Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 24, 1897, Sonntags-Blatt., Image 16

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    Y « weitsten-tre- knapp
Ianetanrpser.
-: I ts» bv Id- csmts Pse- s Plu- co.
i « lieber Vetr Rednttionätl
I Wie die erschte
Grehps reip sin
geworde, do hot
der Wedesiveiler
gesagt, sei lieh
ster Trintö uns-o
« » « er am me rs te
·-«,«.«-" HEXEN gleiche deht, iell
HEFT-SICH war zedderweis
'«" · , szer, odder Bis
ter, wie mer ’n
die» Palz rufe deht. Wann jeder
seh Fedderweißer drinke deht,
«—- n deht er nit mehr so arig viel
- m gewwe, awwer, wann er’n so
« , bifobr daß annere Leit dran
le dehte, sell wär der Stoff. Wann
dann so e Battelche Fedderweiße
s »s-, un e ordentliche Disch voll-Sauer
sssi und so e Pund odder zweiPorl- .
. « Stich- bei Galle, do deht mer erscht »
«- wie en Mensch. Wie ich den We- s
--tveiler den Weg hen tahle höre, do ’
mich das Wasser in mein Mund
femme gelaufe. ,,Wedesweiler« hen
gesagt, »du besser stappsi, ich ·lann
i
l
IV s
e- «
ebhes zu höre nit stende. Jn Fält
s? der Fedderweißer mei größtes Ver
·ge, ich sage Ihne, do kann ich mich
: über die Ohre eneitniee.« Könnte
uns dann nit so e Bärrelche fickseZ
ich gefrogt, es werd oss Kohrs
ekspensis sei, awwer was liegt an
paar Dahler, wann mer sich so e gro- .
» Bergniege machen kann. ,,Phil«,
der Wedegtoeiler gesagt, »ich will
emol ehbes sage, ich hen en Far
i« an Hand, wo ich schon sot e paar
;s.br zerick mit gedielt hen, ich sin
« ht, for mich e Fehwer zu duhn, is
« einige Zeit rettig, mich zu pliese· Jch
« ll en emal e Posial drappe un —
« nimmst doch auch e Bärrelim
H ll, ich sollt schniclere«, hen ich ge
« : und hen mich mein Mund abge
·t. Well, die Sach war ahirecht
. e paar Dag später do hot der Far
nit bloß Wort geschickt, nosser, er
- auch zwei Bärrell voll Eli-eph
Is-» hs geschickt. Er hot suns sage
I e, daß mer die Bärrells ganz ruhig
de Keller lege, awwer nor nit zu
tt zumache solle, bilahs der Tschuhs
- erscht noch schaffe. Well, die Sach
- ’ gut genug. Jch hen mei Bärrell
.- de Keller gelegt un hen bei un hei
— nit mehr dran gedenkt. So fm
? «ut acht Dag vergange. Uss en schö
, Owend fm ich so gege Morgend von
» , Wedesweiler heimkomme, mer hen
- ad e arig importent Teemah gehabt
f s ich wollt grad in mei Bett schniele,
lahs die Lizzie, was mei Altie is,
hat, wann ich e wenig srät heim
« un lauter Stoff- wo ich schon
zksisitvennia kenne. Uss eemol, do
.. nssmnpt die Lizzie in die Höh un
« mich an, als wann se mich gar
«t kenne deht. Jch hen gedenkt, well,
·:.«:t gehts los un for den Riesen hen
· » arig pleseni zu die alte Frau sein
: lle. «Lizzieche«, hen ich so schwiet,
s- ich nor ge etonnt yen gejagt, »was
« die Mättet, plogt dich ewidder dein
«' mmetissem, daß du nit schlofe
nnst?« ,,Loß mich in Ruh, ich hen
s- Rummetissem. Du gibsi auch eb
« - drum, was mich truwelt, wann du
I « den Saluhn hocke duhst, dann kann
» ch der Deibhenker hole, sor all was
sds drum gebsi Jn das Haus do
-« leib ich kein Dag mehr. Es is en
Jost ins Haus, un wann du bleiwe
’llst, dann kannst du ja, awwer ich
««I- he iei zweite Nacht mehr, horch, jetzt
Yehis schon widder losl! Jch hen ge
lo«ssen«t un schuhr genug, ich hen so e
s, niges Neus gehört. Es ist immer
Hi bblewubbel, bubblewubbel, but-ble
’ s bbel gange, sell war der Weg, wie’s
s- s ge is Die Lizzie war zu Doht
« schiehrt un hot sich ihrn Kopp mit
f - Piller zugedeckt Jch muß sage,
warn auch keinder geschiehrt, aw
t ich konnt auch nit ausmache, was
die Mätier war. Jch hen getreit die
« izzie die Gostgeschicht auszutedde,
»wer es bot nit geschafft. Well, ufs
« « -hl, hen ich geschlose, was die Liz
k-- in die Zeit gedahn bot, weiß ich
Isz · Kohrs nii. Awwer ufs eemohl hen
« -« en Pusch kriegt, daß ich purtienier
»sp» s das Bett gefloge sin Schuhr
-««««ss- i « s· die Lizzie war sch Du kannst
«lo·se, wo ich arme Person sascht
» we for Fiet, hot se gesagt. Gucl
Irr empl, was ich schiwwere! Well,
i sonnige Neus war noch immer do.
