Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 08, 1897, Sonntags-Blatt., Image 13

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Uendorrshumoresie von Karl Unkra.
Es war ein heißer Tag gewesen.
Besonders für die xten Jäger. Jäger
zu sein, hat freilich feine großen Vor
züge. Wenn man im schmuelen grü
nen Rock zwischen den dunkelblauens
Kameraden der Jnfanterie oder den?
hellblauen der Dragoner in der haupt- i
straer des Städtchens, in welchem die«
Brigade gerade einquartirt ist, umher- i
wandelt, so fällt die außergewöhnlichei
Uniform doch ganz anders auf; mans
fiihlt sich als etwas Besonderes, und
man ist es auch. Jn einem Jäger
bataillon fteclt eben ein ganz eigener
Geist. Das macht der ausgewählte
gute Ersatz an Officieren und Mann
schaft, das macht der vielleicht strengere
aber auch anregendere Dienst, und das
machen zumeift die stolzen Krieg-Brün
nerungen der Jäger. Dafür wird man
auch hier und da besonders verwendet
und z. B. im Manöver einer Cavalle
rie - Division zugetheilt. Das aber
hat, wie man so sagt, den Teufel.
So waren heute die xten Jäger
lolossal angestrengt worden. Die bra
ven Grünröcke liefen nämlich nur auf
je zwei Beinen und sollten doch mit den
vierfiiszigen Dragonern und Husaren I
Schritt halten« Durste man sich wun
dern, daß Officiere und Mannschaften
bei der Rast nach dem heutigen Carus
manöver sehr ermüdet im Schatten ei- ;
nes kleinen Buchenwaldes lagen und ’
still warteten, wag ihnen nach der Kri
tit noch blühen werde. Bei den Herren
der zweiten und dritten Compagnie
rafteten einige Lieutenantg der nten
Dragoner.
Deren Schwadron war beauftragt,
mit den beiden Jägercompagnien noch
eine Vorpostenstellung zu beziehen und
die gegnerische Stellung genau zu re
eognosciren. Dann erst durften diese
Abtheilungen den übrigen Truppen
in’s Quartier nachfolgen. Damit
sollten die Manöver innerhalb der
Corpg enden. Der morgige Tag war
als Sonntag ein allgemeiner Rasttag, i
und übermorgen hatten die Manövers
eines Corps gegen das andere zu be- !
ginnen.
»Na, ich bin froh, das; der Nummel
im Allgemeinen heute vorbei ist. Die
Scheinvorpoften, welche wir noch be
ziehen müssen, werden uns nicht lange
aushalten, und dann beginnt für mich
sozusagen ein Glanzabend, zu dem ich
die Herrn sreundlichst einlade.«
Eine besondere sympathische Stim
me war eg nicht, nämlich die des Frei
herrn von Stastil, welcher soeben ge
sprachen hatte.
»Was haben Sie denn vor, Herr von
Flastit?« frug einer der Jägeroffieiere
den Dragoner.
»Möchten das wohl wissen, Herr
Kanierad?«
»Natürlich, wenn Sie uns dazu ein
laden.«
»Richtig, richtig. Da haben Sie
Recht. Gedente nämlich mich heute
Abend zu verloben.«
»Was, Sie wollen sich verlobenk
Jetzt im Manüver!«
»Gewiß. Habe das Buniinelleben
satt. Da ich ja Dant dem Bienen
fleifz meines Herrn Papas gar nicht
nach Geld und Gut zu fragen brauche,
ließ ich die schönsten Mädchen, welche
im vergangenen Winter unsere Balle
schmiictten, vor meinem Jnnern Revue
Passiren und sagte mir, die allerschs« fte
ift gerade gut genug für mich. DR
liin entschied ich mich für Agat von
Farrnheitm die Tochter des Gutsbe
sitzers von Farrnheim, wo heute unser;
Divisionsstab in Quartier liegi.« »
Seine Worte brachten große Bewe
gung in den Kreis der Officiete. Sie
lannten das schöne Mädchen wohl, und
man wußte allgemein nur zu gut, daß
der Vater verschuldet war, und Agathe
die nöthige Kaution zu einer Officiers
ehe nicht besaß. Daher regte sich in
mancher Dragoner- und Jägerlieute
nants - Bruft ein gewisser Neid, denn
eigentlich gönnte Niemand dem blas-r
ten Baron Kaftit ein solches Glück.
