. I l E. i M stieg-M Uendorrshumoresie von Karl Unkra. Es war ein heißer Tag gewesen. Besonders für die xten Jäger. Jäger zu sein, hat freilich feine großen Vor züge. Wenn man im schmuelen grü nen Rock zwischen den dunkelblauens Kameraden der Jnfanterie oder den? hellblauen der Dragoner in der haupt- i straer des Städtchens, in welchem die« Brigade gerade einquartirt ist, umher- i wandelt, so fällt die außergewöhnlichei Uniform doch ganz anders auf; mans fiihlt sich als etwas Besonderes, und man ist es auch. Jn einem Jäger bataillon fteclt eben ein ganz eigener Geist. Das macht der ausgewählte gute Ersatz an Officieren und Mann schaft, das macht der vielleicht strengere aber auch anregendere Dienst, und das machen zumeift die stolzen Krieg-Brün nerungen der Jäger. Dafür wird man auch hier und da besonders verwendet und z. B. im Manöver einer Cavalle rie - Division zugetheilt. Das aber hat, wie man so sagt, den Teufel. So waren heute die xten Jäger lolossal angestrengt worden. Die bra ven Grünröcke liefen nämlich nur auf je zwei Beinen und sollten doch mit den vierfiiszigen Dragonern und Husaren I Schritt halten« Durste man sich wun dern, daß Officiere und Mannschaften bei der Rast nach dem heutigen Carus manöver sehr ermüdet im Schatten ei- ; nes kleinen Buchenwaldes lagen und ’ still warteten, wag ihnen nach der Kri tit noch blühen werde. Bei den Herren der zweiten und dritten Compagnie rafteten einige Lieutenantg der nten Dragoner. Deren Schwadron war beauftragt, mit den beiden Jägercompagnien noch eine Vorpostenstellung zu beziehen und die gegnerische Stellung genau zu re eognosciren. Dann erst durften diese Abtheilungen den übrigen Truppen in’s Quartier nachfolgen. Damit sollten die Manöver innerhalb der Corpg enden. Der morgige Tag war als Sonntag ein allgemeiner Rasttag, i und übermorgen hatten die Manövers eines Corps gegen das andere zu be- ! ginnen. »Na, ich bin froh, das; der Nummel im Allgemeinen heute vorbei ist. Die Scheinvorpoften, welche wir noch be ziehen müssen, werden uns nicht lange aushalten, und dann beginnt für mich sozusagen ein Glanzabend, zu dem ich die Herrn sreundlichst einlade.« Eine besondere sympathische Stim me war eg nicht, nämlich die des Frei herrn von Stastil, welcher soeben ge sprachen hatte. »Was haben Sie denn vor, Herr von Flastit?« frug einer der Jägeroffieiere den Dragoner. »Möchten das wohl wissen, Herr Kanierad?« »Natürlich, wenn Sie uns dazu ein laden.« »Richtig, richtig. Da haben Sie Recht. Gedente nämlich mich heute Abend zu verloben.« »Was, Sie wollen sich verlobenk Jetzt im Manüver!« »Gewiß. Habe das Buniinelleben satt. Da ich ja Dant dem Bienen fleifz meines Herrn Papas gar nicht nach Geld und Gut zu fragen brauche, ließ ich die schönsten Mädchen, welche im vergangenen Winter unsere Balle schmiictten, vor meinem Jnnern Revue Passiren und sagte mir, die allerschs« fte ift gerade gut genug für mich. DR liin entschied ich mich für Agat von Farrnheitm die Tochter des Gutsbe sitzers von Farrnheim, wo heute unser; Divisionsstab in Quartier liegi.« » Seine Worte brachten große Bewe gung in den Kreis der Officiete. Sie lannten das schöne Mädchen wohl, und man wußte allgemein nur zu gut, daß der Vater verschuldet war, und Agathe die nöthige Kaution zu einer Officiers ehe nicht besaß. Daher regte sich in mancher Dragoner- und Jägerlieute nants - Bruft ein gewisser Neid, denn eigentlich gönnte Niemand dem blas-r ten Baron Kaftit ein solches Glück. Allein was konnte man machen! Man zwang den Aerger nieder und beglück wünschte den Dragoner zwar nicht in selir herzlicher, aber doch in formvol ler Art. s Nur