Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 24, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags - Blatt
—
J. P. Wiudolph, Herausgehen
Grund Island, Rebe» den 24. September 1897
Ost
No. IF, Jahrgang 18.
Echten-euer Zauber.
Von E. Hühner-.
An einem schönen Sommernachmit
tage sasz auf der Terrasse des Kursaa
les von Oftende der Regierungsasses
for Heinrich von Kriidener und lang
weilte sich nach Möglichkeit. Man hätte
ihn wohl für recht undankbar oder sehr
anspruchsvoll halten können, denn aus
dem anstoßenden großen Saale ertön
ten die loclenden Klänge einer recht gu
ten Musitkapelle, die Terrafse und der
Platz vor derselben waren von einer
Menge elegant geileideter und lebhaft
conversirender Damen und Herren er
füllt und der Blick über das Meer war
wundervoll. Aber Heinz Kriidener war
nun eben schon 14 Tage in Ostende,
und das Bild, das sich ihm bot, blieb
immer dasselbe. So hatte er nicht ganz
Unrecht, wenn er vor sich hinbrumrnte:
»Bad bleibt Bad, und wer vernünf
tig ist, badet, wo tein Bad ist. Ob ich
wohl noch die letzten 14 Tag-e des Ur
laubs nach meinem lieben Thüringer
lande gebe und mich an seinen grünen
Bäumen erfrische?'«
Jn diesem unhöflichenSelbstgespräch
wurde der gute Asscssor dadurch unter
brochen, daß er sich von seinem Platze
erheben und den Hut lüften mußte. An
dem Nebentische hatten sich nämlich
zwei Damen niedergelassen die seit
einigen Tagen in demselben Hotel
wohnten, und an der Tut-le d’botc
Heinz Krüdener via-Zuri- saßen.
Der Assessor hatte sich freilich bis
lang um die Damen noch recht wenig
bekümmert. Dazu ließ ihm dieroiette
sranzösische junge Wittwe, die an der
Tuka eklmtu zu seiner Rechten saß, ’
gar keine Zeit· Und wenn er auch einen
Augenblick den Fängen von Madame
Barthen entkam, so verfiel er rettungs
los seinem Nachbar zur Linken, dem
Wiener Journalisten, der al1’ die fet
ten Enten, die er selbst in seine Zei- !
tung nicht bringen durfte, aus den un
glückseligen Assessor ablud. Heinzs
Krüdener war schon froh, wenn er bei
diesen starken Ansprüchen an seine ge
sellschaftliche Höflichkeit dem Haupt
zweite eines Dejeuners oder Diners,
dem Essen, halbwegs gerecht werden
konnte. An sein vis-ir--vin konnte er
schon gar nicht denken.
Blanche de la Rothiksre war auch
freilich eine Erscheinung, die selbst ei
nem minder beschäftigten Menschen,
als dem Assessor, nicht alsobald ausge
sallen wäre. Sie war eine der ziemlich
seltenen Personuchtenem nach denen
tein Vorübergehender den Kopf um
dreht und die dabei doch von der Natur
mit allen Reizen geschmückt sind. Aber
das Aussiillige sehlte sreilich ihrem ru
higen vornehmen Gesichte durchaus·
lind wie ihr (·-tesicht, so war auch ihre
Toilette vornehm, aber ganz und gar
nicht in die Augen sallend.
Heinz Strüdener mußte wohl an die
sem Nachmittage ziemlich eisrige Beob
achtungen gemacht haben. Denn er»
ertappte sieh dabei, daß er heute zum
Diner noch sorgfältiger Toilette machte »
als sonst. Bei dem Diner gelang es
ihm, wenn auch nicht ohne Mühe, ei
nige Worte mit Madame de la Ro
thiksre zu wechseln. Allrniilig ging der
Verkehr über das Zusammensein bei
den Mahlzeiten hinaus. Heinz durste
mit den Damen an der Digue oder
Estarade prominiren, er durfte mit ih
nen plaudern, wenn sie in ihrem
Strandtorbe saßen, er durfte auch mit
ihnen den Kassee im Kursaale einneh
men. Die junge Dame radebrechte in
einer entzückenden Weise die deutsche
Sprache, ähnlich, wie er die französi
sche mißhandeltr. So bildete schon siir
die Beiden das Kauderwiilsch in dem
sie sprachen, einen Reiz. Und wie ent
ziiekend plauderte Blanchel Wie schau
ten ihre sonst so kiihlen Augen dann
herzlich aus ihr rinnt-vix und wie
entzückend lächelte der kleine Mund
beim Plaudern, wenn sie ihm lustig
wie ein Kind von den tleinen Aben
teuern des Pariser Mädchenpen
sionates errähltr.
