwischen ihnen sein ; ssie wollte nicttz mehr von ihm anne: l men, so getränkt hatte sie sein Schel i nienstiid· J Schelm, Schelm, was hast Du an - gerichtet?« rief der Redacteur wie ves· ! zweifelt, nachdem der Postbote die Re daction verlassen hatte. Und dann lief er in dem Zimmer aus und ab, wie -ii-. Tiger, der daraus wartet, sich auf seine Beute stürzen zu können. Von nun an konnte er teine Nacht mehr schlafet-, das Essen war ihm zuwider, Fieber « stellte sich ein, und als er schließlich den Arzt holen liest, hatte er eine regelreclne Gelt-sucht mit allen ihren privaten An nehmlichteiten· Allen, die ihn fragten gab er als Grund feiner Ertrantnna Ueberarbeitung und Aerger in sein-; Berufe an. Auf den dringenden Eli-Ja des Arztes packte er dann endlich seinen Koffer und ging auf Sommerfrisaze Dort in der Stille des Landlebeniz hoffte er feine Grillen loxz zu werdet-. Aber wag kann der Mensch gegen day Geschick, wag nützt es ihm, sich damit-ex aufzulehneus Was nützt es einem gelbsüchtigeu Redactenr, auf Sannnex frische zu gehen, wenn er dort - -- durch Zufall oder Fügung Zimrueruaax bar feiner Mitarbeiterin tvirds Während der ersten acht Tage met-l ten beide nichts von einander, der-n Doctor Schelm war zu trank, unt dan Zimmer zu verlassen, und in der zwei. ten Woche bemertte es nur der unglüa liche Schean denn Helene die ihm tie geqnete, ertauute in dem orangefarbes nen Mulatten nicht den bösen Doktor, der sie so tief getränkt. Wohl erin « nerten sie des Mulatten Züge uml würdig an ein bekanntes Gesicht, too!;. katn sie schließlich dahinter , daß sie « durch den Orangefarbenen an Doctor I Schelm erinnert wurde, aber die Farbe des neuen Zimtnernachbarn fehte sie über alle Sorgen hinweg. Zuerst hatte fie ihn erstaunt ange sehen; dann hatte sie sich nicht weites-. um ihn bekümmert, schon der unange nehmen Aehnlichleit willen, und war ihm stetig aus ewichen, bis nach Ver lan von vierze Tagen ihr im Walde nz unerwartet der nunmehr weiße « octor Schelm entgegentrat —- Ar mer Schelm: Hatte er vermoge der Gesichtsfarbe wieder das Ansehen eines Kaulasiers gehabt, so verwandelte ihn diese Begegnung, die erseht vermuth lich selbst gesucht, zum Gespenst; denn als er grüßend den .), ut zog und ver Helene stehen blieb, war sein Gesicht von geisterhafter Blässe bedeckt, dtr Hut zitterte in seiner Hand. Auch Helene war erbleicht. Sie hatt-: ihn sehr wohl erkannt, den Feind, um deßwillen sie die Stadt verlassen und unt den sich sonderbarer Weise seit ihrem schweigend vollzogenen Bruch - all’ ihre Gedanken drehten. Da stand et vor ihr auf schwankem Stege, unter ihnen der rauschende Waldstrom, iiber ihnen blauer Him mel und goldener Sonnenschein, tun sie her griiner Wald, bunte Blumen und singende Vögel. Hätte Helenens Herz nicht so laut geklont, so hätte sie sich der zauberhaften Umgebung be wußt werden müssen, aber fiir sie ver sank in diesem Moment alles, wie in graue Nebel; sie fühlte nur mit unl: ; schreiblichein Bangen, daß jetzt ein Ge ! witter ausbrechen würde. Der erst:«. H der sich zu einem Wort aufrafste, war s Doctor Schelm. Er stand immer noch ; mit gezogenem Hute und gesenktem - Haupte, sein Blick suchte bittend den ihren. ,,Fräulein Hildebrand. habe ich Sie wirklich mit dem Scherze so schwer ver letzt, daß Sie nicht mehr siir mein Feuilleton schreiben wollen? Ja, naß Sie sich sogar weigern, das Honor-it für Jhre Novelle anzunehmen? Das thut mir furchtbar leid; ich habe nicht im mindesten daran gedacht, daß Sie dies so iibel aussassen könnten!