ein älterer Jagerpremierlieute nant sprach lange tein Wort. Er war todtenbleich und starrte mit einein Blick des wahrsten Entsetzen-s den Dragoner- . lieutenant an. Jn der entstandenen Aufregung bemerkte aber Niemand den Schrecken des Jägers, und bis sich die allgemeine Bewegung etwas legte, hatte sich Premierlieutenant Woltar wieder vollständig m der Gewalt. Mit ernster und ruhiger, aber in« nichts auffälliger Stimme fragte er, als eine tleine Ruhepause eingetreten wart »Haben Sie denn schon das Ja wort von Fräulein von Farrnheim er halten, Herr Kamerad?" ; «Direct eigentlich nicht. Aber in-s direct.« »Das tling so sehr mysteriös, herr von Kastit Wäre es indiscret zu sta gen, wie Sie das meinen?« »Keinesrvegs, Herr Woltar. Sie wissen ja alle, daß dem alten Baron von Farrnheim die Wucherer drohten, ihn zu ruiniren. Nun habe ich ihm vor drei Wochen vorgeschlagen, sein Gut abzutausen Er ging daraus ein als ich ihm einen unverhältniszmäßig hohen Preis bot. Nun erklärte ich ihm meine Absicht aus seine Tochter und bat ihn, in meinem Sinne bei ihr zu wirken. Er äußerte, er müsse sehr behutsam sein« weil Fräulein Agathe einen sehr selbstständigen Charakter habe Unterdessen tauschten wir die Laufs- und Vertaussdocumente aus, » — und gestern erhielt ich einen Brief des « alten Barons, da seine Tochter er-· klärt habe, sie sei e ner Ehe mit einem Offieier durchaus nicht abgeneigt. Ob wohl mein Name noch nicht genannt wurde, bin ich doch meiner Sache sicher. Fraulein Agathe weiß nämlich noch keine Silbe von dem Verkauf des väter lichen Gutes. Nun schrieb ich dem Baron, daß ich heute Abend 6 Uhr in Farrnheim eintreffe. Dann erfährt das Fräulein, daß ich der neue Herr des Schlosses und Gutes bin. Sie wird erschrecken, weil fie sehr an ihrer Heimath hängt. Hieran lege ich ihr Hekz, Hand, Schloß, Gut und die paar Millionen, die mir Papa zu hinter lassen beliebte, zu Füßen und wir feiern das Verlobungssest. Das ist die Kriegslis»« »Also ein Uebersall»« »Ja, wenn Sie es so nennen wollen. Aber ein Ueberfall, bei dem der An greifer nicht raubt, sondern nur bringt und den Ueberfallenen sozusagen mit Glück überschüttet.« Der Jägeroffieier hatte schon eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, als das Commando »An die Gewehre« er schallte, und damit im Nu jede weitere Unterhaltung abgeschnitten war. Ebenso rief das Signal »Fertig zum Aufsitzen« die Dragonerofsieiere zu ihrer Schwadron. Die fiir die Vorposten bestimmten Abtheilungen mußten noch etwa eine Stunde marschiren. Man entfernte sich dadurch immer mehr von dem rück wärts liegenden Schloß und Dorf Farrnheim Während des Marsches trat Lieutenant Schott zu seinem mit gesenkten Kopf wie geistesabwesend dahinschreitenden Freund Woltar, hängte einfach seinen Arm in den des Premierlieutenants ein und begann: ,,Lieber Freund! Vor Allem Kopf in die Höh! Zum Trübsalblasen hast Du keine Zeit. Wir müssen überlegen, was-zu thun is.« »Ich habe auch schon alles Mögliche bedacht· Wäre nicht das Commando ium Aufbruch so plötzlich gekommen, so hätte ich dem arroganten Gecken eine solche Beleidigung an den Kon gewor sen, dasz er mich hätte fordern müssen. Dann würde ec- meine Sorge gewesen sein, daß nur ein Bewerber um Aga thens Hand übrig geblieben wäre.« ,,Jawohl, alter Hinwpr Und Du wärst dann auf ein Jahr in die Fe stung marschirt, hattest vielleicht Dei nen Abschied nehmen müssen, denn bei der heutigen Strömung gegen das Duell wäre dag in einem solchen Fall gar nicht undeulbar, und dann hättet Ihr Euch erst recht nicht getriegt.« »Aber was soll ich denn machen?