Der gute Heinz gestand sich bald
selbst ein, daß er bis über die Ohren
verliebt sei. Von der Reise nach Thit
ringen war natürlich schon längst nicht
mehr die Rede, und es that ihm nur
leid, daß der Urlaub seinem Ende ent
gegenneigtr. Er machte einen Versuch,
ihn zu verlänaern, indem er an den ihm
väterlich wohlwollenden Re ierungs
präsidenten schrieb. Diese ossnung
schlugsreilich fehl. denn mit wendender
Post tras ein ablehnendeöSchreiben des
Herrn Präsidenten ein.
Es war wohl tein Zufall, daß sich
heinz an demselben Tage, an dem er
den Brief des Präsidenten erhielt, bei
dem Hotelier nach den Verhältnissen
der Madame de la Rothikeee erkundigte.
Nicht nach den materiellen Verhältnis
sen, denn die waren ihm ziemlich gleich
iiltig, aber er wußte auch sonst von
get Dame nichts, da sie tiber ihre per
sönlichen Verhältnisse außerordentlich
zurückbaltend war. Der hotelbesitey
bei dein die Rothidret nun schon seit
einian Jahren regelmäßig wohnten.
konnte ihm einige Auskunft geben«
Madame de la Rothiere war die
Wittwe eines tapferm sranzösischenGe
nerals, der sein Leben aber nicht in
der Krim oder bei Sedan verloren
hatte, sondern auf eigene Weise. Der
General war, wie mancher tapfere
Haudegen, nicht nur mit den General
stabsiarten, sondern auch mit den
Spieltarten gut vertraut. Einmal
hatte er mit einem volnischen Grafen
Streit bekommen, den er geradezu des
Falschspielens beschuldigte. Der Eh
renratb hatte entschieden, daß dem
Polen das falsche Spielen nicht nachge
wiescn werden konne, und so mußte
sich der General auf ein Duell einlas
sen, bei dem er fiel. Der Pole wurde
zwar ein Jahr später beim Falschspie
len abgefaßt und konnte jetzt im Ge
fängniß über die Wechseifälle des Le
bens nachdenken, aber der arme Ge
neral wurde dadurch nicht mehr leben
dig. Glücklicherweise lxitte er seine
Familie in sehr günstigen Verhältnis
sen zurückgelassen. .
Als Heinz Kriidener sich auf solche ;
Weise bergewissert hatte, daß er seiner ’
Familie keine Unehre machen würde,
wenn er Blanche de la Rothiksre in sie
einführte, entschlosz er sich zu handeln.
Er hatte noch diesen Tag und allenfalls
den nächsten Zeit. Jn letzterem Falle
freilich mußte er Tag und Nacht durch
reisen um unmittelbar nach seiner An
kunft zu Hause an die Arbeit zu ge
l:en.
Es tras sich günstig, daß Heinz an
diesem Nachmittag vor der Thiir des
Hotel Blanche allein traf, die auf die
Mama, die noch mit dem Umtleiden be
schäftigt war, wartete. Blanche hatte
ein Buch in der Hand« das sie in der
Bibliotbet gegen ein anderes umtan
fchen wollte. Heinz griff nach dem
Buche und sah den Titel: »Oui«-tus
t«0nspu.«
»Ein sonderbarer Titel, gnädiges
Fräulein« sagte er. ,,Ob wohl ein
Zauber. der uns umgiebt, gestört wer
den kann?«
»Ich glaube wohl,« erwiderte sie er
rötbend »Wenn der Zauber uns
plötzlich umfängt, dann mag er wohl
ebenso plötzlich wieder verschwinden.«
»Aber wenn der Zauber sich langsam
in unser Herz einschleicht, wenn er in
all’ seine Fasern allmälig hineindringt
und sich fest antlammert, dafz man ihn
nicht losreißen kann, weil man sonst
das Herz mit heraus-reißen müßte?