Allein was konnte man machen! Man
zwang den Aerger nieder und beglück
wünschte den Dragoner zwar nicht in
selir herzlicher, aber doch in formvol
ler Art. s
Nur ein älterer Jagerpremierlieute
nant sprach lange tein Wort. Er war
todtenbleich und starrte mit einein Blick
des wahrsten Entsetzen-s den Dragoner- .
lieutenant an. Jn der entstandenen
Aufregung bemerkte aber Niemand den
Schrecken des Jägers, und bis sich die
allgemeine Bewegung etwas legte,
hatte sich Premierlieutenant Woltar
wieder vollständig m der Gewalt.
Mit ernster und ruhiger, aber in«
nichts auffälliger Stimme fragte er,
als eine tleine Ruhepause eingetreten
wart »Haben Sie denn schon das Ja
wort von Fräulein von Farrnheim er
halten, Herr Kamerad?" ;
«Direct eigentlich nicht. Aber in-s
direct.«
»Das tling so sehr mysteriös, herr
von Kastit Wäre es indiscret zu sta
gen, wie Sie das meinen?«
»Keinesrvegs, Herr Woltar. Sie
wissen ja alle, daß dem alten Baron
von Farrnheim die Wucherer drohten,
ihn zu ruiniren. Nun habe ich ihm
vor drei Wochen vorgeschlagen, sein
Gut abzutausen Er ging daraus ein
als ich ihm einen unverhältniszmäßig
hohen Preis bot. Nun erklärte ich
ihm meine Absicht aus seine Tochter
und bat ihn, in meinem Sinne bei ihr
zu wirken. Er äußerte, er müsse sehr
behutsam sein« weil Fräulein Agathe
einen sehr selbstständigen Charakter
habe Unterdessen tauschten wir die
Laufs- und Vertaussdocumente aus, »
—
und gestern erhielt ich einen Brief des «
alten Barons, da seine Tochter er-·
klärt habe, sie sei e ner Ehe mit einem
Offieier durchaus nicht abgeneigt. Ob
wohl mein Name noch nicht genannt
wurde, bin ich doch meiner Sache sicher.
Fraulein Agathe weiß nämlich noch
keine Silbe von dem Verkauf des väter
lichen Gutes. Nun schrieb ich dem
Baron, daß ich heute Abend 6 Uhr in
Farrnheim eintreffe. Dann erfährt
das Fräulein, daß ich der neue Herr
des Schlosses und Gutes bin. Sie
wird erschrecken, weil fie sehr an ihrer
Heimath hängt. Hieran lege ich ihr
Hekz, Hand, Schloß, Gut und die paar
Millionen, die mir Papa zu hinter
lassen beliebte, zu Füßen und wir
feiern das Verlobungssest. Das ist
die Kriegslis»«
»Also ein Uebersall»«
»Ja, wenn Sie es so nennen wollen.
Aber ein Ueberfall, bei dem der An
greifer nicht raubt, sondern nur bringt
und den Ueberfallenen sozusagen mit
Glück überschüttet.«
Der Jägeroffieier hatte schon eine
scharfe Entgegnung auf der Zunge, als
das Commando »An die Gewehre« er
schallte, und damit im Nu jede weitere
Unterhaltung abgeschnitten war.
Ebenso rief das Signal »Fertig zum
Aufsitzen« die Dragonerofsieiere zu
ihrer Schwadron.
Die fiir die Vorposten bestimmten
Abtheilungen mußten noch etwa eine
Stunde marschiren. Man entfernte
sich dadurch immer mehr von dem rück
wärts liegenden Schloß und Dorf
Farrnheim Während des Marsches
trat Lieutenant Schott zu seinem mit
gesenkten Kopf wie geistesabwesend
dahinschreitenden Freund Woltar,
hängte einfach seinen Arm in den des
Premierlieutenants ein und begann:
,,Lieber Freund! Vor Allem Kopf in
die Höh! Zum Trübsalblasen hast Du
keine Zeit. Wir müssen überlegen,
was-zu thun is.«
»Ich habe auch schon alles Mögliche
bedacht· Wäre nicht das Commando
ium Aufbruch so plötzlich gekommen,
so hätte ich dem arroganten Gecken eine
solche Beleidigung an den Kon gewor
sen, dasz er mich hätte fordern müssen.