« Z r Ruh von die Lizzie zu kriege, sin
?- in mei Pehnties geschluppt, bilahs
hen iei Kalt letsche wolle, un sin
. von ein Ruhm ins annere, in die
schen in die Gertet un hen doch
I finne Könne. Well, hen ich ge
s-,kt wann du doch emol an de Weg
T, dann iannste ja auch gleich emal
Print nemme. Ich sin in de Kel
t un was wer’n Se denke, do is das
est-sehe Neus herkomme. Jch gucke
- tschost dinl os it, es war der neie
s , der Fedderweißer, wo in das
rrel geiege hot. Do hen ich awwer
· laut lache gemißt. Sell war also
Gebst wo die Lizzie so geschiehrt
.. Well sell wolle met schon stappe.
» Den e Mischet genomme un heen
»i» Mspunde fest in das Bär-tell
s- Da, do war uss eernol
, » chichi vorbei un jeht bot auch
J: slich die Lizzie widder besser
, i. Uff den Schtocke hen ich oss
« « sen- trinke Wißt. Jchhen
« Mr Mich-r Vier erbeigcholt
Isich e feines Stiel W ge
s-—
schnitte un en Knippel Brot derzu, ich
sage Jhne, sell hot awwerien nomber
Wonn Lnnsch gemacht. Jch hen schon
zwei Battelcher innseit gehabt, do hots
uss emohl in den Bärrel so sonnig ge
grunzt un rumohrt un besor daß ich
nachgucke hen könne, do duhts uss
eemohl en Schlag, daß das ganze Bil- ;
dung geschehtt bot. Das Bärrel is au
ßenanner gefloge un der ganze Fed- (
derweißer is iwwer mich gange. Jch
sage Ihne, ich sin hingeschlage un war
dorch un dorch gesohtt von den pehstie
Stoff. Das Leit is mich ausgegange
un ich hen gehallert, daß en« Hund
jammert. Die Lizzie un all die Kids
sm in de Keller komme un anfangs hen
se mich gar nit finne könne. Well es
war e Seit, wie ich geguckt hen! Die
Lizzie hot die Buwe widder in ihrBett
getschehst un dann hot se mich mit e
Stiel Kindlingwutt un e altes Nuhs
pehper mein Stoff ausgezoge. Jch
sin nor froh, daß die Lizzie jetzt lei
Fier mehr for Gohsts hot. Awwer
mein schöner Fedderweißer der war oss
Sohs sutsch un ich muß jetzt mein
Dorscht bei den Wedesweiler stille.
Sell bot mer derson,wann mer so e el
seitet Frau hot
Womit ich verbleiwe
Jhne Jhrn liewer
Philipp Sauerampser.
Vom Berliner ceheimrathsvtcrteh
Das sogenannte Geheimrathsvierrel
in Berlin hat im Laufe der Zeit man
nigfache Wandlungen und Wanderun
gen durchgemacht Das älteste Geheim
ratbsoiertel wurde von nunmehr 200
Jahren unter König Friedrich l. ge
baut. Es war dies die Markgrafen
straße, die man »Gebeimrathsstraße«
nannte, weil es nur Geheimräthe wa
ren, die hiev beim Bau der entstehen
den »Friedrichstadk«' Bauplätze erhiel
ten. Das zweitälteste »Geheimraths
viertel« entstand, als im Jahre 1841
in Folge des Baues der Potsdamer
und Anhaltischen Eisenbahn ein
Durchbruch der Stadtmauer zwischen
Kanal und Stadtmauer errichtet
wunde. Das Geheimrathsviertel be
stand aus der Köthener-, Bernburger
und Dessauerstraße; und ein Jahr
zehnt später nannte man das Carrsz
welches durch Eichhorn-, Schelling
und Linkstrasze gebildet wurde, vor
nehmlich das »Geheimrathsviertel.«
Dann, zu Anfang der 50er Jahre,
baute sich das Geheimrathsoiertel in
den Straßen aus, welche die Matthäi
tirchstraße umlagern, wie die Sigisp
mundstraße u. s. w. Vor dreißig
Jahren etwa begann die umfangreichc
Bebauung der Straßen, welche um den
Magdeburger Platz liegen. dies wurde
das neue Geheimratbsviertel Das
neueste ist aber nun schon weiter nach
Westen gerückt. Hier bildet der
Liitzowplatz etwa den Mittelpunkt des
Winkels, in welchem die »gute Gesell
schaft« Berlins wohnt. Nicht die »auf
Gummi« fahrende, die wohnt seit län
ger als hundert Jahren am Saume des
Thiergartens, sondern diejenigen Ge
sellschaftstreise, welche sich duoch Wis
senschaft und Talent von der großen
Menge abbrben oder welche im Tit-il
oder Militärdienst eine gewisse höhere
soziale Position einnehmen. Nicht
lange wird es dauern, dann wandert
das Viertel weiter nach Westen, viels:
leicht die Kurfürstenaoenue entlang,
vielleicht baut es sich im Kreise um das
Joachimsthal’sche Ghmnasium aus.