Ulauben lEie« Fräulein Manche-, daß
cin iolcixer Zauber gebannt werden
kann?«
«Nein,« sagte sie leise.
Ter Assessor wollte eben nach ihrer
Hand greifen, da trat die Generalin
ans der Tl;iir. Heinz brummte Etwas
vor sich hin, was siir seine künftige
Schwiegermutter, denn dafür hielt er
sie bereits-, sicherlich leine Schmeichelei
war. Noch zwei Minuten mit Blanche
allein, und er hätte die Entscheidung
herbeiführen tönnen. Nun, die Gele
genheit sollte sich noch finden.
Der Lkbend war ziemlich kühl, und
so saßen die Drei nach dem Abendcon
zert nicht wie sonst ans der Terrasse,
sondern im ConzertsaaL Nur eine
tleine Thiir trennte sie von dem
Durchgangr. der zu dem Tanzsaale
und zu dem Spielsaale siihrte. So
hörten sie bald die Klänge der Weil-ser
ntelodien, bald das Filirren der Geids
sittcte in dem Spielsaale.
,,Spielen Sie eigentlich gelegentlich,
Herr von Ktiidener?« fragte ihn plötz
lich die Generalin.
.-««-ei:iz stutzte einen Augenblick, denn
er mußte unwilltiirlich an die Mitthei
lungen denken, die ihm heute der Ho
telier gemacht hatte, dann sagte er:
»Nein, gnädige Frau, und zwar wohl
weniger aus sittlichen Gründen, als
weil mich das Spiel langweilt·«
Die Generalin brach das Gespräch
ttber diesen Gegenstand ab. Die Unter
haltung war heut recht stockend. heinz
war erregt, Blanche war still, denn sie
dachte wohl an das bedeutungsvolle
Gespräch vom Nachmittage, und die
Generalin tlagte über eine Migriine.
So war es Heinz gar nicht unwillkom
men, als die Damen zeitiger als sonst
ausbrachen. Er begleitete sie zum Hotel
und verabschiedete sich von ihnen um
noch ein wenig Lust zu schnappen.
Heinz wußte, daß an Schlasen heute
stir ihn nicht zu denten war, denn sein
; Blut war viel zu sehr in Wallung. Er
i wollte sich zerstreuen, um seinen Ge
i danten eine andere Ricttung zu geben.
s Er ging in ein Bierbaus in der Rue de
: Flandre, wo er wußte, einen Collegen
s zu treffen. Herr von Griebenow war
s auch richtig anwesend, und so saßen die
s Beiden denn eine Zeitlang beim Glase
Bier. Heinz war aber auch hier tein
i guter G.·ellschaster, und als er wieder
l holt aus Griebenow’s Fragen recht
zerstreut geantwortet hatte, sagte dieser
ärgerlich:
»Mit Ihnen ist heut nichts anzufan
gen, Kritdener. Jch wollte heute ohne
hin einmal in den Spielsaal, mein
Glück versuchen. Jst es anen recht,
mitzukommen?« .
»Wenn ich nicht mitzutvicken brau
l
che, gewiß," entgegnete Heinz. .
»Nein, das brauchen Sie nicht, Sie
Philister.«
So zogen die Beiden denn nach dem
Kursaalr. Als Heinz in den Spielsaal
trat, hätte er am liebsten wieder davon
laufen mögen. Die vielen Menschen,
die sticlende Luft, das monotone
»Fall«-s vorm je«u« der Croupier5,
das Klappern der Geldstücke, all’ dies
widerte ihn an. Plötzlich aber ward ihm
ein Anblick, der ihn festbannte. An ei
nem Tische, der wohl am meisten um
drängt war, standen die Generalin und
Blanche. Heinze konnte von weitem fe
hen, daß die Generalin sich an dem
Spiele betheiligtr.
Als er mühsam feine Fassung er
rungen hatte, bat der den Collegen,
ihn zu entschuldigen, wenn er sich von
ihm trenne, er müsse aber Etwas beob
achten.