« »Ich habe meinen Plan bereit. Aber gestehe mir zuerst offen: ist denn zwi schen Euch Beiden Alles in Ordnung ?« »Wie Tu es nimmst. Wir sind als Kinder mit einander ausgewachsen, wir lieben einander eigentlich naturgemäß von jeher, und Agathe weiß, dasz ich officiell um sie erst anhalten wollte, wenn ich Hauptmann bin. Sie weiss auch genan, dass uns selbst dann noch oiele (.«7«ntbehrungen bevorstehen. Auch ihren Vater glaubte ich mit all’ dem einverstanden, obwohl noch nie Direc tes til-er diese meine und Agathene Ab sichten gesprochen wurde. Also formell gebunden ist sie nicht. Aber ich sah unsereVerbindung eigentlich als selbst verständlich an. Freilich, der alte Baron hat ganz freie Hand. Darum könnte ich es ihm nicht einmal so sehr verargen, wenn er nach dem reichen Gimpel langen wollte, wenn Agathe und ich uns nicht riihren.« »Gut, Woltar. Nun bin ich tlar. Jetzt heißt eg: Kriegslift gegenFeriegH list. Höre meinen Plan. Nach dem Aufstellen der Vorpoften beichtest Du dem Hauptmann offen und ehrlich und bitteft sofort umUrlaub für den Abend und für den morgigen Tag. Dann radelft Du fo schnell Du tannst nach Farrnheim Um 5 Uhr kannst Du dort fein. Jn zwei bis drei Stunden bift Du mit Deiner Agathe und dem Baron im Klaren Rücksicht giebt es teine, hörst Du, Woltarl Keine Spur Rücksicht! Du erzählft, wie tactlos der etelhafte Kerl von einem Aastit hier renommirt hat, bringst den alten Farrnheim dadurch in Harnisch, daf; Du ihm mittheilft, wie jener offen von feinen Schulden sprach, stellst- ihm vor, wie unwiirdig es wäre, daraufhin seine einzige Tochter so zu verfchachern, sagst ihm dafz wir alle einen solchen Schritt selbft verurtheilen würden u. s. w. Dann bringst Du ihm bei, dafz ihr ja jetzt, wo das Gut fo vortheilhaft ver tauft ist, heirathen tönntet, daß er zu Euch ziehen muß und Anderes mehr. Kurz, bis Abends die Gäste kommen, hast Du Alles in’s Reine gebracht, und beim Fest selbst wird Eure Verlobung öffentlich verkündet. «—- — Jch aber übernehme es. Dir die Bahn frei zu halten. Jch nehme den Kaftit auf mich und garantire Dir, daß er vor Abends 9 Uhr nicht auf der Bildfläche erscheint. Jch selbst komme auch erft um 7 Uhr." »Was haft Du denn vor?« »Gebt Dich nischt an, Schnuteten. Kriegslift gegen Kriegt-list Willst Du thun, wis ich Dir vorgeschlagen?« »Und ob ich es will! Handelt es sich doch um mein größtes Glück.« »Gut, also auf Wiedersehen heute Abend! Jch verlange jetzt auf eine Stunde Urlaub und radle fort.« »Wohin denn ?« »Zum Feind! Adieu!« Damit lief er vor an die Spitze der Campagnie und sprach länger mit dem als Vor poftencommandeur bestimmten Major, der zugleich fein Onkel war. Dann ließ er sich eines der mitgefiihrtens Dienstsahrräder geben und radelte schnell wie der Wind davon. Nach etwa einer Stunde waren die Jäger und Dragoner in ihrem Vor postengelände angekommen. Kaum, daß sie standen, und noch ehe die Offi ciere zu einer allgemeinen Instruktion zusammengerufen waren, sauste Siru tenant Schott auf seinem Rade daher. Er hatte zwar einen purpurrothen Kopf, allein kein Mensch sah dem strammen Offieier an, daß er in der Gluthhitze des Septembernachmittags in laum 70 Minuten über 22 Kilome ter zurückgelegt und noch dazu mit ei nem bei den gegnerischen Füsilieren ste henden Freund gesprochen hatte. Jetzt rief es: »Die Herren Offi ciere.« Der Major gab den gleich darauf um ihn versammelten Herren die Jn struetion über das Beziehen der Vor posten. Zum Schluß bemerkte er: »Es kommt viel daraus an, daß wir noch heute die Ausdehnung des rechten feindlichen Flügels auslundschaften. Jch will daher eine gemischtePatrouille dorthin entsenden. Lieutenant Schott und zwei Jäger, alle drei aus Fahrrä dern, und Lieutenant von Kastil mit zwei Dragonern reiten resp. fahren : nach Labdorf, dringen im Perzawald bis auf die Höhen von Auflach vor und suchen von dort Einsicht in die feind liche Stellung zu erlangen. Wer ist im Rang der ältere von den beiden Herren?