« Diesinal hatte der Doctor den richti gen Ton angeschlagen; denn wenn man ernste Frauen aewinnen will, so muß man ihnen Respect zeigen, und das »Ftäulein Hildebrand« klang entschie den nachResPectl Daß er reuig war, er weichte Helene dot!ends:s; sie hielt nur mit Mühe noch die zzsanung aufrecht. »Sie uaoen mur) rieteroigis tagte ne dann unsichern Tons. »Sie haben mich wie ein uninundigeg Kind benan delt, nachdem Sie ita) vorher lustig iiber mich gemacht und mich adconters feit l;-aben, mich, eine Wehrlose, war - dass iitterlict)?« Abermatg ienlte er schuldbetvußt fein Haupt. »Fräulein Vildebrand, lassen Ske uns dies auf sicherern Boden ausserd ten, dieser schwanke Steg ist zu nn T sicher! Gehen Sie bitte voran!« Da wandte Helene gelxsorsaui nm und ging voran, den Weg zrtriict, den sie gekommen toar, unter grune Buchen und Linden. Das schelmische ducken um des Doktors Mundwinkel war Eyr in der Erregung gänzlich entgangen Ltts sie den Steg hinter sich txatteth trat Doctor Schelm dicht an ihre Seite. »Zürnen Sie mir noch?« Helene wandte das Köpfchen. »Ich tkabe mikii trank utn sie gegrämt, Helene!" Dr Listen zwei heiße Tropfen von ihren » !.im ern auf die Erde, und der Doc tor z g stürmisch ihre fchlanten weißen Hände an seine Lippen. Als sie sich dann an ihn schmiegte und das Haupt ’ an seiner Brust barg, da beugte der Schelm sich zu ihr nieder, und tzum Beweis dafür, daß nicht unsere-Traum sondern die Männer immer das letzte Wort baden miissent fliisterte er: ..Siei«st Du nun ein, daß sie sich kriegen iniissen"?« i Die 23.t«ir’ftasttii’. Von M. J. slratii;. Tit-J die Zeit desz Laternener;ii1:d:i:; shrirt eine dildl)iilcidr«:, ein wenig aus« rollend gekleidete Dante Our-en die ;;-ciedrichitraf3e. Wer ihr vzgeanele, mh ske an nnd nexrxunderte den grossen Hirt mit den let-haften Farbexnontra tten der l·-jarnirs.lna, rai- sehr wenige-, sehr blonde Haar, die llkfirtichbliithen gartheil ihres Teintip und nicht zian knindesten die raffinirte lssleganz ihrer ; Toilette, deren unsichtbarer Luxus sitt ) ! Dein Ohre durch jenes knisternde, raschetnde Frau Frau verrieth, das zur schneidigen Modeoame ebenso qelnirt wie das Siibelrasseln »zum schneidiaen siieutenant Wer ihr begegnete. sah sie an. Einer machte sogar Kehrt und ging ihr nach. Diesen war ein hübscher Junge, auch sehr fein gekleidet, trug einen goldenen zineifer auf der Nase und zwirbette :nit der gepflegten, etwas weibischen Hand siegegsicher fein schwarzes Schnurrbärtchem An der Ecke der Jägerstrasze stauten sich die Blasier-treten weil eine ganze Reihe langsam fahrender Droschten den Uebergang über die Kreuzung sperrte. Der Herr mit dem goldenen Kneiter wollte sich eben die Gelegenheit zunutze machen und sich seiner schönen nbetannten nähern, als er plötzlich einen ziemlich unsansten Stoß vors die Brust erhielt. Er prallte zurück und sah den Atten täter. einen zweifelhaft tostiimirten Eherrm der sich von der Jägerstraße her durch den Menschentnäuel drängte und »das-ei so kräftiae Püffe austheilte, — wäthend an. Der Reduzirte erwiderte den Blick mit einem spöttischen Blinzeln. ,,Liimmel!« sagte der Elegantr. »Seht angenehm. Jck heesze Leh niann,« erwiderte der Reduzirte mit ei ner höflichen Verbeugung Dei-« Elegante sah sich nach einem Schutzinann um, sah aber keinen. Da aeaen bemerkte er, daß der Uebergang frei geworden war und der bunte Hut schon ziemlich weit vorne dahin schwebte. Er ließ also die gröbliche Beleidigung ungerochen und nahm die Fährte seines Wildeg wieder aus. Der schlecht Getleidete setzte seinen Weg ebenfalls fort, der ihn hinter der Leipzigerstraße in eine der stilleren Seitengassen biegen ließ. Dort trat er in eine Destille, ließ sieh eine Weiße bringen und zog dann ein braunleder neg Vrieftäschchen hervor, das er zu untersuchen anfing. Jm ersten Fach steckten Visitenkars ten. Er zog eine heraus und sah sie an. »Dr. Heiz Rollhaus, Schriftsteller,« lag er mit hochgezogenenBrauen. »Kiek ’mal an, en Tintenkuli! Da wird woll nich ville losI sind. Am Ende jar nischt, un ick bin um meine ehrliche Ar beet betrogen!