Es gelang Heinz, einen Platz zu er
reichen, von dem aus er bequem dieGe
neralin und Blanche beobachten konnte,
ohne von ihnen gesehen zu werden. Die
Beiden richteten ihre Aufmerksamkeit
auch viel zu sehr auf die rollende Ku
gel, als daß sie sich um die anwesenden
Menschen bekümmert hätten.
Um so mehr betümmerte sich Heinz
um diese Menschen. Tie Männer moch
ten ja Passirem aber diese Damen! Die
auffälligen Totletten, das ungenirte
Benehmen und dasstarteParfum konn
ten jedem Kinde sagen, wer in diesem
Saale das Gros der Damenwelt bil
dete. Und in dieser Umgebung sollte
feine angebetete Blanche sein! Das
Herz erfüllte sich ihm mit Bitterkeit,
wenn er sah, wie sie neben einem Pari
ser Dömchen stand, das mit ihrer fein
behandschuhten Hand die Kugel über
das Brett rollte und in das Feld lau
fen ließ. Und mit welcher Leidenschaft
folgte das junge Mädchen dem Laufe
der Kugel, wie waren all ihre Mienen
gespannt, ob die Kugel in die blauen
oder in die rothen oder in die schwarzen
Vertiefungen fallen würde. Madame de
la Rothiisre pointirte zwar, aber ihre
Tochter schien nicht minder vom Spiel
teufel erregt zu sein, als sie selber.
Madame schien nicht sehr vom
Glücke begünstigt zu sein, denn es kam
nicht häutig vor, daß Blanches vor Er
» regung zitternde Hände das-« Geld für
E dieMutter einlassiren konnten. Nach ei
; ner halben Stunde schien denn auch die
’ Casse der Generalin erschöpft zu sein,
s denn sie wühlte erst vergeblich in ihrer
Börse umher, dann wandte sie sich an
Blanche und flüsterte mit dieser. Von
einem plötzlichen Entschlusse getrieben,
ging der Assessor auf die Damen los
und sagte im gleichgültigften Tone zu
der Generalin:
»Dort ich Ihnen vielleicht aus-helfen,
gnädige Frau?«
» Die Generalin war sichtlich unange
I nehm von der Begegnung berührt,
z Blanche wurde leichenblasz und dann
L wieder glühend roth. Die Generalin
faßte sich ziemlich rasch und sagte, wie
um ihre Anwesenheit zu entschuldi:
gen:
»Meine Migräne plagte mich furcht
bar und ich mußte ein wenig Abwechse
lung haben. Uebrigens nehme ich Jhr
freundliches Anerbieten aern an. Kön
nen Sie mir vielleicht 300 Franks lei
hen? Jch werde mir morgen gestatten.
sie Jhnen wieder zuzustellem Spielen
Sie nicht vielleicht auch mit, Herr v.
Firiidener?«
»Ich danke,« sagte er kühl, während
er seiner Brieftasche das Geld ent
nahm, und es der Generalin über
reichte.
Die Generalin war bald wieder ganz
beim Spiel und dachte nicht mehr an
den neben ihr stehenden Assessor. Was
diesen aber aufs Tiefste empörte, das
war, dafz auch Blanche mit aller Lei
denschaft wieder die Wechselfiille des
Spieles verfolgte, ohne sich im minde
sten um ihn zu kümmern. Es war nicht
verletzte Eitelkeit, die ihm das weheGei
fühl verursachte, sondern der traurige
Gedanke, wie ties in diesem Mädchen
die von ihrem Vater ererbte Leiden
schaft wurzeln miisse, wenn sie während
des Spieles gar nicht an den Eindrurt
dachte, den ihr Benehmen auf den
Mann machen mußte, der sie liebte und
den sie wieder liebte
Die Generalin war auch mit den Its-«
Franks sehr bald fertig und wollte
eben den Assessor um eine weitere
Summe angehen, als der Croupier er
tlär;e, daß das Spiel fiir heute been
det ei.