Dann würde ec- meine Sorge gewesen
sein, daß nur ein Bewerber um Aga
thens Hand übrig geblieben wäre.«
,,Jawohl, alter Hinwpr Und Du
wärst dann auf ein Jahr in die Fe
stung marschirt, hattest vielleicht Dei
nen Abschied nehmen müssen, denn bei
der heutigen Strömung gegen das
Duell wäre dag in einem solchen Fall
gar nicht undeulbar, und dann hättet
Ihr Euch erst recht nicht getriegt.«
»Aber was soll ich denn machen?«
»Ich habe meinen Plan bereit. Aber
gestehe mir zuerst offen: ist denn zwi
schen Euch Beiden Alles in Ordnung ?«
»Wie Tu es nimmst. Wir sind als
Kinder mit einander ausgewachsen, wir
lieben einander eigentlich naturgemäß
von jeher, und Agathe weiß, dasz ich
officiell um sie erst anhalten wollte,
wenn ich Hauptmann bin. Sie weiss
auch genan, dass uns selbst dann noch
oiele (.«7«ntbehrungen bevorstehen. Auch
ihren Vater glaubte ich mit all’ dem
einverstanden, obwohl noch nie Direc
tes til-er diese meine und Agathene Ab
sichten gesprochen wurde. Also formell
gebunden ist sie nicht. Aber ich sah
unsereVerbindung eigentlich als selbst
verständlich an. Freilich, der alte
Baron hat ganz freie Hand. Darum
könnte ich es ihm nicht einmal so sehr
verargen, wenn er nach dem reichen
Gimpel langen wollte, wenn Agathe
und ich uns nicht riihren.«
»Gut, Woltar. Nun bin ich tlar.
Jetzt heißt eg: Kriegslift gegenFeriegH
list. Höre meinen Plan. Nach dem
Aufstellen der Vorpoften beichtest Du
dem Hauptmann offen und ehrlich und
bitteft sofort umUrlaub für den Abend
und für den morgigen Tag. Dann
radelft Du fo schnell Du tannst nach
Farrnheim Um 5 Uhr kannst Du
dort fein. Jn zwei bis drei Stunden
bift Du mit Deiner Agathe und dem
Baron im Klaren Rücksicht giebt es
teine, hörst Du, Woltarl Keine Spur
Rücksicht! Du erzählft, wie tactlos der
etelhafte Kerl von einem Aastit hier
renommirt hat, bringst den alten
Farrnheim dadurch in Harnisch, daf;
Du ihm mittheilft, wie jener offen von
feinen Schulden sprach, stellst- ihm vor,
wie unwiirdig es wäre, daraufhin seine
einzige Tochter so zu verfchachern, sagst
ihm dafz wir alle einen solchen Schritt
selbft verurtheilen würden u. s. w.
Dann bringst Du ihm bei, dafz ihr ja
jetzt, wo das Gut fo vortheilhaft ver
tauft ist, heirathen tönntet, daß er zu
Euch ziehen muß und Anderes mehr.
Kurz, bis Abends die Gäste kommen,
hast Du Alles in’s Reine gebracht, und
beim Fest selbst wird Eure Verlobung
öffentlich verkündet. «—- — Jch aber
übernehme es. Dir die Bahn frei zu
halten. Jch nehme den Kaftit auf mich
und garantire Dir, daß er vor Abends
9 Uhr nicht auf der Bildfläche erscheint.
Jch selbst komme auch erft um 7 Uhr."
»Was haft Du denn vor?«
»Gebt Dich nischt an, Schnuteten.
Kriegslift gegen Kriegt-list Willst
Du thun, wis ich Dir vorgeschlagen?«
»Und ob ich es will! Handelt es sich
doch um mein größtes Glück.«
»Gut, also auf Wiedersehen heute
Abend! Jch verlange jetzt auf eine
Stunde Urlaub und radle fort.«
»Wohin denn ?«
»Zum Feind! Adieu!« Damit lief
er vor an die Spitze der Campagnie
und sprach länger mit dem als Vor
poftencommandeur bestimmten Major,
der zugleich fein Onkel war. Dann
ließ er sich eines der mitgefiihrtens
Dienstsahrräder geben und radelte
schnell wie der Wind davon.
Nach etwa einer Stunde waren die
Jäger und Dragoner in ihrem Vor
postengelände angekommen. Kaum,
daß sie standen, und noch ehe die Offi
ciere zu einer allgemeinen Instruktion
zusammengerufen waren, sauste Siru
tenant Schott auf seinem Rade daher.
Er hatte zwar einen purpurrothen
Kopf, allein kein Mensch sah dem
strammen Offieier an, daß er in der
Gluthhitze des Septembernachmittags
in laum 70 Minuten über 22 Kilome
ter zurückgelegt und noch dazu mit ei
nem bei den gegnerischen Füsilieren ste
henden Freund gesprochen hatte.
Jetzt rief es: »Die Herren Offi
ciere.«
Der Major gab den gleich darauf
um ihn versammelten Herren die Jn
struetion über das Beziehen der Vor
posten. Zum Schluß bemerkte er:
»Es kommt viel daraus an, daß wir
noch heute die Ausdehnung des rechten
feindlichen Flügels auslundschaften.