« tfss war aber doch etwas drin. Jm nächsten Fach staten drei Fünfniark scheine, bei deren Anblick sich die düstere Miene des Forschers ein wenig auf bellte Jrn drittenFach steckten Papiere. Das erste, das der Mann entfaltete, war eine Schneiderrechnung über hun dertsiinszig Mart. Die war wohl sal dirt gewesen, aber nicht bezahlt wor den, denn der untere Rand war sorg sam abgerissen. Dann kam ein seines Billet zum Vorschein, von einer zierlichen Mäd chenhand beschrieben, und ein rosafari bigeg Briefchen, das stark nach Kölner Wasser rioch und eine wesentlich gröbesre Schrift zeigte. »Nanu,« lächelte der Mann sat tastisch, »der hat woll gleich ztoee Bräute. Lesen wir ’rnal.« Das zierliche Kärtchen begann: ,,Geliebter Heinz!« und handelte dann in überschwänglichen Worten von herr lichen Versen, die der Schneiderin ein rechter Herzengtrost waren. Sie hatte sie augwendig gelernt und sagte sie im mer wieder leise vor sich hin, und dann war ihr, als sei ihr geliebter Heinz ihr nahe. Ferner enthielt das Kärtchen die Nachricht, daß die unterzeichnete Hete sich entschieden habe, die Adresse für die postlagernden Vriefe zu ändern. Heinsz möge von nun an avressicexn ,,.t·Jedda Gabley Berlin W. ;:t).« Jii dem gröber-en Briefe wurde dem nii .nlicl,en Heinz von »seiner« Martha« ein t’tende3voug in Kaufmanan Va riet- gegeben. Der Leser schüttelte mi ,dilligend das struppige Haupt. »Wie icl det finde! Da schreibt der Quasselfritze der Ecnen Jedichte, im mit die Andere jeht er in’«"3 Ungel tanqeL Re richtige, ausjetragcne Nie deriräcl)ligteit, dass Und wie doll verliebt det arme Wurm dem Blaubart schreibt. So’n Kujon »Warte man, Jungelen Herr Oberlellner, Papier und Schreibzeug nnd ·n jrofzeg Briefcouvert.« Er schrieb den Brief mit einer für e":;«::i Mann seines Berufs beträchtli ctttn GeioandiheiL schob die braune Ledertafche nachdem er das Geld her: ausgenommen, den übrigen Inhalt aber säuberlich Wieder in die Fächer certheilt hatte, in den Umschlag und adressirte»da5 Ganze an Hedda Gab ler, Berlin W. 30. »So! En juteg Werk und ’n Spaß dam, mehr lann man siir zehn Fen nije nich haben wollen. Herr Ober, esrze Jroschenmarte und zahlen.« ab sls Vierundzwanzig Stunden später. In einem vornelun und zugleich ve trxiglich eingerichteten Zimmer sitzen lijiutter und Tochter einander gegen iit«c: und lesen. Plötzlich macht Mama iksr Buch zu. ,,.t·;.cte, ich habe mit Dir zu reden.« Das hübsche Mädchen legt mit zö gerndem Gehorsam ihrs Buch weg. ltm den vollen rothen Mund liegt ein trotziger Zug. Sie weiß beiläufig schon, was jetzt kommen wird. »Ja, Mama P« »Liebe Hete, heute kommt der Ases for zum Abendbrot. Papa hat es das letzte Mal sehr übel vermerkt, daß Du gegen den armen jungen Mann so un freundlich warst. Also nimm Dich zusammen Was hast Du eigentlich gegen ihn?« »Ach Martia, er« . .. er ist so unbe deutend!« Das schöne, nur etwas zu wohlge nährte Gesicht der Mutter verfinstert fich. »Jetzt aus einmal? Früber hast Du ihn doch sehr gut leiden mögen!« »; a, yiihert —--- Da war ich noch nicht »Da hatte Dir Herr Dri. Rollhaus den Kopf noch nicht verdreht mit seinen —— genialen Alliiren,« sagte die Mutter scharf. »Es sollte smir leid thun, wenn Du ein sicher begründetes Lebensglück verscherztest und einem wackeren jungen Mann weh thätest um einer sol chen Thorheit willen. Der bedeu tende »Doctor« ist ein Phrasenheld, nichts weiter. Dazu ein Mensch von lockerem Lebenswandel, ein Mitgift jäger . . Dem hübschen Mädchen stiegen die Thränen in die Augen. Sie stand hastig auf. »Ma1na ich finde es gar nicht schön, daß Du so nach dem Gerede der Leute gehst und einen Abwesenden be schimpfst, der sich nicht vertheidigen tann.