« »Ich, Herr Major,« antwortete Lieutenant Sehr st. »Gut. so übtrnimmt Schott das Commando. Die Herren können gleich abgehen.« Ohne aus die beiden Officiere noch Riicksicht zu nehmen, sprach der Major weiter über dienstliche Verhältnisse Kastil konnte daher nicht bitten, einen anderen Dragonerofficier zu entsenden, und Schort rief Msnell seine Jäger-, setzte sich aufs Rad und fuhr an. Nun mußten Kastit und feine Dragoner eilends nachreiten. Es war ziemlich weit nach Lahdorf Eine am Rad Schort’s vorzunehmende angebliche Reparatur hielt auch aus und schließlich lain die gemischte Pa trouille erst gegen fünf Uhr im Verzei walde an. stastil räsonnirte gehörig über die verdammte Patrouille. Aber Schott tröstete ihn: »Wir wollen schnell die Höhen ersteigen nnd uns kurz umschatten Dann sind wir in einer Stunde zurück, und Sie können spätestens fix Uhr in Farrnheini sein. Ihre Stute hält ja aus« »Jetzt standen sie an den mitBiischen hedeckten Höhen. Nun befahl Reute nant Schott: »Halt! Absteigen. »Sie Herr von Fiastih erfuehe ich ebenfalls abzusitzem jene Höhe dort zu erllettern und sich in der Richtung gegen Mart weg umzusehen Ich llettere hier hin auf und recognoscire gegen tsiling Jn zehn Minuten bei den Pferden und Rädern wieder sammeln. Pferde und Fahrräder nach riickwärts wenlsem da mit wir leine Zeit verlier-ein« Beide Officiere kletterten nun auf die ziemlich steilen Höhen. Es ver gingen teine drei Minuten, da ertönt-: rechts-, wo Kastil hinaufgestiegen war, ein lautes «Hurrah« und es fielen einige Schiifse Fast gleichzeitig cr, schien Schort wieder bei den Pferden und Rädern und eommandirtet »Zu rück, so schnell Ihr könnt, damit wir nicht auch gefangen werden, wie der Lieutenant von siastil.« »Herr Lieutenant, soll ich nicht »Das Maul sollen Sie halten, Tra goner. Nehmen Sie das Pferd des Lieutenants an die Hand und galoppii ren Sie zuriick.« Der Dragoner gehorchte natiirlisjss und jagte die Stute Rastin an der Hand führend, mit den anderen Dra gonern voraus, die radfahrenden Jä ger folgten nach. Jn etwa dreiviertet Stunden hatte man die zehn Kilometer zu den eigenen Vorpoften zurückgelegt. Unterdefsen wurde Lieutenant von sta ftik von dem Premierlieutenant Weber des feindlichen Fiisilier Regimentg und dessenLeuten festgehalten und trotz feines Remonstrirens zum Vorpostens gros geführt. Dort mußte er schrift lich bestätigen, daß er gefangen genom men worden war· Dann durfte er wieder zurückkehren. Er fand aber von feinem Pferde nnd von den Dragonern nicht eine Spur. Nach Auflach gehen und dort einen Wagen nehmen konnte er nicht, denn in diesem Dorfe lagen feindliche Ulanen, vielleicht sogar ein Brigadestab. Da blieb nichts übrig, als fluchend aus der staubigen Chausfee die zehn Kilometer zu Fuß zurückzutvandern. Wüthend lam er gegen 8 Uhr Abends im Biwack feiner Schwadron an. Diese war aber ebenso wie dic» Jäger schon in’s Quartier nach Farrn i heim abmarschirt. Nun mußte er nochi fast eine Stunde weiter wandern. Dann kleidete er sich in feinem Quar tier um und eilte in’s Schloß. Er kam gerade recht, als schallende Hochs den festlich erleuchteten Speise saal durchbrausten und die Jägermusik einen schmetternden Tusch blies. »Was ist denn log?« frua er ziem lich bestürzt den Diener, der ihm ge öffnet hatte. ’ »Unser gnädiger Herr hat soeben die ’ Verlobung der Baronesfe Agathe mit I dem Jägerpremierlieutenant Woltar verkündet, Herr Lieutenant.