Jch will daher eine gemischtePatrouille
dorthin entsenden. Lieutenant Schott
und zwei Jäger, alle drei aus Fahrrä
dern, und Lieutenant von Kastil mit
zwei Dragonern reiten resp. fahren
: nach Labdorf, dringen im Perzawald
bis auf die Höhen von Auflach vor und
suchen von dort Einsicht in die feind
liche Stellung zu erlangen. Wer ist
im Rang der ältere von den beiden
Herren?«
»Ich, Herr Major,« antwortete
Lieutenant Sehr st.
»Gut. so übtrnimmt Schott das
Commando. Die Herren können gleich
abgehen.«
Ohne aus die beiden Officiere noch
Riicksicht zu nehmen, sprach der Major
weiter über dienstliche Verhältnisse
Kastil konnte daher nicht bitten, einen
anderen Dragonerofficier zu entsenden,
und Schort rief Msnell seine Jäger-,
setzte sich aufs Rad und fuhr an. Nun
mußten Kastit und feine Dragoner
eilends nachreiten.
Es war ziemlich weit nach Lahdorf
Eine am Rad Schort’s vorzunehmende
angebliche Reparatur hielt auch aus
und schließlich lain die gemischte Pa
trouille erst gegen fünf Uhr im Verzei
walde an. stastil räsonnirte gehörig
über die verdammte Patrouille. Aber
Schott tröstete ihn: »Wir wollen
schnell die Höhen ersteigen nnd uns
kurz umschatten Dann sind wir in
einer Stunde zurück, und Sie können
spätestens fix Uhr in Farrnheini sein.
Ihre Stute hält ja aus«
»Jetzt standen sie an den mitBiischen
hedeckten Höhen. Nun befahl Reute
nant Schott: »Halt! Absteigen. »Sie
Herr von Fiastih erfuehe ich ebenfalls
abzusitzem jene Höhe dort zu erllettern
und sich in der Richtung gegen Mart
weg umzusehen Ich llettere hier hin
auf und recognoscire gegen tsiling Jn
zehn Minuten bei den Pferden und
Rädern wieder sammeln. Pferde und
Fahrräder nach riickwärts wenlsem da
mit wir leine Zeit verlier-ein«
Beide Officiere kletterten nun auf
die ziemlich steilen Höhen. Es ver
gingen teine drei Minuten, da ertönt-:
rechts-, wo Kastil hinaufgestiegen war,
ein lautes «Hurrah« und es fielen
einige Schiifse Fast gleichzeitig cr,
schien Schort wieder bei den Pferden
und Rädern und eommandirtet »Zu
rück, so schnell Ihr könnt, damit wir
nicht auch gefangen werden, wie der
Lieutenant von siastil.«
»Herr Lieutenant, soll ich nicht
»Das Maul sollen Sie halten, Tra
goner. Nehmen Sie das Pferd des
Lieutenants an die Hand und galoppii
ren Sie zuriick.«
Der Dragoner gehorchte natiirlisjss
und jagte die Stute Rastin an der
Hand führend, mit den anderen Dra
gonern voraus, die radfahrenden Jä
ger folgten nach. Jn etwa dreiviertet
Stunden hatte man die zehn Kilometer
zu den eigenen Vorpoften zurückgelegt.
Unterdefsen wurde Lieutenant von sta
ftik von dem Premierlieutenant Weber
des feindlichen Fiisilier Regimentg
und dessenLeuten festgehalten und trotz
feines Remonstrirens zum Vorpostens
gros geführt. Dort mußte er schrift
lich bestätigen, daß er gefangen genom
men worden war· Dann durfte er
wieder zurückkehren.
Er fand aber von feinem Pferde nnd
von den Dragonern nicht eine Spur.
Nach Auflach gehen und dort einen
Wagen nehmen konnte er nicht, denn in
diesem Dorfe lagen feindliche Ulanen,
vielleicht sogar ein Brigadestab. Da
blieb nichts übrig, als fluchend aus der
staubigen Chausfee die zehn Kilometer
zu Fuß zurückzutvandern.
Wüthend lam er gegen 8 Uhr
Abends im Biwack feiner Schwadron
an. Diese war aber ebenso wie dic»
Jäger schon in’s Quartier nach Farrn i
heim abmarschirt. Nun mußte er nochi
fast eine Stunde weiter wandern.
Dann kleidete er sich in feinem Quar
tier um und eilte in’s Schloß.
Er kam gerade recht, als schallende
Hochs den festlich erleuchteten Speise
saal durchbrausten und die Jägermusik
einen schmetternden Tusch blies.
»Was ist denn log?« frua er ziem
lich bestürzt den Diener, der ihm ge
öffnet hatte.