Von der Zinswesens-ed
Die Kunst der Sterndeuterei war im
Alterthum ein ziemlich einträgliches
Geschäft. So giebt einmal ein römischcr
Schriftsteller das Honorar für die Be
sragung eines Astrologen vor Antritt
einer Reise auf 100 Denare sca. sLls
an. Neben den Hausastrologen der
Reiches und Vornehmen gab es auch
Wintelastrologen, die den gemeinen
Leuten für ein Billiges das Zukünftige
ausrechneten, wie z. B. demLandwirtkse
das Wetter, einem Brautpaar den er
sehnterk Hochzeitstag und dergleichen,
was gewohnlich nur 7 Cents nach un
serem Gelde gekostet haben soll. Der
Sterndeuter der nachheidnischen Zeit
theilte den Himmel für seine Zwecke in
zwölf «Häuser«, indem er von 30 zu 30
Grad dem Aequator entlang Kreise
legte, die durch den Süd- und Nord
punkt des Horizonts gingen; die ersten
sechs lagen unter, die anderen sechs
über dem Horizonte. Jedes Haus hatte
seine bestimmte Bedeutung Eine wei
tere Hauptfrage war, welche Planeten
sich zu einem bestimmten Moment, z·
B. bei der Geburt, in den einzelnen
Häuser-n befanden, und wie sie gegen
einander standen. Die Bedeutung der
Planeten in den einzelnen Häusern war
verschieden. Das dritte, sechste und
elfte Haus waren sogenannte fallende
Häuser. Jn »Wallensteins Tod« saat
Seni: »Der Saturn unschädlich,
machtlos in nach-into dom0.'« Dagegen
galten das erste, vierte, siebente und
zwölftehauö als die mächtig wirtenden
»Anaeln des himmels.« Für den möch
tigsten Planeten wurde der Jupiter ge
halten. Durch die Entdeckungen vors
Copernicus und Galilei ist die Astro
logie außer Credit gekommen.
—- Zum Andenken. Richter:
»Sie haben dem Geigenvirtuosen bei
jener Rauserei eine Haarlocke herausge
rissen?« — Angeklagter: »Ja, bin ein
stiller Verehrer desselben!'«
—- Verwöhnt. Dame: »Wie
wunderschön singt die Nachtigall! Fin
den Sie das· nicht auch, Herr Reute
nant?« —- Lieutenant: »Bist lebt ver
villmt —- iilm selbstl«
—
Intermezzo.
Aus dem Dollandischen von Orten.
»Der Herr Doltor möge doch sol
freundlich sein, sobald als möglich zu
Frau Rene zu kommen; ’s geht dem
Kind viel schlechter!« . . . Seufzend
legt der junge Mann sein Buch aus
der Hand —- und die düstere Wolle,
welche den Ausdruck seines sympathi
schen intelligenten Gesichtes verfinstert,
legt nicht gerade Zeugniß ab von der
musterhaften Opferfreude, mit welcher
er vor wenigen Tagen seinen Wir
kungskreis verließ, um die beschwerli
che Landpraxis seines besten Freundes
zu übernehmen. Der Glückliche! Ehe
er sich für immer in diesen abgelegenen
Erdenwinlel begab, um sich ganz und
gar der leidenden Menschheit zu wid
men —- mit einem Heldenmuth, den er
hauptsächlich der süßen Macht der
Liebe zu verdanken hatte — wollte er
noch einmal, zum letztenmal vielleicht,
die schöne große weite Welt dort drau
ßen genießen, von einer jungen Frau
begleitet, die künftig all’ die Mühen
feines Lebens mit ihm theilen würde.
Einen Augenblick erwacht jenes alte
wilde verzweifelte Verlangen wieder
in seinem Dezen; jenes mächtige un
bezwingliche efiihl, das ihn manch
mal volltommen beherrscht.
Doch sein ernster Geist ist start . . .