« »Mit dem Jägerpremier ——- ah, ah, ich verstehe.« Daraus machte er kurz Kehrt, sprach kein Wort mehr und ver ließ schnell das Schloß, ehe ihn Je mand aus dem Festsaal bemerken konnte. — Da drinnen aber gings lustig zu. — Die anwesenden Jägerofficiere und ebenso ihre Kameraden von der Caval lerie gratulirten dem neuverlobten Paar so herzlich, wie selten, denn Je dermann freute sich über das Glück Woltar’s und gönnte dem renommifti schen Baron Kaftil den Korb. Als einer der Herren nach Letzterem frug, antwortete Lieutenant Schott: »Er fiel, wie es scheint, in einen feind lichen Hinterhalt, denn er gerieth bei Auflach in die Gefangenschaft der elf ten Fiisilierr. Vielleicht genirt er sich deshalb zu lommen.« Damit sprach man nicht mehr von ihm. Als später« einmal Woltar und Schott einen Au genblick allein beisammen standen, meinte letzterer lustig: »Na, Freundchem unsere Kriegslist hat doch geholfen!« »Sie hat mich zum glücklichsten Sterblichen gemacht und mich Dir zu stetem Dank verpflichtet-« »Braucht es nicht« Freund. Ein andermal stehst D« mir bei.« »So soll es sein·.« Damit gaben sie sich die Hände. Und dann eilte Woltar wieder zu seiner schönen Braut· 4 — P-, , W Xrau Bürgermeister Itiebeh Von Fritz Carsterr Herr Bürgermeisterei - Sekretär Stiebel trug den .5 -pf fehr hoch und hielt sich durchaus für die wichtigePer fönlichleit, die er in Wirklichkeit war: der zweite Mann des Dorfes, die rechte Hand des ersten und, wie er sich ein bildete, —- auch dessen Kopf. Hierüber gingen allerdings die An sichten sehr auseinander. Aber man hat Ursache, anzunehmen, daß nur der Neid ihm seine wahre Bedeutung schmälerte. Denn Neid erregte er nicht nur bei denen, die er selbst für die mi ser-it spie-im hielt, sondern auch bei de nen, die gleich ihm Honoratioren des Ortes waren und in dieser Eigenschaft fast täglich Gelegenheit hatten, im ein zigen ,,Hotel« des Dorfes mit den dort fiir längere oder kürzere Zeit weilen den Sommergiisten in Berührung zu kommen. Stiebels Beredfamteit stell te alle übrigen in den Schatten. Zu erft pflegte er den Fremden von der malerischen Lage und den vortrefslich gehaltenen Spaziergängen des Ge birggnestes zu eriihlen und dabei zu erwähnen, daß, wenn auch nicht die er stere, so doch die letzteren sein aus schließliches Verdienst seien. Sodann lam er auf die historische Vergangen heit deg Ortes zu sprechen und wußte die Klarstellung so vie die Förderung interessanter Auggrabungen ebenfalls geschiclt auf fein Konto zu setzen. Von da bis zu der Frage, ob er den verehr ten Herrfchaften seinen Dienst zur Führung in den alten Schloszruinen anbieten dürfe, war gewöhnlich nur ein Schritt. Und er hatte fast immer I die Freude, eine dankbare Gemeinde zu finden, die mit ihm geduldig stunden lang in den alten Gemäuern herum kroch, in alle dunklen Löcher hinein leuchtete, unter Umständen, bis an die Knie im Wasser, unerforschte Gänge durchquerte und auf Steh-« und Strick leitern das- liebe Leben unter angeneh mcrn lttruseln in Gefahr brachte. Dann fühlte er sich aus seiner Dorf sphäre lterauggehoben und all diesen Leuten aus groszen Städten und ser nen Weltgegenden gleich —s beinahe et toaH überlegen. In diesem Jahre hatte er besonders Glück Was er nie zu hoffen gewagt, ein junges-Z Mädchen, und ach, dazu das niedlichste, dag je in dieser entlegenen Gegend gewesen, vertraute sich seinem Schutz und feiner Führung an. Sie war mit ihrer Mutter, einer behäbigen Dame in den vierziger Jahren, am Sonntag mit der Post angekommen und der Zufall hatte es gefügt, daß sie schon