’ »Unser gnädiger Herr hat soeben die
’ Verlobung der Baronesfe Agathe mit
I dem Jägerpremierlieutenant Woltar
verkündet, Herr Lieutenant.«
»Mit dem Jägerpremier ——- ah, ah,
ich verstehe.« Daraus machte er kurz
Kehrt, sprach kein Wort mehr und ver
ließ schnell das Schloß, ehe ihn Je
mand aus dem Festsaal bemerken
konnte. —
Da drinnen aber gings lustig zu.
—
Die anwesenden Jägerofficiere und
ebenso ihre Kameraden von der Caval
lerie gratulirten dem neuverlobten
Paar so herzlich, wie selten, denn Je
dermann freute sich über das Glück
Woltar’s und gönnte dem renommifti
schen Baron Kaftil den Korb.
Als einer der Herren nach Letzterem
frug, antwortete Lieutenant Schott:
»Er fiel, wie es scheint, in einen feind
lichen Hinterhalt, denn er gerieth bei
Auflach in die Gefangenschaft der elf
ten Fiisilierr. Vielleicht genirt er sich
deshalb zu lommen.« Damit sprach
man nicht mehr von ihm. Als später«
einmal Woltar und Schott einen Au
genblick allein beisammen standen,
meinte letzterer lustig:
»Na, Freundchem unsere Kriegslist
hat doch geholfen!«
»Sie hat mich zum glücklichsten
Sterblichen gemacht und mich Dir zu
stetem Dank verpflichtet-«
»Braucht es nicht« Freund. Ein
andermal stehst D« mir bei.«
»So soll es sein·.« Damit gaben
sie sich die Hände. Und dann eilte
Woltar wieder zu seiner schönen
Braut·
4 — P-, , W
Xrau Bürgermeister Itiebeh
Von Fritz Carsterr
Herr Bürgermeisterei - Sekretär
Stiebel trug den .5 -pf fehr hoch und
hielt sich durchaus für die wichtigePer
fönlichleit, die er in Wirklichkeit war:
der zweite Mann des Dorfes, die rechte
Hand des ersten und, wie er sich ein
bildete, —- auch dessen Kopf.
Hierüber gingen allerdings die An
sichten sehr auseinander. Aber man
hat Ursache, anzunehmen, daß nur der
Neid ihm seine wahre Bedeutung
schmälerte. Denn Neid erregte er nicht
nur bei denen, die er selbst für die mi
ser-it spie-im hielt, sondern auch bei de
nen, die gleich ihm Honoratioren des
Ortes waren und in dieser Eigenschaft
fast täglich Gelegenheit hatten, im ein
zigen ,,Hotel« des Dorfes mit den dort
fiir längere oder kürzere Zeit weilen
den Sommergiisten in Berührung zu
kommen. Stiebels Beredfamteit stell
te alle übrigen in den Schatten. Zu
erft pflegte er den Fremden von der
malerischen Lage und den vortrefslich
gehaltenen Spaziergängen des Ge
birggnestes zu eriihlen und dabei zu
erwähnen, daß, wenn auch nicht die er
stere, so doch die letzteren sein aus
schließliches Verdienst seien. Sodann
lam er auf die historische Vergangen
heit deg Ortes zu sprechen und wußte
die Klarstellung so vie die Förderung
interessanter Auggrabungen ebenfalls
geschiclt auf fein Konto zu setzen. Von
da bis zu der Frage, ob er den verehr
ten Herrfchaften seinen Dienst zur
Führung in den alten Schloszruinen
anbieten dürfe, war gewöhnlich nur
ein Schritt. Und er hatte fast immer
I die Freude, eine dankbare Gemeinde zu
finden, die mit ihm geduldig stunden
lang in den alten Gemäuern herum
kroch, in alle dunklen Löcher hinein
leuchtete, unter Umständen, bis an die
Knie im Wasser, unerforschte Gänge
durchquerte und auf Steh-« und Strick
leitern das- liebe Leben unter angeneh
mcrn lttruseln in Gefahr brachte.
Dann fühlte er sich aus seiner Dorf
sphäre lterauggehoben und all diesen
Leuten aus groszen Städten und ser
nen Weltgegenden gleich —s beinahe et
toaH überlegen.
In diesem Jahre hatte er besonders
Glück Was er nie zu hoffen gewagt,
ein junges-Z Mädchen, und ach, dazu das
niedlichste, dag je in dieser entlegenen
Gegend gewesen, vertraute sich seinem
Schutz und feiner Führung an. Sie
war mit ihrer Mutter, einer behäbigen
Dame in den vierziger Jahren, am
Sonntag mit der Post angekommen
und der Zufall hatte es gefügt, daß sie
schon drei Tage später unter deg Herrn
Selretärs Führung die Burgrninen
kennen lernte
—- -- s
»Mutter, eg war famos5,« machte
(Llla, als sie zurückgekehrt war, ihrer
Begeisterung Lust und dann wußte sie
tein Ende zu finden von all den ro
mantischen Herrlichteiten, die sie gese
hen und die sich schließlich als dunkel
seuchte Keller oder als wassergefiillte
unterirdische Gänge entpuppten.