Bald schon macht sein düsterer Ge
sichtsausdruck einem freundlicheren
Platz. «Gliicklicher Kerl!« murmelt
er, während er sich die Stiefel an
zieht. »Du verdienst es und ich gönne
es Dir von Herzen!« Und als er we
nige Minuten darauf in seinem Cou
pe faß. waren seine Gedanken an ei
genes dahingeschwundenes Glück und
bittere Erfahrungen gänzlich in den
Ointergrund getreten-, er dachte nur
noch voll theilnehmender Freude an
das Glück seines guten Freundes, mit
dem ihn die Erinnerung an viele ge
meinsam verlebte Jahre eng ver
knüpfte.
Als bunte verführerifche Bilder
tauchen die Erinnerungen aus der lu
stigen Studentenzeit vor seinem Geiste
auf. Wie viele Stunden vollen, un
getrübten, nie wiederkehrenden Genus
ses, herrlicher ungebundener Fröhlich
leit, exaltirter Schwärmerei erlebt er
nun wieder in diesemAugenblicke, aber
auch wie viele Enttäuschungen, wie
viel zerstörte Jllusionenl
Plötzliches Stoßen und Holdern
der Räder über schlechtes ungleiches
Pflaster weckt ihn unsanft aus feinen
Träumereien· Lächelnd öffnet er das
Wagenfentter. »Wohin fahren Sie
mich eigentlich« Kutscher? Wer ist
diese Frau Rene . . . war herr Dol
tor schon oft bei ihr? Jch tann mich
gar nicht darauf besinnen, den Namen
von ihm gehört zu haben!« Der
Kutscher erzählt ihm nun mit der
Weitliiufigleit, die dieser Art von
Menschen eigen ist. Frau Rene sei
eine vornehme französische Dame und
erst vor wenigen Tagen in dem klei
nen Küstenorte angelommen mit einem
lranlen Kinde, dem der Arzt wohl
die Seeluft verordnet habe. Sie
wohne im »Hotel" und der Herr Dot
tor sei erst ein Mal bei ihr gewesen.
Während des Aussteigens fühlt
Dottor van Verzan, wie das Inter
esse für die unbekannte Fremde sich
unwillkürlich in ihm zu regen beginnt,
kopfschüttelnd und über die Nachläs
sigteit seines Freundes lächelnd tritt
er ein, durchschreitet den Billardsaal
und gelangt dann in das primitiv ein
gerichtete Speifezimmer, wo er bei der
Buffetdame erst die ndthtgen Erinn
digungen über Dies und Jenes ein
zieht; dabei wird er gleich von-vorne
herein angenehm berührt durch die
lleine Abwechslung, welche dieser Be
such in sein eintöniges Leben zu brin
gen verspricht. —- Krantenbesuche bei
den Bauern in der Umgegend und bei
den wenigen Bewohnern des Ortes,
ewig dasselbe.
Er tann ein leises spöttisches Lä
cheln über sich selbst nicht unterdrücken.
Seine Freunde haben ganz recht, wenn
sie ihn mit seinem verfeinerten Ge
schmack und seinem Hang zur Distinl
tion necken —- in einer Umgebung wie
dieser hier z. B. tönnte er sich nie und
nimmer mehr wohl fühlen.
Und doch —- wieder ersteht eine
längst zerstörte liebe Illusion vor sei
nem geistigen Auge . . . es hatte eine
Zeit gegeben, wo ihm ein solches Le
ben nicht abschreelend erschienen wäre,
nie hätte es ihm jemals öde und trüb
erscheinen können mit ihrs-—- — Mit
ihr, deren elastischer frischer Geist so
belebend wirtte, mit ihr, die ihn ver
stehen und all sein Denken und Füh
len mit ihm theilen würde?
Dann hätte er sich nicht vor dem Le
ben gefürchtet, das ihm nun für einen
Mann der Wissenschaft so geisitödtend
erschien. — Sie würde ihm Alles, Al
les ersetzt haben! —
Bald aber verschwinden alle diese
Gefühle, um der ungetheilten Andacht
und Aufmerksamkeit des Arztes Platz
zu machen·
Eine alte srannösische Kinderfrau
mit verweintem Gesicht und stark ge
rötheten Augen erzählt ihm, während
sie die Thür zum Krankenzimmer öff
net, daß es sehr schlimm stehe mit
dem kleinen Patienten. »Ach, here
Doktor, tommen Sie doch, bitte,
schnell herein. —- Die gnädige Frau ist
hier. Ach, der liebe, gute, süße Jun
ge!« . . . Und dicke Thränen rollen der
alten Getreuen bei diesen Worten über
die runzligen Wangen.