Schweigend schritten die Drei ne
beneinander her dem Hotel zu. Erst
turz vor dem Hotel brach der Assessor
das Schweigen, als Blanche ihn mit
einem bittenden Blicke ansah, der ihn
sonst beseligt hätte. Aber die Stunde
im Spielsaal hatte seine Leidenschaft
zerstört, und so sagte er mit einer Be
ziehung, die nur Blanche verstehen
konnte: «
,,Haben Sie den Roman »Und-enn
mrnpu« heute Nachmittag abgegeben,
gnädiges Fräulein? Jcb will ihn mir
morgen aus der Bibliothet holen.«
Blanche erblaßte und schaute ihn
s wieder flehend an. aber der eisiae Blick.
der ihrem Auge begegnete, a te i r
daß Alles verloren sei. Mit esinger cekex
moniellen Verbeu un t
vor dem Hatel . .g. .g. kennte man sich
Anbewußter Verratlx
Stizzc von W. v. Schierbrand.
Katie und ich waren immer gute
Freunde gewesen. Katie ist meine Cou
stne. Als ich in’s Zimmer trat, erhob
sich Katie von ihrem Sitz beim stamm,
wo ein lustiges Feuer slaclerte, denn es
wat ein tiihler Herbsttag, und schüt
telte mir die Hand. Jn ihren Augen
las ich’s, daß sie wußte, daß ich
wuste —- —
«Auch endlich zurück in der Stadt,
Bobi Kann ich Dir eine Tasse Thee
anbieten?«
»Ja«, sagte ich, »die würde ich gern
trinken. Nur ein Stück Zucker, bitte,
und leine Milch.«
Jch trant meinen Thee schluckweise
und schwieg verweile. Katie lehnte sich
bequem im Schautelstuhl zuruck und
schwieg ebenfalls-. Jhr Gesicht schätzte
sie gegen die Kohlenhitze mit einem brei
ten Fächer, der ihr ganzes Profil im
Schatten ließ.
,,Na?« sagte sie endlich.
»Na?« sagte ich.
»Willst Du nicht, Bob, daß Du we
nigstens ein Wort zu mir sagen könn
test’t Die Gelegenheit dafür ist günstig.
Es scheint mir sogar, als ob es Deine
Pflicht wäre.« So sprach meine Cou
sine mit ihrer leisen, wohlklingenden
Stimme.
Jsch blickte sie an und lächelte. ,,Ja«,
bemerkte ich dann in absichtlich nach
lässigem Ton, »ich habe wag gehört.
Jch wollte dag aber erst von Dir bestä
tigt haben. Tante Christine schrieb mir
—- ich war gerade in den Adirondaclg
und hatte famosen Sport dort — daß
Du —- ich glaube sie hat mir’H sofort
geschrieben —— übrigens, liebe Cousine,
wann war’g doch gleich-«
Wann war wag-« srug Katie.
»Ach, Du weißt — stelle Dich nur
nicht so. Wann hat er um Dich ange
halten? Oder hast Du um seine Hand
angehalten? Es ist doch tein Schalt
jahr.«
«Bob, Du bist heute mal wieder ab
scheulich,« sagte liatie in etwa- gereiz
- temTone, und dabei trippte sie mit dem
Fuße aus und nieder. Es ist mir im
mer so vorgekommen, als ob Katie’s
lSchauspielertalent in ihren Fuszspitzcn
rege.
»Katie, gieb mir etwas Buttertoast.
dann will ich Dir ehrlich Rede stehen«,
bemerkte ich. Daraufhin brachte sie mir
einen ganzen Teller voll und ich kaute
die nächsten fünf Minuten.
,,Gefiillt Dir meine Verlobung
nicht? Ich dachte, Du und Richard seiet
die intimsten Freunde. Er hat immer
so nett von Dir gesprochen.« Und da
bei sah mich Katie mit pathetischen Au
gen an.
»Also Du meinst, ich solle sagen, daß
ich entzückt bin, daß Du das größte
Glück gehabt hast, soviel Glück wie Du
nur verdienst — nicht wahr? Nun gut
—- eraehte all das siir gesagt.« Und ich
stand aus, machte meiner Cousine eine
buinoristische Verbeugung schüttelte
ihr daraus nochmals gratulirend die
J Hand und setzte mich nieder.
i »Ja, Richard ist der beste, der aus
i richtigste Mensch der Welt, und wir lie
f ben uns von ganzem Herzen. Er hat
! mir gestanden, daß ich seine erste Liebe
bin, seine erste und einzige, wie er’s
ausdrückt.«
l Jch hustete etwas verlegen. Dann
- sagte ich, nur um überhaupt etwas zu
) sagen: »Du nennst ihn Richard, wie
I komisch. Jch tenne ihn nun schon seit
s 10 Jahren und nenne ihn immer noch
; Becken Und Du, Du hast ihn, glaube
! ich, erst im Juli kennen gelernt, nicht?