drei Tage später unter deg Herrn Selretärs Führung die Burgrninen kennen lernte —- -- s »Mutter, eg war famos5,« machte (Llla, als sie zurückgekehrt war, ihrer Begeisterung Lust und dann wußte sie tein Ende zu finden von all den ro mantischen Herrlichteiten, die sie gese hen und die sich schließlich als dunkel seuchte Keller oder als wassergefiillte unterirdische Gänge entpuppten. Frau Schwarz war sehr froh, daß« sie die Expedition nicht mitgemacht hatte. Sie war nicht aut zu Fuß, und ein kleiner Spaziergang In den herrli chen Wald und eine daran anschließen de mehrstiindige Sitzpause mit Strick aelegenheit war ihr eigentlich die Quintcssenz der so:- merlichen Erho lung. lsllas Sprudellopf war damit nicht zufrieden. Jeden Nachmittag unter nahm sie Streifereien in die Umgebung des Ortes, bald auf den düstern Fich tenbera, von dem sie den wunderbaren Rundblick in die Ferne genoß, bald hinaus zum Kapellenberg, wo sie ganz andächtig und i« l dem Vesperläuten zuhörte und mit großen glänzenden Kinderauaen sich umsah aus dem lieb lichen Erdslecken, über dem Gottesfriei den ausgebreitet laa; oder sie ging stundenlang am schänmcnden Gebirg-z wasser hin, allen Windungen nach, durch Schluchten nnd Felsspalten, wo es so prächtig duftete nach Moos und Kräutern, oder« die alte Mühle war ihr Ziel, wo sie mit den Kindern der Mül lerin spielte und an dem Forellenteiche und den Bienenstöcken naturwissen schastliche Studien machte. Und sast immer befand sich der ver liebte Stiebel in ihrer Nähe. Entwe der bot er sich direkt alg Führer an, oder er begleitete sie ein Stück Weges, weil ihn angeblich seineBerufsaeschäft » ( gerade nach jener Richtung riefen, oder H sie fand ihn am Ziele ihrer Wande rung — einem »gliicllichen Zusalle« zufolge — schon wartend vor. Mitunter war er ihr lästig, denn er schwatzte unaufhörlich, und wenn ihre Liebenswiirdigteit und Munterteit sich auch stets gleich blieb, so verwünschte sie ihn innerlich doch recht oft. Denn sie liebtedie Natur und hing bei ihrem Anblick gerne ihren schweifenden Ge danken nach Jn Herrn Stiebel’s schö ner Seele aber wuchs indessen die Lei ichaft zu seiner Angebeteten innrer bö her und immer gefahrdrohendcr. Seine wösserigen blauen Augen bekamen ei nen seltsamen Glanz und auf seiner niedrigen Stirn erschienen dann und wann verdächtige rothe Flecke. » »Wenn ich nur erst Bürgermeister bin,« fingen jetzt fast alle seine Sätze an, und Ella wünschte im Stillen: »Wenn er’s nur erst wäre, damit er einmal etwas anderes sagen könnte.« So sent-etc er schon Vierzehn Tage um das hübsche Mädchen herum, da kam er eines Mittags sehr aufgeregt herbeigestiirzt. »Fräulein Schwarz, heute Nachmit tag kann ich leider nicht mitgeben« Ella seufzte erleichtert auf. »So?« meinte sie dann. »« a,« fuhr er fort, »es thut mir schrecklich l-id, aber wir bekommenEin » quartirung.« ; ,,siinquartirung?« i Erxas Augen leuchteten plötzlich ans ! und sie legte hastig ihre Hand aus« : Herrn Stiebels Arm. »Wer kommt hierher, doch nichtNeu l i i ) i ftiidt« » Husaren · · .?« »Ja, natürlich, die dritte Schwa dron —« Mit einem Jubelschrei lief Ella da von und ließ den verblüfften Sekreta rius einfach stehen. »Mutter, Mutter, wir kriegen Ein quartirung, die Neustädter Husaren, dritte Schwadroni« Frau Schwarz schien Ellcks Enthu siasmus nicht zu theilen, aber sie war digtict genug, nicht zu fragen, warum sich diese so sehr aus die Blauröckef freute. Wxißte sie doch, daß besagter dritter Schwadron ein gewisser Leo v. Riedina anneliörte der, als er im vo riaen Winter in der Hauptstadt ein Commando hatte, viel in ihrem Hause - verkehrte nnd sich bei Papa Schwarz » Elias wegen, wenn auch nicht ein«n unbedingten, so doch einen balbenslnrb nebelt hatte, sebr zum Schmerz der Manni. »Werft Nittmeister werden« dann kommen Sie wieder, und an lklla schreiben inzwischen, das ist nicht. lib renwort, junger Mann!