Wie er ins Zimmer tritt, erblickt
des Arzt is der Nshe des Mut-erhell
Ichens eine stattliche elegante Frauen
gestalt, welche troh ihrer höchst einsa
then Kleidung einen seltsamen Con
trast bildet zu der fpießbiirgerlichen
Einrichtung dieses ungemüthlichen
Hotelzimmers, welchem einige tleine
Luxusgegenstände und Rippes undf
mehrere gesehmackvolle Draperieen ei
nen etwas wohnlicheren und comfor
tableren Anstrich verleihen.
Wahrscheinlich hat sie ihn nicht her-«
einkommen hören —- ihre ganze Seele
ist erfiillt von der Angst um das
theure Leben, das sie vor ihren Augen
dahinschwinden sieht, hinwegfliehen,
weit, weit fort von ihr, und das sie
doch nicht opfern kann, nicht opfern
will. Oh Gott, es lann nicht wahr
sein — sie wendet den Kon um, sie
hat seinen Schritt gehört. —- Und ihm
ist's in jenem Augenblick, als ströme
alles Blut nach seinem Herzen; wie
schwarzer Nebel hängt’s vor seinem
Geiste, vor seinen Augen. Er hat sie
erkannt . ..
Sie ist’s, sie,... die Frau, welche
er geliebt und die sein Leben vergiftet
hat durch ihre Untreue, ihre Schwach
heit, ihren Wankelmuth
Mit fast übermenschlicher Kraft
drängt er den Strom von Gefühlen
zurück, der sein Herz erfüllt und wird
seiner Rührung wenigstens so weit
Herr, daß er im Stande ist, ruhig zu
ihr zu sprechen, zu ihr, deren Bild er
tausendmal aus seiner Seele zu ver
bannen gesucht hat, und tausendmal
vergebens. —- Auch sie hat ihn er
kannt.
Die vollkommene, Allem überlegene
Selbstbeherrfchung der Weltdame gibt
ihr auch nun noch die Kraft, ruhig zu
bleiben und das nicht zu zeigen, was
sie dort immer foltert und quält, den
entsetzlichen Kampf, den sie zu käm
pfen hat, nun da sie den Mann wie
dersieht, dessen große Treue und auf
richtige Liebe sie verschmäht hat, und
die Todesangst um ihr sterbenskran
tes Kind . . . doch alles Leben scheint
aus ihrem Antlitz ewichen und ihre
Stimme klingt heiser vor Erregung,
als sie ihm die Fragen beantwortet,
welche er betreffs des kleinen Kran
len an sie richtet.
Die Untersuchung dauert nicht lan-:
ge; die Schwäche des armen kleinen
Patienten macht es unmöglich, doch
lange und ernsthaft bleibt sein Blick
auf dem lleinen abgezehrten Körper
chen und dem mageren Kindergesicht
chen haften, in welchem nur eine ganz
leise Bewegung der bleichen Lippen
noch eine Spur von Leben verräth . ..
Jhr Kind! —- Kein einziger Zug in
dem kleinen, fast allzu zarten Gesicht
chen, der ihn an ihre frische gesunde
Schönheit erinnerte. —- Jhr Kind!
und nicht das seinige! —- Das Kind
jenes Mannes, den sie ihm vorgezogen
hat —- diister, drohend, mit einem
Gemisch von nie getanntem Hasse und
bitterer Wehmuth beschleicht ihn jener
Gedanke.
»Ich glaube, das-, es ihm ein wenig
besser geht, Herr Toltor... er liegt
nun so ruhig, wenn nur der furcht
bare Anfall sich nicht wiederholt!« Es
ist nun etwas iiiehr Klang in ihrer
Stimme, der weiche shinpathische Ton,
welcher ihn an früher erinnert, trifft
ilin tief ins Herz und rührt ihn zu
gleich, vielmehr noch als der Ausdruck
ihrer Züge. Die Hoffnung, welche in
ihren Worten zittert, erfüllt ihn plötz
lich mit innigem Mitleid. » Weiß er
doch. daß das Unheil unwiderruflich
ist, daß ein einziger Erstickungsansall
den zarten Körper aus immer vernich
ten wird!
Er blickt sie an, die Mutter, welche
er noch immer liebt, und das davon
eilende Leben, ein Stück ihres eigenen
Lebens . und jenes nur allzu bei
kannte Antlitz, aus dem Sorge und
Kummer den Sonnenschein verjagt
haben! Er fühlt seinen Muth sinken,
wenn er an den Augenblick denkt, da
diese dunklen Augen ihn voller Ber
zweiflung anblicken werden, da er in
ihnen die Frage lesen .wird, welche die
behenden Lippen auszusprechen nicht
im Stande sind. Jhm ist, als müsse
er sie mit feinen jungen starten Armen
umfassen, als müsse er es abwehren
von ihr, jenes große unvermeidliche
Leid, das sie doch wird tragen müssen.