- Romiseh Doch das ist Geschmackssache.
T Also Richard, so sei’s.«
Katie’s Augen fingen wieder an zu
«sunteln. Ossenbar behagte ihr meine
Manier nicht. »So was kommt nicht
aus die Zeit an«, sagte sie dann, und
ihre Wangen färbten sich röther.
»Manche Leute lernt man sein gan
zes Leben nicht tennen — sie sind nicht
ossenherzig Aber Richard und ich wir
kennen uns gründlich. Wir haben keine
Geheimnisse vor einander, absolut lei
ne. Wir haben uns in den zwei Mona
ten besser kennen gelernt als viele Men
schen in einer Ewigkeit. Und das ist
doch die Hauptsache.«
J »Natürlich,« stimmte ich bei, »das ist
’ die Fauptsachef
» Un, warum sreust Du Dich da
nicht über mein Glück?" srug meine
Cousine Kutte. »Das ist doch nicht
hübsch von Dir. Hast Du irgend welche
? Gründe? Dann bringe sie vor. Uebri
i gen-T ich weiß nichts, warum ich mich
s darüber aufrege,« und bei diesen Wor
ten versank sie förmlich in ihrenSchau
telstuhl und hielt sich ihr Taschentuch
vor die Augen, ,,es ist mir ja doch
ziemllch gleichgiltig, was Du darüber
denkst.«
»Na ja. sieh mal. Kutte. das ist für
imich so-’ne eigenthiimliche Sache. Du
kannst mir nicht böse sein, wenn ich
mich nicht darüber freue, zugleich mei
nen besten Freund und meine besteCou
sine zu oerlieren.« «
»Hu verlieren —- wie so denn?«
»Ist mal so —- ich habe fast alle
meine besten Freunde durch Heirathen
oerloren.«
»Das ist aber start,« sagte Katie.
»Ganz einfach —- wenn’s ein Freund
war, so mochte seine Frau mich nicht,
weil ich mehr von ihrem Manne wußte
als sie selbst-«
« »Lächerlich!«
»Und wenn’s eine Freundin war, so
war der Gatte jedesmal etwas eiser
stichtia. weil er glaubte, ich müsse mit
ihr früher geflirtet haben.«
»Wie alber- ’««
»Das Sch«...imste ist, daß sie Beide
gewöhnlichRecht haben. In uicfeni spe
ziellen Fall ——«
»Bob,« schrie Katie und stampfte mit
dem Fuß auf, «toeiin Du blos hierher
gekommen bist, um mir unangenehme
Dinge zu sagen «
»Ich bin hierhergekommen mit der
festen Absicht, inich für Eure Hochzeit
als Brautfiihrer — als »in-sit mini«
anzubieten —- und diese Pflicht will ich
sogar jetzt noch mit Todesverachtung
erfällen.«
»Das ist hübsch von Dir, Bob,«
sagte meine Cousine, wieder ganz be
ruhigt, und lehnte sich bequem imStuhl
zurück. »Dann bist Du auch zufrieden
mit der Sache?«
»Ich glaube, Becker ist ein sehr glück
licher Mensch — unheimliches Glück.«
liatie blickte mich starr an und ihre
Stirn saltete sich. »Wenn Du etwa
glaubst, Bod, daß Richard mich des
Geldes willen heirathen will, so irrst
Du Dich gründlich«, sagte sie ziemlich
scharf.
»Dachte nicht im Traume daraii,«
innrmelte ich. »
,,"Trot7.dem ich zugeben will, dasz es
cin günstiger Umstand ist, ich meine, ’
das; ich Geld habe. Weil wir sonst hät
ten warten inüssen.«
«« «atürlich,'f pflichtete ich bei, »denn
mit XII-) das Jahr hättet Jhr nicht
augkonimen können. Und mehr, glaube
ich, hat Becker noch kein Jahr derdicni,
seitdem er sein Schild als Advocat her
ausgehängt hat.«
i »Aber er hat viel Fähigkeit —- ist
? tüchtig in seinem Beruf, und das An
! dere wird schon mit der Zeit kommen.«
»Ganz recht,« sagte ich.