Frau Schwarz war sehr froh, daß«
sie die Expedition nicht mitgemacht
hatte. Sie war nicht aut zu Fuß, und
ein kleiner Spaziergang In den herrli
chen Wald und eine daran anschließen
de mehrstiindige Sitzpause mit Strick
aelegenheit war ihr eigentlich die
Quintcssenz der so:- merlichen Erho
lung.
lsllas Sprudellopf war damit nicht
zufrieden. Jeden Nachmittag unter
nahm sie Streifereien in die Umgebung
des Ortes, bald auf den düstern Fich
tenbera, von dem sie den wunderbaren
Rundblick in die Ferne genoß, bald
hinaus zum Kapellenberg, wo sie ganz
andächtig und i« l dem Vesperläuten
zuhörte und mit großen glänzenden
Kinderauaen sich umsah aus dem lieb
lichen Erdslecken, über dem Gottesfriei
den ausgebreitet laa; oder sie ging
stundenlang am schänmcnden Gebirg-z
wasser hin, allen Windungen nach,
durch Schluchten nnd Felsspalten, wo
es so prächtig duftete nach Moos und
Kräutern, oder« die alte Mühle war ihr
Ziel, wo sie mit den Kindern der Mül
lerin spielte und an dem Forellenteiche
und den Bienenstöcken naturwissen
schastliche Studien machte.
Und sast immer befand sich der ver
liebte Stiebel in ihrer Nähe. Entwe
der bot er sich direkt alg Führer an,
oder er begleitete sie ein Stück Weges,
weil ihn angeblich seineBerufsaeschäft
» (
gerade nach jener Richtung riefen, oder H
sie fand ihn am Ziele ihrer Wande
rung — einem »gliicllichen Zusalle«
zufolge — schon wartend vor.
Mitunter war er ihr lästig, denn er
schwatzte unaufhörlich, und wenn ihre
Liebenswiirdigteit und Munterteit sich
auch stets gleich blieb, so verwünschte
sie ihn innerlich doch recht oft. Denn
sie liebtedie Natur und hing bei ihrem
Anblick gerne ihren schweifenden Ge
danken nach Jn Herrn Stiebel’s schö
ner Seele aber wuchs indessen die Lei
ichaft zu seiner Angebeteten innrer bö
her und immer gefahrdrohendcr. Seine
wösserigen blauen Augen bekamen ei
nen seltsamen Glanz und auf seiner
niedrigen Stirn erschienen dann und
wann verdächtige rothe Flecke. »
»Wenn ich nur erst Bürgermeister
bin,« fingen jetzt fast alle seine Sätze
an, und Ella wünschte im Stillen:
»Wenn er’s nur erst wäre, damit er
einmal etwas anderes sagen könnte.«
So sent-etc er schon Vierzehn Tage
um das hübsche Mädchen herum, da
kam er eines Mittags sehr aufgeregt
herbeigestiirzt.
»Fräulein Schwarz, heute Nachmit
tag kann ich leider nicht mitgeben«
Ella seufzte erleichtert auf. »So?«
meinte sie dann.
»« a,« fuhr er fort, »es thut mir
schrecklich l-id, aber wir bekommenEin
» quartirung.«
; ,,siinquartirung?«
i Erxas Augen leuchteten plötzlich ans
! und sie legte hastig ihre Hand aus«
: Herrn Stiebels Arm.
»Wer kommt hierher, doch nichtNeu
l
i
i
)
i
ftiidt« » Husaren · · .?«
»Ja, natürlich, die dritte Schwa
dron —«
Mit einem Jubelschrei lief Ella da
von und ließ den verblüfften Sekreta
rius einfach stehen.
»Mutter, Mutter, wir kriegen Ein
quartirung, die Neustädter Husaren,
dritte Schwadroni«
Frau Schwarz schien Ellcks Enthu
siasmus nicht zu theilen, aber sie war
digtict genug, nicht zu fragen, warum
sich diese so sehr aus die Blauröckef
freute. Wxißte sie doch, daß besagter
dritter Schwadron ein gewisser Leo v.
Riedina anneliörte der, als er im vo
riaen Winter in der Hauptstadt ein
Commando hatte, viel in ihrem Hause
- verkehrte nnd sich bei Papa Schwarz
» Elias wegen, wenn auch nicht ein«n
unbedingten, so doch einen balbenslnrb
nebelt hatte, sebr zum Schmerz der
Manni. »Werft Nittmeister werden«
dann kommen Sie wieder, und an lklla
schreiben inzwischen, das ist nicht. lib
renwort, junger Mann!« hatt-: der alte
Schwarz, der kein Flaufenmacher war,
den Bewerber beschieden.