»Sie müßten sich nun ein wenig
Ruhe gönnen, versuchen Sie’s ein
mal. Sie werden gewiß schlafen tön-,
nen, morgen sind Jhre Kräfte wieder
nöthig!'· sagt er freundlich und ruhig,
doch etwas weniger förmlich als zu
vor.
Das »Vielleicht« bringt er nicht
über die Lippen. Doch als er feinen
Hut ergreift, um zu gehen, streckt sie
ihm die Hand entgegen und blickt ihn
fragend, ängstlich an Etwas in
seiner Haltung läßt sie die Wahrheit
vermuthen und erfüllt sie von Neuem
mit Angst und Schrecken. »Es ist
doch —- noch — Hoffnung .. . . nicht
wahr, —- Herr Doktor, —— oder glau
ben Sie, dasz wenn der Ansall
wiederkommt?« Sie tann den
Sah nicht vollenden . . . . große Timä
nen erglänzen in ihren schönen Augen,
die ihn wie um Hilfe flehend an
blicken.
»Das Kind ist sehr schwach, gnädi
ge Frau,« sagt er ausweichend, »aber
ich werde thun, was in meinen Ker
ten steht. Und vor allen Dingen nur
den Muth nicht verlieren, nicht wahr?
Morgen früh toinnie ich wiedert« —
Er drückt die eistalte Hand, welche sie
ihm reicht, und gibt der Kinderfrau
den Auftrag, das Rezept sofort besor
gen u lassen. Einen Augenblick spä
ter ävrt er davon. die stille eint-nie
Landstraße hinauf. Jn der Finster
niß der Nacht blicken ihn die dunkeln
Augen noch immer fragend, verzwei
felnd an . . . und et weiß nun, daß er
snen Theil seines Lebens dafür geben
.Cirde, wenn er jene unendliche Trau
tgieit daraus entfernen könnte. .. · .
Zu Daumen-.
Unter diesem Titel veröffentlicht der
bekannte sranzösische Schriftsteller An
dre Hallays eine originelleSchilderung
des Lebens aus dem Badreuther Fest
spielhiigel. Wir lassen den lebhaft ge
schriebenen Artikel, mit einigen unbe
deutenden Kürzungrn, hier folgen:
»Allen Besuchern der Bahreuther
Festspiele hat sich gewiß das so bu;ite,
mannigfaltige Schauspiel eingeprägt,
das die Menge während der langen
Zwischenaite der Ausführungen dar
bietet. Einzelne, die das Bedürfnisz
nach Einsamkeit empfinden. verbreiten
sich über die benachbarten Felder, An
dere suchen den Wald aus« der den Ab
bang des Hügels bedeckt. Aber der
größte Theil der Zuschauer bleibt in
dichten Gruppen vor der Fa(;ade des
Festspielhauses, auf der lieblichenPlat
form, von der man die sanften, etwas
einförmigen Wellenlinien der frönti
schen Berge überschaut.
Man unterhält sich lebhaft und laut,
die Bewegungen und Gesten haben et
was Excessives, als ob sich Jeder für
das Schweigen und die Unbeweglich
trit, lvozu er im Saale so lange ver
urtheilt war, schadlos halten wollte.
Da treten alle Typen der zu der Wall
fahrt gekommenen Pilger in ihrer gro
ßen und sehr ergötzlichen Verschieden
heit hervor. Man hört rings um sich
Exegeten, die schwierigen Stellen in
der Dichtung auslegem das sind die
Theologen. Dann gibt es Liturgisien,
die über einige Punkte der Interm
rung discutiren, und Kritiler, die mit
wichtiger Kennermiene behaupten, die
ses oder jenes Thema sei nicht gut
herausgekommen Ferner gibt es »den
kende« Fanatiter, welche nach neuen
und aliinzenden Adjektiven suchen, um
ihre Bewunderung in einer ganz be
sonderen Form los zu werden, oder
»naive« Fanatiier, die sich mit allge
meinen entbusiastischen Redensarten
begnügen. Dann wieder findet man
Neulinge, die um Austlärungen bitten·
Einige haben geweint und suchen ihre
Tbrörien Zu verberaen, Andere haben
nicht geweint, und thun, als ob sie sich
hie Auan trockneten. Es gibt auch
Maulaffen die non Grunde zu Gruppe
laufen. und bitten, daß man ihnen
Frau Wagner zeige. . ·. Und unter
dessen machen unzählige Amatenr
Itbotographen unzählige Momentbil
der . . ..