»Warst Du nicht erstaunt, Bot-? Sei
mal aufrichtig —— w a r st Du nicht ers
staunt?«
»Nicht besonders. Weißt Du, ich war
ja mit ihm im August in den Catstills,
und ich merkte, daß etwas im Werte
war·«
»Das merktest Du damals schon,
Bub? Nicht möglich,« und Katie lachte
still.
»Natürlich wußte ich’s nicht gewiß,
und auch nichts Genaues. Und jetzt, da
ich mich darauf besinne, kommt mirs
eigentlich hinterlistig vor von Vetter,
daß er mir die Sache so verheimlichte.
Und Du auch, Katie. Jch hätte Euch
so viel nutzen können —- indem ich den
Gelegenheitsmacher gespielt hätte.«
»Nun ja, wir Beide zogen eben vor,
unsere eigenen Angelegenheiten selbst
zu besorgen,« sagte Katie etwas refer
dirt.
»Auf jeden Fall kann ich Dir sagen,
liebe Eousme, daß er höllisch in Dich
verliebt ist —- höllisch. Jch hab’s ihm
damals angemertt. Wenn ein junger,
sportlustiger Mann während der größ
ten Sommerhitze regelmäßig am Ende
jeder Woche sich aus den kühlen Bergen
losreißt und auf die heißeBahn sich
setzt, nur um seine Jnamorata einige
Stunden zu sehen, das ist so ziemlich
der höchste Beweis von Liebe, Zärtlich
leit und Leidenschaft, den es geben
kann. Und das that er ja damals jede
Woche regelmäßig« ·
Ratte war aufgesprungen. Sie war
bis unter die Haarwurzeln erbleicht.
Sie blickte mich seltsam an.
»Was sagst Du da? Wann war
das?« stieß sie heiser hervor.
»Im August natürlich, als wirBeide
in den Catskills waren -— aber was
giebt’s denn, KatieZ Du scheinst er
schreckt zu sein. Habe ich irgend etwas
gesagt, was Dich verletzen könnte?«
s »Und wer war das Mädchen, der er
»damals nachlief? Wer? Um Gottes
l Willen, ich muß es wissen,« schrie Katie
i hastig.
»Meine liebe Katie ——«
»Ich bestehe darauf —«
»Mr. Becker,« meldete in diesemMo
« ment das Stubenmädchen, indem sie die
j Thür öffnete.
s Beeter, der so unschuldig aussah wie
ein Lamm, trat schnell zu Er eilte auf
msich zu, ergriff meine Hand, die er
lebhaft schüttelte und sagte im Tone
eines Siegers: ,,Endlich sieht man
Dich alter Junge? Wieder m der Stadt
zurück? Freut mich «
i Jch hielt mich aber nicht weiter auf.
i Mir schwante, daß ich schon genug Un
. heil angerichtet hatte. Und so sagte ich
« blos: »Ich muß gehen —- ich wäre nur
H
im Wege. Adieu Katie.'
Und damit trat ich in die Vorhalle,
froh so leichten Kaufs davon gekom
men zu sein. Becker rief mir nach: »Ich
treffe Dich doch heute Abend im Club ?«
»Ich glaube schwerlich,« entgegnete
ich, indem ich die Hausthür öffnete.
AAA
Modern.
,Nun, Lucie,« fragte der moderne
Ehegatte, »was hast Du heute Alles
getrieben?« Die moderne Frau nahm
ihren Hut ab. ,,Oh!« antwortete sie,
»ich war heute schrecklich in Anspruch
genommen: Um neun Uhr in derFriih
hatten wir Vorlesung bei Mrs. X» eine
reizende Vorlesung! Mrs. X. las über
die »Architettur der vermuthlichen
Hauptstadt des Mars-« — ich wollt’,
Du hättest es hören können —- und da
ran anschließend, trug Professor W.