Ella konnte die Liliittagsftunde des
nächsten Tages garnicht erwarten.
Wohl zehnmal hatte sie das Zimmer
inspizirt, in dem der Herr Brenner
Lientenant untergebracht werden sollte,
mit eigener Hand einen Strauß Feld
thunen gepflückt, und auf den etwas
waciligen Tisch gestellt. Im letzten
Illionient aber hatte sie noch eine kleine
«s;t)oti)grapl)ie bor- sich an den Umstän
Iser auf dem Nachttisch gelehnt. Nun
» mochte er kommen
Und er lam. Stolz fprengte er an
der Spitze seiner Schwadron, die er
siir den beurtaubten Ettittmeister führ
te, die Dorfstraße l)erauf. Aus allen
Fenstern folgten ihm die bewundern
den Blicke der Jungen und der Alten
- - er aber sah nur Vorwärts, wo auf
der niedrigen Tsreitreppe Ella eng an«
ihre Mutter geschmiegt stand und ihm
mit der Hand einen Gruß zuwinkte,
während ihre Augen sich langsam mit
großen Thriinen füllten.
Das war ein frohes-, frohes Wieder
seben, und den ganzen Tag ging Leo
v. Nieding nicht mehr von Ellas Seite.
Mama Schwarz störte die beiden nicht;
von fern beobachtete sie mit mütterli
chem Stolz das schöne Paar und in
Gedassken nannte sie sich schon Schwie
germutter.
Am Abend wurde im Gastzimmer
des Hotels eine kleine Soiree improvi
sirt und auf Elias Wunsch sang Leo,
während sie ihn aus dem alten Klim
perkasten beeilt-te die schönsten Lie
der von Lenz und Liebe und selig gold
ner Zeit, daß die anderen Hotelgäste
ganz gerührt dabeistanden und fort
während Bravo riesen und in die Hän
de klatschten. -
Nur einer stand diister und schweig
sam abseits und schien wenig erbaut
von dem geselligen Talent des hübschen;
Lieutenantg —-- einer, dem Neid und;
Eifersucht am Herzen stoßen. s
Ach, und der nächste Tera, ein Ruhe-s
tag siir die Soldaten, sollte ihm nochi
iirgere Qualen bereiten. Ella sah ihns
überhaupt nicht an, sogar seinen Gusl
ten Morgengrusz überhörte sie, gewiß:
nicht absichtlich, aber es war ihm, als«
wenn Leos Sporen gerade in der Nähe
llirrten. Und den ganzen Tag steck
ten die beiden zusammen, ja, sogar in
die Burgruine, in seine Burgruine
ging sie mit ihm. Wie ein Wahnsinni
aer rannte er umher, fluchte allen Wei
bern und nannte sie falsche, aalglatte
Schlangen
Am dritten Tage riiclte die Schwa
dran wieder ab, und Ella saß allein
aus der Bank vor dem Haus, die Stra
ße mit verschleierten Blicken entlang
schauend, die Brust von Sehnsucht ge
schwellt.
»Das ist mir lieb, Fräulein
Schwarz, daß ich Sie hier treffe,«
weckte sie plötzlich Stiebels wohlbe
kannte Stimme aus ihren p"räumen.
»Ich möchte nämlich gerne mTt Ihnen
sprechen.«
»Bitte, lieber Herr Stiebel nehmen
Sie Play,« erwiderte Glla arkig, nur
— —
etwas erstaunt «dariiber, das- det Se
lretär in seiner Sonntagsmontur er
schien.
,,Danle schön, hin, —- lieber nicht.
Heute natürlich, wo er weg ist, da bin
ich wieder der liebe Herr Stiebel und
bin gut genug für das gnädige Fräu
lein, aber gestern —-- überhaupt nicht
angesehen haben Sie mich« und kein
Wort mit mir gesprochen! Und ich
bin doch immer nur für Sie dagewe
sen und habe mir so viele Mühe um
Sie gegeben Und wenn ich erst
Burgemeister bin, und das werde· ich
nun bald, längstens in ein bis zwei
Jahren — dann habe ich gewiß vier
bis fiinstausend Mark jährlich und
kann dann sehr gut eine Frau ernäh
ren . . . und Frau Bürgermeister Stie
bel ist noch nicht das Schlechteste. O,
da kenne ich manche, die sich alle zehn
Finger danach lecken thäten; und was
ist dagegen so’n windiger Lieutenant.«
Jetzt wurde es Ella aber zu toll.