Unter allen diesen Redesluihen und
Gestilulationen merlt man sehr bald,
das; man die Zuschauer in drei Kate
gorien theilen tann. Ich beanspruche
nicht. dass. man meine Eintheilung für
erschöpfend halte und bin mir wohl
bewußt, dafz es noch viele andere Nü
ancen gibt, die siir einen Psychologen
interessant wären; aber indem ich diese
drei Tvpen feststelle, glaube ich unge
fähr ausgesprochen zu haben, was zur
Charakteristik dieses seltsamen, aus
dem heiligen Hügel wandelnden Publi
kums dient.
Eine Sorte von Pilgerin die man
früer nur selten in Banreuth sah, die
aber seit einigen Jahren dort wimmelt, ,
besteht aus Leuten. die sich sagen: i
»Man muß in Bahreuth gewesen Z
sein.« Diese Art kommt nicht aus
Neugier, sondern nur, um nicht länger
unter dem Schein der Inferiorität Zu
leiden, der den trifft, der noch nicht in
Vanreutb gewesen ist. Diese guten
Leute sind übrigens nicht das schlech
tefte Publikum: einmal im Wasser,
versuchen sie auch mit zu schwimmen.
Hat man auch einmal die Reise nach
diesem tleinen fränlischen Städtchen
gemacht, die schlechten Betten und die
bedenkliche Kost ertragen, so musz man
sich dafür wohl durch die Vorstellungen ,
schadlos halten. Manchmal wird aber
auch dieser gute Wille nur halb be
lohnt: »Es ist eine träge und allzu
leicht verständliche Musit," sagte einer
der Zuschauer nach dem »Parsifal".
Jn anderen Fällen ist die ,,Gnade«s
ohne Wirkung und die Taube schwebt
nicht hernieder. Dann lehrt der gute
Philister nach Hause zurück, resignirt,
ol;«ne Reue, und ist zufrieden. »dabei
gewesen zu fein«.
Ein anderer Typus, der seltener ist
als der vorige, aber dafür größeren
Lärm macht, ist der anspruchsvolle,
iibellaunige, unzufriedene Pilger, der
sich ungefähr folgendermaßen äußert:
»Mit Bahreuth ist es aus! Was thun
alle diese Weiber hier mit ihren schrei
enden, aufgeputzten ToilettenZ Ehe
denl sah man hier nur Reiselostiime,
Flanellhemden und die Anziige der
Gäste harmonirten vollkommen mit
den Droschlen der Stadt. Man ber
brachte feine Vormittage einsam und
schweigend unter den großen Bäumen
des Hofgartensz jetzt sind alle Bänte
mit Schwatzenden befest, und die
buntscheckigen Sonnenschirrne bilden
auf dem Grün der Wiesen beleidigende
Flecken, —- aber dies-S ginge noch an,
wenn nicht das Theater sich in einem
steten Verfall befändr. Jm «Parsifal«
hält Felix Mottl nicht die Hermann
Levi’schen Tempi fest. Und wenn wir
wenigstens Mottl behielten, aber man
muntelt, daß er sich mit Wahnfried
überwerfen habe. Es scheint, man will
die großen deutschen Künstler beiSeite
schieben. Wo ift die Walten, die Ma
ternai haben Sie Anna v. Mildeni
burg alt »Aus-den« gehört? Sie ig »
W
gänzlich ungenügend und FTCU
nimm-se Dkkm Stimme hat seine
Wucht und hält nicht bis zum Schlusse
des zweiten Attes aus. Und man hat
die Stirne den ersten Au der »Wal
türe'« mit Frau Suchkt UIID HMU VO
gel zu besetzenl Diese Beiden siUP TU
sammen 118 Jahte Cli, SMAU 11s3, Ich
weiß es gewiß. All’ dies« kommt von
den Jntriguen in Wathklkd g -»· « ·
So iammert der »iibellaunige Pis
ger über das »Ende« von stykkukhs
und doch kommt er immer wieder —
um immer wieder zu tritisiren
Endlich ——— der Enthusiast- Ez- Ant
wortet den Uebellaunigen: »Bleibt der
»Parsifal« nicht der »Parsisal«, Ivell
die Zuschauer besser angezogen nnd,
als früher? Was gehen mich die An
ecdoten an, die man über Wahnsrird
colportirts Zugegeben, daß die Rolle
der ,.Kundry« ungenügend besetzt tst
--— aber welche Sängerin hätte man
mit ihr betrauen sollen? Man !a"n
doch nicht Frau Materna wieder aus
grabent Und hat Felix Mottl wirt
lich die »Tempi« Hermanu Levis so
veränderte Jch kann das so wenig
beurtheilen, wie Sie, aber was ich
wohl beurtheilen kann, ist, daß das
Orchester unter seiner Leitung unver
gleichlich ist, und daß der »Varsifal"
unter ihm mich auf’s Neue tief bewegt