über »Die Insecten von Central
Afrika« vor. Es war so intseressant.«
»Das- glaub’ ich!« »Dann um 11 Uhr
war ein Meeting des ,,Theosophischen
Clubs« und um halb zwölf bethei
ligte ich mich an einer Besprechung der
Comitemitglieder des ,,Vereins zur
Besserung der Mörder.« »Schön!«
»Und urn Zwölf frühstiickte ich mit
Wirs. Z« »Seht schön!« »Nachtnit
tags mußten wir zu den Theaterpro
ben in die »Il)sen - Gesellschaft«. Als
ich dann nach Hause ging, sah ich ein
reizendes Kind auf der Straße spielen,
gerade vor unserer Wohnung, ein ent
zückender kleinerJunge! Jch mußte ihn
küssen! Wenn ich nur wüßte, wem das
Kind gehört?« »Hatte er blonde
Haare?« fragte der moderne Ehegatte.
»Ja!« »Und blaue Augen?« »Man
derbar blaue Augen!« »Und eine
schmutzige Blouse an?« »Ja, eine ab
scheuliche Blouse!« »Dann weiß ich, ,
wessen Kind es iftl« »Nun?« »Das
unsrige!«
Druckfehler.
. . . . Geradezu erschreckend aber war ,
des jungen Mannes K albbildung.
Es war sein größter Wunsch, ein- "
mal ihr Hündchen fre ser zu dür
sen.
Die berühmte, ohne Arme geborene
K ußkünftlerin wird sich heute-hier
producieren.
Schließlich hatte sich der Oberfökstet
in seinen Aufschneidereien derart ver
rannt. daß er den Rück l u g antreten
mußte.
(Aus einem Roman.)
Als der Graf in den Park getreten
war, umfing ihn eine bisher nie ge
kannte B onne.
iAus einer Reclame - Annonce.)
Eine kräftige, auserlesene Nahrung,
verleiht den Augen mehr Glanz, den
Muskeln größere Spannkraft und der
baut mehr Fr ö sche.
-—— J n. O: x a m e n. Professor: »Ja»
aliotzollsaltigen Fliissigkeiten wie Bier
nnd Wein sinden sich viel weniger Jn
susorien und Bakterien als im Wasser
Was ist daraus zu schließen?« Candi-s
Dat: »Daß — baß die Bakterien einen
setz-c tchlechten Geschmack haben«.
— A u S r e o e. Junge Franz
»Vor der Hochzeit rühmtest Du Dich,
mir auch den leisesten Wunsch erfüllen
zu wollen, und jetzt bleiben alle meine
Wünsche unerfiillt.« Mann: »Das
kommt daher, weil ich bei Deinen vie-;
len Wünschen nicht heraussinden kann»
welche-«- Dein leisester Wunsch ist.«
—-— Ein di- disk-la Karl (Sohn
des Nachbars) :»Lieschen, möchtest
Du einmal einen Roman lesen? Jch
habe einen, ich kann ihn Dir leihen.«
Lieschen: »Einen Roman lesen, das ist
mir zu dumm, erleben möchte ich ei
nen.«
—- Aus der Bettler - Pra
r i s. Bettler: »Ich bitt’ schön um ein
Almosen!« Hausherr: »ZUers»t muß ich
anen sagen, daß ich grundsätzlich....«
» Bettler: »Ich enipfehl’ mich! Wem
; mir Einer mit Grundsätzen kommt
J dann weiß ich schon, daß ich nicht-«
trieg’!«
——« B e s o r g t. »Aber Elise, wis
nic.gst Du nur weinen, weil Du we
gen Deine-J Katarrhg Deinen Maul
- ein Paar Tage nicht küssen kannst!'
»Q, Du hast gut reden —- ich kenn
meinen Mann und weiß, wenn dai
einmal ausgesetzt wird, dann ist e
auch gleich abgeschafft!«
— Gut qualifizirt. Jnspek
tor: »Sie wollen als Aufseher ange
stellt sein, wissen Sie auch, welch
Psliasten Sie übernehmen? — Wem
Sie z. B. eine Geldtasche mit einige-«
Tausend finden, was würden sie han«-.
zu thun haben?« Stellesuchendesr: »Ri
dann, Herr Jnspettor, ist Zappen a
—— dann wird überhaupt nischt meh
aethan!« If
?
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