« hatt-: der alte Schwarz, der kein Flaufenmacher war, den Bewerber beschieden. Ella konnte die Liliittagsftunde des nächsten Tages garnicht erwarten. Wohl zehnmal hatte sie das Zimmer inspizirt, in dem der Herr Brenner Lientenant untergebracht werden sollte, mit eigener Hand einen Strauß Feld thunen gepflückt, und auf den etwas waciligen Tisch gestellt. Im letzten Illionient aber hatte sie noch eine kleine «s;t)oti)grapl)ie bor- sich an den Umstän Iser auf dem Nachttisch gelehnt. Nun » mochte er kommen Und er lam. Stolz fprengte er an der Spitze seiner Schwadron, die er siir den beurtaubten Ettittmeister führ te, die Dorfstraße l)erauf. Aus allen Fenstern folgten ihm die bewundern den Blicke der Jungen und der Alten - - er aber sah nur Vorwärts, wo auf der niedrigen Tsreitreppe Ella eng an« ihre Mutter geschmiegt stand und ihm mit der Hand einen Gruß zuwinkte, während ihre Augen sich langsam mit großen Thriinen füllten. Das war ein frohes-, frohes Wieder seben, und den ganzen Tag ging Leo v. Nieding nicht mehr von Ellas Seite. Mama Schwarz störte die beiden nicht; von fern beobachtete sie mit mütterli chem Stolz das schöne Paar und in Gedassken nannte sie sich schon Schwie germutter. Am Abend wurde im Gastzimmer des Hotels eine kleine Soiree improvi sirt und auf Elias Wunsch sang Leo, während sie ihn aus dem alten Klim perkasten beeilt-te die schönsten Lie der von Lenz und Liebe und selig gold ner Zeit, daß die anderen Hotelgäste ganz gerührt dabeistanden und fort während Bravo riesen und in die Hän de klatschten. - Nur einer stand diister und schweig sam abseits und schien wenig erbaut von dem geselligen Talent des hübschen; Lieutenantg —-- einer, dem Neid und; Eifersucht am Herzen stoßen. s Ach, und der nächste Tera, ein Ruhe-s tag siir die Soldaten, sollte ihm nochi iirgere Qualen bereiten. Ella sah ihns überhaupt nicht an, sogar seinen Gusl ten Morgengrusz überhörte sie, gewiß: nicht absichtlich, aber es war ihm, als« wenn Leos Sporen gerade in der Nähe llirrten. Und den ganzen Tag steck ten die beiden zusammen, ja, sogar in die Burgruine, in seine Burgruine ging sie mit ihm. Wie ein Wahnsinni aer rannte er umher, fluchte allen Wei bern und nannte sie falsche, aalglatte Schlangen Am dritten Tage riiclte die Schwa dran wieder ab, und Ella saß allein aus der Bank vor dem Haus, die Stra ße mit verschleierten Blicken entlang schauend, die Brust von Sehnsucht ge schwellt. »Das ist mir lieb, Fräulein Schwarz, daß ich Sie hier treffe,« weckte sie plötzlich Stiebels wohlbe kannte Stimme aus ihren p"räumen. »Ich möchte nämlich gerne mTt Ihnen sprechen.« »Bitte, lieber Herr Stiebel nehmen Sie Play,« erwiderte Glla arkig, nur — — etwas erstaunt «dariiber, das- det Se lretär in seiner Sonntagsmontur er schien. ,,Danle schön, hin, —- lieber nicht. Heute natürlich, wo er weg ist, da bin ich wieder der liebe Herr Stiebel und bin gut genug für das gnädige Fräu lein, aber gestern —-- überhaupt nicht angesehen haben Sie mich« und kein Wort mit mir gesprochen! Und ich bin doch immer nur für Sie dagewe sen und habe mir so viele Mühe um Sie gegeben Und wenn ich erst Burgemeister bin, und das werde· ich nun bald, längstens in ein bis zwei Jahren — dann habe ich gewiß vier bis fiinstausend Mark jährlich und kann dann sehr gut eine Frau ernäh ren . . . und Frau Bürgermeister Stie bel ist noch nicht das Schlechteste. O, da kenne ich manche, die sich alle zehn Finger danach lecken thäten; und was ist dagegen so’n windiger Lieutenant.