« Draußen wars sie. Sie war eben in ihr Zimmer ge schlüpft und wollte hinter sich zuriei gelu, um sich in der Einsamkeit recht nach Herzenslust auszuweinem als es draußen leise klopfte. ,,Gniidige5 Fräulein . . .« Hete riß schnell die Thüre wieder auf. »Hast Du den Brief, Gustes« »Hier sind sie. Es sind zwei.« Betroffen sah das junge Mädchen das umfangreiche Couvert mit der fremden Handschrift an. Sie vergaß darüber sogar, dag kleine Briefchen zu öffnen, das die wohlbekannten kühnen Züge »seiner« Handschrift aufwies. Was sollte sie mit dem Aktenstück? ZuriickschiclenZ Aber es war ja doch an ihre Dectadresse gerichtet! Da stand ja ganz deutlich: Hedda Gabler, UT k;0. Sollte noch Jemand anderes . . US Aber das wäre ja schrecklich! Da konnte ja eben so gut ein Brief von Heinz in die Hände dieser anderen fal len! Sie wollte das Ungethüm von Brief doch öffnen, schon um der Beruhigung willen. Mit zitternden Finger-n riß sie den Umfchlag auf. Eine Brieftasche, und darin gewiclelt ein Schreiben. Neugierig las sie: «Liebe"5 Fräulein Hete!« Ei- war also doch an fie! Aber oon wein-? Entschuldigen Sie einem wohlmei nenden Unbeiannlen, wenn er Ihnen sagt, daß Sie nicht klug sind. Warum sagt die beleidigende Brieftasche. Ueber den rechtlichen Besitz dieser Tasche muß ich mich aus-weisen. Jch ging nämlich heute durch die Friedrich straßc. Da lief hinter einein aufge donnerten Frauenzimmer ein junger Herr daher, den ich Ihnen nicht zu be schreiben brauche. Sie kennen ihn jedenfalls besser als ich. Der rannte mir: an, daß ich beinahe lang auf den Damm hinschlug und von der Eis schiitierung des Anpralls fiel ihm die Briefiaschen heraus und mir in die Hände. Er stellte sich mir vor, daß ich schon glaubte, er wolle mir auf Pistolen for dern wegen der·Karanibolage. Aber dann sah er, daß das Fräulein weiter ging nnd lief ihr nach. Und weil ich merkte, daß er solche Eile hatte, wollte ich ihn wegen der Brieftasche nicht erft aufhalten. Zither das muß ich sagen, schön ist es ·"«.«k iEkxtet in dieser Welt· Wenn nn «T-.-: csner einein die Padde klaut, Par D):-., wollte sagen, die Geldbörse zieht, Sh- iit e-: ein Verbrechen Wenn aber so ein Bengel einein armen Mädchen die Litnhe raubt ans purem Ueberniuth, » da girrt e-: keinen Richter. Wun, in diesem Falle wird das be « trdpene TUkiidchen der beste Richter sein iztxo tssde liat gegen seine Gewohnheit ’ den Sechs lslroscheanngen gemacht, damit die Tugend siegt. Lesen Sie Tik Lsriese nnd trerden Sie klug. , Jhr woblgeneigter Ede.« Trei Tage später las man zwei Jn serate in den Zeitungen Eines lau tetes i Hete Harttoig i Ptsseisor Friedrich Schlagweit i Verlobte « III- ;::eite aber hatte folgenden Jn f halt: » »E d e! i Låieleih Vielen Dant! Beheben Sie um Postamt Berlin N. 5 einen Brief unter demselben Namen, unter ; dein Sie die Brieftasche an das Amt Z W. Izu sandten. Der Brief enthält ! einen Hundertmartschein als Aus I drurl der Dantbarskeit der klug ge s wordenen Dete« Aus dem Ehehcmmei. Gatt: lnsach einer stürmischen häusli chen Scene): ,,Na, heut’ ist man wieder mal besonders heftig verheirathet!« ss Sicherer Beweis. »Mot ans schließt Du, daß Dich Dein Bräu tigam sehr liebt?« »Er hat mir seine Liebe erklärt, nachdem er Mama ge sehen.« ——Heuchelei. Vater: »...Also Du arbeitest jetzt tüchtig für’ö Examen ...und die Vergnügungen?« Stu diosus: »Ja« giebt’s denn sonst nivch · Vergnügungen?"