und erschüttert hat. Ich habe den
,.Ring« zweimal gehört; die erste Aus
führung unter Richter-, war außeror
dentlich an Glanz und Präcision; die
weite unter Simses-d Wagner ieiate
eben andere Qualitäten. Siegsried
Wagner hat weder die Autorität noch
die Erfahrung von Richter; vielleicht
hat er auch nicht die lörverliche Kraft,
um das Gewicht dieser vier auseinan
derfolgenden Vorstellungen zu tragen:
in dem letzten Alte der ,,Götterdiimme
rung« schim es manchmal, als wolle
das Orchester seinen Händen entglei
ten. Aber dasiir in anderen Partien
des Wertes: welches jugendliche Feuer,
welche geschmeidige Führung, wie
prachtvoll trat jedes Thema der Wag
nerischen Sinfonie in seiner ganzen
dramatischen Gewalt hervor! Und
auf der Steue, welche wahrhaft wun
derbare Ausführung, die nur dadurch
ermöglicht wurde, dasz die Künstler in
diesem Jahre lange und unermüdlich
unter Frau Wagner und Siegsried
studirt hatten. Das Ensemble ist mu
sterhaft. Frau Gulbranson singt die
»Beünnbilde« ohne Fehl und Tadel,
und mit welcher Jugendfrische! Wie
herrlich vereiniat sie die keusche Jung
frau in der ,.Waltüke« mit dem hin
gebenden Weibe im »Siegfried« und
der tragischen Leidensgestalt in der
,,Giitterdi1·mmerung«! Und ist jemals
der tindliche Held ,,Siegfried«' schöner
und leuchtender in Erscheinung getre
ten, als durch Alois Burgsialler? Und
ist es nicht eine hohe Freude, daß durch
van Noahs wundervolle Darstellung
und herrliche Stimme endlich die Rolle
des »Wotan« zur Geltung gekommen
ist? Kurz —-— das Wert Wagner’s hat
sein Leben und seine Bedeutung wie
dergefunden; das Drama ist jetzt von
allen Schlacten gereinigt,·9mit denen es
die Routine und die Unsähigteit der
Darsteller in den letzten 20 Jahren be
deckt hatten; das Wert hat sein Gleich
gewicht wieder gefunden· Einzelne
Scenen, wie die zweite im zweiten Akt
der »Waltiise«, wie die Begegnung
»Siegsrie«:-"S" und »Wotan’5« im drit
ten Att des »Siegsried«, wie die des
»Liebestrantes« im ersten Att der
,,Götterdäminerung«, können nur aus
der Bühne des Festspielhauses wirken
und begriffen werden. Und nun lächle
man über die »Frau Martgriisin«,
oder erzähle Geschichten von Jntriguen
des Hauses Wahnsried ——-- deshalb
bleibt es doch eine unumstößlicheWahrs
heit, das; das Wert Richard Wagner’s,
Dant der Arbeit von Frau Wagner
und ihrem Sohne, in pietätvollster
Weise in Bahreuth zur Ausführung
kommt. Wenn man die Vorstellungen
dieses Jahres mit denen des vorigen
vergleicht, so muß man mit Dant und
Bewunderung das Streben der Leiter
der Festspiele nach immer größerer
Vollendung anerkennen.«
-(
Meptziner nnd Menschenfreund.
Ein Arzt aus dem Lande wird sehr
dadurch genirt, daß nach alter Sitte
die Burschen zu seinen weiblichen
Dienstboten zum «Fensterln« kommen.
Ganz besonders ängstlich ist seine
Frau. Wer ist im Stande, zu wissen,
in welcher Absicht so ein Mensch
kommt; es trieb sich ohnehin eine Ein
brecherbande in der Gegend herum.
Eines Nachts, als der Arzt von ei
nem Patienten zurücktommt, sindet er
seine Frau in Todesängsten, ein Kerl
ist im Hose! Der Doktor, welcher
durch diese ewigen Unannehrnlichteiten
ohnehin schon sehr ärgerlich ist, ge
räth in derartige Hitze, daß er seinen
mit Vogeldunst geladenen Stutzen von
der Wand reißt, das Fenster össnet
und als der Eindringling Fersengeld
gibt, dem Kett eins hinten hinaus
schiebt
Der springt daraus wie besessen an
dem Hosthor hinaus, um dieses zu
übertlettern und dadurch einer zweiten
Ladung zu entgehen. Daran aber
denkt der Doctor nicht« in ihm ist der
Mediziner und der Menschensreund
wieder erwacht. Er tust dem Fliehen
den also nach: »Wenn D’ hast einbre
chen wollen, Du Pazi. dann sehst Dich
die Nacht über in’s talte Wasser, wenn
D’ aber bloß hast Fensterln woll’n, na«
kommst ’raus, i' verbind Di'!«
— Wentgfvtragen eine
Amtstette um den hol-. Viele —- am
Futt