« Jetzt wurde es Ella aber zu toll. »Sind Sie verrückt geworden,Herr,« —- siel sie ihm zornesroth in die Rede, ,,oder was fällt Jhnen ein. Noch ein Wort weiter, und Sie werden etwas erleben. Herr von Rieding ist mein Bräutigam, wenn Sie es denn wissen wollen . . .« Wie von einem Peitschenschlag ge troffen, prallte Stiehel zurück. Aber ehe er Zeit fand, sich von seiner Ueber raschung zu erholen, war das junge Mädchen im Hause verschwunden, und als er am folgenden Tage wieder vor svrechen wollte, waren beide Damen abgereist. si- Ik st Ella ist nun längst Frau Rittmeister und schon spielen zwei stramme blond gelackte Junoens um ihre Knie und ein kleines, diäes Mädchen, braunäugig wie die Mutter. tlettert ihr auf den Sei-book Sie hofft, daß sie bald »Frau Mniorin« wird, und ihr Mann hat ihr versprochen, von dem Taae an endlich aufzubören, sie mit dem Spitz namen zu rufen, mit dem er sie schon zur Brautzeit stets zu necken pflegte: »Frau Bürgermeister Stiebel«· ---.—— Oder-wem Von Hans Hoffmann. Vor Zeiten Bischof Otto fand Den Weg in’g wilde Pomrnerland; Vom fernen Bamberg zog er her Und nahm es in die Christenlehr’. Man merkte da die erste Spur Von Pommerns tiinft’gcr Hochkultur. Nach ihm kam einst ein kluger Mann, Der sah das neue Land sich an. Er sprach: »Das Land ist angenehm, Für Heringshandel sehr bequem; Nur ist des Wassers hier zu viel, Das hat kein End und bat kein Ziel. . Die Oder schon, das-. Gott erbarm’, ? Hat manchen breiten Wasserarm, I Und gar das Haff dahinter glxich i Jst unvernünftig umfangreich; f Am allermind’sten scheint mir gut f Der Ostsee scheuleich salz’ne Fluth.. So Vieles Wasser ist ein Graus, Das hält ein deutsches Herz nicht aus Zu Wendenzeiten mocht’ es gehn Der Deutsche kann nicht io besteh’n, Er braucht ein Gegenschwergewicht, Denn Wasser thut’s ihm freilich nicht« So dacht’ er weislich unt beschloß: »Man send’ uns einen Rebenfchoßi Den setzen wir und wollen seh’n, Wie solch Gewächs hier mag besteh’n.« Der Setzling lam, stand, wuchs, trug Frucht-. Und so begann die Traubenzucht. Man schnitt, man telterte den Wein Und füllt’ ihn in ein Fäßchen ein, Ließ gären ihn ein stilleg Jahr, Bis daß er reif zum Kosten war. D’rauf hub ein sehr verweg’ner Mann Mit Vorsicht ihn zu trink-en an. Doch was dem Aermsten da gescheh’n, Das war erbärmlich anzuseh’n; Es ward, wer nur von weitem stand, Von heißem Mi« Iid übermannt Und siihlt ein Rühren scl)merzenreici«s, Dem schwersten Katzenjammer gleich. Ein Schiffer sah’5 von seinem Schiff, That in ein Tönnlein einen Griff, Zog einen Hering sanft hervor Und hob ihn hoch am Schwanz empor, Er legt’ ihn säuberlich hinein Jn diesen klaren Oderwein. Und augenblicklich, wunderbar, Das Katerfrühstiick fertig war, Das unserm Magen gar so gut Und andern Eingeweiden thut: Der jetzt mit Ehren längst betanni, — Der saure Hering so entstand. Seitdem aus Frankreich und vom Rhein Bezieht der Pvmmer seinen Wem. Und hat er ihn, so trinlt er klug Beträchtlich mehr als nur genug, Dieweil des Heringe-) Hochgenusz Man redlich erst verdienen muß. --- - - O————----— Bezeichnan »erüber deuten Sie nach, Herr Assessor?« »Ueber den Werth eines Menschen lebens-, Herr Förster. Als ich im Vor jahre jenen tranken Hund von der Straße mitnahm und kurirte, erhielt ich vom Thierschutzverein ein Anerken nungs-Diplom und von meinem Chef ein Gratulationsschreiben. Heute Morgen rettete ich einen ist-tierischen vom Tode des Ertrintens, dafür bekam ich eine Nase, wegen meines zu späten Et scheinens im Birreau.«