»Sind Sie verrückt geworden,Herr,«
—- siel sie ihm zornesroth in die Rede,
,,oder was fällt Jhnen ein. Noch ein
Wort weiter, und Sie werden etwas
erleben. Herr von Rieding ist mein
Bräutigam, wenn Sie es denn wissen
wollen . . .«
Wie von einem Peitschenschlag ge
troffen, prallte Stiehel zurück. Aber
ehe er Zeit fand, sich von seiner Ueber
raschung zu erholen, war das junge
Mädchen im Hause verschwunden, und
als er am folgenden Tage wieder vor
svrechen wollte, waren beide Damen
abgereist.
si- Ik st
Ella ist nun längst Frau Rittmeister
und schon spielen zwei stramme blond
gelackte Junoens um ihre Knie und ein
kleines, diäes Mädchen, braunäugig
wie die Mutter. tlettert ihr auf den
Sei-book Sie hofft, daß sie bald
»Frau Mniorin« wird, und ihr Mann
hat ihr versprochen, von dem Taae an
endlich aufzubören, sie mit dem Spitz
namen zu rufen, mit dem er sie schon
zur Brautzeit stets zu necken pflegte:
»Frau Bürgermeister Stiebel«·
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Oder-wem
Von Hans Hoffmann.
Vor Zeiten Bischof Otto fand
Den Weg in’g wilde Pomrnerland;
Vom fernen Bamberg zog er her
Und nahm es in die Christenlehr’.
Man merkte da die erste Spur
Von Pommerns tiinft’gcr Hochkultur.
Nach ihm kam einst ein kluger Mann,
Der sah das neue Land sich an.
Er sprach: »Das Land ist angenehm,
Für Heringshandel sehr bequem;
Nur ist des Wassers hier zu viel,
Das hat kein End und bat kein Ziel.
. Die Oder schon, das-. Gott erbarm’,
? Hat manchen breiten Wasserarm,
I Und gar das Haff dahinter glxich
i Jst unvernünftig umfangreich;
f Am allermind’sten scheint mir gut
f Der Ostsee scheuleich salz’ne Fluth..
So Vieles Wasser ist ein Graus,
Das hält ein deutsches Herz nicht aus
Zu Wendenzeiten mocht’ es gehn
Der Deutsche kann nicht io besteh’n,
Er braucht ein Gegenschwergewicht,
Denn Wasser thut’s ihm freilich nicht«
So dacht’ er weislich unt beschloß:
»Man send’ uns einen Rebenfchoßi
Den setzen wir und wollen seh’n,
Wie solch Gewächs hier mag besteh’n.«
Der Setzling lam, stand, wuchs, trug
Frucht-.
Und so begann die Traubenzucht.
Man schnitt, man telterte den Wein
Und füllt’ ihn in ein Fäßchen ein,
Ließ gären ihn ein stilleg Jahr,
Bis daß er reif zum Kosten war.
D’rauf hub ein sehr verweg’ner Mann
Mit Vorsicht ihn zu trink-en an.
Doch was dem Aermsten da gescheh’n,
Das war erbärmlich anzuseh’n;
Es ward, wer nur von weitem stand,
Von heißem Mi« Iid übermannt
Und siihlt ein Rühren scl)merzenreici«s,
Dem schwersten Katzenjammer gleich.
Ein Schiffer sah’5 von seinem Schiff,
That in ein Tönnlein einen Griff,
Zog einen Hering sanft hervor
Und hob ihn hoch am Schwanz empor,
Er legt’ ihn säuberlich hinein
Jn diesen klaren Oderwein.
Und augenblicklich, wunderbar,
Das Katerfrühstiick fertig war,
Das unserm Magen gar so gut
Und andern Eingeweiden thut:
Der jetzt mit Ehren längst betanni, —
Der saure Hering so entstand.
Seitdem aus Frankreich und vom
Rhein
Bezieht der Pvmmer seinen Wem.
Und hat er ihn, so trinlt er klug
Beträchtlich mehr als nur genug,
Dieweil des Heringe-) Hochgenusz
Man redlich erst verdienen muß.
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Bezeichnan
»erüber deuten Sie nach, Herr
Assessor?«
»Ueber den Werth eines Menschen
lebens-, Herr Förster. Als ich im Vor
jahre jenen tranken Hund von der
Straße mitnahm und kurirte, erhielt
ich vom Thierschutzverein ein Anerken
nungs-Diplom und von meinem Chef
ein Gratulationsschreiben. Heute
Morgen rettete ich einen ist-tierischen vom
Tode des Ertrintens, dafür bekam ich
eine Nase, wegen meines zu späten Et
scheinens im Birreau.«